Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvergütung. Vertragsauslegung. Anschlussberufung
Orientierungssatz
Eine Klageerweiterung kann im zweiten Rechtszug nur mittels Berufung oder Anschlussberufung erfolgen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; ZPO § 524 Abs. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 28.04.2005; Aktenzeichen 11 Sa 706/04) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.02.2004; Aktenzeichen 13/8 Ca 7881/03) |
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 2002 bei der Beklagten als Flugzeugführerin beschäftigt. Zuvor war die Klägerin bei der L… C… AG (LCAG) als Flugzeugführerin tätig. Sie wurde am 27. November 1994 zum Kapitän ernannt.
In dem Formulararbeitsvertrag der Klägerin vom 1. Oktober 2002 ist bestimmt:
“…
2. Rechte und Pflichten
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der Lufthansa in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den Bestimmungen dieses Vertrages.
3. Vergütung
(1)
Im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit wird Frau K… in die Beschäftigungsgruppe der Kapitäne eingruppiert.
(2)
Die monatliche Vergütung beträgt (6DF) ab 01.10.2002
Grundvergütung |
(220) 11.156,27 € |
Gesamtvergütung |
(303) 11.156,27 € |
…”
Für die Flugzeugführer der Beklagten und der LCAG gelten verschiedene Tarifverträge. Bis zum 31. Januar 2001 gab es bei der LCAG und der Beklagten unterschiedliche Berechnungsfaktoren zur Bestimmung der tariflichen Vergütung der Cockpitmitarbeiter. Bei einem Wechsel von Flugzeugführern von der LCAG zur Beklagten wurde mit Hilfe einer tariflichen Umrechnungsklausel sichergestellt, dass die Cockpitmitarbeiter bei der Beklagten eine vergleichbare Vergütung erhielten. Mit Wirkung vom 1. Februar 2001 wurden sowohl bei der Beklagten als auch der LCAG neue Vergütungssysteme eingeführt. Nach dieser Änderung der tariflichen Vergütungsstruktur war eine Vergütungsanpassung bei einem Wechsel von der LCAG zur Beklagten tarifvertraglich nicht mehr vorgesehen. Die tarifvertragliche Umrechnungsklausel in § 3 Abs. 5 Vergütungstarifvertrag (VTV) Nr. 1 bis 4 Cockpit LCAG wurde durch den VTV Nr. 5 Cockpit LCAG aufgehoben.
Die Beklagte zahlte der Klägerin im Oktober 2002 eine Vergütung iHv. 11.156,57 Euro brutto. Bis März 2003 erhöhte die Beklagte das Gehalt der Klägerin entsprechend den tarifvertraglich vorgesehenen Steigerungssätzen auf 11.941,58 Euro brutto. Mit Schreiben vom 18. März 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe die Vergütung anlässlich des Wechsels von der LCAG zur Beklagten fehlerhaft berechnet. Die monatliche Vergütungsdifferenz belaufe sich in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Januar 2003 auf jeweils 343,98 Euro brutto und für Februar und März 2003 auf jeweils 354,99 Euro brutto, weshalb sie von der Klägerin insgesamt 2.085,90 Euro brutto zurückfordere. In der Abrechnung für April 2003 brachte die Beklagte die von ihr errechnete Nettoüberzahlung in Abzug. Ab April 2003 zahlte sie der Klägerin nur die von ihr im Schreiben vom 18. März 2003 mitgeteilte niedrigere Vergütung.
Die Klägerin hat mit ihrer am 6. August 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage sowie mit den im ersten Rechtszug mit Schriftsätzen vom 30. Oktober 2003 und vom 4. Februar 2004 erfolgten Klageerweiterungen die Zahlung der Vergütungsdifferenz zwischen dem im Arbeitsvertrag angegebenen und nachfolgend erhöhten monatlichen Arbeitsentgelt und der von der Beklagten abgerechneten Vergütung verlangt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe Anspruch auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung zuzüglich der tarifvertraglich geregelten Gehaltsteigerungen. Dabei seien die bei der LCAG zurückgelegten Kapitänsjahre zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.416,11 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.11.2002 als Vergütung für Oktober 2002 abzurechnen und zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.416,11 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.12.2002 als Vergütung für November 2002 abzurechnen und zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.056,11 Euro brutto sowie weitere 132,52 Euro für Überstunden nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.01.2003 als Vergütung für Dezember 2002 abzurechnen und zu bezahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.02.2003 als Vergütung für Januar 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.03.2003 als Vergütung für Februar 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.04.2003 als Vergütung für März 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2003 als Vergütung für April 2003 und weitere 1.418,66 Euro als variable Vergütung für April 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.06.2003 als Vergütung für Mai 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.07.2003 als Vergütung für Juni 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.08.2003 als Vergütung für Juli 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
11. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.09.2003 als Vergütung für August 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
12. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.10.2003 als Vergütung für September 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
13. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.11.2003 als Vergütung für Oktober 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
14. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.12.2003 als Vergütung für November 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
15. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.01.2004 als Vergütung für Dezember 2003 abzurechnen und zu bezahlen.
16. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.461,43 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.02.2004 als Vergütung für Januar 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
17. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.03.2004 als Vergütung für Februar 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
18. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto sowie weitere 40,06 Euro brutto für Überstunden nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.04.2004 als Vergütung für März 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
19. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.05.2004 als Vergütung für April 2004 sowie weitere 1.847,70 Euro als variable Vergütung abzurechnen und zu bezahlen.
20. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.06.2004 als Vergütung für Mai 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
21. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.07.2004 als Vergütung für Juni 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
22. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.08.2004 als Vergütung für Juli 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
23. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto sowie weitere 157,38 Euro brutto für Überstunden nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.09.2004 als Vergütung für August 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
24. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto sowie weitere 112,55 Euro brutto für Überstunden nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.10.2004 als Vergütung für September 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
25. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.816,42 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.11.2004 als Vergütung für Oktober 2004 abzurechnen und zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie habe bei der Gehaltsberechnung irrtümlich die nicht mehr gültige tarifvertragliche Umrechnungsklausel angewendet. Tatsächlich habe sie der Klägerin die zuletzt bei der LCAG erzielte Vergütung zuzüglich der zwischenzeitlich erfolgten Tarifsteigerungen zahlen wollen. Mehr stehe der Klägerin auch tarifvertraglich nicht zu.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt und diese mit einem der Klägerin am 1. Juni 2004 zugestellten Schriftsatz begründet. Auf Antrag der Klägerin ist die Frist zur Berufungsbeantwortung bis zum 2. August 2004 verlängert worden. Mit ihrer am 29. Juli 2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbeantwortung vom 28. Juli 2004 sowie mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2004 hat die Klägerin weitere Abrechnungs- und Zahlungsansprüche erhoben, die in den wiedergegebenen Anträgen enthalten sind. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert. Die Klage ist im Umfang der im ersten Rechtszug geltend gemachten Ansprüche begründet. Die Revision ist nicht begründet, soweit sie die im zweiten Rechtszug erfolgten Klageerweiterungen weiterverfolgt.
I. Die Klägerin kann von der Beklagten Vergütung in Höhe des im Arbeitsvertrag angegebenen Betrags von 11.156,57 Euro brutto verlangen. Dieser Betrag ist im Umfang der erfolgten Tariferhöhungen zu steigern.
1. Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. §§ 305 ff. BGB. Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass ein Formulararbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsauslegung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (Senat 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – AP ArbZG § 6 Nr. 8 = EzA ArbZG § 6 Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
2. Der von der Beklagten vorgelegte Arbeitsvertrag sieht in Nr. 3 eine monatliche Vergütung der Klägerin iHv. 11.156,57 Euro vor. Aus Sicht der Klägerin (§ 157 BGB) stellte dieser Betrag das von der Beklagten ausgerechnete und gewollte Gehalt dar. Mit ihrer Unterschrift unter den Arbeitsvertrag nahm die Klägerin das Vertragsangebot der Beklagten an.
a) Dem Vertrag und den äußeren Umständen, die zu dem Vertragsschluss geführt haben, sind für einen verständigen und redlichen Vertragspartner keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die auf eine unzutreffende Angabe der Vergütungshöhe schließen lassen. Der Vertrag enthält keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Berechnungsgrundlagen oder eine bestimmte tarifvertragliche Vergütungsgruppe. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 9. November 2005 (– 5 AZR 128/05 – AP BGB § 305c Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) zugrunde lag. Die im Arbeitsvertrag neben dem Betrag von 11.156,57 Euro angegebenen Kennzahlen lassen keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Berechnung der Vergütung zu. Es handelt sich hierbei lediglich um Schlüsselzahlen, die allein für die Gehaltsabrechnung von Bedeutung sind. Von einem verständigen Vertragspartner können sie nicht einer tariflichen Einreihung zugeordnet werden. Dass das von der Beklagten im Arbeitsvertrag angegebene Gehalt nicht ein “glatter” Betrag war, sondern “centgenau” bezeichnet worden ist, spricht allein dafür, dass die Vergütung von der Beklagten in irgendeiner Art und Weise errechnet worden ist. Da die Beklagte jedoch die Berechnungsgrundlagen nicht offengelegt hat und diese auch nicht in anderer Weise nachvollzogen werden konnten, wurde für die Klägerin nicht erkennbar, welche Berechnung zu dem angegebenen Betrag führte.
b) Ein etwaiger Irrtum der Beklagten bei der Berechung des Gehalts war für die Klägerin nicht erkennbar. Die Gehaltsdifferenz von rund 350 Euro war bei der vorliegenden absoluten Gehaltshöhe von 11.156,57 Euro nicht so erheblich, dass der Klägerin der Irrtum der Beklagten geradezu “ins Auge springen” musste. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, die Klägerin hätte auf Grund der einschränkungslosen Bezugnahme auf die Tarifverträge der Beklagten in Nr. 2 des Arbeitsvertrags erkennen müssen, dass die Beklagte ihr nur die tarifliche Vergütung gewähren wollte, steht dies der Wirksamkeit der Vereinbarung eines monatlichen Gehalts iHv. 11.156,57 Euro nicht entgegen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass den bei der Beklagten geltenden Tarifbestimmungen der konkrete Vergütungsanspruch der Klägerin gerade nicht entnommen werden konnte. Hiervon geht auch die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung aus. Es gab zur Zeit der Einstellung der Klägerin bei der Beklagten weder eine Gehaltstabelle noch eine Tarifvorschrift, aus der sich ein tariflicher Vergütungsanspruch der Klägerin ergeben hätte. Es mag sein, dass die Beklagte, ohne tarifvertraglich dazu verpflichtet zu sein, der Klägerin das zuvor bei der LCAG bezogene Gehalt weiterzahlen wollte. Dieser innere Wille der Beklagten ist für einen verständigen Vertragspartner jedoch nicht nach außen erkennbar geworden. Die Beklagte hat weder behauptet, sich dahingehend gegenüber der Klägerin geäußert zu haben, noch dargelegt, dass es sich hierbei um eine allgemein bekannte Übung gehandelt habe.
3. Das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt der Klägerin ist im Umfang der tarifvertraglich vorgesehenen Steigerungssätze zu erhöhen. Die Beklagte hat mit den von ihr vorgenommenen Erhöhungen des ihrer Meinung nach vertraglich vereinbarten Arbeitsentgelts zum Ausdruck gebracht, dass das mit der Klägerin im Arbeitsvertrag vereinbarte Gehalt nach Maßgabe der Tariferhöhungen zu steigern ist. Dass die Beklagte sich bei der Bestimmung der Höhe des Ausgangsverdienstes möglicherweise verrechnet hat, ist unerheblich. Insoweit liegt allenfalls ein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum vor. Die Tariferhöhungen beziehen sich mangels einer auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Vergütungstabelle auf das jeweils geschuldete Gehalt. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Auf die Revision der Klägerin ist deshalb das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
II. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der im Schriftsatz vom 14. Dezember 2004 eingelegten Anschlussberufung durch das Landesarbeitsgericht wendet. Diese Anschlussberufung ist ebenso unzulässig wie die von der Klägerin in der Berufungsbeantwortung vom 28. Juli 2004 eingelegte Anschlussberufung.
1. Die Zulässigkeit der Anschlussberufung beurteilt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht nach der durch das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) mit Wirkung vom 1. September 2004 geschaffenen und derzeit geltenden Rechtslage, sondern nach der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF. Danach war die Anschließung an die Berufung “zulässig bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift.” Diese Frist konnte nicht verlängert werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schied aus, weil es sich nicht um eine Notfrist handelte (BGH 6. Juli 2005 – XII ZR 293/02 – BGHZ 163, 324). § 29 EGZPO enthält für die Neufassung des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine Übergangsregelung. Maßgeblich ist deshalb die Rechtslage, die zu der Zeit gilt, zu der das Rechtsmittel zu begründen ist (vgl. Senat 9. Februar 2005 – 5 AZN 893/04 – BAGE 113, 306, 307).
2. Die Berufungsbegründung der Beklagten wurde der Klägerin am 1. Juni 2004 zugestellt. Die Zulässigkeit der Anschlussberufung beurteilt sich deshalb nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF, weil die dort vorgesehene Frist für die Anschließung von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründungsschrift am 1. Juli 2004 ablief und damit vor Inkrafttreten der Neufassung des Gesetzes zum 1. September 2004 endete. Die Berufungsbeantwortung mit der Anschlussberufung der Klägerin ist erst nach Ablauf der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF am 29. Juli 2004 beim Landesarbeitgericht eingegangen. Sie ist damit ebenso unzulässig wie die weitere Anschlussberufung aus dem Schriftsatz vom 14. Dezember 2004.
3. Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe § 264 Nr. 2 ZPO nicht beachtet, ist unbegründet. Mit den in der Berufungsbeantwortung und dem Schriftsatz vom 14. Dezember 2004 gestellten Anträgen hat die Klägerin nicht ohne Änderung des Klagegrunds den Klageantrag in der Hauptsache erweitert (§ 264 Nr. 2 ZPO), sondern neue Streitgegenstände (§ 253 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) in den Prozess eingeführt.
4. Die Klageerweiterung im zweiten Rechtszug ist nicht gem. § 533 ZPO zulässig. Eine Klageerweiterung kommt nur bei einer zulässigen Berufung oder einer zulässigen Anschlussberufung in Betracht. Dem erstinstanzlich obsiegenden Kläger steht zur Erweiterung der Klage im zweiten Rechtszug nur die Anschlussberufung zur Verfügung.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Sappa, W. Hinrichs
Fundstellen
DB 2007, 120 |
DÖD 2007, 95 |
NZA-RR 2007, 280 |
NJOZ 2007, 1877 |