Edith Gräfl, Manfred Arnold
Rz. 3
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) regelt unter anderem den Anspruch von Beschäftigen auf Arbeitsfreistellung von Arbeitnehmern zur Pflege von nahen Angehörigen. Nach § 7 Abs. 1 PflegeZG zählen zu den anspruchsberechtigten Beschäftigten neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch zur Berufsbildung Beschäftigte und arbeitnehmerähnliche Personen. Nahe Angehörige im Sinne des Gesetzes sind Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwager; Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder; die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners; Schwiegerkinder und Enkelkinder (§ 7 Abs. 3 PflegeZG). Ein durchsetzbarer Anspruch auf Pflegezeit besteht nur in Unternehmen mit regelmäßig mindestens 16 Beschäftigen, wobei Auszubildende mitzählen (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 PflegeZG). In Unternehmen mit 15 oder weniger Beschäftigten kann Pflegezeit seit dem 19.12.2022 zwar beantragt, bei Ablehnung durch den Arbeitgeber aber nicht erzwungen werden (§ 6a PflegeZG). Der Anspruch auf Pflegezeit kann ab Beginn der Beschäftigung geltend gemacht werden.
Rz. 4
§ 3 Abs. 1 PflegeZG gibt Beschäftigten neben dem Anspruch auf vollständige Freistellung auch einen Anspruch auf teilweise Arbeitsfreistellung für die Pflege eines pflegebedürftigen Angehörigen. Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber vollständige oder teilweise Pflegezeit spätestens 10 Arbeitstage vor deren Beginn schriftlich ankündigen und gleichzeitig erklären, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Freistellung von der Arbeit in Anspruch genommen werden soll. Die vollständige oder teilweise Pflegezeit ist für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen nach § 4 PflegeZG auf längstens 6 Monate begrenzt. Der Arbeitnehmer darf diese aber nur einmal für jeden Angehörigen in Anspruch nehmen, auch wenn die zunächst genommene Pflegezeit weit unter 6 Monate liegt. Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist durch eine Bescheinigung der zuständigen Versicherung nachzuweisen. Voraussetzung ist die Pflege in häuslicher Umgebung. Entsprechend § 36 Abs. 1 SGB XI kann dies ein eigener Haushalt der Pflegeperson oder des pflegenden Beschäftigten sein.
Rz. 5
Der Anspruch auf teilweise Freistellung von der Arbeit besteht auch bei Freistellung zur Betreuung Minderjähriger bei häuslicher und außerhäuslicher Unterbringung (§ 3 Abs. 5 PflegeZG) und der Begleitung eines sterbenskranken nahen Angehörigen (§ 3 Abs. 6 PflegeZG). Die teilweise Arbeitsfreistellung orientiert sich teilweise an der Teilzeit in der Elternzeit nach § 15 BEEG, enthält jedoch zur Vereinfachung Besonderheiten.
Rz. 6
Will der Arbeitnehmer nur eine teilweise Arbeitsfreistellung in Anspruch nehmen, hat er dem Arbeitgeber mit der Geltendmachung der Pflegezeit neben dem Umfang auch die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben (§ 3 Abs. 3 Satz 2 PflegeZG). Der Umfang der gewünschten teilweisen Freistellung ist bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs weder nach oben noch nach unten begrenzt. Es gibt abweichend von § 15 Abs. 5 und 6 BBEG keine Trennung von Konsensverfahren und Antragsverfahren, es sind auch keine Fristen zu beachten. Arbeitgeber und Beschäftigte haben die Vereinbarung über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit schriftlich zu treffen. Die Wahrung der Schriftform nach § 125 BGB ist Wirksamkeitsvoraussetzung.
Rz. 7
Der Arbeitgeber kann den Antrag nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. Der dringende betriebliche Grund entspricht dem Ablehnungsgrund bei Teilzeit in der Elternzeit und kann sich auf den Umfang der Verringerung oder die gewünschte Verteilung beziehen. Es muss sich um gewichtige Gründe des Arbeitgebers handeln, die das Interesse des Beschäftigten an der häuslichen Pflege überwiegen. Die Vereinbarung muss vor der beantragten Pflegezeit getroffen werden. Schweigen des Arbeitgebers führt im Gegensatz zur Fiktion nach § 8 Abs. 5 Satz 3 TzBfG nicht zur Zustimmung.
Rz. 8
Liegt keine Vereinbarung vor, muss der Beschäftigte, auch wenn er der Auffassung ist, dass der Arbeitgeber zu Unrecht die Pflegezeit mit teilweiser Verringerung der Arbeitszeit abgelehnt hat, auf Zustimmung des Arbeitgebers klagen. Im Gegensatz zur vollen Pflegezeit, bei der eine Feststellungsklage zu erheben ist (BAG, Urteil v.15.11.2011, 9 AZR 348/12), ist daher eine Leistungsklage auf Zustimmung zur gewünschten Pflegezeit mit teilweiser Arbeitsfreistellung zu erheben. Da eine solche Zustimmung nach § 894 ZPO erst mit Rechtskraft als erteilt gilt, ist der Anspruch im Regelfall nur durch eine mögliche einstweilige Verfügung zu realisieren.
Diese setzt voraus, dass der Antragsteller seinen Anspruch rechtzeitig und ordnungsgemäß angekündigt hat, die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen ordnungsgemäß nachgewiesen wurde und die erforderliche Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung vorliegt, diese also zur Abwehr wesentlicher Nachteile des Antragste...