Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. Mehrfachbegründung des Berufungsurteils
Leitsatz (redaktionell)
Eine Revision ist insgesamt unzulässig, wenn sie im Fall der Mehrfachbegründung nicht alle voneinander unabhängigen, selbständig tragenden rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts angreift.
Normenkette
ArbGG § 72 Abs. 5; ZPO § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 552 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12. November 2014 – 2 Sa 407/14 – wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum Juli bis Oktober 2013.
Der 1953 geborene Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vom 23. Juni 1997, gültig ab 1. Juli 1997, Anwendung (im Folgenden MTV). In § 18 MTV ist das Erlöschen von Ansprüchen geregelt, wenn diese nicht innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden.
Während eines – mittlerweile rechtskräftig beendeten – Rechtsstreits über die Vergütungshöhe kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 20. Februar 2012 das Arbeitsverhältnis außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich. Auf die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 26. Juni 2012 die Kündigung sowohl als außerordentliche als auch als ordentliche Kündigung für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 27. November 2012 zurückgewiesen. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Juni 2013 zurückgenommen.
Mit der am 16. Juli 2012 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum Februar bis Juni 2012 sowie für künftige Monate gefordert. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2014 hat der Kläger die Klage um den Zeitraum Juli 2012 bis Dezember 2013 und mit Schriftsatz vom 4. Februar 2014 um den Zeitraum bis einschließlich Januar 2014 erweitert.
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Belang – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum Juli bis Oktober 2013 insgesamt 9.287,32 Euro brutto abzüglich 4.300,80 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die in der Revision noch streitigen Ansprüche seien gemäß § 18 MTV verfallen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils im Kündigungsrechtsstreit hätte der Kläger nachfolgend entstehende und fällig werdende Vergütungsansprüche gesondert geltend machen müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des noch streitigen Teils stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Beklagten ist mangels hinreichender Begründung unzulässig. Sie ist nach § 72 Abs. 5, § 74 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 ArbGG iVm. § 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen.
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt. Die Revisionsbegründung muss sich deshalb mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils gezielt auseinandersetzen. Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BAG 22. Juli 2014 – 9 AZR 449/12 – Rn. 10). Die Rechtsmittelbegründung ist dann selbst im Falle ihrer Berechtigung nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung in Frage zu stellen (BAG 2. Mai 2014 – 2 AZR 490/13 – Rn. 39).
2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung der Beklagten nicht gerecht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige rechtliche Erwägungen gestützt.
aa) Zum einen geht das Landesarbeitsgericht davon aus, der Kläger habe mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage sowohl die erste Stufe als auch – vor dem Hintergrund einer verfassungskonformen Auslegung – die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt. Die Kündigungsschutzklage betreffe auch Ansprüche, die erst nach Rechtskraft des Urteils in der Bestandsstreitigkeit entstanden seien. Darin liegt die Erstbegründung des Landesarbeitsgerichts.
bb) Zum anderen stützt das Landesarbeitsgericht sein Urteil darauf, dass die am 16. Juli 2012 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage auf künftige Leistung die Ausschlussfrist gewahrt habe. Dieser Antrag sei nicht auf die Dauer der Bestandsstreitigkeit begrenzt gewesen. Darin liegt die Zweitbegründung des Landesarbeitsgerichts.
b) Die Revisionsbegründung der Beklagten setzt sich ausschließlich mit der ersten Begründung des Landesarbeitsgerichts auseinander. Die zweite, selbständig tragende Begründung des Landesarbeitsgerichts zur Wahrung der Ausschlussfrist durch Erhebung der Klage auf künftige Leistung wird in der Revisionsbegründung nicht einmal erwähnt. Infolgedessen fehlt hinsichtlich dieser Begründung jeder Revisionsangriff.
III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Biebl, Volk
Fundstellen