Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrieb des Malerhandwerks als Baubetrieb
Leitsatz (amtlich)
Ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks fällt nur dann unter den betrieblichen Geltungsbereich der Bautarife, wenn er überwiegend Putz- und Stuckarbeiten ausführt. Daß Putz- und Stuckarbeiten zusammen mit anderen baulichen Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV überwiegend anfallen, reicht nicht aus.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Maler, § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe i.d.F. vom 12. November 1986 § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 33 und 36, Abschn. VII Nr. 4
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 24.01.1994; Aktenzeichen 16 Sa 1141/93) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 07.07.1993; Aktenzeichen 3 Ca 3140/92) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Januar 1994 – 16 Sa 1141/93 – wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Revision trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte im Klagezeitraum einen Baubetrieb im Sinne der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und deshalb zur Beitragszahlung an die Klägerin verpflichtet ist.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt den Beklagten (noch) auf Beitragszahlung für bei ihm beschäftigte Arbeiter für das Jahr 1988 in Anspruch.
Der Beklagte hat sich im März 1987 selbständig gemacht und einen “Meisterbetrieb” eröffnet, der im Briefkopf als “Verputz und Malergeschäft” bezeichnet wird. Von der Betriebsgründung bis zum Februar 1990 nahm der Beklagte am tariflichen Sozialkassenverfahren für das Maler- und Lackiererhandwerk teil. Nach einem Bescheid des Landesarbeitsamtes Nordbayern vom 23. Mai 1991 wurde der Beklagte für die Zeit ab März 1987 zur Winterbaunlage herangezogen. Mit Schreiben vom 29. Januar 1990 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß sich der Anteil der Verputzarbeiten seit 1987 ständig vergrößert habe und im Jahre 1990 wohl überwiegen werde und bat um die Zuteilung einer Betriebskontonummer.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe schon in den Jahren vor 1990 überwiegend Putz-, Stuck-, Trockenbau- und Montagearbeiten verrichtet. Sein Betrieb sei daher vom Geltungsbereich der Bautarife erfaßt worden.
In der für den Klagezeitraum maßgebenden Fassung vom 12. November 1986 heißt es in § 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) wie folgt:
Ҥ 1 Geltungsbereich
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören zum Beispiel diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
- Stuck-, Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
- …
- Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
- …
Abschnitt VII
Nicht erfaßt werden Betriebe
- …
- des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Putz-, Stuck- oder dazu gehörige Hilfsarbeiten ausgeführt werden,
- …
“
Die Klägerin hat in zunächst getrennt anhängig gemachten Verfahren Beiträge für das Jahr 1988 in Höhe von 19.327,93 DM, restliche Beiträge für Februar und Juni 1990 in Höhe von 1.669,34 DM und Auskunft für Oktober 1992 verlangt.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe in den Jahren 1987 bis 1989 überwiegend Maler- und Lackiererarbeiten ausgeführt und sei daher in dieser Zeit ein Betrieb des Malerhandwerks gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Vor dem Landesarbeitsgericht hat der Beklagte die restlichen Beitragsforderungen für 1990 und den Auskunftsanspruch anerkannt und ist insoweit durch Anerkenntnisurteil verurteilt worden. Die Beitragsforderung für das Jahr 1988 hat auch das Landesarbeitsgericht abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin diesen Beitragsanspruch weiter, während der Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung ausgeführt, die Klägerin habe nicht dargetan, daß der Beklagte schon 1988 überwiegend bauliche Tätigkeiten verrichtet habe. Die Behauptung der Klägerin, überwiegend seien vom Beklagten Putz-, Stuck-, Trockenbau- und Montagebauarbeiten verrichtet worden, reiche insoweit nicht aus. Putz- und Stuckarbeiten seien auch Arbeiten des Maler- und Lackiererhandwerks und könnten – auch nach dem Vorbringen der Klägerin – zusammen mit den Anstrich- und Tapezierarbeiten überwiegend angefallen sein. Dann sei aber der Betrieb des Beklagten als ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen.
Dem ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu folgen.
II.1. Die Klägerin rügt mit der Revision in erster Linie eine Verletzung der Fragepflicht des Landesarbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht hätte sie darauf hinweisen müssen, daß die Behauptung, Putz-, Stuck-, Trockenbau- und Montagearbeiten seien überwiegend angefallen, nicht ausreiche, sondern auch der Anteil der einzelnen dieser Arbeiten angegeben werden müsse. Sie hätte dann vorgetragen, daß die Maler- und Tapezierarbeiten 25 %, die Putzarbeiten 40 %, die Stuckarbeiten 5 % und die Trockenbau- und Montagebauarbeiten 30 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht hätten. Damit wären im Betrieb der Beklagten überwiegend bauliche Tätigkeiten verrichtet worden, so daß dieser vom Geltungsbereich des VTV erfaßt worden wäre.
Diese Rüge ist nicht begründet.
2. Es kann dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht überhaupt verpflichtet war, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß ihr Vortrag, Putz-, Stuck-, Trockenbau- und Montagearbeiten seien überwiegend angefallen, nicht ausreiche. Auch unter Berücksichtigung ihres dann erfolgten Vorbringens wäre der Betrieb des Beklagten nicht vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt. Mit 25 % Maler- und Tapezierarbeiten und 40 % Putzarbeiten werden im Betrieb des Beklagten überwiegend Tätigkeiten des Malerhandwerks erbracht.
3. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß Putz- und Stuckarbeiten auch Tätigkeiten sind, die zum Berufsbild des Maler- und Lackiererhandwerks gehören. Das ergibt sich, worauf das Landesarbeitsgericht hinweist, einmal aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung über das Berufsbild und die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Maler- und Lackiererhandwerk vom 15. August 1973 und aus § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 4 VTV selbst, wonach es Betriebe des Malerhandwerks geben muß, die Putz- und Stuckarbeiten ausführen.
Putz- und Stuckarbeiten sind aber auch Arbeiten, die von baugewerblichen Betrieben ausgeführt werden und bauliche Leistungen darstellen.
a) Wird eine Tätigkeit sowohl von Betrieben des Baugewerbes als auch von Betrieben eines bestimmten Handwerks ausgeübt, so ist der diese Tätigkeit ausübende Betrieb nicht allein deswegen schon ein baugewerblicher Betrieb. Führt der Betrieb vielmehr neben diesen “sowohl-als-auch-Tätigkeiten” in nicht unerheblichem Umfang auch Arbeiten aus, die ausschließlich einem bestimmten Handwerk zuzurechnen sind, so bleibt der Betrieb ein solcher dieses Handwerks (BAG Urteil vom 3. Dezember 1986 – 4 AZR 466/86 – AP Nr. 73 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Auch nach dem neuen Vorbringen der Klägerin sind im Klagezeitraum in Betrieb des Beklagten noch zu 25 % Maler- und Tapezierarbeiten ausgeführt worden. Das sind Arbeiten, die ausschließlich dem Maler- und Tapeziererhandwerk zuzurechnen sind. Ein Umfang von 25 % ist auch nicht als unerheblich anzusehen. Damit ist der Betrieb des Beklagten, auch wenn er – wie die Klägerin vorträgt – daneben 40 % Putzarbeiten verrichtet, noch ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks. Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 4 VTV ist er daher grundsätzlich vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen.
b) Diese Ausnahme entfällt erst dann, wenn die vom Handwerksbetrieb vorgenommenen Putz- und Stuckarbeiten überwiegen.
Maßgebend für die Frage, ob ein Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt wird, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, ob von den Arbeitnehmern des Betriebes arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV verrichtet werden. Von daher folgt aus der Systematik der Regelungen über den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, daß ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks nur dann vom Geltungsbereich des VTV nicht ausgenommen sein soll, wenn er überwiegend die die Rückausnahme begründenden Tätigkeiten ausübt.
Das ist nach dem Vorbringen der Klägerin für den Betrieb der Beklagten nicht der Fall. Nach diesem Vorbringen wurden im Anspruchszeitraum vom Betrieb der Beklagten allenfalls 45 % Putz- und Stuckarbeiten ausgeführt. Diese Tätigkeiten sind damit nicht die überwiegend vom Betrieb des Beklagten ausgeübten Tätigkeiten.
Unerheblich ist, daß der Betrieb des Beklagten auch noch zu 25 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Trocken- und Fertigbauarbeiten ausgeführt hat. § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 4 VTV nimmt einem Betrieb des Malerhandwerks, was der Betrieb des Beklagten – wie dargelegt – nach wie vor ist, nur dann wieder von der Ausnahme aus, wenn überwiegend Putz- und Stuckarbeiten verrichtet werden, nicht aber schon dann, wenn alle neben der eigentlichen zum Maler- und Lackiererhandwerk gehörenden Tätigkeit, wie Malerund Tapezierarbeiten, anfallenden Tätigkeiten sich als bauliche Leistungen darstellen und zusammengenommen überwiegend anfallen. Ebensowenig wie ein Betrieb als Handwerksbetrieb nicht schon deswegen vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen ist, weil in ihm überwiegend Arbeiten verschiedener Handwerke ausgeübt werden (vgl. Urteil des Senats vom 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 – AP Nr. 180 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) reicht es für die Rückausnahme in § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 4 VTV aus, daß im Betrieb des Beklagten insgesamt überwiegend Tätigkeiten ausgeübt werden, die zwar nach Abschn. V aaO bauliche Tätigkeiten sind, zum Teil aber auch solche des Maler- und Lackiererhandwerks.
Der Betrieb des Beklagten wurde danach im Jahre 1988 vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht erfaßt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beitragsansprüche der Klägerin für diesen Zeitraum daher zu Recht als unbegründet angesehen und die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Lindemann, Walther
Richter Böck ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert.
Matthes
Fundstellen
Haufe-Index 870879 |
NZA 1995, 1172 |