Leitsatz (amtlich)
- Der Streit über das Teilnahmerecht eines Gewerkschaftsbeauftragten an einer Betriebsversammlung gemäß § 45 BetrVG ist im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren zu entscheiden (Fortführung von BAG 3, 288).
- In einem solchen Verfahren sind die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften sowohl beteiligt als auch antragsberechtigt. Dies gilt nicht nur, wenn das Teilnahmerecht als solches bestritten wird, sondern auch dann, wenn es lediglich um die Entsendung eines bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten geht.
- Gegenüber dem Recht der Gewerkschaft aus § 45 BetrVG kann sich der Arbeitgeber nicht auf sein sogen. Hausrecht berufen. Vielmehr kann dem Recht der Gewerkschaft von beiden Betriebspartnern nur der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengesetzt werden.
- Dieser Einwand ist begründet, wenn und soweit die Gewerkschaft ihr Recht nicht innerhalb der ihr durch § 49 Abs. 1 BetrVG gesetzten Grenzen, die Betriebspartner im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu unterstützen, ausübt. Umstände außerhalb des betrieblichen Geschehens, z. B. die Vorbereitung und Durchführung eines Streiks durch die Gewerkschaft, lassen ihr Teilnahmerecht unberührt.
Normenkette
BetrVG §§ 45, 41-44, 39, 82 Buchst. a, i; BGB § 242; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, i
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 15.07.1963; Aktenzeichen 1 Ta BV 3/63) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 1963 – 1 Ta BV 3/63 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Antragsgegnerin, ein Unternehmen der Papierindustrie in W…, ließ am 22. November 1962 durch ihren Pförtner dem Gewerkschaftssekretär P…, dem Leiter der Ortsverwaltung M… der antragstellenden Gewerkschaft, mitteilen, daß er den Betrieb der Antragsgegnerin nicht mehr betreten dürfe. Dieses Verbot legte die Antragsgegnerin am 19. Dezember 1962 in folgender Fassung schriftlich nieder:
“Hausverbot für Gewerkschaftssekretär Paul P…
Herr Gewerkschaftssekretär P… hat während des Streiks durch Rundschreiben, Anzeigen in der Wormser Zeitung und Ausführungen im Antrag zum Erlaß einer einstweiligen Verfügung unsere Geschäftsleitung derart öffentlich diffamiert und beleidigt, daß seine zukünftige Anwesenheit in unserem Betriebsgelände nur zur Störung des Betriebsfriedens führen würde.
Wir sehen uns daher veranlaßt, Herrn P… das Betreten unseres Betriebes generell und damit auch anläßlich von Betriebsratssitzungen oder Betriebsversammlungen zu verbieten.”
In dem daraufhin eingeleiteten Beschlußverfahren hat die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin bei Meldung einer Geld- oder Haftstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verpflichten, den Gewerkschaftssekretär Paul P…, M…, L…-straße 20, als Beauftragten der IG Chemie-Papier-Keramik am Betreten des Betriebsgeländes nicht zu hindern, wenn er an einer Betriebsversammlung gem. § 45 BetrVG beratend teilnimmt.
Dazu hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, gegenüber ihrem Recht, Beauftragte zur beratenden Teilnahme an Betriebsversammlungen zu entsenden, könne sich die Antragsgegnerin nicht auf ihr sog. Hausrecht berufen. Dagegen hat die Antragsgegnerin eine Reihe von Vorfällen angeführt, die es ihr unmöglich machten, dem als Streikleiter anläßlich des Streiks in der papiererzeugenden Industrie im Herbst 1962 tätig gewesenen Gewerkschaftssekretär P… jemals wieder das Betreten ihres Betriebes zu gestatten.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Hausverbot gegen den Gewerkschaftssekretär P… nicht berechtigt sei, hinsichtlich der Strafandrohung aber dem Antrag nicht entsprochen. Auf die beiderseitigen Beschwerden hat das Landesarbeitsgericht den Antrag in vollem Umfang zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren ursprünglichen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
1. Gegen die Zulässigkeit des Beschlußverfahrens bestehen – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin – keine Bedenken.
a) Der Senat hat sich bereits aus ähnlichem Anlaß mit der Frage nach der Zulässigkeit des Beschlußverfahrens befaßt (Beschluß vom 8. Februar 1957 – 1 ABR 11/55 – BAG 3, 288 = AP Nr. 1 zu § 82 BetrVG). Er hat die Frage für den Fall bejaht, daß um das Recht eines Gewerkschaftsbeauftragten gestritten wird, an einer Betriebsversammlung zur Bestellung des Wahlvorstandes gemäß § 16 BetrVG teilzunehmen. Damals hat sich der Senat ausdrücklich auf die Vorschriften des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG und des § 82 Abs. 1 Buchst. a BetrVG (Entscheidung über die Notwendigkeit der Errichtung, Zusammensetzung und Durchführung der Wahl) gestützt. Darüber hinaus hat er ganz allgemein die Auffassung vertreten, daß ein Streit über das Teilnahmerecht eines Gewerkschaftsbeauftragten an einer Betriebsversammlung im Sinne der §§ 41 ff. BetrVG in das Beschlußverfahren gehöre (BAG 3, 288 [290]).
b) Daran ist für den vorliegenden Fall, in dem um das Teilnahmerecht aus § 45 BetrVG für eine vom Betriebsrat einberufene Betriebsversammlung gestritten wird, festzuhalten. Dies ergibt sich aus einer sinngemäßen Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. i ArbGG und des § 82 Abs. 1 Buchst i BetrVG (Entscheidung über die Geschäftsführung und die Tätigkeit des Betriebsrates). Denn alle mit der Betriebsversammlung im Sinne der §§ 41 ff. BetrVG zusammenhängenden Fragen gehören in diesem Sinne zur “Tätigkeit des Betriebsrates”. Das folgt einmal daraus, daß von einer Betriebsversammlung grundsätzlich nur dann gesprochen werden kann, wenn der Betriebsrat sie einberufen hat, zu dessen Aufgaben dies gehört (§ 42 BetrVG). Außerdem wird das Recht der Betriebsversammlung vom Betriebsverfassungsgesetz in seinem Zweiten Teil unter der Überschrift “Der Betriebsrat” behandelt, womit zum Ausdruck gebracht ist, daß die Angelegenheiten der Betriebsversammlung mit denen des Betriebsrates eine enge Verbindung haben.
Handelt es sich aber bei den mit der Betriebsversammlung zusammenhängenden Fragen ganz allgemein um solche, die noch zur “Tätigkeit des Betriebsrates” zu rechnen sind, dann ist damit auch die Frage nach dem Teilnahmerecht eines Gewerkschaftsbeauftragten erfaßt. Denn dieses folgt beim Vorliegen einer Betriebsversammlung unmittelbar aus dem Gesetz (§ 45 BetrVG; ebenso Erdmann, BetrVG, 2. Aufl., § 45 Anm. 11; Fitting-Kraegeloh-Auffarth, BetrVG, 6. Aufl., § 45 Anm. 10; Galperin-Siebert, BetrVG, 4. Aufl., § 45 Anm. 4a; Hueck-Nipperdey, Lehrb. d. ArbR, 6. Aufl., Bd. II, S. 751 Anm. 4; Kraft, ArbuR 1961, 230 [232]; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, 1960, S. 224; teilw. a. A. Dietz, BetrVG, 3. Aufl., § 82 Anm. 43, § 45 Anm. 11; Maus, BetrVerfR, § 45 Anm. 8 u. 9). Entgegen der Ansicht von Küchenhoff (Anm. zu AP Nr. 1 zu § 82 BetrVG), wonach der Aufzählungsgrundsatz des § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG und des § 82 Abs. 1 BetrVG keine Generalklausel für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in allen Fragen der Betriebsverfassung darstelle, hält der Senat daran fest, daß der gesetzliche Zuständigkeitskatalog für Betriebsverfassungssachen zwar nicht in dem üblichen Sinne als Generalklausel aufzufassen ist, daß aber der Wille des Gesetzgebers dahin geht, Streitigkeiten, die ihre Wurzel in der Betriebsverfassung haben, möglichst vollständig im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren zu erfassen. Dies führt dann allerdings für die hier in Betracht kommende Fallgruppe Buchst. i der genannten Vorschriften zu dem Ergebnis, in dieser eine begrenzte Generalklausel zu sehen (vgl. BAG 4, 46 [49] = AP Nr. 46 zu § 2 ArbGG 1953).
Dieses Ergebnis erscheint dem Senat auch allein sinnvoll und vernünftig für die Beilegung des hier bestehenden Streites. Es geht nämlich hier letztlich um die Abgrenzung gegenseitiger Zuständigkeiten im Bereich des Betriebsverfassungsrechts, nämlich darum, wie einerseits die Gewerkschaft ihre Mitwirkung am betrieblichen Geschehen durch die Teilnahme an der Betriebsversammlung durchsetzen und wie andererseits der Arbeitgeber (oder der Betriebsrat, falls dieser die Teilnahme eines Gewerkschaftsbeauftragten ablehnen sollte) seine Stellung im Rahmen der Betriebsverfassung zur Geltung bringen kann. Ob dabei der einzelne Anspruch auf Eigentum, Besitz oder Delikt gestützt wird, spielt keine Rolle, wenn der Zusammenhang mit Betriebsverfassungsfragen gegeben ist (BAG 4, 46 [48] = AP Nr. 46 zu § 2 ArbGG 1953; vgl. auch AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1953 Betriebsverfassungsstreit).
2. Die Antragstellerin ist in diesem Verfahren sowohl antrags- als auch beteiligungsberechtigt.
a) Die Fähigkeit, Beteiligter im Beschlußverfahren zu sein, folgt im Einzelfall aus dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Gerichts unterliegt (BAG 2, 97 [98] = AP Nr. 2 zu § 81 BetrVG). Daher ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft – diese Voraussetzung ist bei der Antragstellerin für den Betrieb der Antragsgegnerin erfüllt – ohne weiteres an dem Beschlußverfahren beteiligt, in dem darum gestritten wird, ob überhaupt ein Gewerkschaftsvertreter an einer Betriebsversammlung teilzunehmen berechtigt ist.
Daran ändert sich auch im vorliegenden Fall nicht etwa deshalb etwas, weil die Antragsgegnerin das Teilnahmerecht von Vertretern der antragstellenden Gewerkschaft als solches nicht bestreitet, sondern sich lediglich gegen die Entsendung eines bestimmten Gewerkschaftssekretärs wendet. Denn auch in einem derartigen Falle ist durch die Entscheidung des Arbeitgebers das Recht der Gewerkschaft als solches betroffen. Die Gewerkschaft hat als selbständiges Recht die Befugnis, Vertreter zu Betriebsversammlungen zu entsenden. Darin ist das Recht der Gewerkschaft eingeschlossen, ihren Vertreter auszuwählen (Fitting-Kraegeloh-Auffarth, aaO, § 45 Anm. 3 u. 4; Galperin-Siebert, aaO, § 45 Anm. 1; Gross, RdA 1953, 91 [92]; Jaenecke, Betr. 1957, 380 [381]; Joachim, BetrVerf. 1954 Nr. 9 S. 8 [9]; Kraft, ArbuR 1961, 230 [231]; Neumann-Duesberg, aaO, S. 220 f.).
b) Wird aber im vorliegenden Fall das der Antragstellerin zustehende Entsendungsrecht berührt, dann ist sie auch antragsberechtigt. Als antragsberechtigt im Beschlußverfahren ist jeder anzusehen, der durch die begehrte Entscheidung unmittelbar betroffen wird.
3. In der Sache selbst hängt die Entscheidung davon ab, welchen Inhalt das Beteiligungsrecht der Gewerkschaft aus § 45 BetrVG hat. Dazu gilt folgendes:
a) Bei dem als solches selbständigen Recht der Gewerkschaft, Beauftragte zu Betriebsversammlungen zu entsenden, handelt es sich um ein betriebsverfassungsrechtlich gewährleistetes und damit um ein gesetzliches Recht der Gewerkschaft, das von einer Zulassung oder Einladung durch die Betriebspartner unabhängig ist (vgl. die Hinweise oben zu II 2a). Es umfaßt nicht nur die Befugnis, einen von der Gewerkschaft frei ausgewählten Vertreter zu entsenden, sondern für diesen auch das Recht, an der Betriebsversammlung beratend teilzunehmen. Damit wird zu seinem Teil der Grundsatz des § 49 BetrVG verwirklicht, daß Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und “im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften” zum Wohl des Betriebes und seiner Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zusammenarbeiten.
b) Das Teilnahmerecht der Gewerkschaft setzt voraus, daß ihr Beauftragter in der Betriebsversammlung anwesend ist. Dazu ist erforderlich, daß er die Zugangswege und die Räumlichkeiten o. ä. betreten kann, in denen die Betriebsversammlung stattfindet. Übt er dieses Recht aus, dann unterwirft er sich innerhalb der Betriebsversammlung selbst gewissen Beschränkungen, die einmal daraus folgen, daß er nach § 45 BetrVG nur beratende Funktion hat, und sich zum anderen aus der Rechtsstellung des Betriebsratsvorsitzenden als des Leiters der Betriebsversammlung (§ 41 Satz 1 BetrVG) ergeben. Um welche Beschränkungen im einzelnen es sich hierbei handelt, bedarf für den vorliegenden Fall nicht der Entscheidung, weil es hier nicht um die Ausübung von Befugnissen des Betriebsratsvorsitzenden als des Leiters der Betriebsversammlung, sondern um eine Maßnahme des Arbeitgebers geht.
c) Dazu meint die Antragsgegnerin, es stehe ihr ein auf Besitz gegründetes Recht zu, die Teilnahme des Gewerkschaftssekretärs P… an Betriebsversammlungen zu verhindern.
Sie beruft sich auf ihr sog. Hausrecht und versteht darunter das Recht, die Gewalt über ihr befriedetes Besitztum auszuüben. Dieser Ansicht, der überhaupt nur Bedeutung zukommt, wenn Betriebsversammlungen auf dem Grundstück des Arbeitgebers stattfinden, kann nicht gefolgt werden.
Nach allgemeiner Ansicht übt bei Betriebsversammlungen der Betriebsratsvorsitzende das Hausrecht aus. Ihm als dem Leiter der Betriebsversammlung (§ 41 Satz 1 BetrVG) obliegt die Innehabung der Gewalt über die Räumlichkeiten, in denen die Betriebsversammlung abgehalten wird. Der Arbeitgeber hat in sinngemäßer Anwendung des § 39 Abs. 2 BetrVG die Räumlichkeiten für die Durchführung der Betriebsversammlung zur Verfügung zu stellen. Er hat aber noch nicht einmal bei allen Betriebsversammlungen ein Teilnahmerecht (vgl. § 42 BetrVG). Es folgt daraus, daß für die Dauer der Betriebsversammlung das Hausrecht des Arbeitgebers ruht. Aus Art. 13 GG ergibt sich nichts Gegenteiliges, weil dort nur der Berechtigte hinsichtlich seines befriedeten Besitztums geschützt wird, hier aber der Betriebsratsvorsitzende, wenn auch zeitlich und räumlich beschränkt, Inhaber des Hausrechts ist (vgl. dazu Dietz, aaO, § 45 Anm. 6; Fitting-Kraegeloh-Auffarth, aaO, § 41 Anm. 10; Galperin-Siebert, aaO, § 41 Anm. 9; Maus, aaO, § 45 Anm. 6; Neumann-Duesberg, aaO, S. 219; ferner Gross, RdA 1953, 91 [92]; Jaenecke, Betr. 1957, 380 [381]; Joachim, BetrVerf. 1954 Nr. 9 S. 8 [9]; Kraft, ArbuR 1961, 230 [232]; Rößler, ArbuR 1959, 353 [357]; aus der Rechtsprechung LAG München, BB 1955, 193; RGSt 61, 34; RAG ARS 12, 606 und 15, 410).
Nichts anderes gilt für die Zugangswege zum Ort der Betriebsversammlung. Auch insoweit kann der Arbeitgeber in den durch Zeit und Ort der Versammlung gebotenen Grenzen sein Hausrecht nicht ausüben. Ob zur Begründung dieses Ergebnisses angenommen wird, das Teilnahmerecht der Gewerkschaft stelle gegenüber dem Hausrecht des Arbeitgebers das stärkere Recht dar, oder ob sich der Arbeitgeber den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenhalten lassen muß, wenn der Beauftragte der Gewerkschaft zur Teilnahme an der Betriebsversammlung berechtigt ist und der Arbeitgeber ihn gleichwohl an der Teilnahme hindert, ist letztlich nicht entscheidend. Vielmehr ist maßgeblich darauf abzustellen, daß der Arbeitgeber aus Anlaß einer Betriebsversammlung lediglich auf Grund seines Hausrechts dem Beauftragten der Gewerkschaft das Betreten des Betriebes nicht verbieten darf, sofern dieses Betreten im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsversammlung steht (ebenso Dietz, aaO, § 45 Anm. 6; Galperin-Siebert, aaO, § 41 Anm. 9; Joachim, BetrVerf. 1954 Nr. 9 S. 8 [9]; Rößler, ArbuR 1959, 353 [357]; a. A. Neumann-Duesberg, aaO, S. 221).
4. Wenn sich hiernach zwar aus dem Hausrecht des Arbeitgebers keine Beschränkungen des Teilnahmerechts der Gewerkschaft an Betriebsversammlungen herleiten lassen, so können sich solche Beschränkungen doch aus dem Sinn und Zweck der der Gewerkschaft eingeräumten Befugnis ergeben. Durch die Beteiligung von Gewerkschaftsbeauftragten an Betriebsversammlungen soll erreicht werden, daß der Belegschaft bei den Verhandlungsgegenständen der Versammlung der hierzu berufene Vertreter der Arbeitnehmerinteressen im überbetrieblichen Bereich beratend zur Seite steht. Da aber die Betriebsversammlung nur Angelegenheiten behandeln darf, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer berühren (§ 44 Halbs. 2 BetrVG), hat auch die Gewerkschaft bei Ausübung ihres Teilnahmerechts nur eine auf den bestimmten Betrieb bezogene, insoweit aber eine echte betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe zu erfüllen. Daraus folgt, daß die Teilnahme eines Gewerkschaftssekretärs – auch vom Arbeitgeber als Gegenspieler der Belegschaft auf betriebsverfassungsrechtlichem Gebiet – dann abgelehnt werden kann, wenn und soweit die Gewerkschaft ihr Recht nicht innerhalb der betriebsverfassungsrechtlichen Grenzen ausübt.
Dabei ist hier nicht die Frage zu entscheiden, wie es sich auf das Teilnahmerecht der Gewerkschaft auswirkt, wenn entweder eine Betriebsversammlung im Sinne der §§ 41 ff. BetrVG wegen Fehlens eines gesetzlichen Erfordernisses nicht gegeben ist oder der Zuständigkeitsbereich einer echten Betriebsversammlung durch Behandlung unzulässiger Angelegenheiten überschritten wird. Denn die Antragstellerin will, wie ihrem Antrag zu entnehmen ist, allein den Fall entschieden haben, daß eine Betriebsversammlung im gesetzlichen Sinne stattfindet und diese sich im gesetzlichen Rahmen hält. In einem solchen Falle kann aber dem Teilnahmerecht der Gewerkschaft aus § 45 BetrVG überhaupt nur der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengesetzt werden, wie sich aus folgendem ergibt:
a) Der auf § 242 BGB beruhende Grundsatz, daß die Ausübung eines Rechts unzulässig ist, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, beherrscht unser gesamtes Recht und ist deshalb auch im Betriebsverfassungsrecht anzuwenden (vgl. Palandt, BGB, 21. Aufl., § 242 Anm. 3). Dabei kommt es auf die Umstände des einzelnen Falles an.
In Rechtsprechung und Rechtslehre haben sich hierzu eine Reihe von Ansatzpunkten herausgebildet. So ist bei einem Forderungs- oder Gestaltungsrecht eine dem Zweck des Gesetzes widersprechende Ausübung des Rechts, insbesondere die Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung oder einer Rechtsnorm, unzulässig, sofern hierbei die wesentlichen auf den Zweck der Forderung oder der Gestaltung abgestellten rechtlich beachtenswerten Interessen des anderen Teiles nachhaltig beeinträchtigt würden oder dessen Vertrauen auf die loyale Ausübung des Rechts erheblich enttäuscht würde. In Betracht kommt ferner eine allgemein mißbilligte Ausübung eines Rechts zum beiderseits nicht in Rechnung gestellten Nachteil des anderen Teiles oder zu rechtlich nicht vorgesehenen, mißbilligenswerten Zielen. Sowohl im Verhältnis der Beteiligten untereinander als auch außerhalb dieses Rahmens können übergeordnete Interessen, insbesondere solche der Allgemeinheit, die Ausübung eines Rechts unzulässig machen, aber auch die Berufung des Betroffenen auf einen Rechtsmißbrauch ausschließen (vgl. Staudinger-Weber, BGB, 11. Aufl., § 242 Anm. D 38 mit vielen Hinweisen).
b) Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, daß eine Gewerkschaft auf der Entsendung eines bestimmten Beauftragten zur Teilnahme an Betriebsversammlungen besteht. Sie verliert ihr Recht stets, aber auch nur dann, wenn sie es entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben ausübt (ähnlich Fitting-Kraegeloh-Auffarth, aaO, § 45 Anm. 5; Galperin-Siebert, aaO, § 45 Anm. 1; Jaenecke, Betr. 1957, 380 [382]; Rößler, ArbuR 1959, 353 [358]; doch stellen nicht alle bei diesen Autoren genannten Fälle solche des Rechtsmißbrauchs dar). Von einer unzulässigen Rechtsausübung kann in diesem Zusammenhang dann gesprochen werden, wenn die Gewerkschaft durch die Entsendung eines bestimmten Beauftragten von der ihr verliehenen Rechtsstellung nicht in einer dem gesetzlichen Sinn und Zweck entsprechenden Weise und deshalb unter Verstoß gegen Treu und Glauben Gebrauch macht.
Die Teilnahme von Gewerkschaftsbeauftragten an Betriebsversammlungen ist ein Anwendungsfall des Grundsatzes des § 49 BetrVG, wonach die Verbände des Arbeitslebens, nämlich die Gewerkschaften und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Arbeitgebervereinigungen, in die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat eingeschaltet sind. Die Mitwirkung der Verbände soll die Betriebspartner bei der Erfüllung ihrer in § 49 BetrVG umschriebenen Aufgabe im Sinne des Gesetzes unterstützen (Dietz, aaO, § 49 Anm. 12). Das bedeutet, daß die Mitwirkung des Gewerkschaftsbeauftragten, wie sie in § 45 BetrVG festgelegt ist, sich allein auf das betriebliche Geschehen zu beziehen hat. Daher liegt in der Entsendung eines bestimmten Beauftragten eine unzulässige Rechtsausübung nur dann, wenn dies dem Zweck, die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu unterstützen und zu fördern, nicht gerecht wird.
Daraus folgt, daß Umstände, die die Gewerkschaft oder ihr Beauftragter außerhalb dieses Rahmens gesetzt haben, für die Beurteilung der Frage, ob eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, auszuscheiden haben. Es kommt allein darauf an, ob die Gewerkschaft durch die Entsendung eines bestimmten Beauftragten ihrer Aufgabe, die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu unterstützen, zuwiderhandelt. Deshalb wird ein Rechtsmißbrauch in aller Regel nur gegeben sein, wenn der Beauftragte bereits bei früherer Gelegenheit sich auf der betrieblichen Ebene nicht im Rahmen seiner Befugnisse und Pflichten gehalten hat, während Annahmen oder Vermutungen über künftige Ereignisse im allgemeinen unbeachtlich sind.
c) Demgegenüber genügt es für die Beschränkung des Teilnahmerechts der Gewerkschaft nicht, daß das Erscheinen ihres Beauftragten im Betrieb dem Arbeitgeber auf Grund von Umständen außerhalb der betrieblichen Sphäre nicht zugemutet werden kann (so offenbar Neumann-Duesberg, aaO, S. 222). Insbesondere darf bei der Frage der Zumutbarkeit nicht auf einen individualrechtlichen Umstand, nämlich u. a. auf die persönliche Interessenlage des Arbeitgebers im Verhältnis zur Gewerkschaft, abgestellt werden. Hieran darf die in § 45 BetrVG normierte betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit der Gewerkschaft nicht scheitern. Daß der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang gerade kein Individualrecht hat – als solches käme hier nur sein Hausrecht in Betracht –, ist bereits oben zu II 3c ausgeführt worden. Der ihm in gleicher Weise wie dem Betriebsrat nach der vom Senat vertretenen Ansicht zustehende Einwand der unzulässigen Rechtsausübung wird dagegen der Überlegung gerecht, daß das Teilnahmerecht der Gewerkschaften nicht Selbstzweck ist, sondern seine Rechtfertigung in der Mitwirkung bei der Zusammenarbeit der beiden Betriebspartner findet. Es kann deshalb nur darauf ankommen, ob die Gewerkschaft gegenüber Arbeitgeber und Betriebsrat als den Partnern des betrieblichen Geschehens ihr Recht in illoyaler Weise durchzusetzen versucht.
5. Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, dann ergibt sich folgendes:
Der angefochtene Beschluß läßt nicht eindeutig erkennen, ob das Landesarbeitsgericht es für die Teilnahme des Gewerkschaftssekretärs P… an Betriebsversammlungen im Betrieb der Antragsgegnerin auf die Frage der Unzumutbarkeit in dem oben erwähnten Sinne oder auf den Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung abgestellt hat. Es sagt nämlich (S. 17 f.), ein Rechtsmißbrauch liege dann vor, wenn dem Arbeitgeber die Zulassung des Gewerkschaftssekretärs nicht zugemutet werden könne.
Da die Unzumutbarkeit nicht stets ein Anwendungsfall der unzulässigen Rechtsausübung ist, sondern beide Rechtsinstitute nebeneinander als Anwendungsfälle des § 242 BGB bestehen können, ist nicht auszuschließen, daß nach der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts jede Unzumutbarkeit im vorliegenden Fall genügen soll. Dieser Ansicht steht jedoch die hier vertretene Auffassung entgegen, daß allein eine unzulässige Ausübung des in § 45 BetrVG geregelten Teilnahmerechts durch die Gewerkschaft dem Arbeitgeber die Befugnis gibt, dem Gewerkschaftsbeauftragten die Teilnahme an Betriebsversammlungen zu verweigern. Deshalb muß der angefochtene Beschluß aufgehoben werden.
Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil eine Reihe von Umständen noch der Aufklärung bedarf, ehe ein vollständiges Bild des Falles gewonnen werden kann. Dies nötigt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, wobei die Vorschrift des § 96 ArbGG nicht entgegensteht (BAG 2, 147 = AP Nr. 3 zu § 96 ArbGG 1953; AP Nr. 6 zu § 81 ArbGG 1953).
6. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird auf folgendes abzustellen sein:
a) Die Vorgänge und das Verhalten des Gewerkschaftssekretärs P… anläßlich der Vorbereitung und Durchführung des Streiks in der papiererzeugenden Industrie in der Pfalz und in Rheinhessen im Spätsommer und Herbst des Jahres 1962 sind für die Frage ohne Bedeutung, ob in der Entsendung des Gewerkschaftssekretärs P… zu den Betriebsversammlungen im Betrieb der Antragsgegnerin eine unzulässige Rechtsausübung zu erblicken ist.
Im Verhältnis zwischen den Betriebspartnern verstößt allerdings die Führung eines Streiks gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, wie es in § 49 Abs. 1 BetrVG niedergelegt ist. Deshalb sind auch durch die Vorschrift des § 49 Abs. 2 Satz 2 BetrVG den Betriebspartnern Arbeitskämpfe gegeneinander ausdrücklich untersagt. Etwas anderes gilt jedoch für die Gewerkschaft. Ihr steht das Streikrecht, sofern dessen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst dann zu, wenn der Streik sich auf einen einzigen Betrieb beschränkt. Deshalb verstößt eine Gewerkschaft mit der Vorbereitung und Durchführung eines Streiks nicht gegen ihre Verpflichtung, auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebspartner hinzuwirken, so daß auch ihr Teilnahmerecht an Betriebsversammlungen durch die Führung eines Streiks nicht berührt wird.
Dies gilt aber nicht nur für den eigentlichen Streik, sondern auch für die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen und Äußerungen der Gewerkschaft in der Person ihrer Beauftragten, insbesondere der Streikleiter. Wenn im Einzelfall die Grenzen der zulässigen Ausübung von Arbeitskampfmaßnahmen, z. B. durch unerlaubte Handlungen gegen die zu bestreikenden oder bestreikten Arbeitgeber, überschritten werden, dann haben die hiervon Betroffenen die Möglichkeit, ihre individuelle Rechtssphäre dadurch zu schützen, daß sie auf den hierfür gegebenen zivil- oder strafrechtlichen Wegen gegen die Maßnahmen vorgehen. Dadurch ist ihrem Bedürfnis nach Rechtsschutz ausreichend Rechnung getragen.
Eine Auswirkung auf der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene kann jedoch nicht anerkannt werden. Der von einer Gewerkschaft als kollektive Maßnahme vorbereitete und geführte Streik vollzieht sich nicht auf dieser Ebene. Deshalb gilt in Bezug auf zulässige wie auf unzulässige Streikmaßnahmen für die Gewerkschaft nicht das Gebot des § 49 Abs. 1 BetrVG, auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebspartner hinzuwirken. Eine gegenteilige Auffassung würde zu dem Ergebnis führen, daß auch der in jeder Hinsicht rechtmäßig geführte Streik einer Gewerkschaft rechtswidrig ist, weil die Gewerkschaft, wenn sie gegen den oder die Arbeitgeber ein bestimmtes Ziel kampfweise erreichen will, notwendig ihre Pflichten aus § 49 Abs. 1 BetrVG vernachlässigen muß. Eine solche Ansicht ist mit der allgemein anerkannten Rechtsstellung der Gewerkschaften nicht in Einklang zu bringen. Entsprechendes gilt naturgemäß für Arbeitskampfmaßnahmen der Arbeitgeberseite.
b) Hiernach dürfen insbesondere die folgenden Vorgänge bei der erneuten Entscheidung nicht berücksichtigt werden:
aa) Die Erklärungen der Streikleitung in Nr. 8, 9 und 10 des Jahrgangs 1962 der Gewerkschaftszeitung “Papierexpress” und die dort veröffentlichten Bilder, die mit der Vorbereitung des Streiks zu tun haben, sind für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung; denn sie beziehen sich allein auf den Streik.
bb) Gleiches gilt für die gegen die Antragsgegnerin im September 1962 gerichteten Anträge des Gewerkschaftssekretärs P… auf Erlaß von einstweiligen Verfügungen einschließlich der zur Rechtfertigung der Anträge abgegebenen Begründungen. Auch hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Durchführung des Streiks. Auf die zu diesem Punkt von der Antragstellerin erhobene Rüge einer Verletzung des § 286 ZPO durch das Landesarbeitsgericht kommt es danach nicht mehr an.
cc) Schließlich dürfen auch die zahlreichen Veröffentlichungen der Antragstellerin und ihrer Streikleitung zur Streikfrage in Tageszeitungen oder an anderen Stellen für die Entscheidung nicht herangezogen werden, weil sie alle im Zusammenhang mit dem Streik stehen.
c) Darüber hinaus müssen überhaupt solche Umstände außer Betracht bleiben, die mit dem betrieblichen Geschehen bei der Antragsgegnerin nichts zu tun haben. Es handelt sich insoweit insbesondere um die Vorwürfe der Antragsgegnerin gegen den Gewerkschaftssekretär P…, die sich auf die Bekanntgabe von Abfindungszahlungen an den Betriebsratsvorsitzenden eines anderen Betriebs als des der Antragsgegnerin beziehen.
d) Dagegen hängen die folgenden vom Landesarbeitsgericht festgestellten oder aus den Ausführungen der Antragsgegnerin sich ergebenden Vorfälle nicht unmittelbar mit dem Streik zusammen, sondern beziehen sich auf Angelegenheiten des Betriebs der Antragsgegnerin und können deshalb beachtlich sein:
1) Der Gewerkschaftssekretär P… habe zu einer Zeit, als noch Lohnverhandlungen schwebten, den Betriebsratsvorsitzenden im Betrieb der Antragsgegnerin zur Verteilung von Flugblättern im Betrieb aufgefordert, was auf Grund der Arbeitsordnung verboten gewesen sei;
2) der Gewerkschaftssekretär P… habe gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden im Betrieb der Antragsgegnerin den Vorwurf erhoben, er lasse sich von seinem Arbeitgeber bestechen;
3) die Belegschaft der Antragsgegnerin sei über den Gewerkschaftssekretär P… derart aufgebracht, daß es bei seinem Erscheinen im Betrieb zu erheblichen Störungen kommen werde;
4) der Gewerkschaftssekretär P… als Vertreter der Antragstellerin habe aus unsachlichen Erwägungen einen Antrag auf Auflösung des im Betrieb der Antragsgegnerin gebildeten Betriebsrats gestellt.
Die hierzu getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende Beurteilung der Frage, ob in der Entsendung des Gewerkschaftssekretärs P… in den Betrieb der Antragsgegnerin eine unzulässige Rechtsausübung der Antragstellerin zu sehen ist, nicht aus. Vielmehr bedarf es noch der weiteren Aufklärung und einer neuen Würdigung des verbleibenden rechtserheblichen Tatsachenstoffes. Dies gilt für die sämtlichen obengenannten vier Punkte.
Insbesondere zu Punkt 3) fehlt es an einer Feststellung des Landesarbeitsgerichts, ob etwaige wirklich ernst zu nehmende und von der Belegschaft ausgehende Störungen beim Erscheinen des Gewerkschaftssekretärs P… im Betrieb überhaupt der Gewerkschaft und ihrem Sekretär zuzurechnen sind. Außerdem ist zu klären, ob nicht vielmehr in einem solchen Falle der Betriebsratsvorsitzende als Leiter der Betriebsversammlung verpflichtet wäre, den Gewerkschaftssekretär in Schutz zu nehmen; denn es kann der Fall sein, daß die Vorwürfe, die möglicherweise gegen den Gewerkschaftssekretär P… erhoben werden, nicht mit dem betrieblichen Geschehen zusammenhängen. Hierbei ist mit in Betracht zu ziehen, daß nach der eigenen Einlassung der Antragsgegnerin der Gewerkschaftssekretär P… bei seiner vor Ausbruch des Streiks liegenden Teilnahme an Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen “nicht gegen die Friedenspflicht verstoßen” hat.
Zu Punkt 4) ist schon jetzt zu bemerken, daß der Gewerkschaft nach § 23 BetrVG zwar das Recht zusteht, die Auflösung eines Betriebsrats zu beantragen. Die von der Antragsgegnerin behauptete Begründung des hier in Rede stehenden Auflösungsantrags läßt es aber fraglich erscheinen, ob in diesem Falle von dem Antragsrecht nicht leichtfertig und damit entgegen dem Gebot des § 49 Abs. 1 BetrVG Gebrauch gemacht worden ist. Sollte sich diese Behauptung der Antragsgegnerin als richtig herausstellen, dann könnte eine Störung des betrieblichen Friedens gegeben sein. Diese könnte bei einer vom Landesarbeitsgericht vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller beachtenswerten Umstände des Falles das Ergebnis rechtfertigen, daß der Antragstellerin, wenn sie den Gewerkschaftssekretär P… als ihren Beauftragten zur Teilnahme an Betriebsversammlungen in den Betrieb der Antragsgegnerin entsendete, zu Recht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden kann.
e) Schließlich wird das Landesarbeitsgericht, wie es dies bereits in dem angefochtenen Beschluß getan hat, der Erwägung Raum geben dürfen, daß der Zeitablauf zwischen den Ereignissen, die zu dem Hausverbot geführt haben, und der Entscheidung dieses Verfahrens beachtlich sein kann. Doch kommt es auch hierbei auf Umstände tatsächlicher Art an, die das Landesarbeitsgericht festzustellen haben wird.
Unterschriften
Dr. Schröder, Wichmann, Dr. Gröninger, Dr. Rothweiler, Dr. Winkler
Fundstellen
Haufe-Index 1457526 |
BAGE, 307 |