Entscheidungsstichwort (Thema)
Grober Verstoß gegen Mitbestimmungsrecht bei Überarbeit
Leitsatz (redaktionell)
Das Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von Überstunden besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber, der die Zustimmung des Betriebsrats zur Anordnung der Überstunden nicht erhalten hat, die Arbeiten auf eine geschäftlich nicht tätige Firma "überträgt", die von denselben Geschäftsführern wie der Arbeitgeber geführt wird und die die Arbeiten im Betrieb des Arbeitgebers, auf seinen Betriebsanlagen sowie gerade mit den Arbeitnehmern ausführt, die vom Arbeitgeber zu den Überstunden herangezogen werden sollten.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 01.02.1991; Aktenzeichen 9 TaBV 110/90) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 02.08.1990; Aktenzeichen 3 BV 45/90) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber gehört zur WAZ-Gruppe. Bei ihr werden verschiedene Druckprodukte hergestellt und versandt. Der Antragsteller ist der bei dem Arbeitgeber gebildete Betriebsrat. Im März 1990 bat der Arbeitgeber den Betriebsrat, der Anordnung von Überstunden am 28. April, 5. Mai und 12. Mai 1990 zum Druck der Wahlzeitung "Zeitung am Sonntag" zuzustimmen. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung. Im April 1990 erfuhr der Betriebsrat, daß der Arbeitgeber trotzdem beabsichtigte, die "Zeitung am Sonntag" zu drucken und Überstunden anzuordnen. Es waren bereits die Arbeitnehmer ausgewählt und eingeteilt, die an den drei genannten Tagen außerhalb ihrer Dienstzeit zur Arbeit erscheinen sollten. Daraufhin beantragte der Betriebsrat am 25. April 1990 eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Essen (- 1 BV Ga 13/90 -), um die Anordnung der beabsichtigten Überstunden gerichtlich untersagen zu lassen. In der mündlichen Anhörung vor dem Arbeitsgericht erklärte der Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers, es sei nicht beabsichtigt, am 28. April 1990 Überstunden arbeiten zu lassen. Daraufhin wurde das Verfahren über den Erlaß einer einstweiligen Verfügung wegen Erledigung der Hauptsache eingestellt.
Nach dem Verhandlungstermin beauftragte der Arbeitgeber die ZVW-Satztechnik GmbH in D. die "Zeitung am Sonntag" am 28. und 29. April 1990 herzustellen. Auch diese Firma gehört zur WAZ-Gruppe. Sie wird geführt von denselben Geschäftsführern wie der Arbeitgeber. Die ZVW-Satztechnik GmbH war zur Zeit der Auftragserteilung nicht geschäftlich tätig, hatte keine Arbeitnehmer und zu ihrem Betriebszweck gehörte nicht die Herstellung von Druckerzeugnissen. Die ZVW-Satztechnik GmbH schloß mit einem Abteilungsleiter, drei Schichtführern, fünf Druckern, acht Helfern und zwei Beschäftigten in der Plattenherstellung, die alle bei dem Arbeitgeber als Arbeitnehmer beschäftigt sind, einen Vertrag, in dem diese sich verpflichteten, nach dem Ende ihrer Arbeitszeit beim Arbeitgeber am 28. April 1990 bis zum 29. April 1990 zwischen 1.00 Uhr und 6.00 Uhr für die ZVW-Satztechnik die "Zeitung am Sonntag" herzustellen. Gleichzeitig wurde vereinbart, daß mit Ablauf dieser Arbeitszeit das Arbeitsverhältnis zwischen diesen Arbeitnehmern und der ZVW-Satztechnik GmbH enden solle, ohne daß es einer vorherigen Kündigung bedürfte. Mit Hilfe dieser rechtlichen Konstruktion wurde die "Zeitung am Sonntag" in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1990 in den Räumen des Arbeitgebers mit dessen Anlagen und den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern gedruckt und an die Haushalte verteilt. Auf diesen Sachverhalt vom Betriebsrat angesprochen erklärte der Arbeitgeber, nicht er, sondern eine andere Firma habe die Druckarbeiten angeordnet und durchführen lassen.
Aus diesem Grunde hat der Betriebsrat das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet und begehrt, dem Arbeitgeber zu untersagen, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats Überstunden in seinem Betrieb anzuordnen und durchführen zu lassen, die notwendig werden, weil die im Betrieb des Arbeitgebers anfallende Arbeit nicht mit den vorhandenen Arbeitskräften erledigt werden kann. Zur Begründung hat der Betriebsrat ausgeführt, schon aufgrund der äußeren Umstände müsse bestritten werden, daß die betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen eines für eine Nacht befristeten Arbeitsverhältnisses für eine fremde Firma tätig gewesen seien. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt wäre, hätte es sich um einen einheitlichen Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne gehandelt, der in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1990 von zwei rechtlich selbständigen Unternehmen betrieben worden sei. Auf jeden Fall habe der Arbeitgeber gegen seine Zusicherung anläßlich der mündlichen Anhörung vom 27. April 1990 als auch gegen eine frühere Erklärung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 9. August 1989 in dem Verfahren - 6 TaBV 55/89 - verstoßen, Überstunden nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats anzuordnen.
Der Betriebsrat hat beantragt, dem Arbeitgeber zu untersagen, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats Überstunden in seinem Betrieb anzuordnen und durchführen zu lassen, die notwendig werden, weil die im Betrieb des Arbeitgebers anfallende Arbeit nicht mit den vorhandenen Arbeitskräften erledigt werden kann.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Zur Begründung hat er vortragen lassen, nicht er, sondern die ZVW-Satztechnik GmbH aus D. habe die "Zeitung am Sonntag" hergestellt und ihrerseits die benötigten Mitarbeiter des Arbeitgebers angeworben und mit ihnen befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Weder komme es darauf an, daß die Geschäftsführer der beiden Firmen identisch seien, noch daß die ZVW-Satztechnik GmbH sonst nichts mit der Herstellung von Druckerzeugnissen zu tun habe, auch nicht über eigene Arbeitnehmer und Produktionsanlagen verfüge. Allein entscheidend sei die rechtliche Konstruktion, die sie gewählt habe.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß ihm untersagt wird, seinem arbeitstechnischen Betriebszweck dienende Überstunden mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern durch die kurzfristige Einschaltung eines anderen Arbeitgebers ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats in seinem Betrieb durchführen zu lassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber weiterhin die Abweisung des Antrags, während der Betriebsrat bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. I. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht gegen formelles Recht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats, dem Arbeitgeber zu untersagen, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats Überstunden in seinem Betrieb anzuordnen und durchführen zu lassen, weil die im Betrieb des Arbeitgebers anfallende Tätigkeit nicht mit den vorhandenen Arbeitskräften erledigt werden kann, dahin ausgelegt, daß der Betriebsrat begehrt, dem Arbeitgeber zu untersagen, seinem arbeitstechnischen Betriebszweck dienende Überstunden mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern durch die kurzfristige Einschaltung eines anderen Arbeitgebers ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats in seinem Betrieb durchführen zu lassen.
Damit hat das Landesarbeitsgericht nicht die Grenzen der zulässigen Auslegung eines Antrags überschritten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist auch im Beschlußverfahren der Antrag der Auslegung fähig und vielfach auch bedürftig (BAG Beschluß vom 15. Dezember 1972 - 1 ABR 5/72 - AP Nr. 5 zu § 80 ArbGG 1953; BAGE 41, 92 = AP Nr. 10 zu § 111 BetrVG 1972 und BAGE 51, 151 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 81 Rz 34). Dabei darf das Gericht sich bei der Auslegung nicht über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen. Dies hat das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Falle nicht getan. Der Antrag des Betriebsrats war auslegungsbedürftig, weil aus der Formulierung des Antrags, dem Arbeitgeber solle untersagt werden, Überstunden anzuordnen, nicht eindeutig hervorgeht, welches Verfahrensziel der Betriebsrat wirklich verfolgt.
Das Landesarbeitsgericht hat für seine Auslegung ausschließlich das tatsächliche Vorbringen des Betriebsrats zur Begründung des Antrags berücksichtigt sowie den Vorgang, der Anlaß für den Streit der Beteiligten gegeben hat. Streitig ist zwischen den Beteiligten nicht, daß die Anordnung von betrieblich verursachten Überstunden der Mitbestimmung des Betriebsrats bedarf. In der mündlichen Anhörung zu zwei Beschlußverfahren, bei denen jeweils die Parteien darüber stritten, ob die Anordnung von Überstunden der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliege, hat der Arbeitgeber jeweils erklärt, er anerkenne, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht habe. Aus diesem Grunde ist sowohl ein Beschlußverfahren vor dem Landesarbeitsgericht als auch das einstweilige Verfügungsverfahren, das der Betriebsrat angestrengt hatte, weil der Arbeitgeber am 28./ 29. April 1990 die "Zeitung am Sonntag" auf Überstundenbasis herstellen wollte, wegen Erledigung der Hauptsache eingestellt worden. Es streiten sich Arbeitgeber und Betriebsrat allein darüber, ob der Betriebsrat auch dann ein Mitbestimmungsrecht hat, wenn der Arbeitgeber für die Erledigung eines Auftrags, für den Überstunden erforderlich werden, ein anderes Unternehmen zwischenschaltet, das weder nach seinem Betriebszweck Druckarbeiten verrichtet, noch dazu tatsächlich in der Lage ist, weil es keine Arbeitnehmer beschäftigt und über keinerlei Anlagen für Druckarbeiten verfügt und deshalb wiederum auf die Arbeitnehmer des Arbeitgebers sowie dessen Druckanlagen zurückgreift. Allein über diese Frage streiten die Beteiligten, wie sich sowohl aus der Antragsbegründung des Betriebsrats und seinem Vorbringen in der Beschwerdeinstanz ergibt, wie auch der Antragserwiderung des Arbeitgebers, dessen Beschwerde- und Rechtsbeschwerdebegründung entnehmen läßt.
Hat aber das Landesarbeitsgericht bei einem mehrdeutigen Antrag des Betriebsrats diesen auf das eigentliche Verfahrensziel hin interpretiert, wie er sich aus Antragsbegründung und -erwiderung ergibt, so begegnet die Auslegung des Landesarbeitsgerichts keinen rechtlichen Bedenken.
2. Die Rüge des Arbeitgebers, das Landesarbeitsgericht habe § 139 ZPO verletzt, weil es nicht auf die Stellung sachgerechter Anträge hingewirkt habe, ist unzulässig. Der Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers trägt nicht vor, was der Arbeitgeber vorgetragen hätte, wenn das Landesarbeitsgericht einen entsprechenden Hinweis gegeben hätte.
Abgesehen davon wäre die Rüge nach § 139 ZPO auch unbegründet, weil das Landesarbeitsgericht keinen Anlaß hatte, auf die Stellung sachgerechter Anträge hinzuwirken, wenn sich - wie im vorliegenden Falle - aus dem gestellten Antrag in Verbindung mit dem tatsächlichen Vortrag beider Beteiligten das wirkliche Verfahrensziel des Betriebsrats unschwer und ohne dem Antrag Gewalt anzutun, ergab.
Auch die übrigen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 565 a ZPO).
II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß der Antrag in der von ihm vorgenommenen Auslegung begründet ist.
1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.
Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß dieses Mitbestimmungsrecht nur dann besteht, wenn ein kollektiver Tatbestand vorliegt. Das Mitbestimmungsrecht greift nicht ein bei individuellen Regelungen ohne kollektiven Bezug (ständige Rechtsprechung des Senats: BAGE 38, 96 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAGE 42, 11 = AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972; BAGE 44, 226 = AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972; BAGE 52, 160, 170 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B III 2 d der Gründe; BAG Beschluß vom 13. Juni 1989 - 1 ABR 15/88 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Dabei liegt ein kollektiver Tatbestand immer dann vor, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs berührt. So ist bei einem zusätzlichen Arbeitsbedarf immer die Frage zu regeln, ob und in welchem Umfang zur Abdeckung dieses Arbeitskräftebedarfs Überstunden geleistet werden sollen oder ob die Neueinstellung eines Arbeitnehmers zweckmäßiger wäre. Weiter ist zu entscheiden, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollen. Diese Regelungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen des einzelnen Arbeitnehmers (BAGE 52, 160, 170 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B III 2 d der Gründe, m.w.N.).
2. Auch im vorliegenden Falle hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, es läge ein kollektiver Tatbestand hinsichtlich der Anordnung von Überstunden vor, wenn die Anordnung der Überstunden unmittelbar vom Arbeitgeber ausgegangen wäre. Denn zur rechtzeitigen Herstellung der "Zeitung am Sonntag" hatte der Arbeitgeber einen vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarf, der unabhängig von der Person der betroffenen Arbeitnehmer bestand.
b) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist im vorliegenden Falle auch nicht infolge der Zwischenschaltung der ZVW-Satztechnik GmbH entfallen.
Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß ein Arbeitgeber berechtigt ist, einen Auftrag, den er selber nicht oder nicht allein oder nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt ausführen kann oder will, aufgrund eines echten Werkvertrags oder Dienstvertrags an ein anderes Unternehmen weitergeben kann. Insoweit besteht kein Unterschied zu der Möglichkeit eines Arbeitgebers, abgrenzbare Tätigkeiten, die er bisher selber ausgeführt hat, auf ein anderes Unternehmen zu übertragen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. März 1991 - 1 ABR 39/90 - und 9. Juli 1991 - 1 ABR 45/90 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Ob ein echter Dienst- oder Werkvertrag vorliegt, ergibt sich aber entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aus der rechtlichen Konstruktion, sondern beantwortet sich danach, wie die Zusammenarbeit tatsächlich ausgestaltet ist.
c) Vorliegend hat der Arbeitgeber die Wahlzeitung "Zeitung am Sonntag" mit eigenen Arbeitnehmern in Überstunden herstellen wollen. Er hat dies unter Mißachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats auch zunächst versucht und ist erst durch ein einstweiliges Verfügungsverfahren davon abgehalten worden. In der Erkenntnis, daß er der Zustimmung des Betriebsrats für die Anordnung der Überstunden bedürfe, diese aber nicht kurzfristig erhielt, hat er dann einen Ausweg gesucht, um den Konsequenzen des Mitbestimmungsrechts zu entgehen. Er hat den Auftrag weitergegeben an ein Unternehmen derselben Unternehmensgruppe, das zur Zeit nicht geschäftlich tätig war und auch vorher nicht mit der Herstellung von Druckerzeugnissen befaßt war, das deshalb auch nicht über Betriebsanlagen für die Herstellung von Druckerzeugnissen verfügte und im übrigen keine Arbeitnehmer beschäftigte. Diesem Unternehmen "übertrug" der Arbeitgeber durch Vereinbarung vom 27. April 1990 die Herstellung der "Zeitung am Sonntag" für den 28./29. April 1990. Zu diesem Zwecke "stellte" der Arbeitgeber seine Produktionsstätte und -mittel dem beauftragten Unternehmen "zur Verfügung" und "überließ" ihm nach Dienstschluß die Arbeitnehmer, die zur Herstellung der Sonntagszeitung benötigt wurden. Das zwischengeschaltete Unternehmen wiederum schloß mit den Arbeitnehmern des Arbeitgebers einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit nach Dienstschluß des 28. April 1990 bis zum Dienstanfang beim Arbeitgeber am 29. April 1990.
Wenn das Landesarbeitsgericht bei dieser Konstellation unter Berücksichtigung, daß zudem dieses nicht tätige Unternehmen auch der WAZ-Gruppe angehörte und von denselben Geschäftsführern wie der Arbeitgeber geführt wurde, angenommen hat, hier habe der Arbeitgeber nur einen Strohmann zwischengeschaltet, der die bisherige Arbeitgeberstellung des Arbeitgebers auch hinsichtlich der Überstunden für den 28./29. April 1990 nicht verändert habe, so ist dies frei von Rechtsfehlern.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, die Übertragung eines Auftrags auf einen anderen Arbeitgeber liege nur vor, wenn der andere Unternehmer grundsätzlich einen entsprechenden arbeitstechnischen Betriebszweck verfolge und in der Lage sei, das Werk oder die Dienstleistung zu erbringen. Gerade das war vorliegend nicht der Fall. Es ist der arbeitstechnische Zweck des Arbeitgebers (Druckhaus WAZ) mit seinen Betriebsanlagen und seinen Arbeitnehmern durch weisungsgebundene Tätigkeit seiner Arbeitnehmer erfüllt worden. Die Zwischenschaltung des Strohmanns hatte einzig und allein den Sinn, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG leerlaufen zu lassen. Würde anerkannt, daß mit solchen rechtlichen Konstruktionen das Mitbestimmungsrecht umgangen werden könnte, hinge es vom Willen des Arbeitgebers ab, ob er den Betriebsrat jeweils beteiligt oder nicht. Im vorliegenden Fall wird besonders deutlich, daß der Arbeitgeber Druckhaus WAZ die Überstunden anordnete und den Auftrag ausführte, da nicht nur das zwischengeschaltete Unternehmen nicht geschäftlich tätig war und nach seinem betriebstechnischen Zweck nicht Druckaufträge abwickelte, keine Arbeitnehmer beschäftigte, sondern auch daraus, daß lediglich für eine Nacht ein befristetes Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmern des Arbeitgebers Druckhaus WAZ und dem zwischengeschalteten Unternehmen konstruiert wurde. Die ZVW-Satztechnik GmbH hatte überhaupt keinen eigenen Betrieb. Von einem Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes wird nämlich nur gesprochen, wenn ein Arbeitgeber mit Hilfe von materiellen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Betriebszweck fortgesetzt verfolgt.
Aus alledem ergibt sich, daß sich durch die Zwischenschaltung der ZVW-Satztechnik GmbH an der Arbeitgeberstellung des Arbeitgebers Druckhaus WAZ nichts änderte, dieser die Überstunden für seinen Betriebszweck - hier die Herstellung der "Zeitung am Sonntag" - durchführen ließ und hierbei nur so wenig wie möglich in Erscheinung trat. Dementsprechend hatte der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht auch für die Anordnung der Überstunden für die Herstellung der "Zeitung am Sonntag" für die Zeit vom 28. April und 29. April 1990, als die ZVW-Satztechnik GmbH zwischengeschaltet wurde.
3. Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG liegen vor.
Nach § 23 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat nur bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz dem Arbeitgeber durch das Arbeitsgericht aufgeben lassen, eine Handlung zu unterlassen.
Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Es kommt hierbei auf ein Verschulden des Arbeitgebers nicht an (BAG Beschluß vom 8. August 1989 - 1 ABR 65/88 - AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, m.w.N. aus der Rechtsprechung und Literatur).
Der grobe Verstoß liegt in folgendem: Der Arbeitgeber hat in der Vergangenheit mehrfach das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Überstunden mißachtet. Deshalb mußte zunächst in einem Beschlußverfahren vor dem Landesarbeitsgericht geklärt werden, daß der Arbeitgeber nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG den Betriebsrat bei betrieblich verursachter Überarbeit zu beteiligen hatte. Es gab ein einstweiliges Verfügungsverfahren, bei dem es gerade um die Anordnung von Überstunden zur Herstellung der "Zeitung am Sonntag" ging, bei der der Arbeitgeber sich wiederum über die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats hinwegsetzen wollte. Trotz dieses einstweiligen Verfügungsverfahrens, in dem er erklärt hat, er werde keine Überstunden anordnen, hat er dies dann doch getan und nur der Form halber einen Strohmann dazwischengeschaltet. Die vorliegende Fallgestaltung ähnelt dem Sachverhalt, über den der Senat im Beschluß vom 8. August 1989 (aaO) zu entscheiden hatte: In jenem Falle war rechtskräftig in einem Beschlußverfahren entschieden worden, daß der Betriebsrat bei der Ausgestaltung der Kleiderordnung ein Mitbestimmungsrecht hatte. Daran hatte sich der Arbeitgeber solange gehalten, wie es keine Meinungsverschiedenheiten mit dem Betriebsrat gab, danach hatte er dieses Mitbestimmungsrecht in Zweifel gezogen. Vorliegend hat der Arbeitgeber zunächst den Betriebsrat gefragt, ob er der Überarbeit zustimme. Als dieser die Zustimmung verweigerte, suchte der Arbeitgeber unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats die Überstunden dennoch durchzuführen.
Der Arbeitgeber kann sich vorliegend nicht darauf berufen, er habe in einer ungeklärten Rechtslage auf seiner Position beharrt. Der Arbeitgeber hat gewußt, daß die Anordnung von Überstunden der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliegt. Die Rechtslage wurde auch nicht dadurch unklar, daß er versuchte, dieses Mitbestimmungsrecht zu umgehen. Daß durch die Zwischenschaltung eines Strohmanns das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgeschaltet wird, vertritt - soweit ersichtlich - niemand.
4. Das Landesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen. Der Senat hat in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber den Kern der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit dadurch berücksichtigt hat, daß er je nach der Intensität des Eingriffs die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sehr unterschiedlich ausgestaltet hat (vgl. BAGE 40, 107 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit und BAGE 51, 187 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in der Interpretation des Bundesarbeitsgerichts nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt (vgl. BVerfG Beschluß vom 18. Dezember 1985 - 1 BvR 143/83 - AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Sieht aber das verfassungsgemäße Gesetz vor, daß die Mitbestimmungsrechte die unternehmerische Entscheidungsfreiheit einschränken dürfen und auch sollen, so ist schwer nachvollziehbar, weshalb die Sanktion der Umgehung eines Mitbestimmungsrechts gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen soll.
Dementsprechend war die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Rösch Lappe
Fundstellen
BAGE 68, 344-353 (LT1) |
BAGE, 344 |
BB 1991, 2221 |
BB 1992, 275 |
BB 1992, 275-276 (LT1) |
DB 1992, 686-687 (LT1) |
BuW 1992, 272 (KT) |
AiB 1992, 458-459 (LT1) |
BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 3 (5) (LT1) |
JR 1992, 220 |
NZA 1992, 376 |
NZA 1992, 376-378 (LT1) |
RdA 1992, 157 |
AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (LT1), Nr 48 |
AR-Blattei, ES 530.14.2 Nr 132 (LT1) |
AfP 1992, 183 |
AfP 1992, 183-184 (LT1) |
EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, Nr 49 (LT1) |
VersR 1993, 127 (L) |