Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten des Betriebsrats im Vergleichsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Im Vergleichsverfahren ist der Betriebsrat, der Ansprüche auf Erstattung notwendiger Betriebsratskosten nach § 40 BetrVG geltend macht, Vergleichsgläubiger (§ 25 VerglO), weil diese Forderungen im Konkursverfahren des Arbeitgebers nach § 61 Abs 1 Nr 1a KO nicht bevorrechtigt sind (Aufgabe von BAG vom 12.02.1965, 1 ABR 12/64 = BAGE 17, 84 = AP Nr 1 zu § 39 BetrVG).
Normenkette
KO § 62; VglO §§ 26, 25 Abs. 1; BetrVG § 40 Abs. 1; KO § 61 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
LAG Bremen (Entscheidung vom 04.11.1982; Aktenzeichen 3 TaBV 30/81) |
ArbG Bremen (Entscheidung vom 29.07.1981; Aktenzeichen 7 BV 60/81) |
Gründe
A. In der Rechtsbeschwerdeinstanz streiten die Beteiligten nur noch über die Frage, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die dem Antragsteller in einer Reihe von Beschlußverfahren über die Einordnung von Angestellten als leitende Angestellte entstandenen Anwaltskosten ohne Rücksicht auf das am 24. November 1980 über ihr Vermögen eröffnete Liquidationsvergleichsverfahren zu tragen.
Der Antragsteller beschloß am 22. März 1978 im Rahmen der Vorbereitung von Aufsichtsratswahlen, den zwischen den Beteiligten streitigen Status von insgesamt 14 Mitarbeitern als leitende Angestellte klären zu lassen. Mit der Vertretung seiner Interessen in den einzuleitenden Beschlußverfahren beauftragte er seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten, die Rechtsanwälte S und W. Das Verfahren wurde bezüglich aller Angestellten am 12. April 1978 beim Arbeitsgericht Bremen unter dem Aktenzeichen 7 BV 41/78 anhängig gemacht.
Nach Abschluß der daraus durch Trennung nach § 145 ZPO entstandenen Verfahren machten die Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. Januar 1981 gegenüber der Antragsgegnerin vergeblich Kostenerstattung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 3.503,85 DM geltend.
Mit am 8. Mai 1981 beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag hat der Antragsteller das vorliegende Beschlußverfahren angestrengt und geltend gemacht, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, sowohl die entstandenen Anwaltskosten der vorausgegangenen Beschlußverfahren als auch die entstehenden Anwaltskosten des vorliegenden Beschlußverfahrens ohne Rücksicht auf das Vergleichsverfahren zu tragen. Der Freistellungsanspruch genieße Vorrang im Sinne von § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO und nehme deshalb gemäß § 26 VerglO nicht an dem Vergleich teil. Zudem sei er auch erst mit der Kostenrechnung seines Bevollmächtigten vom 19. Januar 1981 im Sinne von § 25 VerglO begründet worden und damit erst nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens.
Soweit für die Rechtsbeschwerdeinstanz noch von Bedeutung hat der Antragsteller zuletzt beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die
Rechtsanwälte S und
W 3.503,85 DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 10. Februar 1981 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Freistellungsansprüche des Betriebsrats nach § 40 BetrVG seien unabhängig von ihrem Entstehungszeitpunkt im Konkurs des Arbeitgebers keine nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bevorrechtigten Forderungen und nähmen deshalb gemäß § 26 VerglO am Vergleichsverfahren teil, soweit sie vor dessen Einleitung begründet worden seien. Dies sei hier der Fall, da der Antrag in den Beschlußverfahren bereits 1978 anhängig geworden sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Antragstellers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nur hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs in den abgeschlossenen Verfahren zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren Zurückweisungsantrag weiter. Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die vom Landesarbeitsgericht zulässigerweise auf die Freistellung der Anwaltskosten aus dem abgeschlossenen Beschlußverfahren beschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. BAGE 47, 355, 357 = AP Nr. 8 zu § 17 BetrAVG; BAGE 29, 221, 224 = AP Nr. 5 zu § 91 ArbGG 1953) ist begründet. Der von dem Antragsteller geltend gemachte Freistellungsanspruch nimmt an dem Vergleichsverfahren über das Vermögen der Antragsgegnerin teil, da er keine Forderung ist, die im Konkurs ein Vorrecht genießt (§ 26 VerglO, § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO).
I. Das Landesarbeitsgericht, das zutreffend davon ausgegangen ist, daß der Streit zwischen Betriebsrat (Konzernbetriebsrat) und Arbeitgeber auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten nach § 40 BetrVG im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren auszutragen ist (BAGE 31, 93 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972), hat ausgeführt, entgegen den der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Februar 1965 (BAGE 17, 84 ff. = AP Nr. 1 zu § 39 BetrVG) zugrundeliegenden Daten sei die hier streitige Erstattungsforderung außerhalb der Jahresfrist des § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO im Sinne von §§ 25, 26 VerglO begründet worden und genieße von daher gesehen kein Vorrecht. Dies sei aber eine gesetzlich unzulässige, gegen § 78 Satz 2, 1. Halbsatz BetrVG verstoßende Benachteiligung des Betriebsrats, weil er dann auf den zulässigerweise eingegangenen Verpflichtungen "sitzenbleibe". Deshalb müßten Erstattungsansprüche des Betriebsrats für Anwaltskosten auch ohne Rücksicht auf die Jahresfrist des § 61 Abs. 1 KO Vorrang genießen und nähmen deshalb gemäß § 26 VerglO nicht an dem Vergleichsverfahren teil.
II. Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden.
1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Dazu gehören auch Rechtsanwaltskosten, wenn der Betriebsrat die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung seiner Interessen nach pflichtgemäßer und verständiger Beurteilung als notwendig erachten konnte (BAGE 26, 376, 382 = AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG 1972; BAGE 31, 93, 97 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 4. Dezember 1979 - 6 ABR 37/76 - AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG 1972; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 40 Rz 16 ff., 19; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 40 Rz 7, 8; Wiese, GK-BetrVG, 2. Bearb., Januar 1984, § 40 Rz 29, 34; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 40 Rz 10 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 40 Rz 14 ff., jeweils mit weiteren zahlreichen Nachweisen). Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit, daß hinsichtlich der hier streitigen Anwaltskosten der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin grundsätzlich einen Freistellungsanspruch hat (vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 40 Rz 37; Wiese, GK-BetrVG, aaO, § 40 Rz 12, m. w. N.; BAGE 17, 84, 87 = AP Nr. 1 zu § 39 BetrVG).
2. Die Rechtslage hat sich durch die Eröffnung des Vergleichsverfahrens jedoch geändert. Nach § 25 Abs. 1 VerglO sind an dem Vergleichsverfahren, soweit dieses Gesetz nicht selbst etwas anderes bestimmt, alle persönlichen Gläubiger des Schuldners beteiligt, die gegen ihn einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch haben.
Im vorliegenden Fall ist das Vergleichsverfahren am 24. November 1980 eröffnet worden. Zu diesem Zeitpunkt war aber der Anspruch des Betriebsrats bereits im Sinne von § 25 VerglO begründet. Nach einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist nämlich ein Anspruch zur Zeit der Vergleichseröffnung im Sinne von § 25 VerglO begründet, wenn eine Haftungsmöglichkeit besteht, aus der sich vertragliche oder gesetzliche Erstattungspflichten ergeben können (vgl. Böhle-Stammschräder/Kilger, VerglO, 11. Aufl., § 25 Anm. 5 b; Bley/Mohrbutter, VerglO, 4. Aufl., § 25 Rz 30 unter IV; OLG Karlsruhe, Beschluß vom 28. Mai 1958 - 1 W 62/58 -, NJW 1958, 1879). Ein Anspruch im Sinne von § 25 VerglO ist deshalb auch dann vor Eröffnung des Vergleichsverfahrens begründet, wenn das Schuldverhältnis besteht, mag sich eine Forderung daraus auch erst nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens ergeben (Zur insoweit gleichgelagerten Problematik in § 3 Abs. 1 KO vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 3 Rz 11). Die Aufträge an den Rechtsanwalt und die Einleitung der entsprechenden Verfahren erfolgte ausnahmslos bereits im Jahre 1978. Bereits ab diesem Zeitpunkt bestand zwischen dem Betriebsrat und dem beauftragten Rechtsanwalt ein schuldrechtliches Auftragsverhältnis (§ 675 BGB), auf dessen Grundlage der Rechtsanwalt einen Honoraranspruch gegen den Betriebsrat hatte. Ab dem gleichen Zeitpunkt hatte der Betriebsrat aber auch einen entsprechenden Freistellungsanspruch gegen die Antragsgegnerin (RGZ 145, 13, 15; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 3 Rz 32; Bley/Mohrbutter, aaO, § 25 Rz 30 S. 352/353). Der von dem Antragsteller geltend gemachte Anspruch fällt deshalb unter die Vergleichsforderungen nach § 25 VerglO; der Betriebsrat ist insoweit Vergleichsgläubiger.
3. Im Gegensatz zur Auffassung im angefochtenen Beschluß ist § 26 VerglO im Streitfall unanwendbar. Nach dieser Vorschrift sind u. a. solche Gläubiger nicht als Vergleichsgläubiger am Vergleichsverfahren beteiligt, deren Forderungen - soweit es hier interessiert - im Konkurs des Schuldners ein Vorrecht genießen. In Frage kommt insoweit ein Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO. Danach haben Forderungen u. a. der Arbeitnehmer wegen der Rückstände für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens oder dem Ableben des Gemeinschuldners auf die Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner vor allen anderen Konkursforderungen Vorrang. Ob Freistellungsansprüche des Betriebsrats Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Regelung sind, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
a) Das Bundesarbeitsgericht (Beschluß vom 12. Februar 1965 - 1 ABR 12/64 - BAGE 17, 84 ff. = AP Nr. 1 zu § 39 BetrVG mit insoweit ablehnender Anm. von Böhle-Stammschräder) hat die Auffassung vertreten, die Erstattungsforderung des Betriebsrats nach § 39 BetrVG 1952 (= § 40 BetrVG 1972) für von ihm verursachte Rechtsanwaltskosten genieße das Vorrecht des § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO. Es hat dazu ausgeführt, dieser Anspruch des Betriebsrats sei zwar kein Anspruch auf Lohn, Kostgeld oder andere Dienstbezüge im engeren Sinne. Die Vorschrift des § 61 Nr. 1 KO sei zwar grundsätzlich nicht erweiternder Auslegung zugänglich, jedoch sei mit dem neueren Schrifttum davon auszugehen, daß bestimmte sich aus einem Arbeitsverhältnis ergebende Ansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auch dann an dem Konkursvorrecht des § 61 Nr. 1 KO teilnehmen, wenn es sich dabei nicht um Forderungen auf Lohn, Kostgeld oder andere Dienstbezüge im engeren Sinne handelt, wie z. B. Ansprüche auf Ersatz von Kilometergeldern, Reisekosten und sonstige Spesen. Wenn das einzelne Betriebsratsmitglied aufgrund seiner Tätigkeit im Betriebsrat Aufwendungen gemacht habe, die der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 39 BetrVG 1952 zu erstatten habe, bestünden keine Bedenken, diesem einzelnen Betriebsratsmitglied hinsichtlich seiner Erstattungsansprüche das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 1 KO zuzubilligen. Die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied setze nämlich gedanklich voraus, daß das Betriebsratsmitglied in einem Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber stehe, da nur solche Personen zu Betriebsratsmitgliedern gewählt werden könnten, die in einem unbeendeten Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber in dem Betrieb, in dem sie das Betriebsratsamt führen, stehen. Letztlich lasse sich sonach der Erstattungsanspruch des einzelnen Betriebsratsmitgliedes gegen seinen Arbeitgeber, z. B. wegen aufgewendeter Reisekosten oder wegen sonstiger im Rahmen der Betriebsratstätigkeit gemachter Aufwendungen, auf das zwischen dem Betriebsratsmitglied und dem Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis zurückführen. Wenn dem so sei, so müsse das gleiche Konkursvorrecht gelten für die Ansprüche der Betriebsratsmitglieder in ihrer Gesamtheit, also des Betriebsrats. Deshalb genieße auch der Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von Verbindlichkeiten, die er im Rahmen seiner Geschäftsführung zulässig eingegangen sei, Konkursvorrecht. Alle Betriebsratsmitglieder stünden in einem Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber des Betriebes, in dem sie das Betriebsratsamt ausüben und gemeinsam den Betriebsrat bilden. Andernfalls müßten die einzelnen Betriebsratsmitglieder persönlich für die Verpflichtungen haften, da der Betriebsrat selbst nicht Träger von vermögensrechtlichen Verpflichtungen sein könne. Dieses Ergebnis werde durch die Vorschriften des BetrVG bestätigt, da es eine Benachteiligung der Betriebsratsmitglieder bedeuten würde, wollte man sie letzten Endes für die von ihnen zulässig eingegangenen Verpflichtungen, sei es auch nur teilweise, haften lassen.
b) Dieser Auffassung haben sich ohne weitere Begründung Heilmann (Die Rechtslage des Arbeitnehmers bei Insolvenz seines Arbeitgebers, 1977, S. 62), Brill/Matthes/Oehmann (Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsrecht, 1976, Schriften zur AR-Blattei, Bd. 3, S. 32) und Bley/Mohrbutter (aaO, § 26, Rz 59, S. 403) angeschlossen. Gleicher Auffassung ist auch Böhle-Stammschräder, wenn auch mit einer abweichenden Begründung. In der Anm. zu AP Nr. 1 zu § 39 BetrVG meint Böhle-Stammschräder, die Erstattungsansprüche des Betriebsrats nach § 39 BetrVG 1952 seien keine Dienstbezüge im Sinne von § 61 Nr. 1 KO, auch nicht bei einer ausdehnenden Auslegung des Begriffs. Unter "Dienstbezüge" im Sinne dieser Vorschrift seien nur solche Leistungen zu verstehen, die sich konkret als Vergütung für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit erweisen und ihrem Charakter nach Arbeitsentgelt seien. Bei der Kostenerstattung nach § 39 BetrVG 1952 handele es sich dagegen um die Erfüllung einer sich aus der betrieblichen Ordnung ergebenden Verpflichtung des Arbeitgebers. Die Erstattungsansprüche des Betriebsrats seien jedoch nach § 62 Nr. 1 KO in Verb. mit § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bevorrechtigt, weil sie mit den Bezügen der Arbeitnehmer als Kosten, die diesen vor Eröffnung des Verfahrens erwachsen seien, betrachtet werden könnten.
c) Demgegenüber führen Kuhn/Uhlenbruck (KO, 10. Aufl., § 61 Rz 1) aus, § 61 KO durchbreche den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger (§ 3 KO), indem er bestimmten Klassen von Konkursgläubigern für bestimmte Ansprüche eine vorzugsweise Befriedigung in einer bestimmten Rangordnung einräume. Die Bestimmungen über die Konkursvorrechte seien deshalb im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger eng auszulegen (ebenso BAGE 35, 98, 102 = AP Nr. 11 zu § 61 KO; BGHZ 52, 155, 166, m. w. N.; RGZ 150, 99, 102). Den Gerichten sei es verwehrt, im Wege der Rechtsfortbildung den Kreis der bevorrechtigten Forderungen auszudehnen, selbst wenn hierfür ein soziales Bedürfnis bestehe. Weiter führen sie aus (aaO, Rz 33), unter den Bezügen aus einem Arbeitsverhältnis seien im weitesten Sinne alle Geld- und Naturalleistungen zu verstehen, die der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages für seine Dienste verlangen könne. Dabei komme es entscheidend darauf an, ob sich der Anspruch als Gegenwert für eine Arbeitsleistung darstelle. Deshalb gehörten dazu nicht Forderungen, die nur in einer mittelbaren Beziehung zu dem Arbeitsverhältnis stünden, wie Ansprüche auf Auslagenersatz oder auf Ersatz von im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erlittenen Schäden. Oehlerking (Die Auswirkungen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers auf die Bezüge der Arbeitnehmer, 1981, S. 69/70) meint, es komme bei Auslagenersatz darauf an, ob der Arbeitnehmer anläßlich oder aber in Erfüllung seiner Obliegenheiten für den Arbeitgeber in Vorlage getreten sei. Im ersteren Fall seien die Ansprüche auf Auslagenersatz nicht privilegiert, da sie nur mittelbar mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhingen, also nicht als unmittelbare Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachten Dienste angesehen werden könnten. Die Ansprüche des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Erstattung notwendiger Betriebsratskosten könnten deshalb selbst bei großzügigster Auslegung nicht mehr als Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis betrachtet werden. Bei ihnen handele es sich nicht um eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers erbrachten Dienste, vielmehr erfolge die Tätigkeit des Betriebsrats im Interesse der Arbeitnehmer, der Erstattungsanspruch obliege dem Arbeitgeber allein aufgrund der Vorschriften über die betriebliche Ordnung.
d) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 19. Oktober 1983 (BVerfGE 65, 182 = AP Nr. 22 zu § 112 BetrVG 1972) zu der vom Großen Senat des BAG im Beschluß vom 13. Dezember 1978 (BAGE 31, 176 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972) erfolgten Einordnung von Sozialplanansprüchen in die Rangordnung des § 61 KO vor Nr. 1 ausgeführt, die Regelung des § 61 KO sei nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließend. Eine Konkursforderung nehme entweder an einer der bevorrechtigten Stellen des § 61 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KO am gemeinschaftlichen Befriedigungsverfahren teil oder sei als sonstige Konkursforderung dem letzten Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO zuzuordnen. Eine gesetzliche Regelungslücke, die es dem Richter erlaube, für bestimmte Forderungen eine Privilegierung außerhalb dieses geschlossenen Systems zu begründen, bestehe nicht. Die gesetzliche Festlegung der Rangfolge der Konkursforderungen sei zudem zwingendes Recht. Sie schütze eine unbestimmte Zahl von Gläubigern. Deshalb verlange schon die in einem Zweifelsfall durch Auslegung zu ermittelnde Einordnung einer Forderung in § 61 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KO große Behutsamkeit, weil jede Bevorzugung einzelner Forderungen zwangsläufig zu Lasten anderer Gläubiger gehe und regelmäßig auch zu neuen Unstimmigkeiten bei der Konkursabwicklung führe. Auch aus dem Betriebsverfassungsgesetz oder sonstigem höherrangigen Recht lasse sich ein anderes Ergebnis nicht gewinnen. Im Anschluß daran hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 30. April 1984 - 1 AZR 34/84 - (BAGE 45, 357 = AP Nr. 23 zu § 112 BetrVG 1972) ausgeführt, gesetzgeberisches Motiv für die Privilegierung der Dienstbezüge in § 61 Nr. 1 KO sei die Sicherstellung der Bezüge für den täglichen Lebensunterhalt in der bevorrechtigten Zeit. Einer analogen Anwendung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO stehe der Beschluß des BVerfG nicht entgegen. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht wegen des abschließenden Charakters der Vorrechtsregelung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KO das Bestehen einer gesetzlichen Regelungslücke, deren Schließung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung möglich wäre, verneint. Die Analogie setze zwar ebenfalls eine Gesetzeslücke voraus, doch habe das Bundesverfassungsgericht eine richterliche Lückenschließung durch analoge Anwendung eines der Privilegierungstatbestände des § 61 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KO aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht von vornherein ausgeschlossen. Aus den tragenden Gründen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lasse sich jedoch entnehmen, daß eine analoge Anwendung der gesetzlichen Privilegierungstatbestände allenfalls in sehr engen Grenzen in Frage komme. Bei Beachtung der hiernach zu ziehenden engen Grenzen für eine Analogie lasse sich jedenfalls für Sozialplanabfindungen keine Einordnung in § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO begründen. Die analoge Anwendung einer gesetzlichen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten, ihm ähnlichen Tatbestand setze voraus, daß der gesetzlich geregelte und der nicht geregelte Tatbestand gerade in den für die rechtliche Bewertung maßgebenden Hinsichten übereinstimmen. Zur Beantwortung dieser Frage bedürfe es eines Zurückgehens auf die Zwecke und den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung. Mit der Privilegierung der rückständigen Bezüge aus der Zeit vor der Konkurseröffnung wolle der Gesetzgeber aber diejenigen Arbeitnehmer besonders schützen, denen schon im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung die ihrem täglichen Lebensunterhalt dienenden Bezüge ganz oder teilweise vorenthalten worden sind. Diese Arbeitnehmer hätten zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts häufig entweder bereits auf Ersparnisse zurückgreifen oder Kredite aufnehmen müssen, mit denen sie nun belastet seien. Der durch den Konkurs des Arbeitgebers drohende endgültige Verlust dieser rückständigen Bezüge treffe sie zusätzlich zum Verlust ihres Arbeitsplatzes und damit besonders hart. Diese besondere Härte habe der Gesetzgeber durch die Privilegierung der rückständigen Bezüge in § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO vermeiden wollen (zur Entstehung der konkursrechtlichen Privilegien für Arbeitnehmer vgl. im übrigen Oehlerking, aaO, S. 7 - 12).
4. Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze und der engen Grenzen für eine Analogie (BVerfGE 65, 182 = AP Nr. 22 zu § 112 BetrVG 1972; BAGE 45, 357 = AP Nr. 23 zu § 112 BetrVG 1972) kann daher die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 12. Februar 1965 - 1 ABR 12/64 - (BAGE 17, 84 ff. = AP Nr. 1 zu § 39 BetrVG) nicht mehr aufrechterhalten werden und wird ausdrücklich aufgegeben. Einer Anfrage bei dem Ersten oder Siebten Senat bedarf es insoweit nicht, da der erkennende Senat nach der Geschäftsverteilung für die hier zu entscheidende Rechtsfrage bis zum 30. September 1986 allein zuständig war und der ab 1. Oktober 1986 zuständige Siebte Senat diese Rechtsfrage noch nicht entschieden hat.
a) Der Wortlaut des § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO läßt eine Einordnung von Freistellungsansprüchen nach § 40 BetrVG nicht zu. Dort wird nur von "Bezügen aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner" gesprochen. Wie bereits ausgeführt, ist der Sinn dieser Regelung aber in der Absicht zu sehen, die durch den Ausfall der Bezüge in der privilegierten Zeit und den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bereits belasteten Arbeitnehmer nicht noch dadurch zusätzlich zu belasten, daß ihre rückständigen Forderungen einen in der Regel aussichtslosen Rang bei der Abwicklung des Konkurses des Arbeitgebers erhalten. Demgegenüber soll § 40 BetrVG sicherstellen, daß der Betriebsrat - der einerseits von den Arbeitnehmern keine Beiträge erheben darf (§ 41 BetrVG), andererseits für diese tätig sein soll und dem aber auch keine Nachteile aus seiner Tätigkeit entstehen dürfen (§ 78 Satz 2 BetrVG) - von den Kosten für seine Geschäftsführung und den notwendigen Aufwendungen der einzelnen Betriebsratsmitglieder entlastet wird. Dies sind aber völlig andere gesetzgeberische Motive als sie der Regelung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO zugrunde liegen. Es mag zwar von der Zielsetzung des BetrVG, insbesondere der §§ 40 und 78 BetrVG her gesehen, wünschenswert und erforderlich sein, den entsprechenden Ansprüchen einen Vorrang einzuräumen; auch mag hierfür, wie der Antragsteller zutreffend ausführt, gerade bei einer drohenden Insolvenz des Arbeitgebers ein gesteigertes Bedürfnis bestehen, doch können die Gerichte hierauf keine eigene sozialpolitisch für erforderlich gehaltene Regelung des Problems stützen (BVerfG, aaO). Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (aaO) und des Bundesarbeitsgerichts vom 30. April 1984 (aaO) mit dem Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20. Februar 1985 (BGBl. I S. 369) Sozialplanforderungen in gewissem Umfang ausdrücklich den Rang nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zuerkannt hat (§ 4 SozplG). Für die hier streitigen Ansprüche des Betriebsrats auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten nach § 40 BetrVG hat der Gesetzgeber dagegen keine Regelung getroffen, obwohl ihm dieses Problem bewußt gewesen ist. Daraus kann nur gefolgert werden, daß die sich aus § 40 BetrVG ergebenden Ansprüche kein Vorrecht gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO genießen sollen. Eine Analogie oder eine Zuerkennung des Vorrechts im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung verbietet sich daher.
b) Entgegen der Auffassung von Böhle-Stammschräder (Anm. zu AP, aaO) fallen angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die hier streitigen Freistellungsansprüche auch nicht unter die nach § 62 KO bevorrechtigten Kostenerstattungsansprüche. Nach dieser Vorschrift sind mit der jeweiligen Kapitalsforderung an derselben Rangstelle des § 61 anzusetzen u. a. die Kosten, welche dem Gläubiger vor der Eröffnung des Verfahrens erwachsen sind. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß solche Kosten bevorrechtigt sind, die der Arbeitnehmer in Verfolgung seiner nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO privilegierten Forderungen gehabt hat. Hier geht es aber gerade darum, ob die Freistellungsansprüche des Betriebsrats solche Forderungen des Arbeitnehmers sind. Nur bei unter § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO fallenden Forderungen können die für deren Durchsetzung erforderlichen Kosten nach § 62 KO mit entsprechendem Vorrang eingeordnet werden.
Nach alledem besitzen die Freistellungsansprüche des Betriebsrats nach § 40 BetrVG im Konkurs des Arbeitgebers keinen Vorrang nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Sie nehmen deshalb gemäß §§ 25, 26 VerglO an dem Vergleichsverfahren teil. Der Antrag des Antragstellers war infolgedessen zurückzuweisen, ohne daß es darauf ankommt, ob die Jahresfrist des § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO hier anzuwenden ist oder nicht.
Dr. Röhsler Dörner Schneider
Dr. Kukies Carl
Fundstellen
Haufe-Index 440515 |
BAGE 53, 194-204 (LT1) |
BAGE, 194 |
BB 1987, 2018 |
BB 1987, 2018-2020 (LT) |
DB 1987, 1541-1542 (LT) |
NJW 1987, 2768 |
AiB 1987, 291-292 (LT) |
EWiR 1987, 909-909 (L) |
NZA 1987, 752-753 (LT) |
RdA 1987, 252 |
AP § 40 BetrVG 1972 (LT), Nr 26 |
AR-Blattei, ES 1670 Nr 3 (LT1) |
AR-Blattei, Vergleichsverfahren Entsch 3 (LT1) |
EzA § 40 BetrVG 1972, Nr 58 (LT) |