Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit des Antrags im Beschlußverfahren
Orientierungssatz
1. Auch im Beschlußverfahren muß der Streitgegenstand entsprechend § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO so genau bezeichnet werden, daß die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entscheiden werden kann.
2. Die Frage, wer als GmbH-Geschäftsführer bzw als leitender Angestellter zur Vertretung gegenüber dem Betriebsrat befugt sein soll, würde unzulässigerweise in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 14.10.1986; Aktenzeichen 5 TaBV 149/85) |
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 28.10.1985; Aktenzeichen 5/4 BV 77/85) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin sich in Verhandlungen mit dem Betriebsrat nur durch ihre Geschäftsführer und durch leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG vertreten lassen darf.
Die Antragsgegnerin läßt sich bei Erörterungsgesprächen mit dem Betriebsrat und in sonstigen Angelegenheiten der Betriebsverfassung, insbesondere bei betriebsverfassungsrechtlich abzugebenden Willenserklärungen in der Regel von den bei ihr angestellten Herren K und B vertreten. Herr K ist der sogenannte "Personalchef" der Antragsgegnerin, Herr B ist Prokurist. Beide lassen sich "bisweilen" von Arbeitnehmern der Antragsgegnerin, die keine dem § 5 Abs. 3 BetrVG entsprechenden leitenden Funktionen innehaben, in Untervollmacht bei betriebsverfassungsrechtlichen Erörterungen mit dem Betriebsrat vertreten.
Der Antragsteller ist der Auffassung, betriebsverfassungsrechtlich komme eine Vertretung der Antragsgegnerin außer durch ihre gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer) überhaupt nicht oder nur in eingeschränktem Umfang in Betracht. Soweit sich ein GmbH-Geschäftsführer der Antragsgegnerin überhaupt vertreten lassen dürfe, könne dies nur durch leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG geschehen. Für das Betriebsverfassungsrecht ergebe sich keine Befugnis der Antragsgegnerin, sich gemäß §§ 164 ff. BGB vertreten zu lassen. Falls doch eine Vertretung zulässig sei, müsse sie durch eine Person erfolgen, die in der Betriebs- bzw. Unternehmensleitung verantwortlich beteiligt sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, es zu
unterlassen, sich im Rahmen der Betriebsver-
fassung gegenüber dem Antragsteller durch
Personen vertreten zu lassen, die weder gem.
§ 35 GmbH-Gesetz Geschäftsführer der Antrags-
gegnerin noch leitende Angestellte im Sinne
des § 5 Abs. 3 BetrVG sind;
h i l f s w e i s e
festzustellen, daß die Antragsgegnerin nicht
berechtigt ist, sich im Rahmen der Betriebs-
verfassung gegenüber dem Betriebsrat durch
Personen vertreten zu lassen, die weder
Geschäftsführer im Sinne des § 35 GmbH-Gesetz
noch leitende Angestellte im Sinne des § 5
Abs. 3 BetrVG sind.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Sie meint, mangels ausdrücklicher Regelung seien die allgemeinen Vertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB auch auf die Vertretung des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten anzuwenden. Jeder Mitarbeiter, der vom Arbeitgeber ausreichend bevollmächtigt sei, könne als Vertreter des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auftreten. Insoweit umfasse eine hinreichende Bevollmächtigung sehr wohl die Möglichkeit einer umfassenden und damit sinnvollen Verhandlungsführung im Rahmen der Betriebsverfassung.
Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landesarbeitsgericht den Hauptantrag und den Hilfsantrag abgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Antragsteller die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses erreichen. Die Antragsgegnerin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge des Antragstellers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Haupt- und der Hilfsantrag waren schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen, weil beide nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen. Ob die Anträge begründet sind, war nicht zu entscheiden.
1. Das Landesarbeitsgericht ist ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, daß alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind, die vorliegen müssen, damit eine Sachentscheidung möglich ist. Darin vermag der Senat dem Landesarbeitsgericht nicht zu folgen.
Auch im Beschlußverfahren muß der Streitgegenstand entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so genau bezeichnet werden, daß die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (vgl. BAG Senatsbeschluß vom 29. Juni 1988 - 7 ABR 15/87 -, zu B I 2 a der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen; BAGE 54, 79, 82 f. = AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B I 2 der Gründe; Beschluß vom 17. März 1987 - 1 ABR 65/85 - AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III der Gründe; BAGE 37, 102, 111 = AP Nr. 11 zu § 76 BetrVG 1972, zu B 1 der Gründe, jeweils m. w. N.).
a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob diese Sachurteilsvoraussetzung vorliegt. Es ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Antrag hinreichend bestimmt sei.
b) Dem Bestimmtheitserfordernis gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht der Wortlaut der Sachanträge im vorliegenden Fall nicht. Dies gilt sowohl für den Hauptantrag als auch für den Hilfsantrag. Beide Anträge beschreiben lediglich eine in die Form der Wiederholung gesetzlicher Begriffe (Geschäftsführer nach § 35 GmbH-Gesetz; leitende Angestellte i. S. von § 5 Abs. 3 BetrVG) gekleidete Rechtsauffassung des Antragstellers. Sie sind schon deshalb einer Vollstreckung als Unterlassungsverpflichtung (Hauptantrag) bzw. einer Feststellung mit hinreichender Rechtskraftwirkung (Hilfsantrag) nicht zugänglich. Vielmehr würde die Frage, wer als GmbH-Geschäftsführer bzw. als leitender Angestellter zur Vertretung gegenüber dem Antragsteller befugt sein soll, unzulässig in das Vollstreckungsverfahren (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, § 890 ZPO) verlagert (Hauptantrag) oder nicht entschieden werden (Hilfsantrag).
c) Der Hauptantrag wie auch der Hilfsantrag sind auch nicht hinreichend bestimmbar. Angesichts der Formulierung beider Anträge ist erforderlich, die aus der Sicht des Antragstellers zur Vertretung Befugten festzustellen, d. h. die GmbH-Geschäftsführer und die leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Nur wenn dies feststeht, wäre erkennbar, wie weit das Unterlassungsbegehren reichen soll bzw. in welchem Umfang rechtskräftig festgestellt werden soll, durch welche Personen sich die Antragsgegnerin nicht soll vertreten lassen dürfen.
Zwar kann dem bisherigen Prozeßvorbringen entnommen werden, daß vormals alleiniger Geschäftsführer der Antragsgegnerin L E gewesen ist, während ihre GmbH-Geschäftsführer nunmehr D La, R R und H N sind. Dagegen lassen sich der Hauptantrag und der Hilfsantrag hinsichtlich der leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG nicht konkretisieren. Wer leitender Angestellter der Antragsgegnerin sein soll, ist weder namentlich angegeben noch der konkreten Funktion nach beschrieben. Ohne zumindest eine konkrete Funktionsbeschreibung der Positionen, zu deren Ausfüllung ein Arbeitnehmer als leitender Angestellter qualifiziert werden muß, ist indessen eine Konkretisierung der Sachanträge nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn man unterstellt, der als "Personalchef" tätige Herr K und der Prokurist B seien leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG. Denn dann bleibt immer noch unklar, wer außer diesen beiden Herren sonst noch - im Rahmen des Begehrens des Antragstellers - als Verhandlungspartner in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten gegenüber dem Betriebsrat in Betracht kommt.
2. Den Anträgen kann auch nicht unter dem Aspekt teilweise stattgegeben werden, daß zumindest die Personen der GmbH-Geschäftsführer der Antragsgegnerin feststehen. Denn das Unterlassungsbegehren wie auch der Feststellungsantrag haben nicht zum Inhalt, daß sich die Antragsgegnerin nur durch ihre Geschäftsführer vertreten lassen dürfe, sondern der Antragsteller konzediert im Rahmen des Antrags auch die Möglichkeit, daß sich die Antragsgegnerin durch leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG vertreten lassen kann.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Schliemann
Kleeschulte Kordus
Fundstellen