Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Sonderzahlung. Anrechnung von freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 28.02.1994; Aktenzeichen 15 Sa 101/93) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 26.08.1993; Aktenzeichen 25 Ca 2075/93) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. Februar 1994 – 15 Sa 101/93 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung eines weiteren Teiles der tariflich abgesicherten betrieblichen Sonderzahlung für das Jahr 1992.
Der Kläger ist seit dem 15. April 1964 bei der Beklagten im Bereich Nachrichtentechnik als Diplom-Ingenieur beschäftigt; sein Bruttogehalt betrug im November 1992 6.633,– DM. Der Kläger ist freigestelltes Betriebsratsmitglied. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden Anwendung, u.a. der Tarifvertrag über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 30. Oktober 1976/27. April 1987 i.d.F. vom 19. Mai 1992 (im folgenden: TV-Sonderzahlungen). Der TV-Sonderzahlungen enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 2
Leistungen
2.1 Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehört haben, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen.
Ausgenommen sind die Beschäftigten, die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben.
2.2 Die Leistungen werden ab dem 1. April 1992 nach folgender Staffel gezahlt:
nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit 25 Prozent
nach 12 Monaten Betriebszugehörigkeit 35 Prozent
nach 24 Monaten Betriebszugehörigkeit 45 Prozent
nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit 55 Prozent
eines Monatsverdienstes.
…
§ 3
Zeitpunkt
3.1 Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.
3.2 Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne des § 2 Ziff. 2.1 der 1. Dezember.
In diesem Falle ist es dem Arbeitgeber unbenommen, die Erfüllung der Zahlung vorher durchzuführen.
3.3 Über Abschlagszahlungen können Regelungen in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden.
§ 4
Anrechenbare betriebliche Regelungen
Leistungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlußvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u.ä. gelten als betriebliche Sonderzahlungen im Sinne des § 2 dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch.
Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt.”
Die Beklagte gewährt ihren Arbeitnehmern seit 1983 eine freiwillige Sonderzahlung für das abgelaufene Geschäftsjahr, die jeweils mit der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung im Juni des Folgejahres ausgezahlt wird. Hierüber schloß die Beklagte am 18. Mai 1988 mit dem Gesamtbetriebsrat eine „Zentrale Betriebsvereinbarung” (im folgenden: BV 8/88), auf die in der „Zentralen Bekanntmachung über die freiwillige Sonderzahlung für das laufende Geschäftsjahr” in den Folgejahren jeweils Bezug genommen worden ist. Nach der BV 8/88 setzt sich die freiwillige Sonderzahlung aus einer Prämie, einem Sonderbonus sowie einem Dienstzeitzuschlag von 20,00 DM pro vollendetem Dienstjahr bis (längstens) zum 30. Dienstjahr zusammen.
In Ziffer III der BV 8/88 ist die Anspruchsberechtigung wie folgt geregelt:
„Anspruchsberechtigt sind alle Belegschaftsmitglieder des Tarif- und AT-Kreises, die bis zum 01. Oktober (einschließlich) des abgelaufenen Geschäftsjahres, für das die Sonderzahlung gewährt wird, in unsere Firma eingetreten sind.
Die freiwillige Sonderzahlung basiert auf dem Bruttojahresarbeitsverdienst des abgelaufenen Geschäftsjahres einschließlich …
Stichtag für die Berechnung der Dienstzeit ist der 31. Dezember des abgelaufenen Geschäftsjahres.
Die freiwillige Sonderzahlung erfolgt nach Abzug der Lohnsteuer und Sozialversicherung mit der Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung jeweils im Juni des Auszahlungsjahres.
Die freiwillige Sonderzahlung entfällt für Belegschaftsmitglieder, die auf eigenen Wunsch bis zum 30. Juni des Auszahlungsjahres ausscheiden oder gekündigt haben oder zu diesem Termin in einem aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigten oder beendeten Arbeitsverhältnis stehen. Etwa erfolgte Zahlungen werden gegen die letzte Lohn- bzw. Gehaltszahlung aufgerechnet.”
Für das Geschäftsjahr 1991 sind die entsprechenden Regelungen in der „Zentralen Bekanntmachung” vom 25. November 1991 festgelegt; wie alljährlich ist dieser „Zentralen Bekanntmachung” als Anlage die Prämien- und Bonustabelle mit dem Verteilerschlüssel für das Geschäftsjahr 1991 (Auszahlungsjahr 1992) und ein Auszug aus der BV 8/88 beigefügt.
Der Kläger erhielt danach im Juni 1992 eine freiwillige Sonderzahlung in Höhe von 2.320,00 DM Steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei ausgezahlt.
Daneben zahlte die Klägerin in den Jahren ab 1983 bis einschließlich 1991 jeweils im November nach dem einschlägigen Tarifvertrag in der jeweiligen Fassung die tarifliche betriebliche Sonderzahlung in voller Höhe aus. Die Bedingungen der tariflichen Sonderzahlung wurden alljährlich durch einen schriftlichen Aushang, unterzeichnet vom Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsführung, bekannt gemacht. Entsprechend den bis 1991 geltenden tariflichen Bestimmungen gewährte die Beklagte eine Sonderzahlung nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit von 20 %, nach 12 Monaten Betriebszugehörigkeit von 30 %, nach 24 Monaten Betriebszugehörigkeit von 40 % und nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit von 50 % eines Monatseinkommens.
Für die tarifliche Sonderzahlung im Jahr 1992 teilte die Beklagte ihrer Belegschaft durch Aushang der Bekanntmachung Nr. 51/92 folgendes mit:
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ANT erhalten
- eine Sonderzahlung mit Auszahlungszeitpunkt Juni
- und eine Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) mit Auszahlungszeitpunkt November.
Weihnachtsgeld 1992:
Dieses beträgt nach einer Betriebszugehörigkeit von
6 |
Monaten |
20 %) |
|
12 |
Monaten |
30 %) |
eines Monatseinkommens |
24 |
Monaten |
40 %) |
|
36 |
Monaten |
50 %) |
|
Das Weihnachtsgeld entspricht damit der Leistung des Vorjahres. Stichtag für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit ist der 1. Dezember 1992. Die Sonderzahlung wird zusammen mit dem Lohn bzw. Gehalt Ende November 1992 gezahlt.
Die Tarifverträge zur Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen sehen seit 01.04.1992 eine Absicherung nach der oben aufgeführten Staffelung wie folgt vor: 25 %, 35 %, 45 %, 55 %.
Die im Juni 1992 ausgezahlte Sonderzahlung und das Weihnachtsgeld 1992 erfüllen zusammen den tariflichen Anspruch, weil sie als Gesamtleistung deutlich höher liegen als der Tarifrahmen von 25–55 %. Deshalb haben wir eine Erhöhung des Weihnachtsgeldes als Teil der betrieblichen Sonderzahlungen nicht vorgenommen.
…”
Dementsprechend erhielt der Kläger Ende November 1992 eine tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 50 % seines Bruttomonatseinkommens = 3.317,– DM ausgezahlt.
Mit seiner Klage macht der Kläger den Differenzbetrag zwischen der im November 1992 erhaltenen Sonderzahlung in Höhe von 50 % des Bruttomonatseinkommens und dem tariflichen Anspruch in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 332,– DM brutto geltend.
Der Kläger ist der Auffassung, die im Juni 1992 erfolgte freiwillige Sonderzahlung könne nicht auf den tariflichen Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung – auch nicht teilweise – angerechnet werden, da es sich dabei um keine Leistung im Sinne des § 2 TV-Sonderzahlungen handele. Nach dem Wortlaut und Zweck des § 4 TV-Sonderzahlungen könne eine freiwillige Sonderzahlung, deren Anspruchsvoraussetzungen auf das Vorjahr abstellten, nicht auf die betrieblichen Sonderzahlungen im Sinne des § 2 TV-Sonderzahlungen angerechnet werden. Außerdem werde der Kläger gegenüber neu in den Betrieb eingetretenen Arbeitnehmern, die mangels Bezugs der freiwilligen Sonderzahlung ein Weihnachtsgeld von 55 % des Monatsverdienstes erhielten, benachteiligt. Im übrigen habe die Beklagte mit der Anrechnung der freiwilligen Sonderzuwendung auf das Weihnachtsgeld mit ihrer langjährigen Praxis gebrochen und damit eine vertragliche Nebenabrede verletzt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 332,– DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich errechnenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der tarifliche Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung sei durch die im Juni 1992 erbrachte freiwillige Sonderzahlung erfüllt worden; bei diesen Zahlungen handele es sich um anrechenbare Leistungen des Arbeitgebers im Sinne des § 4 TV-Sonderzahlungen. Mit den Jahresabschlußvergütungen und Ergebnisbeteiligungen erwähne § 4 TV-Sonderzahlungen auch solche Leistungen, die – zumindest teilweise – im laufenden Jahr für das vorangegangene Kalenderjahr ausbezahlt würden. Da sie die Anrechnung nur hinsichtlich der Erhöhung der abgesicherten tariflichen Sonderzahlung im Jahr 1992 vorgenommen habe, bestehe auch kein Vertrauensschutz des Klägers; der Kläger habe das Weihnachtsgeld in der 1991 und den Jahren zuvor ausgezahlten Höhe erhalten. Der Kläger sei auch nicht schlechter behandelt worden als neu eingetretene Arbeitnehmer.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 332,– DM brutto zur Erfüllung seines tariflichen Anspruchs auf eine betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 55 % seines Monatsverdienstes.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger erfülle die in § 2 Ziffer 2.1, 2.2 und § 3 Ziffer 3.2 TV-Sonderzahlungen geregelten Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 55 % des Monatseinkommens für das Jahr 1992, weil er seit mehr als 36 Monaten in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden habe. Der Anspruch sei aber gemäß § 362 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen in vollem Umfange durch Erfüllung erloschen. Die Erfüllungswirkung sei durch die Zahlung der freiwilligen Sonderleistung im Juni 1992 sowie des Weihnachtsgeldes im November 1992 eingetreten. Beide Zahlungen stellten Leistungen im Sinne von § 2 Ziffer 2.1 in Verb. mit § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen dar. Die im Juni 1992 erbrachte freiwillige Sonderzahlung habe bereits deshalb für den tariflichen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen für das Kalenderjahr 1992 eine Erfüllungswirkung entfaltet, weil sie eben in diesem Jahr zur Auszahlung gelangt sei. Dabei sei es unerheblich, aus welchem Anlaß die freiwillige Sonderzahlung geleistet worden sei. Die Tilgungswirkung durch die anderweitigen Leistungen trete ein, ohne daß es hierzu noch einer rechtsgestaltenden Willenserklärung des Arbeitgebers bedürfe. Der TV-Sonderzahlungen setze keine Anrechnungsentscheidung des Arbeitgebers voraus. Die Tilgungswirkung der im Juni 1992 geleisteten freiwilligen Sonderzahlung sei eine tariflich geregelte Rechtsfolge. Ihr stünden vorliegend weder sonstige Hindernisse noch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats entgegen.
Es verstoße auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte im Jahr 1992 auf die Erfüllungswirkung der im Juni d.J. von ihr erbrachten freiwilligen Sonderzahlung berufe. Das gelte jedenfalls in Höhe der Klageforderung. Da die in § 2 Ziffer 2.2 TV-Sonderzahlungen vereinbarte Staffel bis März 1992 unverändert geblieben sei, habe die Beklagte durch ihr Verhalten in der Vergangenheit bei der Belegschaft kein berechtigtes Vertrauen darauf begründet, daß sie sich auch im Falle einer Erhöhung des tariflichen Anspruchs nicht im Umfang dieser Erhöhung auf die Erfüllungswirkung der im Juni geleisteten Sonderzahlung berufen werde. Der Kläger sei auch nicht ungleich behandelt worden. Ebensowenig ergebe sich der Anspruch des Klägers aus der langjährigen Übung der Beklagten, die freiwillige Sonderzahlung nicht auf das Weihnachtsgeld anzurechnen.
II. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zuzustimmen.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf eine weitere tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 332,– DM brutto nicht zu. Der Anspruch ist durch die im Juni 1992 geleistete freiwillige Sonderzahlung in Höhe von 2.320,– DM und das im November 1992 ausgezahlte Weihnachtsgeld in Höhe von 3.317,– DM brutto (50 % des Bruttomonatseinkommens des Klägers) erfüllt worden.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger die tariflichen Voraussetzungen für die betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 55 % eines Monatsverdienstes erfüllt. Zu Recht hat es jedoch erkannt, daß der Anspruch des Klägers durch das im November 1992 ausgezahlte Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % des Bruttomonatseinkommens des Klägers und die freiwillige Sonderzahlung im Juni 1992 in Höhe von 2.320,– DM erfüllt ist. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß es sich dabei um Leistungen im Sinne von § 4 TV-Sonderzahlungen handelt.
a) Unproblematisch und zwischen den Parteien unstreitig ist, daß die im November erfolgte Zahlung in Höhe von 3.317,– DM auf den tariflichen Anspruch im Sinne von § 4 TV-Sonderzahlungen zu verrechnen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der Bekanntmachung Nr. 51/92 der Beklagten, wonach dieses Weihnachtsgeld 1992 zusammen mit der Sonderzahlung im Juni 1992 den tariflichen Anspruch erfüllen sollte.
b) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch – entgegen der Auffassung des Klägers – erkannt, daß die von der Beklagten im Juni 1992 geleistete freiwillige Sonderzahlung den Anspruch des Klägers aus dem TV-Sonderzahlungen erfüllt.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß es sich bei der von der Beklagten im Juni 1992 erbrachten freiwilligen Sonderzahlung um eine Leistung im Sinne von § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen handelt. Dies folgt aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen sind (BAGE 46, 308, 310 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Die von der Beklagten im Juni 1992 erbrachte freiwillige Sonderzahlung entspricht zwar keiner der in § 4 TV-Sonderzahlungen ausdrücklich genannten Leistungen, wie Jahresabschlußvergütung, Gratifikation, Jahresprämie, Ergebnisbeteiligung oder Weihnachtsgeld; sie ist jedoch als ähnliche Leistung anzusehen. Dabei ist es – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – unerheblich, daß die freiwillige Sonderzahlung für das abgelaufene Geschäftsjahr gewährt wird. Daß die Tarifvertragsparteien in § 4 TV-Sonderzahlungen auch solche Leistungen erfassen wollten, zeigt schon die Aufnahme der Jahresabschlußvergütung und der Ergebnisbeteiligung in § 4. Auch diese Leistungen werden nach Ablauf des Bezugszeitraums ausbezahlt. Der Regelung in § 4 TV-Sonderzahlungen läßt sich daher entnehmen, daß es für die Erfüllungswirkung dieser Leistungen des Arbeitgebers auf den tariflichen Anspruch ohne Bedeutung ist, wenn sich die Leistungen auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum beziehen. Für dieses Ergebnis spricht auch, daß nach der BV 8/88 die freiwillige Sonderzahlung entfällt, wenn der Mitarbeiter bis zum 30. Juni des Auszahlungsjahres aus den Diensten der Arbeitgeberin ausscheidet. Daraus folgt, daß die freiwillige Sonderzahlung einen Bezug zum Auszahlungsjahr aufweist.
c) Ist daher davon auszugehen, daß die freiwillige Sonderzahlung der Beklagten im Juni 1992 als ähnliche Leistung im Sinne von § 4 TV-Sonderzahlungen anzusehen ist, so hat das Landesarbeitsgericht weiter zutreffend ausgeführt, daß durch diese Leistung der tarifliche Anspruch des Klägers auf die betriebliche Sonderzahlung erfüllt wird. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Günstigkeitsprinzip, da der tarifliche Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung von vornherein nur bedingt durch die Erfüllungswirkung der genannten Leistungen eingeräumt wird (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1994 – 10 AZR 532/94 – n.v., m.w.N.).
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen die Erfüllungswirkung in bezug auf den tariflichen Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung durch die im Laufe des jeweiligen Kalenderjahres vom Arbeitgeber bis zum 1. Dezember geleisteten betrieblichen Sonderzahlungen automatisch eintritt und es hierfür keiner gestaltenden Anrechnungserklärung oder Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers bedarf. Nach dem Tarifwortlaut erfüllen alle betrieblichen Sonderzahlungen im Sinne des § 2 TV-Sonderzahlungen den tariflichen Anspruch unabhängig davon, ob das von den Arbeitsvertragsparteien gewollt ist (BAG Urteil vom 14. Mai 1975 – 5 AZR 197/74 – AP Nr. 85 zu § 611 BGB Gratifikation).
d) Durch die Erfüllungswirkung nach § 4 TV-Sonderzahlungen wird das durch die zentrale Betriebsvereinbarung vom 18. Mai 1988 geschaffene System der freiwilligen Sonderzahlung nicht beeinträchtigt. Die Tarifvertragsparteien haben in § 4 Satz 2 TV-Sonderzahlungen ausdrücklich bestimmt, daß vorhandene betriebliche Systeme unberührt bleiben. Danach ist es zulässig, daß die Anspruchsvoraussetzungen und die Auszahlungszeitpunkte für die in dem Betrieb den Arbeitnehmern gewährten betrieblichen Sonderzahlungen, die von ihrem Rechtscharakter als solche im Sinne des § 2 des TV-Sonderzahlungen anzusehen sind, beibehalten werden. Das von der Beklagten praktizierte System (vgl. Bekanntmachung Nr. 51/92), wonach eine Sonderzahlung mit Auszahlungszeitpunkt Juni und eine Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) mit Auszahlungszeitpunkt November geleistet wird, bleibt damit unbeeinträchtigt, führt jedoch dazu, daß mit diesen beiden Sonderzahlungen der tarifliche Anspruch erfüllt wird.
2. Der Kläger kann den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auch nicht darauf stützen, daß die Beklagte in der Vergangenheit alljährlich im November Zahlungen zur Erfüllung des tariflichen Anspruchs in vollem Umfang geleistet hat.
Da die Tarifvertragsparteien die automatische Erfüllungswirkung jeder im Laufe des Kalenderjahres bis zum festgelegten Auszahlungszeitpunkt geleisteten betrieblichen Sonderzahlung geregelt haben und es daher einer gestaltenden Erklärung des Arbeitgebers zur Anrechnung der betrieblichen Sonderzahlung auf den tariflichen Anspruch nicht bedarf, hätte es einer ausdrücklichen Anrechnung durch die Beklagte nicht bedurft. Es verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn die Beklagte im Jahre 1992 ausschließlich im Hinblick auf die erfolgte Tariferhöhung um 5 % die Erfüllungswirkung der freiwilligen Sonderzahlung im Juni geltend macht. Da die Beklagte im gleichen Umfang den tariflichen Anspruch erfüllt wie in den Jahren zuvor, kann sich der Kläger nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. So hat auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung anerkannt, daß über- oder außertarifliche Lohnbestandteile auch dann auf spätere Erhöhungen tariflicher Leistungen angerechnet werden können, wenn sie jahrelang vorbehaltlos zusätzlich zu tariflichen Leistungen gewährt wurden (BAG Urteil vom 8. Dezember 1982 – 4 AZR 481/80 – AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung; BAG Urteil vom 7. Februar 1995 – 3 AZR 402/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Eine Anrechnung wäre nur dann ausgeschlossen, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund einer vertraglichen Abrede die Zulage als selbständiger – tariffester – Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen soll. Für das Vorliegen einer solchen vertraglichen Nebenabrede sind aber keine Anhaltspunkte gegeben. Aus dem Umstand, daß die Beklagte sich bis einschließlich 1991 nicht darauf berufen hat, daß bereits die im Juni ausgezahlte freiwillige Sonderzahlung den tariflichen Anspruch erfüllt, folgt auch nicht, daß die betriebliche Sonderzahlung tariffest sein sollte. Auch für eine betriebliche Übung, die freiwillige Sonderzahlung künftig neben der tariflichen Sonderzahlung zusätzlich zu zahlen, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber bisher niemals die Erfüllungswirkung der freiwilligen Sonderzahlung auf die tarifliche Sonderzahlung geltend gemacht hat (BAG Urteil vom 7. Februar 1995 – 3 AZR 402/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
3. Für eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber solchen neu eingetretenen Arbeitnehmern, die keine freiwillige Sonderzuwendung im Juni 1992 erhielten und an die daher die tarifliche Sonderleistung im vollen – erhöhten – Umfang gezahlt wurde, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger hat nicht dargetan, daß darin eine sachfremde Schlechterstellung gegenüber mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmern liegt, insbesondere ist nicht ersichtlich, daß diese Arbeitnehmer mit dem Kläger vergleichbar sind. Im übrigen kam die Beklagte durch diese Handlungsweise ihren tariflichen Pflichten nach.
4. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht weiter davon ausgegangen, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bzw. des Gesamtbetriebsrats der Anrechnung der im Juni 1992 erfolgten freiwilligen Sonderzahlung auf die tarifliche betriebliche Sonderzahlung nicht entgegensteht. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht gegeben, weil die Sonderzahlungen nach § 4 Satz 1 in Verb. mit § 2 Ziffer 2.1 TV-Sonderzahlungen automatisch zur Erfüllung des tariflichen Anspruchs führen; ein evtl. Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist bereits wegen der insoweit bestehenden tariflichen Regelung (§ 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) ausgeschlossen. Ein Mitbestimmungsrecht würde jedoch auch deshalb entfallen, weil die Beklagte die Erfüllungswirkung auf den tariflichen Anspruch in vollem Umfang der Tariferhöhung und gleichmäßig bei allen Arbeitnehmern berücksichtigt hat (BAG Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG Urteil vom 3. März 1993 – 10 AZR 42/92 – AP Nr. 151 zu § 611 BGB Gratifikation). Die Verteilungsgrundsätze für die von der Beklagten gewährten Leistungen haben sich dabei nicht geändert. Für die im Juni gezahlte freiwillige Sonderzahlung gilt nach wie vor die BV 8/88. Auch die Relationen der tariflichen Sonderzahlung sind infolge der einheitlichen Erhöhung der einzelnen Sätze um 5 % unverändert geblieben.
Da die Beklagte damit den Anspruch des Klägers auf die tarifliche betriebliche Sonderzahlung bereits durch die freiwillige Sonderzahlung im Juni 1992 in Höhe von 2.320,– DM und die Weihnachtsgeldzahlung im November 1992 in Höhe von 3.317,– DM brutto (50 % des Bruttomonatseinkommens des Klägers) erfüllt hat, hat das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Brose, Tirre
Fundstellen