Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsinteresse für die Vergangenheit
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 7. Juni 1996 – 12 Sa 220/96 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 6. Dezember 1995 – 1 Ca 2660/95 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger will festgestellt wissen, daß sein Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten nicht nur bis zur ersten, sondern bis zur zweiten Wiederholungsprüfung fortbestanden hat.
Der 1974 geborene Kläger schloß mit der Beklagten einen für die Zeit vom 1. September 1991 bis 28. Februar 1995 befristeten Ausbildungsvertrag. Er wurde zum Werkzeugmechaniker ausgebildet. Die reguläre Ausbildungszeit dauerte nach der Ausbildungsordnung 3 1/2 Jahre. Der Kläger bestand die erste Abschlußprüfung nicht. Hierauf vereinbarten die Parteien durch Vertrag vom 3. Februar 1995, das Berufsausbildungsverhältnis bis zum 31. August 1995 zu verlängern. Der Kläger nahm an der für ihn erstmöglichen Wiederholungsprüfung am 29. Juni 1995 teil; er bestand diese Prüfung wiederum nicht. Darauf verlangte er von der Beklagten eine nochmalige Verlängerung seines Berufsausbildungsverhältnisses bis zum 31. Januar 1996, um sich einer zweiten Wiederholungsprüfung zu unterziehen. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, der Kläger habe gesetzlich nur Anspruch auf eine einmalige Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses gehabt.
Der darauf vom Kläger angerufene Schlichtungsausschuß der Industrie- und Handelskammer K. kam zu dem Ergebnis, daß das Berufsausbildungsverhältnis bis zum Abschluß der zweiten Wiederholungsprüfung, längstens jedoch um ein Jahr, fortzusetzen sei. Die Beklagte erkannte diesen Schlichtungsspruch nicht an.
Mit seiner am 27. Oktober 1995 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, es bestehe zwischen den Parteien ein Berufsausbildungsverhältnis. Auf sein Verlangen habe sich das Berufsausbildungsverhältnis auch ein zweites Mal verlängert, zumindest bis zur zweiten Wiederholungsprüfung am 8. Dezember 1995. An diesem Tage hat der Kläger die Prüfung bestanden; das Prüfungsergebnis wurde ihm am 8. Januar 1996 bekanntgegeben.
Der Kläger hat im zweiten Rechtszug zuletzt beantragt
festzustellen, daß sein Berufsausbildungsverhältnis bis zum 8. Januar 1996 fortbestanden habe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet, der Kläger habe keinen Anspruch auf Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses über den Zeitpunkt der ersten Wiederholungsprüfung hinaus.
Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 6. Dezember 1995 festgestellt, daß zwischen den Parteien ein Berufsausbildungsverhältnis gem. §§ 3, 4 Berufsausbildungsgesetz besteht. Mit Urteil vom 7. Juni 1996 hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien bis zum 8. Januar 1996 fortbestanden hat. Mit der Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Das Revisionsgericht hat den Kläger darauf hingewiesen, daß das Feststellungsinteresse entfallen sein könnte, weil der Kläger einen nur noch auf die Vergangenheit gerichteten Feststellungsantrag verfolgt, und daß einer Leistungsklage der Vorrang einzuräumen sei. Der Kläger hat am 9. Februar 1996 vor dem Arbeitsgericht Klage auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Monate August 1995 bis Januar 1996 erhoben; der Rechtsstreit ist ausgesetzt (Arbeitsgericht Siegburg – 4 Ca 428/96 –). Der Kläger hat vorliegend geltend gemacht, im Hinblick auf die Rentenversicherung bestehe das Feststellungsinteresse weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klage war abzuweisen; sie ist infolge Wegfalls des Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO) nach dem 8. Januar 1996 unzulässig geworden. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen.
1. Der Sachantrag des Klägers ist darauf gerichtet, festzustellen, daß das Ausbildungsverhältnis bis zum 8. Januar 1996 bestanden hat. Dieser Feststellungsantrag ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO erfüllt sind.
2. Die Zulässigkeit dieses Antrags ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Zwischenfeststellungsklage aus § 256 Abs. 2 ZPO. Dies wäre nur möglich, wenn der Kläger im Wege der Klageerweiterung im vorliegenden Verfahren einen anderen Sachantrag verfolgte, für den die begehrte Feststellung vorgreiflich ist. Daran fehlt es hier. Die noch vor dem Arbeitsgericht rechtshängige Klage auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Zeit vom August 1995 bis Januar 1996 macht die vorliegende Feststellungsklage nicht zur Zwischenfeststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 2 ZPO, weil der Zahlungsantrag nicht im vorliegenden Rechtsstreit verfolgt wird.
3. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt wird.
a) Ist die Klage – wie hier – lediglich auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, so besteht ein Interesse an alsbaldiger Feststellung des Rechtsverhältnisses nur, wenn sich hieraus Folgen für die Gegenwart oder für die Zukunft ergeben. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das jeweils entscheidende Gericht, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen; dabei hat es indessen keine Untersuchung des Sachverhalts von Amts wegen vorzunehmen oder zu mutmaßen, inwieweit sich aus dem vergangenen Sachverhalt für Gegenwart oder Zukunft möglicherweise noch rechtlich relevante Folgen ergeben können. Vielmehr hat der Kläger die erforderlichen Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. Fehlt es am hinreichenden Feststellungsinteresse, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen; die Erstellung bloßer Gutachten ist nicht Aufgabe der Gerichte (BAG Urteil vom 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der Kläger hat hierfür keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen. Soweit er darauf verweist, daß der Rentenversicherungsträger Beiträge von der Beklagten fordern werde, wenn der Klage stattgegeben würde, übersieht er, daß dieselbe Wirkung auch dann eintritt, wenn der Kläger im Rechtsstreit über die Ausbildungsvergütung (Arbeitsgericht Siegburg – 4 Ca 428/96 –) obsiegt. Hierauf ist der Kläger zu verweisen.
b) Grundsätzlich ist einer Leistungsklage Vorrang vor einer Feststellungsklage eingeräumt. Ist eine Leistungsklage möglich, so entfällt in der Regel das Feststellungsinteresse für eine Klage auf Feststellung einzelner Vortragen für die Leistungsklage. Vorliegend war der Kläger spätestens ab 9. Januar 1996 in der Lage, Leistungsklage gegen die Beklagte zu erheben, wie er dies tatsächlich am 9. Februar 1996 auch getan hat.
Zwar ist es nicht grundsätzlich erforderlich, von der zunächst erhobenen Feststellungsklage zur später möglich gewordenen Leistungsklage überzugehen, wenn die Klage darauf gerichtet ist, die Leistungspflicht des Beklagten (zunächst) dem Grunde nach festzustellen, weil derzeit noch keine Bezifferung oder Beschreibung der Höhe der begehrten Leistung möglich ist, z.B. bei Forderungen oder Ansprüchen. Hierauf kann sich der Kläger im vorliegenden Fall nicht stützen. Sein Antrag ist nicht auf die Feststellung einer Leistungspflicht der Beklagten gerichtet, sondern darauf, daß das Berufsausbildungsverhältnis bis zum 8. Januar 1996 bestanden hat. Damit begehrt der Kläger – im Verhältnis zur Leistungsklage – keine Feststellung dem Grunde nach, sondern er führt eine Elementfeststellungsklage.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Brücker, Anthes
Fundstellen