Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Gewährung rechtlichen Gehörs
Orientierungssatz
Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbevollmächtigter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Vortrag berücksichtigen. Stellt das Gericht seine Entscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt ab, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte, wird ihm rechtliches Gehör zu einer streitentscheidenden Frage versagt. Ansonsten ist das Gericht vor Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht zur Offenlegung seiner Rechtsauffassung verpflichtet.
Normenkette
ArbGG § 72a Abs. 3 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
- Die Beschwerden des Beklagten und des Streitverkündeten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2005 – 12 Sa 1692/04 – werden zurückgewiesen.
- Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens, der Streitverkündete die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten der Streitverkündung zu tragen.
- Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 8.861,62 Euro.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über Arbeitsvergütung. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr überwiegend stattgegeben. Mit ihrer nach § 72a Abs. 3 Nr. 3 ArbGG auf die Verletzung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs gestützten Nichtzulassungsbeschwerde begehren der Beklagte und der Streitverkündete die nachträgliche Zulassung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerden sind nicht begründet.
1. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei müssen die Parteien bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss ein Verfahrensbevollmächtigter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Vortrag berücksichtigen. Stellt das Gericht seine Entscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt ab, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte, wird ihm rechtliches Gehör zu einer streitentscheidenden Frage versagt. Ansonsten ist das Gericht vor Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht zur Offenlegung seiner Rechtsauffassung verpflichtet (vgl. BVerfG 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133, 145, zu C III 1a der Gründe; 17. Februar 2004 – 1 BvR 2341/00 – DStRE 2004, 1050, zu III 2a der Gründe).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt das anzufechtende Urteil des Landesarbeitsgerichts die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Landesarbeitsgericht war nicht verpflichtet, die Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, welche Bedeutung es der UCIPunkteregelung beimisst. Die Parteien gingen selbst davon aus, dass es sich hierbei um einen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkt handelt. Sie haben diese Frage schriftsätzlich eingehend erörtert (Schriftsätze des Beklagten vom 31. März 2003, 30. Januar 2004 und 20. Dezember 2004 sowie Schriftsatz des Klägers vom 18. Februar 2004). Nachdem das Landesarbeitsgericht die Prozessparteien in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hatte, dass es den Fall anders als die Vorinstanz beurteile, bestand für die Beschwerdeführer Gelegenheit, diesen Punkt in der mündlichen Verhandlung nochmals anzusprechen. Der Beschwerdebegründung und der Verfahrensakte sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Kammer die Sache nicht für entscheidungsreif hielt und einen Beweisbeschluss verkünden würde. Dass das Landesarbeitsgericht der UCI-Punkteregelung eine andere Bedeutung als die Beschwerdeführer beimisst, führt nicht zu einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 ZPO.
IV. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Zorn, Heel
Fundstellen
Haufe-Index 1420249 |
DB 2005, 2588 |
HFR 2006, 202 |