Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Erwerbsunfähigkeit. Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ergänzung zu den Senatsurteilen vom 8. Februar 1994 (– 9 AZR 332/92 – AP Nr. 17 zu § 47 BAT) und vom 22. Oktober 1991 (– 9 AZR 433/90 – BAGE 68, 373 = AP Nr. 57 zu § 7 BUrlG Abgeltung)
Normenkette
MTB II § 54 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 09.09.1993; Aktenzeichen 9 Sa 509/93) |
ArbG Lingen (Urteil vom 09.02.1993; Aktenzeichen 2 Ca 1216/92) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. September 1993 – 9 Sa 509/93 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war bei der Beklagten in der Wehrtechnischen Dienststelle … Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes (MTB II) Anwendung. In dessen § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 ist in der seit dem 1. Januar 1987 geltenden Fassung folgendes bestimmt:
„Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich möglich ist, während der Kündigungsfrist zu gewähren und zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 56 Abs. 1) oder wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit (§ 62) endet oder wenn das Arbeitsverhältnis nach § 62 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt.”
Der Kläger war seit dem 3. Juni 1991 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsunfähigkeit am 31. Dezember 1991 arbeitsunfähig erkrankt. Er erlangte die Arbeitsfähigkeit auch nach dem 1. Januar 1992 nicht wieder.
Der Kläger hat seinen Erholungsurlaub von 35 Tagen aus dem Jahre 1991 nicht mehr erhalten. Deshalb hat er im Juni 1992 vergeblich Abgeltung verlangt. Er hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm hinsichtlich des Abgeltungsanspruchs von 35 Tagen im Jahr 1991 eine Abrechnung zu erteilen;
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.288,10 DM brutto nebst 7,35 % Zinsen seit dem 15. Januar 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und lediglich einen Teil des Zinsanspruchs zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Abgeltungsanspruch für seinen Urlaub von 35 Tagen aus dem Jahr 1991.
1. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1991 wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 62 MTB II) ist ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers nach § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 MTB II entstanden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von einer etwaigen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers (ständige Rechtsprechung seit BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung; zuletzt Urteil vom 8. Februar 1994 – 9 AZR 332/92 – AP Nr. 17 zu § 47 BAT).
2. Der Anspruch ist jedoch erloschen, weil er wegen der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht erfüllbar war.
a) Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG kann nur erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die Dauer seines Urlaubs seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung hätte erbringen können. Die Erfüllbarkeit des den Urlaubsanspruch ersetzenden Urlaubsabgeltungsanspruchs setzt die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraus. Wer arbeitsunfähig krank ist, kann durch Urlaubserteilung von seiner Arbeitspflicht nicht mehr befreit werden (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt Senatsurteil vom 8. Februar 1994, a.a.O.).
b) Für den tarifvertraglichen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 54, Abs. 1 Unterabs. 1 MTB II gilt nichts anderes. Zwar enthielt die bis zum 31. Dezember 1986 geltende Fassung des § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTB II eine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Bestimmung, nach der Urlaub auch dann abzugelten war, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte (vgl. zum BAT BAGE 45, 203 und 62, 252 = AP Nr. 16 und 49 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Mit dem 38. Änderungstarifvertrag vom 9. Januar 1987 sind die tariflichen Sonderregelungen jedoch aufgehoben worden. Seither gelten auch für die tariflichen Ansprüche der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes die in § 7 Abs. 4 BUrlG niedergelegten Grundsätze (vgl. zum BAT BAGE 62, 331 = AP Nr. 51 zu § 7 BUrlG Abgeltung und Senatsurteil vom 8. Februar 1994, a.a.O., und zum BMTG II Senatsurteil vom 22. Oktober 1991 BAGE 68, 373 = AP Nr. 57 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
Entgegen der Ansicht der Revision ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Der Kläger verkennt die Bedeutung des § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTB II in der seit dem 1. Januar 1987 geltenden Fassung. Die dortige Aufzählung ordnet die Rechtsfolgen des § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 und 2 u.a. auch für den Fall der Erwerbsunfähigkeit an, die nach dem Text der Sätze 1 und 2 nur bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses zur Anwendung kommen. Die drei Sätze enthalten keine Aussage über den Erhalt des Abgeltungsanspruches bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit. Das regelte der frühere zweite Teil des § 54 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 MTB II abweichend vom Gesetz. Seit dessen Fortfall gelten auch für den tariflichen Abgeltungsanspruch die Grundsätze des § 7 Abs. 4 BUrlG.
c) Da der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Abgeltungszeitraums, der längstens bis zum 30. September 1992 andauerte, seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt hat, ist der Abgeltungsanspruch spätestens am 30. September 1992 erloschen (§ 53 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3 MTB II).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Dörner, Hans Volpp, Dr. Weiss
Fundstellen