Entscheidungsstichwort (Thema)
Trennungsgeld - Ausschlußfrist - Treu und Glauben
Orientierungssatz
Die Berufung auf eine Ausschlußfrist stellt dann eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242, 134 BGB unzulässige Rechtsausübung dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlaßt worden ist. Der Arbeitgeber muß also den Arbeitnehmer an der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist gehindert haben. Das wird angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, daß der Anspruch auch ohne Wahrung der Ausschlußfrist erfüllt werde.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. September 1997 - 12 Sa 2121/96 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem beklagten Land die Zahlung von Trennungsgeld aus Anlaß einer Abordnung.
Der in W wohnhafte Kläger ist in der Straßenbauverwaltung des beklagten Landes als angestellter Personalsachbearbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Das beklagte Land versetzte den Kläger mit Schreiben des Niedersächsischen Landesamts für Straßenbau vom 5. Dezember 1988 mit Wirkung vom 19. Dezember 1988 vom Straßenbauamt O-Ost zum Straßenbauamt O-West, Straßenmeisterei W. In dem Schreiben heißt es: "...
Durch diese Maßnahme wird W Ihr neuer Beschäftigungsort. Dienstort
verbleibt wie bisher O.
...
Aus Anlaß der Maßnahme haben Sie keinen Anspruch auf
Trennungsgeld, da Ihr neuer Beschäftigungsort im Einzugsbereich
Ihrer Wohnung liegt (§ 2 Abs. 6 BUKG). ..."
Später ordnete das beklagte Land mit Schreiben des Niedersächsischen Landesamts für Straßenbau vom 7. Januar 1993 den Kläger mit Wirkung vom 18. Januar 1993 für die Dauer des Erziehungsurlaubs einer Beamtin längstens bis zum 30. Oktober 1995 an das Straßenbauamt O-Ost ab. In dem Schreiben heißt es: "...
Durch diese Maßnahme ändert sich Ihr Dienstort nicht.
...
Die von mir mündlich ausgesprochene Mitteilung über die Maßnahme
wird hiermit bestätigt.
..."
Das beklagte Land lehnte den Antrag des Klägers vom 28. Juni 1994, ihm rückwirkend ab dem 18. Januar 1993 Trennungsgeld zu gewähren, mit Schreiben vom 23. Dezember 1994 ab und berief sich dabei auf die Ausschlußfrist des § 9 Abs. 1 der Verordnung über das Trennungsgeld bei Versetzungen und Abordnungen im Inland (Trennungsgeldverordnung-TGV). Mit der vorliegenden Klage vom 28. Dezember 1995 hat der Kläger die Zahlung von Trennungsgeld in Höhe von 18.098,04 DM sowie die Feststellung verlangt, daß das beklagte Land verpflichtet sei, an ihn für die Dauer seiner Abordnung an das Straßenbauamt O-Ost Trennungsgeld zu zahlen.
Der Kläger hat darauf verwiesen, daß er durch die Abordnung an das Straßenbauamt O-Ost seinen Dienstort gewechselt habe, weil seine Wohnung nicht im Einzugsbereich des neuen Dienstorts liege. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Berufung des beklagten Landes auf die Ausschlußfrist sei rechtsmißbräuchlich, denn er habe auf die Richtigkeit der Angaben in der Abordnungsverfügung vertraut und deshalb zunächst kein Trennungsgeld beantragt.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger rückständiges
Trennungsgeld iHv. 18.098,04 DM nebst 4 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger
für die Dauer seiner Abordnung an das Straßenbauamt O-Ost
Trennungsgeld iHv. 22,51 DM je Arbeitstag zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Berufung auf die Ausschlußfrist sei zulässig, da es den Kläger zu keinem Zeitpunkt gehindert habe, seinen Anspruch frist- und formgerecht geltend zu machen. Damit liege keine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung vor.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage als unbegründet abgewiesen.
Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Trennungsgeld wegen der mit Wirkung ab dem 18. Januar 1993 ausgesprochenen Abordnung an das Straßenbauamt O-Ost ist gemäß § 9 Abs. 1 TGV verfallen.
1. Nach dieser Vorschrift verfallen Ansprüche auf Trennungsgeld, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Jahr schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt jeweils mit dem Ablauf des Kalendermonats, für den das Trennungsgeld erstmalig zusteht (§ 9 Abs. 1 Satz 2 TGV). Zutreffend haben beide Vorinstanzen angenommen, daß der Kläger mit seinem Antrag vom 28. Juni 1994 den Anspruch auf Trennungsgeld anläßlich der Abordnung ab dem 18. Januar 1993 nicht innerhalb der in § 9 Abs. 1 TGV bestimmten Ausschlußfrist schriftlich geltend gemacht hat, und daß der Anspruch bei Versäumung der Frist des § 9 Abs. 1 TGV insgesamt erlischt, also aus Anlaß derselben dienstlichen Maßnahme auch für die Zukunft (vgl. Meier/Fricke, Reisekosten im öffentlichen Dienst, Stand Juni 1999, § 9 TGV Rn. 21).
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß die Berufung des beklagten Landes auf den Verfall der Ansprüche nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt.
a) Die Berufung auf eine Ausschlußfrist stellt dann eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242, 134 BGB unzulässige Rechtsausübung dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Arbeitnehmers durch ein Verhalten des Arbeitgebers veranlaßt worden ist. Der Arbeitgeber muß also den Arbeitnehmer an der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist gehindert haben. Das wird angenommen, wenn der Arbeitgeber durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Arbeitnehmer die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, daß der Anspruch auch ohne Wahrung der Ausschlußfrist erfüllt werde (vgl. BAG 23. Juni 1961 - 1 AZR 239/59 - BAGE 11, 150, 155 f.; 27. März 1963 - 4 AZR 72/62 - BAGE 14, 140, 145 f.; 22. Dezember 1971 - 1 AZR 180/71 - BAGE 24, 84, 89 f.; 7. Mai 1986 - 4 AZR 556/83 - BAGE 52, 33; 11. Januar 1995 - 10 AZR 5/94 - ZTR 1995, 277 und zuletzt 22. Januar 1997 - 10 AZR 459/96 - AP BAT § 70 Nr. 27 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 125). In diesen Fällen setzt sich der Arbeitgeber in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten, wenn er den Verfall geltend macht und so aus dieser Untätigkeit des Arbeitnehmers einen Vorteil ziehen will. Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein.
b) Das beklagte Land hat dadurch, daß es in der Abordnungsverfügung vom 7. Januar 1993 unzutreffenderweise mitgeteilt hat, der Dienstort ändere sich nicht, den Kläger nicht an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert. Der erkennende Senat folgt dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts, soweit dieser in seinem Urteil vom 22. Januar 1997 (- 10 AZR 459/96 - aaO) ausgeführt hat, von einem Arbeitnehmer müsse verlangt werden, daß er sich darüber, ob ein vermeintlicher Anspruch berechtigt ist, selbst informiert. Die Unkenntnis über die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen eines tariflichen Anspruchs sind für dessen Verfall aufgrund einer tariflichen Ausschlußfrist rechtlich unbeachtlich (BAG, aaO, mwN).
Dem Kläger hätte jederzeit freigestanden, die Ansprüche auf Trennungsgeld schriftlich zu erheben.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß durch die zu Unrecht auf den Beschäftigungsort und nicht auf den Dienstort abstellende Versetzungsverfügung vom 5. Dezember 1988 nicht der Eindruck vermittelt worden ist, der Kläger erhalte anläßlich der Abordnung vom 7. Januar 1993 kein Trennungsgeld. Vielmehr hätte sich der Kläger angesichts des Schweigens der Abordnungsverfügung über seinen Trennungsgeldanspruch informieren müssen.
c) Dem beklagten Land kann nicht vorgeworfen werden, es habe den Kläger nicht in gebotener Weise aufgeklärt und ihn dadurch gehindert, den Anspruch geltend zu machen. Eine solche Rechtspflicht des beklagten Landes bestand nicht. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis erfaßt nicht die Verpflichtung, den Arbeitnehmer auf den drohenden Verfall seiner Ansprüche hinzuweisen. Auch im Bereich des öffentlichen Dienstes ist es Sache des Arbeitnehmers, sich Gewißheit darüber zu verschaffen, in welchen Formen und Fristen er seine Ansprüche geltend zu machen hat (BAG Urteil vom 26. Juli 1972 - 4 AZR 365/71 - AP MTB II § 4 Nr. 1; 22. Januar 1997 - 10 AZR 459/96 - aaO). Dies gilt auch, wenn man dem Kläger darin folgt, das beklagte Land habe ihm das Erkennen seines Anspruchs dadurch erschwert, daß es in der Abordnungsverfügung vom 7. Januar 1993 zum Trennungsgeldanspruch nichts gesagt hat. Darauf kommt es nicht an. Die Berufung des Arbeitgebers auf eine Ausschlußfrist verstößt in der Regel nicht einmal deswegen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), weil er dem Arbeitnehmer auf dessen Frage eine unzutreffende Auskunft über das Bestehen eines Anspruchs gegeben hat (BAG Urteil vom 22. Januar 1997 - 10 AZR 459/96 - aaO). Um so weniger kann dies gelten, wenn der Arbeitgeber - wie hier - überhaupt keine Rechtsauskunft erteilt hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1
ZPO.
Dr. Peifer Dr. Armbrüster Gräfl
Steinhäuser D. Knauß
Fundstellen
Haufe-Index 611022 |
ZTR 2000, 36 |