Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzbeteiligung im gekündigten Arbeitsverhältnis
Normenkette
BGB in der bis zum 14. Oktober 1993 geltenden Fassung § 622 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 24. August 1992 – 7 Sa 201/91 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Abrechnung und Zahlung einer einzelvertraglichen Umsatzbeteiligung.
Der Kläger wurde vom 10. September 1973 bis 30. September 1990 in dem Ingenieurbüro des Beklagten als Bauingenieur beschäftigt. § 3 des am 30. November 1978 geänderten Anstellungsvertrages der Parteien lautet:
„§ 3
Entsprechend seiner Tätigkeit wird das Gehalt des techn. Angestellten frei vereinbart, in Anlehnung an den Tarifvertrag der IG Metall. Das monatliche Bruttogehalt, zahlbar jeweils am Letzten des Monats beträgt DM 3.600,–.
Werden dem techn. Angestellten etwaige Gratifikationen gewährt, so wird hierdurch ein Rechtsanspruch auf Weitergewährung nicht begründet.
Es wird eine monatliche Sondervergütung bezahlt, die sich nach dem Netto-Monatsumsatz richtet und in der Regel 1 % des Umsatzes beträgt, wenn dieser über DM 50.000,– liegt. Als Monatsumsatz gilt die Summe der Geldeingänge gemäß der Umsatzsteuer-Voranmeldung.
Liegt der Monatsumsatz unter DM 50.000,–, so kann eine Sondervereinbarung getroffen werden.
Auszahlung erfolgt jeweils einen Monat später.
Diese Sondervergütung schließt eine Weihnachtsgratifikation aus, wobei allerdings ein Gesamtverdienst von 13 Monatsgehältern, außer Überstunden und Vergütung aus Sonderarbeiten, sowie Urlaubsgeld etc., garantiert wird.
Diese Sondervergütung wird nur so lange gewährt, wie das Arbeitsverhältnis ungekündigt besteht.
Diese Vereinbarung gilt jeweils für ein Kalenderjahr und muß jeweils per 1. Januar eines jeden Jahres überprüft und evtl. berichtigt oder ergänzt werden.
…”
Das Bruttogehalt des Klägers betrug zuletzt monatlich 5.540,– DM. Als monatliche Sondervergütung wurden durchschnittlich 3.500,– DM brutto im Monat ausgezahlt, nachdem die Parteien unter Berücksichtigung der Vergrößerung des Ingenieurbüros 1987 den Prozentsatz auf 0,85 ermäßigt hatten.
Mit Schreiben vom 27. März 1990 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1990. Daraufhin weigerte sich der Beklagte, die Sondervergütung vom Monat April an weiter zu zahlen.
Der Kläger ist der Auffassung, die vertragliche Sondervergütung sei als Gehaltsbestandteil auch für die Kündigungsfrist fortzuzahlen. Er hat im Wege der Stufenklage beantragt:
- Der Beklagte wird verurteilt, die nach dem Anstellungsvertrag vom 30. November 1978 geschuldete Umsatzbeteiligung für die Zeit ab März 1990 bis einschließlich September 1990 abzurechnen.
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge auszubezahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abrechung und Zahlung der vertraglichen Sondervergütung für die Zeit ab März 1990 bis September 1990. Nach § 3 Abs. 7 des Anstellungsvertrages vom 30. November 1978 bestand nämlich nur ein Anspruch auf Sondervergütung bis zum Zugang des Kündigungsschreibens vom 27. März 1990.
1. Entgegen der Ansicht der Revision liegt keine unzulässige Kündigungserschwerung im Sinne des § 622 Abs. 5 BGB in der bis zum 14. Oktober 1993 geltenden Fassung vor.
a) Um eine unzulässige Erschwerung des Kündigungsrechts des Arbeitnehmers würde es sich nämlich nur dann handeln, wenn mit der vertraglichen Voraussetzung „ungekündigtes Arbeitsverhältnis” ein Entzug der Vergütung bereits erbrachter Arbeitsleistungen verbunden wäre (vgl. BAG Urteil vom 13. September 1974 – 5 AZR 48/74 – AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation). Die Revision verkennt, daß die Arbeitsvertragsparteien bei Vergütungen, die zumindest auch eine Belohnung für die in der Vergangenheit und/oder Zukunft erwiesenen Betriebstreue darstellen sollen, als weitere anspruchsbegründende Voraussetzung auch das Vorliegen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses regeln können (BAGE 67, 1, 4 = AP Nr. 136 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 2 a der Gründe).
b) Das Landesarbeitsgericht hat den Anstellungsvertrag vom 30. November 1978 dahin ausgelegt, daß mit der versprochenen monatlichen betrieblichen Umsatzbeteiligung die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue belohnt und zugleich ein Anreiz für die künftige Betriebstreue des Klägers geschaffen werden sollte. Dieses Auslegungsergebnis ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung einer nichttypischen Vereinbarung allgemeine Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB verletzt hat, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen oder wesentlicher Auslegungsstoff unberücksichtigt geblieben ist (BAG Urteil vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 558/91 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 1 b der Gründe; BAG Urteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP Nr. 63 zu § 74 HGB, zu 1 der Gründe; BAG Urteil vom 12. Juli 1990 – 2 AZR 39/90 – AP Nr. 87 zu § 613 a BGB, zu B III 1 der Gründe). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.
2. Mit dem Landesarbeitsgericht ist weiter davon auszugehen, daß die umstrittene Vertragsklausel keine unzumutbare Bindung des Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz bewirkt.
Zwar kann eine monatliche Sonderzuwendung geeignet sein, den Arbeitnehmer von einer Kündigung faktisch abzuhalten, doch liegt darin noch keine vertragliche Kündigungsbeschränkung, die wegen der Bindung des Kündigungsrechts an Rückzahlungspflichten mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit (vgl. BAGE 13, 168, 177 = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG, zu II 1 d bb der Gründe) unvereinbar wäre. Im übrigen wäre auch bei Anwendung der richterrechtlich entwickelten Grundsätze zur Rückzahlung von Gratifikation (vgl. BAGE 13, 129, 132 = AP Nr. 22 zu § 611 BGB Gratifikation, zu 2 der Gründe; 24, 377, 381 = AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 27. Oktober 1978 – 5 AZR 754/77 –; Urteil vom 9. Juni 1993 – 10 AZR 529/92 – AP Nr. 99 und 150 zu § 611 BGB Gratifikation) keine unzumutbar lange Bindungsdauer gegeben. Im Streitfall beträgt die monatliche Sondervergütung bei Umrechnung auf das Kalenderjahr zwischen sieben und acht Monatsgehältern. Dazu ist die Bindung während der sechs Monate umfassenden Kündigungsfrist in Verhältnis zu setzen. Eine halbjährige Bindungsdauer ist nach der Rechtsprechung des Fünften und Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts bereits bei einer geringeren Gratifikation zwischen einem und zwei Monatsgehältern zumutbar.
II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dörner, Düwell, Dr. Klosterkemper, Tirre
Fundstellen