Entscheidungsstichwort (Thema)
Bevorrechtigte Konkursforderung. Incentive-Prämie. Provision
Normenkette
KO § 61 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. August 1997 – 6 Sa 585/97 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den konkursrechtlichen Rang eines Anspruchs des Klägers auf eine sog. Incentive-Prämie.
Der Kläger war seit 1974 Außendienstmitarbeiter der S… GmbH & Co. Waggonbau, über deren Vermögen am 31. August 1994 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt wurde. Die Vergütung des Klägers setzte sich aus einem Festgehalt und Provisionen zusammen.
Im Januar 1993 hatte die Arbeitgeberin außerdem für den Außendienst eine am Auftragseingang ausgerichtete Prämie ausgelobt. Für die Überschreitung des im Kalenderjahr festgelegten Verkaufsziels wurde eine Prämie von 4 % zugesagt. Stichtag für den Auftragseingang war der 31. Dezember 1993. Die nach oben unbegrenzte Prämie sollte am Ende des ersten Quartals 1994 ausgezahlt werden, um der “Produktion die Gelegenheit zu geben, die hereingeholten Aufträge zu Umsatz zu machen”.
Das dem Kläger vorgegebene Auftragsziel belief sich auf 5.785.000,00 DM. bis zum 30. September 1993 hatte er 5.530.935,00 DM erreicht, zum Jahresende 8.084.277,00 DM. Die sich daraus ergebende Prämie von rechnerisch unstreitig 91.971,00 DM ist von der Arbeitgeberin aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten nicht bezahlt worden.
Der Beklagte hat die vom Kläger in voller Höhe zur Konkurstabelle angemeldete Prämien-Forderung in Höhe von 4/12 des Gesamtbetrages als nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO bevorrechtigt anerkannt. Der Kläger meint, auch der restliche Betrag sei zu berücksichtigen, da er die maßgeblichen Auftragseingänge im letzten Jahr vor Konkurseröffnung erzielt habe.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Widerspruch des Konkursverwalters gegen das angemeldete Vorrecht in Höhe eines Betrages von 63.741,00 DM unbegründet ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Beklagten. Der Kläger bittet um deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben.
1. Der Anspruch des Klägers auf die Incentive-Prämie in Höhe von 91.971,00 DM nebst beanspruchter Zinsen in Höhe von 3.640,52 DM ist bevorrechtigte Forderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO. Dem Kläger steht das Vorrecht damit auch für den streitigen Restbetrag zu, weil er die gesamte Prämie für Auftragseingänge erlangt hat, die zeitlich in den bevorrechtigten Jahreszeitraum vor Konkurseröffnung fallen.
a) Nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf rückständige Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis bevorrechtigt, wenn es sich um Rückstände für das letze Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens handelt. Unter Bezügen sind alle Leistungen des Arbeitgebers zu verstehen, die als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anzusehen sind. Dies trifft auch für die Incentive-Prämie des Klägers zu, da die Umsatzüberschreitung von der erfolgreichen Tätigkeit des Klägers abhängig war und deshalb in vollem Umfange Arbeitsentgelt in Form von Provision darstellte.
b) Der Anspruch auf die Incentive-Prämie aus dem Jahre 1993 ist auch “für das letzte Jahr” vor der Eröffnung des Konkursverfahrens rückständig.
aa) Rückständig für den genannten Zeitraum sind Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis dann, wenn die mit ihnen zu vergütenden Dienste innerhalb dieser Zeiträume geleistet worden sind (BAG Urteil vom 21. Mai 1980 – 5 AZR 337/78 – BAGE 33, 113 = AP Nr. 9 zu § 59 KO, m.w.N.). Darauf, wann der Anspruch fällig geworden oder entstanden ist, kommt es nicht an. Für den Anspruch nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO ist kein bestimmter Zeitpunkt, sondern der Zeitraum maßgebend, für den der Anspruch rückständig ist. Die Vergütung für Dienste und Leistungen aus dem letzten Jahr wird bevorrechtigt, weil nur insoweit Arbeitsleistungen aus diesem Zeitraum noch als Wertsteigerungen in der Konkursmasse enthalten sind (Weber, Anm. zu BAG Urteil vom 4. Juli 1969 – 3 AZR 212/68 – AP Nr. 6 zu § 61 KO mit Nachweisen aus den Gesetzesmaterialien).
bb) Der Kläger hat die Auftragseingänge, die zur Auftragseingangsüberschreitung und damit zur Prämie führten, erst ab Oktober 1993, damit im bevorrechtigten Jahr, erreicht.
Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, nach der Incentive-Regelung seien die Provisionszahlungen ausschließlich von der Erzielung eines bestimmten, über einen vorgegebenen Soll-Umsatz hinausgehenden Umsatzes abhängig gewesen. Mit Ausnahme des Stichtages für den Auftragseingang sei die Umsatzüberschreitung nicht an einen festgelegten Zeitraum bzw. Monate des Jahres geknüpft worden. Die mit dem Incentive zu vergütende Dienstleistung habe ebensogut in den ersten sechs Monaten des Jahres wie in den letzen sechs bzw. drei Monaten erbracht werden können. Eine Zuordnung dieser Vergütung zu einem bestimmten Zeitraum sei nur insoweit möglich, als die über die Umsatzvorgabe hinausgehende Leistung in einen bestimmten Zeitraum falle, der dann auch für die Bestimmung der konkursrechtlichen Rangordnung der durch diese Leistung begründeten Ansprüche maßgeblich sei. Da der Kläger die Umsatzsollvorgabe für das Kalenderjahr 1993 erst durch seine Dienstleistungen ab Oktober 1993 überschritten habe, fielen die von ihm erzielten Incentive-Provisionen in das bevorrechtigte Jahr vor Konkurseröffnung.
cc) Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Entgegen der Revision kann die Incentive-Prämie nicht als Gegenleistung für die gesamte Leistung des Klägers im Kalenderjahr 1993 angesehen werden. Orientiert sich eine Prämie an der Tätigkeit im Kalenderjahr, so kann sie unter Beachtung der zeitlichen Grenzen der § 59 Abs. 1 Nr. 3a, § 61 Abs. 1 Nr. 1a, § 59 Abs. 1 Nr. 1, 2 KO verhältnismäßig aufgeteilt werden (vgl. BAG Urteil vom 21. Mai 1980 – 5 AZR 441/78 – AP Nr. 10 zu § 59 KO für den Fall einer tariflich vereinbarten Sonderzahlung).
Hier ist die Ausgangslage eine andere. Die Incentive-Prämie ist rechtlich keine Einmalzahlung, sondern eine an den Erfolg des Außendienstmitarbeiters geknüpfte Provision. Mit ihr sollte nicht die in einem bestimmten Bezugszeitraum erbrachte Leistung des Außendienstes entgolten werden. Ebensowenig spielten Motive wie Belohnung oder Förderung der Betriebstreue eine Rolle. Maßgeblich war ausschließlich die Zielüberschreitung. Lediglich die Übererfüllung sollte vergütet werden, wobei der Grenzwert durch die zuvor bestimmte Eigenprognose festgelegt worden war. Nur aus den darüber hinaus eingehenden Aufträgen errechnete sich die Beteiligung des Klägers. Diese Aufträge waren der Gemeinschuldnerin wegen ihrer besonderen – über den normalen Eingang hinausgehenden – wirtschaftlichen Bedeutung das zusätzliche Honorar wert. Erst nach dem Eingang der Aufträge konnte die Gemeinschuldnerin auch zeitlich einen wirtschaftlichen Nutzen aus ihnen ziehen.
Die Revision trägt zwar richtig vor, daß der Kläger zwingend zunächst die Zielvorgabe erreichen mußte, bevor er das Ziel überschreiten konnte. Insofern waren die zuvor hereingeholten Aufträge notwendig, um die Prämie erwirtschaften zu können. Die Erfolgsbeteiligung des Klägers war aber eine rein leistungsbezogene und erfolgsbedingte Entlohnungsform, die zunächst und entscheidend davon abhing, in welchem Maße sich der Kläger für die Gemeinschuldnerin einsetzte und dadurch zu Geschäftsabschlüssen beitrug, aus denen die Gemeinschuldnerin Gewinne erwirtschaftete. Das Kalenderjahr 1993 war lediglich der vorgegebene Zeitrahmen, der dem Kläger zur Verfügung stand, um die Prämie zu verdienen. Die Gewährung der Prämie selbst war ausschließlich von der Zielüberschreitung in diesem Zeitraum und nicht von einer Wartezeit oder dem Bestehen des Arbeitsverhältnisses bis zu einem Stichtag abhängig. Dementsprechend realisierte sich der wirtschaftliche Erfolg für die Arbeitgeberin erst mit der Überschreitung des einvernehmlich festgelegten Ziels. Der innerhalb der Eigenprognose des Klägers erreichte Umsatz war demgegenüber durch sein Festgehalt und die darauf gezahlten Provisionen abgedeckt und sollte nicht – auch nicht anteilig – mit der Prämie “belohnt” werden.
Die provisionspflichtigen Aufträge, die der Incentive-Prämie zugrunde liegen, hat der Kläger unstreitig im bevorrechtigten Jahr vor Konkurseröffnung erreicht. Die “prämierten” Dienste hat er somit in dem genannten Zeitraum erbracht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Reinecke, Fr. Holze, H. Kranzusch
Fundstellen
Haufe-Index 2629046 |
KTS 1999, 394 |