Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Versetzungen. Kraftfahrer im Güternah- und Güterfernverkehr
Normenkette
BetrVG § 95 Abs. 3, § 99
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 18.08.1992; Aktenzeichen 4 Sa 93/92) |
ArbG Darmstadt (Urteil vom 16.10.1991; Aktenzeichen 8 Ca 198/91) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. August 1992 – 4 Sa 93/92 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, die zuvor als Kraftfahrer überwiegend im Fernverkehr eingesetzten Kläger nur noch im Nahverkehr einzusetzen.
Die drei Kläger sind seit längerem als LKW-Fahrer bei der Beklagten beschäftigt. Bis Anfang 1991 erfolgte ihr Einsatz in der Weise, daß sie jeweils an einem Tag vormittags Nahverkehrsfahrten durchführten und nachmittags das Beladen ihrer LKW für eine Fernverkehrs fahrt überwachten. Diese wurde dann am nächsten Tag durchgeführt. Die Fernverkehrsfahrten führten zu unterschiedlichen Fahrtzielen in der Bundesrepublik Deutschland, z.B. nach Stuttgart, Bielefeld, ins Ruhrgebiet. Sie wurden in der Regel in den frühen Morgenstunden gestartet und endeten häufig erst am Abend. Nach von der Beklagten für die Kläger jeweils vorgelegten Aufstellungen für die Zeit vom März 1990 bis März 1991 lag der auf den Fernverkehr entfallende Anteil der Gesamtstunden teils deutlich über 50 %, es fielen darüber hinaus Überstunden in nicht unbeträchtlichem Umfang an. Die monatlichen Bruttobezüge der Kläger betrugen unter Berücksichtigung der Überstunden zuletzt durchschnittlich ca. 4.800,– DM.
Anfang 1991 teilte die Beklagte den Klägern mit, es sei beabsichtigt, den Fernverkehr aus Kostengründen stufenweise an externe Speditionsunternehmen zu übertragen. Dies geschah in der Folgezeit auch. Seit Mai 1991 werden die Kläger ausschließlich im sog. Werksverkehr/Nahverkehr auf der ca. 25 km betragenden Strecke zwischen Darmstadt und Weiterstadt eingesetzt. Sie benutzen dabei die bisher gefahrenen Fahrzeuge. Nach wie vor werden sie nicht zu Be- oder Entladetätigkeiten herangezogen. Die Beladebeaufsichtigung ist entfallen. Die Fahrten werden innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit von 7.30 Uhr bis 16.15 Uhr durchgeführt. Durch den Wegfall der früher wegen des Fernverkehrs regelmäßig angefallenen Überstunden beträgt die monatliche Einkommensminderung durchschnittlich 1.300,– DM.
Die Beklagte holte zu der Maßnahme nicht die Zustimmung des im Betrieb gewählten Betriebsrats ein.
Die Kläger haben die Feststellung der Unwirksamkeit der Maßnahme beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, der Einsatz nur noch im Nahverkehr sei nicht mehr durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Wegen der Änderung der Arbeitsumstände, vor allem aber wegen der erheblichen Änderung der Vergütung durch Wegfall der bisherigen Überstunden sei vielmehr der Ausspruch einer Änderungskündigung erforderlich. Unabhängig davon stelle die Maßnahme eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne dar, da ihnen ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen worden sei. Da die Beklagte nicht die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt habe, sei die Maßnahme auch deshalb unwirksam.
Die Kläger haben zuletzt beantragt
festzustellen, daß die von der Beklagten vorgenommene Änderung der Tätigkeit der Kläger, diese ab Anfang Mai 1991 nur noch ausschließlich im Werks-/Nahverkehr einzusetzen, unwirksam ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, aufgrund des ihr zustehenden Direktionsrechts berechtigt zu sein, die Kläger nunmehr ausschließlich im Nahverkehr zu beschäftigen. Die Änderung halte sich noch im Rahmen des Arbeitsvertrages. Die Kläger seien nach wie vor als Kraftfahrer auf denselben Fahrzeugen eingesetzt. Die Art der zu leistenden Tätigkeit habe sich also nicht verändert. Die Reduzierung der Vergütung sei unerheblich, weil sich diese allein aus dem Wegfall von Zulagen ergebe.
Die Übertragung des Fernverkehrs auf externe Speditionsunternehmen sei aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich geworden und nicht unsachlich. Im übrigen ergebe sich die Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung auch aus § 13 des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten der chemischen Industrie, welcher auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien Anwendung findet. Danach sei ein von einer Rationalisierungsmaßnahme betroffener Arbeitnehmer zur Übernahme jeder ihm zumutbaren anderen Tätigkeit verpflichtet.
Wegen des unveränderten Einsatzes der Kläger als Kraftfahrer könne auch nicht von einer Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ausgegangen werden. Im übrigen sei der Betriebsrat über die unternehmerische Entscheidung der Vergabe des Fernverkehrs an Speditionsunternehmen und des damit verbundenen künftigen Einsatzes der Kraftfahrer nur noch im innerbetrieblichen Werks-/Nahverkehr unterrichtet worden und habe keine Einwendungen hiergegen vorgebracht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten unter Berücksichtigung des neugefaßten Antrags der Kläger zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.
Das Landesarbeitsgericht hat den von der Beklagten angeordneten Einsatz der Kläger nur noch im Werks-/Nahverkehr als Versetzung angesehen. Dem kann der Senat nicht beipflichten.
I. 1. Bei der streitbefangenen Maßnahme handelt es sich nicht um eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne. Gem. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist eine Versetzung im Sinne dieses Gesetzes die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt dann vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich übertragen wird, so daß der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistungen ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändert. Ob ein anderer Tätigkeitsbereich zugewiesen worden ist, beurteilt sich nach den objektiv vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen im Betrieb. Es kommt darauf an, ob sich die Tätigkeiten des Arbeitnehmers vor und nach der Zuweisung so voneinander unterscheiden, daß die neue Tätigkeit in den Augen eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden kann. Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Welche Arbeitsbereiche in einem Betrieb vorhanden sind, ergibt sich aus der jeweils geltenden Organisation des Betriebes. In jedem Arbeitsbereich treten ständig Änderungen ein, die die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 81 BetrVG auslösen. Nicht jede dieser Veränderungen stellt jedoch eine Versetzung dar, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Die Veränderung muß so erheblich sein, daß ein „anderer Arbeitsbereich” angenommen werden kann. Das Gesamtbild der Tätigkeit muß sich geändert haben. Dabei kann ein anderer Arbeitsbereich auch dadurch gekennzeichnet sein, daß sich die Umstände der Arbeit, unter denen diese zu leisten ist, erheblich ändern (ständige Senatsrechtsprechung seit Senatsbeschluß vom 26. Mai 1988 – 1 ABR 18/87 – AP Nr. 13 zu § 95 BetrVG 1972; vgl. weiter Senatsbeschlüsse vom 19. Februar 1991 – 1 ABR 21/90 und 1 ABR 36/90 – sowie Senatsbeschluß vom 16. Juli 1991 – 1 ABR 71/90 – AP Nr. 25, Nr. 26 und Nr. 28 zu § 95 BetrVG 1972).
2. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat angenommen, die Tätigkeit habe sich nach ihrem Inhalt und nach den Umständen über den normalen Schwankungsbereich hinaus so erheblich geändert, daß nach dem Gesamtbild von einer anderen Arbeitsaufgabe auszugehen sei. Dem kann der Senat nicht folgen. Die Kläger sind nach wie vor als Kraftfahrer eingesetzt. Zwar haben sich die Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung „fahren” teilweise geändert. Diese Änderungen sind aber nicht so erheblich, daß deshalb bereits von einem dem Gesamtbild nach anderen Arbeitsbereich gesprochen werden kann.
a) Unverändert geblieben ist die eigentliche Arbeitsaufgabe der Kläger. Sie werden nach wie vor als Kraftfahrer eingesetzt. Unverändert benutzen sie dabei dieselben Fahrzeuge, mit denen bisher auch die sog. Fernfahrten durchgeführt wurden. Überhaupt keine Änderung hinsichtlich der Arbeitsaufgabe und der Arbeitsumstände ist insoweit eingetreten, als die Kläger schon bisher im Nahverkehr eingesetzt waren, und zwar jeweils abwechselnd an jedem zweiten Arbeitstag vormittags.
b) Richtig ist, daß sich die Umstände der Arbeitsleistung „fahren” teilweise geändert haben. Die Kläger waren bisher zeitlich überwiegend – an jedem zweiten Arbeitstag – im sog. Fernverkehr eingesetzt. Sie fuhren dabei von Darmstadt aus bestimmte Strecken etwa ins Ruhrgebiet, nach Stuttgart, nach Bielefeld. Die Fahrten wurden allerdings auch bisher schon jeweils an einem Tag erledigt. Je nach Fahrtstrecke und Fahrtziel erfolgte die Rückkehr aber häufig erst nach Ablauf der regulären betrieblichen Arbeitszeit.
Demgegenüber pendeln die Kläger seit Mai 1991 auf der nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ca. 25 km betragenden Strecke zwischen den Werken der Beklagten in Darmstadt und Weiterstadt. Diese Fahrten werden innerhalb der regulären Arbeitszeit abgewickelt.
Die hierbei zu verzeichnenden Änderungen sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts insgesamt nicht so gravierend, daß man bereits von einem anderen Inhalt der Arbeitsaufgabe sprechen kann.
aa) Die Tätigkeit eines Kraftfahrers, der Güter zu transportieren hat – unabhängig, ob im Rahmen eines Speditionsunternehmens für Dritte oder Güter des eigenen Arbeitgebers – ist in typischer Weise gekennzeichnet durch eine Schwankungsbreite dahingehend, daß Fahrtstrecke, Fahrtdauer, Fahrtziele wechseln. Die hier zur Beurteilung stehende Maßnahme geht über diese tätigkeitsimmanenten Schwankungen nicht entscheidend hinaus. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der für den Begriff der Versetzung maßgeblichen Art der Arbeitsleistung. Die eigentlich entscheidende Änderung betrifft die Arbeitszeit bzw. Arbeitsdauer und damit verbunden die durch den Wegfall von Überstunden beeinflußte Höhe des Arbeitsentgelts. Dies ist aber für den Begriff der Versetzung nicht maßgeblich (vgl. dazu I 2 d der Gründe).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, der Fahrer im Fernverkehr sei wegen der von ihm zurückzulegenden weiten Strecken länger im Einsatz und damit intensiver den Anforderungen und Risiken des Straßenverkehrs ausgesetzt. Beim Fernfahrer ergebe sich häufiger die Notwendigkeit, sich auf hinderliche Verkehrssituationen einzustellen und je nach Gegebenheit etwa weiträumig Verkehrsstaus zu umfahren, dabei eigenständig eine günstige Streckenführung zu wählen und dies, was den ganz erheblichen Unterschied zum Nahverkehr ausmache, in nicht immer durch tägliche Fahrten gut bekannten Bereichen, sondern in den unterschiedlichsten Verkehrsregionen.
cc) Dies mag generell richtig sein und in gewissem Umfang auch für die Kläger gelten. Bei den hier allein maßgeblichen Verhältnissen des konkreten Einsatzes der Kläger kann aus diesen Überlegungen aber keine grundsätzliche Änderung des Gesamtbildes abgeleitet werden. Die fahrerische Inanspruchnahme kann gerade auch im Nahverkehr etwa im städtischen Bereich oder auf verkehrsungünstigen Landstraßen durchaus erheblich sein, worauf die Revision zu Recht verweist. Die Belastungen mögen dann anderer Art sein, als sie etwa bei längerer Autobahnfahrt auftreten, müssen deshalb aber nicht weniger intensiv sein. Sie gehören im einen wie im anderen Falle zu den üblicherweise an einen Berufskraftfahrer insoweit zu stellenden Anforderungen.
dd) Auch die aus der Länge der Fahrtstrecke und dem Wechsel der Zielorte gezogenen Folgerungen des Landesarbeitsgerichts überzeugen den Senat nicht. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, daß es vorliegend nicht um eine generelle Abgrenzung zwischen Nah- und Fernverkehr geht, sondern nur die konkreten Verhältnisse des Arbeitseinsatzes der Kläger vor und nach der streitbefangenen Maßnahme zu beurteilen sind. Die weggefallenen Fahrten der Kläger können zwar als Fernfahrten im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes angesehen werden. Danach ist Güternahverkehr jede Beförderung von Gütern für andere innerhalb der Nahzone als des Gebiets innerhalb von 50 km um den Standort, Güterfernverkehr die Beförderung von Gütern über die Nahzone hinaus, §§ 2, 3 Güterkraftverkehrsgesetz. Diese formale Abgrenzung allein ist aber für die hier zu entscheidende betriebsverfassungsrechtliche Frage nicht ausschlaggebend. Für die Beurteilung, ob die Umstände der Arbeitsleistung sich erheblich geändert haben, ist vielmehr von Bedeutung, daß die Fernverkehrs fahrten der Kläger sich in einem entfernungsmäßig eher begrenzten Bereich hielten mit sich wiederholenden Zielorten. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts führten die Fahrten überwiegend ins Ruhrgebiet, nach Bielefeld, nach Stuttgart. Das wird auch aus den von den Klägern jeweils für einen Monat vorgelegten Fahrtberichten deutlich. Gerechnet von Darmstadt aus handelt es sich also um Regionen, die in einigen Stunden erreichbar sind. Dies wird unterstrichen durch die Tatsache, daß die Fernfahrten innerhalb eines Tages abgewickelt wurden. Soweit es also um die fahrerische Inanspruchnahme wegen der zu bewältigenden Strecken geht, relativiert sich der vom Landesarbeitsgericht angenommene Unterschied zwischen Fern- und Nahverkehr angesichts der hier eher kürzeren Entfernungen.
Gleiches gilt, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Schwierigkeit des Fahrens in unbekannten Regionen abstellt. Wenn Fahrten zwar über längere Strecken, aber immer wieder an dieselben Orte durchgeführt werden, ist davon auszugehen, daß der Kraftfahrer mit den Gegebenheiten sowohl der Streckenführung als auch der Verkehrsverhältnisse des Zielortes schnell vertraut wird. Auch das ist Bestandteil des Berufsbildes eines Kraftfahrers. Ein signifikanter Unterschied zwischen Nah- und derart eingeschränktem Fernverkehr läßt sich von hier deshalb gleichfalls nicht ableiten. Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn es um Fahrten mit ständigem Wechsel in ganz unterschiedliche Regionen geht, bedarf keiner Entscheidung.
ee) Die eher begrenzten Entfernungen und die im wesentlichen sich wiederholenden Ziele nehmen nach Auffassung des Senats auch dem weiteren Argument des Landesarbeitsgerichts an Gewicht, bei Pannen sei der Fernfahrer ganz anders auf sich gestellt als der Fahrer im Nahverkehr. Abgesehen davon, daß – wie die Revision rügt – keine Feststellungen getroffen wurden zu Art und Häufigkeit derartiger Pannen, bleibt dem entgegenzuhalten, daß angesichts der täglichen Rückkehr in den Betrieb und angesichts etwa einer jederzeit möglichen telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Betrieb auch bei auftretenden größeren Pannen ohne weiteres die Gelegenheit bestand, betriebliche Hilfe bzw. eine betriebliche Entscheidung einzuholen. Ein erheblicher Unterschied zu einer im Nahverkehr auftretenden Panne ist auch hier nicht ersichtlich.
c) Es bleibt also festzuhalten, daß es zwar durch den Wegfall der Fernfahrten zu einer Änderung der Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung für die Kläger gekommen ist, diese aber nicht so erheblich ist, daß deshalb von einem neuen Arbeitsbereich gesprochen werden müßte. Dies gilt hier um so mehr, als die Kläger auch schon vorher im Nahverkehr eingesetzt waren, wenn auch zeitlich dem Fernverkehr untergeordnet. Sie werden also nicht mit für sie völlig neuen Arbeitsaufgaben betraut. Auch der Wegfall der Beaufsichtigung der Beladung für den Fernverkehr rechtfertigt keine andere Entscheidung. Diese war Annextätigkeit zum Fernverkehr. Sie ist auch nicht ersetzt worden etwa durch die Verpflichtung zur Mithilfe beim Be- und Entladen der Fahrzeuge.
d) Bei genauer Betrachtung liegt die eigentlich wesentliche Änderung der Verhältnisse in der Verringerung der Einsatzzeiten der Kläger und in dem damit verbundenen Wegfall der erheblichen Überstundenvergütung. Dies ist aber für die Bestimmung des Arbeitsbereichs im Sinne der §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG nicht maßgeblich. Der Senat hat schon in seinen Entscheidungen vom 19. Februar 1991 (– 1 ABR 21/90 – AP Nr. 25 zu § 95 BetrVG 1972) und vom 16. Juli 1991 (– 1 ABR 71/90 – AP Nr. 28 zu § 95 BetrVG 1972) festgestellt, daß der Arbeitsbereich im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG grundsätzlich durch eine räumliche und eine funktionale Komponente geprägt ist, nicht aber durch eine zeitliche Komponente. Der Arbeitsbereich in diesem Sinne wird also regelmäßig weder durch die Lage der Arbeitszeit noch durch ihre Dauer bestimmt (vgl. im einzelnen Senatsbeschlüsse a.a.O.). Durch den Wegfall der bisher regelmäßig angefallenen Überstunden verändert sich also letztlich nur der Umfang der Tätigkeit der Kläger, nicht aber ihr Inhalt. Sie bleibt Tätigkeit eines Kraftfahrers im Güterverkehr, die mit unveränderten Arbeitsmitteln – nämlich denselben Fahrzeugen – durchgeführt wird.
3. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien – unveränderter Einsatz der Kläger als Kraftfahrer, Benutzung derselben Kraftfahrzeuge, Einsatz im Nahverkehr auch schon bisher, räumlich und von den Zielorten her eher begrenzter Fernverkehr, Unbeachtlichkeit des Arbeitsumfangs für die Bestimmung des Arbeitsbereichs im Sinne des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriffs – bleibt zusammenfassend festzustellen, daß die Änderung der Umstände, unter denen die Kläger nunmehr ihre Arbeitsleistung erbringen, nach Auffassung des Senats nicht ausreicht, um schon eine Änderung des Gesamtbildes der Tätigkeit anzunehmen. Die hier zu beurteilende Maßnahme stellt also keine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG dar.
Sie war demnach nicht mitbestimmungspflichtig nach § 99 BetrVG. Damit bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der vom Landesarbeitsgericht aufgeworfenen Kritik an der Rechtsprechung des Senats, wonach die Versetzung bei unterbliebener Beteiligung des Betriebsrats individualrechtlich unwirksam ist (Senatsurteil vom 26. Januar 1988 – 1 AZR 531/86 – BAGE 57, 242 = AP Nr. 50 zu § 99 BetrVG 1972; zuletzt bestätigt durch Senatsurteil vom 26. Januar 1993 – 1 AZR 303/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 3 der Gründe).
II. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich.
Die Beklagte hat sich bei der Bestimmung der von den Klägern zu erbringenden Tätigkeit auf das ihr zustehende Direktionsrecht berufen. Sie hat keine Änderungskündigung ausgesprochen. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob nach den zwischen den Parteien geltenden vertraglichen Bestimmungen die Maßnahme noch durch das Direktionsrecht gedeckt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts zwar die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages zu erbringenden Arbeitsleistungen näher bestimmen kann. Das Direktionsrecht findet aber seine Grenzen an den vertraglichen Vereinbarungen. Es berechtigt darüber hinaus auch nicht zur Änderung des sog. Kernbereichs des Arbeitsverhältnisses, wozu insbesondere die Vergütungspflicht und die Arbeitspflicht zählen (BAGE 47, 314, 321 = AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969, zu II 3 b der Gründe; KR-Rost, 3. Aufl., § 2 KSchG, Rz 36, 37, 48). Insoweit stellt sich die Frage, ob angesichts der von den Klägern über längere Zeit in der Vergangenheit regelmäßig durchgeführten Fernfahrten und der damit verbundenen erheblichen Mehreinkünfte sich möglicherweise die Arbeitsverträge dahin konkretisiert haben, daß der Einsatz im Fernverkehr Bestandteil des Vertrages geworden ist und den Klägern daher nur noch durch eine Änderungskündigung entzogen werden kann, wie dies das Arbeitsgericht angenommen hat. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Kläger mit ca. 1.300,– DM monatlich (von ca. 4.800,– DM) infolge der Maßnahme eine ganz erhebliche Einkommensminderung hinnehmen müssen.
Der Annahme des Erfordernisses einer Änderungskündigung steht auch nicht zwingend § 13 MTV Chemie entgegen. Kommt man zu dem Ergebnis, daß die Durchführung der Fernfahrten zum nicht einseitig durch Direktionsrecht abänderbaren Inhalt des Arbeitsvertrages gehört, sondern es einer Änderungskündigung bedarf, wäre diese an § 1 KSchG zu messen. Daß die Tarifvertragsparteien den Kündigungsschutz zurückdrängen wollten, ist nicht anzunehmen, unbeschadet der Frage, inwieweit ihnen dies rechtlich überhaupt möglich wäre. Die Feststellung, daß der Arbeitnehmer verpflichtet sei, andere zumutbare Arbeiten zu leisten (§ 13 Abschn. III Abs. 2 MTV Chemie), dürfte sich auf andere Arbeiten im Rahmen des Arbeitsvertrages beziehen.
Auch wenn man davon ausgeht, daß das Direktionsrecht tarifvertraglich erweitert werden kann, ist zu beachten, daß dies unter Berücksichtigung des an sich unabdingbaren Kündigungsschutzes nur in begrenztem Rahmen zulässig ist (vgl. dazu etwa BAGE 48, 351 = AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; BAG Urteil vom 22. Mai 1985 – 4 AZR 88/84 – AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; KR-Rost, a.a.O., § 2 KSchG Rz 54 a ff.). Es ist nicht zu erkennen, daß die Tarifvertragsparteien eine entsprechende Erweiterung des Direktionsrechts im Auge hatten, die auch Eingriffe in den an sich individualrechtlich gegen einseitige Änderungen geschützten Kernbereich ohne Änderungskündigung zulassen sollten, wobei noch die Frage des Günstigkeitsvorrangs entsprechender vertraglicher Vereinbarungen zu prüfen wäre.
Die danach im Wege der Auslegung vorzunehmende Ermittlung des gegenüber dem Direktionsrecht bestandsfesten Vertragsinhaltes ist Aufgabe des Tatsachengerichts, zumal es sich nicht um typische Vertragsgestaltungen handelt. Auch wenn das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, die Maßnahme sei durch das – ggf. tarifvertraglich zulässig erweiterte – Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt, bleibt zu prüfen, ob der Arbeitgeber die bei Ausübung des Direktionsrechts immer zu beachtenden Grenzen billigen Ermessens eingehalten hat, § 315 BGB. Diese Prüfung obliegt gleichfalls vorrangig der Tatsacheninstanz, abgesehen von einer hier nicht feststellbaren Reduzierung des Ermessens in der Weise, daß nur eine Entscheidung als billigem Ermessen entsprechend denkbar ist.
Die Sache ist daher zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, damit es die – nach seiner Rechtsauffassung konsequent – bisher nicht getroffenen Feststellungen und Wertungen nachholen kann.
Unterschriften
Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Spiegelhalter, Ehrenamtlicher Richter Hilgenberg ist durch Ablauf seiner Amtszeit an der Unterschriftsleistung verhindert Dr. Kissel
Fundstellen