Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheingeschäft über betriebliche Altersversorgung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gesellschafter einer GmbH können mit der Gesellschaft Arbeitsverträge abschließen.
2. Diese Verträge können nur dann ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs 1 BGB sein, wenn die Geschäftsführer der GmbH oder andere vertretungsberechtigte Personen mit der Abgabe der Erklärung nur zum Schein einverstanden sind. Entsprechendes gilt für die Kenntnis von einem Vorbehalt nach § 116 BGB.
3. Die Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander, Teile ihrer Arbeitsverträge (Versorgungszusagen) würden nur zum Schein abgeschlossen, sind unbeachtlich.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 10.08.1988; Aktenzeichen 8 Sa 1533/86) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.07.1986; Aktenzeichen 2 Ca 558/85) |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Witwenrente in der unstreitigen Höhe von 6.000,-- DM monatlich. Die Beklagte wendet ein, die Versorgungszusage sei nur zum Schein abgegeben worden; außerdem sei die Forderung abgefunden worden und für weitere Zahlungen die Geschäftsgrundlage entfallen.
Die Klägerin ist die Witwe des am 27. Januar 1983 tödlich verunglückten H M. Dieser war Mitgesellschafter der Beklagten. Weitere Gesellschafter waren sein Bruder F sowie ein Herr W. Als Herr W am 31. Dezember 1977 aus der Gesellschaft ausschied, wurde die Gesellschaft von den beiden Brüdern zu gleichen Anteilen fortgesetzt. Es wurden zwei Geschäftsführer bestellt. Die beiden Gesellschafter traten als technischer und kaufmännischer Leiter in ein Anstellungsverhältnis zu der beklagten Gesellschaft.
In den Anstellungsverträgen der Brüder F und H M vom 26. Januar und 28. April 1978 ist eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung von 10.000,-- DM monatlich vorgesehen. Das Witwengeld soll 60 % der Mannesrente betragen. Mit der Versorgungszusage verfolgten die Gesellschafter den Zweck, steuerbegünstigte Pensionsrückstellungen vornehmen zu können, um auf diese Weise die Liquidität des Unternehmens zu verbessern.
Der verstorbene Ehemann hatte ein Testament zugunsten der Klägerin hinterlassen. Darin war Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Klägerin schlug die Erbschaft zugunsten ihrer beiden aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Söhne aus. Die beiden Testamentsvollstrecker, ein Rechtsanwalt und ein Steuerberater, verhandelten anschließend mit dem Gesellschafter F M über eine Übertragung der Geschäftsanteile des Verstorbenen. Die Testamentsvollstrecker verlangten einen Betrag von ca. 4,7 Mio. DM. Es wurde eine Einigung über einen Betrag von 4 Mio. DM bei sofortiger Fälligkeit erzielt. Der Vertrag wurde am 4. Juni 1985 notariell beurkundet.
Nach dem Tode des Gesellschafters H M zahlte die Beklagte die Witwenrente bis einschließlich Mai 1985. Die Klägerin verlangt Fortzahlung der Rente. Mit der Klage hat sie Rückstände für die zwölf Monate von Juni 1985 bis Mai 1986 geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 72.000,-- DM nebst 10 % Zinsen ab jeweiliger Fälligkeit der einzelnen Rentenraten zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und auf ihre Widerklage
festzustellen, daß die Klägerin aus der Urkunde vom 26. Januar 1978 (Versorgungszusage) keine Pensionsansprüche herleiten könne.
Sie hat vorgetragen, die Versorgungszusage einschließlich der Zusage der Hinterbliebenenversorgung sei ein nichtiges, lediglich zur Steuerersparnis abgeschlossenes Scheingeschäft gewesen. Zudem seien etwaige Pensionsansprüche nach dem Verstorbenen abgefunden worden; die Pensionsrückstellungen seien bei der Ermittlung des Anteilswerts zugunsten der Erben berücksichtigt worden. Für künftige Zahlungen sei die Geschäftsgrundlage entfallen, weil niemand aus dem Stamm des verstorbenen ehemaligen Gesellschafters weiter in dem Unternehmen tätig sei.
Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen und vorgetragen, es treffe nicht zu, daß die Versorgungszusage nur zum Schein erteilt worden sei. Auch von einer Abfindung anläßlich der Übertragung der Geschäftsanteile ihrer Söhne könne keine Rede sein; daran sei nicht einmal gedacht worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage bis auf die den gesetzlichen Zinsfuß übersteigende Zinsforderung stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision will die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage sowie Feststellung nach Maßgaben der Widerklage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin kann Fortzahlung der ihrem verstorbenen Ehemann zugesagten Witwenrente verlangen. Die Widerklage ist unbegründet.
I. Der Vertrag vom 26. Januar 1978, der einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Witwenrente in Höhe von 60 % der Rente des verstorbenen Ehemannes vorsieht, ist wirksam.
1. Der Vertrag ist abgeschlossen worden zwischen dem verstorbenen Ehemann und der Beklagten, diese vertreten durch die beiden Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Es handelt sich um einen Arbeitsvertrag zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft. Solche Verträge sind zulässig. Die Gesellschafterstellung, d.h. die Inhaberschaft an Geschäftsanteilen, schließt nicht aus, als Arbeitnehmer in die Dienste der juristischen Person zu treten.
2. Der Arbeitsvertrag ist weder insgesamt noch teilweise als Scheingeschäft nichtig.
a) Gemäß § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die gegenüber einem anderen nur zum Schein abgegeben wird, nichtig, wenn dies mit dessen Einverständnis geschieht. Behält sich der Erklärende nur insgeheim vor, das Erklärte nicht zu wollen, so gilt gemäß § 116 BGB das Erklärte, es sei denn, dem Erklärungsempfänger wäre der Vorbehalt bekannt.
b) Erklärungsempfänger waren bei Abschluß des Anstellungsvertrags vom 26. Januar 1978 die beiden Geschäftsführer der GmbH. Sie traten als Vertreter der GmbH auf und schlossen in deren Namen und mit Wirkung für diese mit dem verstorbenen Ehemann der Klägerin den Anstellungsvertrag nebst der darin enthaltenen Ruhegeldvereinbarung. Die im Rechtsstreit vorgetragene Behauptung, beide Gesellschafter hätten im Verhältnis zueinander die im Anstellungsvertrag gegebene Versorgungszusage in Wirklichkeit gar nicht gewollt, ist unerheblich. Nicht der Mitgesellschafter und Bruder des Verstorbenen war Vertragspartner, sondern die GmbH vertreten durch die Geschäftsführer. Allein auf deren Kenntnis von einem solchen Vorbehalt kommt es an (§ 166 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat nicht behauptet, den Geschäftsführern sei bekannt gewesen, daß man die Versorgungszusage nur als steuerrechtlich wirksames Scheingeschäft in den Arbeitsvertrag aufgenommen habe, sie hat im Gegenteil eingeräumt, daß man die Geschäftsführer hiermit nicht habe belasten wollen.
c) Damit sind sämtliche weiteren Erwägungen der Beklagten, mit denen sie die Annahme eines Scheingeschäfts stützen will, unerheblich. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht übersehen, daß die Gesellschafter einen rechtlich verbindlichen Anstellungsvertrag nur mit der beklagten Gesellschaft abschließen konnten. Es mag auch zutreffen, daß die beiden Brüder dabei aufgrund ihrer Gesellschafterstellung ihren Willen gegenüber den Geschäftsführern durchsetzen konnten. Aber damit erhielten die Geschäftsführer noch keine Kenntnis von dem behaupteten Vorbehalt, und allein die Kenntnis des Erklärungsempfängers macht das Scheingeschäft zu einem nichtigen Geschäft. Hat der Erklärungsempfänger oder sein Vertreter keine positive Kenntnis, dann gilt das Geschäft.
Unter diesen Umständen kommt es auch nicht auf die Aussage des vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen Dr. B an. Auch die Verfahrensrügen der Revision, das Berufungsgericht habe die Vernehmung des Zeugen F M unterlassen und die Aufklärungspflicht verletzt (§§ 139, 286 ZPO), sind unbegründet. Es ist unerheblich, ob die beiden Gesellschafter in Wahrheit keinen Versorgungsvertrag wollten und ob der Mitgesellschafter F M das als Zeuge bestätigt hätte.
II. Der Versorgungsanspruch der Klägerin ist nicht abgefunden worden.
1. Die Beklagte meint, daß man bei der Ermittlung des Werts der Geschäftsanteile des Verstorbenen gemäß dem gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Abrechnungsmodus - ausgehend vom Einheitswert als Berechnungsgrundlage - die Pensionsrückstellungen dem Einheitswert zugeschlagen habe. Das mag zutreffen, kann aber unentschieden bleiben, weil selbst eine Kalkulation des Kaufpreises des Anteilswerts, die die Pensionsverpflichtung berücksichtigte, nicht die Annahme einer Abfindung rechtfertigen könnte.
a) An dem Vertrag betreffend die Übertragung der Geschäftsanteile der beiden Erben des Verstorbenen auf den Gesellschafter F M war die Klägerin nur insofern beteiligt, als ihr gemäß § 14 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags die Geschäftsanteile vorab anzubieten waren. Die Klägerin hat dieses Angebot ausweislich Abschnitt II des notariellen Vertrags vom 4. Juni 1985 abgelehnt. Sodann haben in derselben Vertragsurkunde beide Testamentsvollstrecker die Geschäftsanteile dem Gesellschafter F M zum Preis von 4 Mio. DM angeboten. F M nahm das Angebot an.
Mit der Ausschlagung des Angebots war die Klägerin aus den gesellschaftsrechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten ausgeschieden. Eine Erhöhung des Kaufpreises um den Wert des Versorgungsrechts konnte ihr nicht mehr zufließen. Die Klägerin hat daher aus dem Gesellschaftsvermögen keine Zuwendungen erhalten, die als Abgeltung für ihren Versorgungsanspruch angesehen werden könnten.
b) Zudem ist eine Abfindung eines Versorgungsanspruchs ein weitreichendes und wegen seiner Bedeutung für den Versorgungsgläubiger ungewöhnliches Geschäft. Wird ein auf die Abfindung eines Versorgungsanspruchs gerichteter Vertrag geschlossen, so muß ein entsprechender rechtsgeschäftlicher Wille, wenn er schon nicht ausdrücklich erklärt wird, so deutlich werden, daß kein Zweifel an dem Inhalt des Gewollten bestehen kann (vgl. für die Ausgleichsquittung Urteil des Senats vom 9. November 1973 - 3 AZR 66/73 - AP Nr. 163 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu I 2 der Gründe).
Die Beklagte hat nicht behauptet, die Klägerin habe zu erkennen gegeben, sie betrachte sich durch die Zahlung des Kaufpreises für die Geschäftsanteile an ihre beiden Söhne als abgefunden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, bei dem Abschluß des Vertrags, an dem zwei Rechtsanwälte, ein Notar und ein Steuerberater mitwirkten, sei mit keiner Silbe angedeutet worden, daß die Klägerin abgefunden werden solle. Es ist im Gegenteil unstreitig, daß die Klägerin - vor oder nach dem Vertragsschluß - die Frage gestellt hat, ob ihr Versorgungsanspruch von der Übertragung der Geschäftsanteile beeinflußt werde. Ihre Frage konnte von dem anwesenden Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bei dieser Gelegenheit nicht beantwortet werden. Das spricht dafür, daß ein Abfindungsbetrag nicht einmal als Kalkulationsposten für den Kaufpreis in die Verhandlungen eingebracht wurde. Jedenfalls ist nicht deutlich geworden, daß die Klägerin zugunsten ihrer Söhne auf ihre Versorgungsrechte verzichtet hätte.
III. Die Beklagte meint schließlich, wegen des Ausscheidens des Stammes des früheren Gesellschafters H M aus der Gesellschaft sei die Geschäftsgrundlage für die Versorgungszusage weggefallen. Auch das ist nicht richtig. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten sollte mittels der Versorgungszusagen eine Steuerersparnis erreicht werden. Darin mag eine Geschäftsgrundlage gesehen werden. Im übrigen mögen beide Gesellschafter, als sie die Arbeitsverträge abschlossen, von der Vorstellung ausgegangen sein, das Wohl des Unternehmens werde durch die gemeinsame Arbeit gefördert und die Gesellschaft solle als Familienunternehmen fortbestehen. Solche Vorstellungen wären jedoch von dem Versorgungsversprechen unabhängig. Geschäftsgrundlage kann nur sein, was als fortbestehende Basis oder Rahmen des Geschäfts vorausgesetzt wird. Wird eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt, so wird gerade nicht vorausgesetzt, daß im Versorgungsfall eine Zusammenarbeit weiter möglich bleibt. Das Gegenteil ist richtig: Geschäftsgrundlage einer Hinterbliebenenversorgung ist der Wunsch, die Hinterbliebenen des Begünstigten für den Fall dessen vorzeitigen Todes finanziell zu sichern. Die weitere künftige Zusammenarbeit wird damit gerade als möglicherweise undurchführbar angesehen.
IV. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Widerklage abgewiesen, ohne die Abweisung zu begründen (§ 551 Nr. 7 ZPO), ist unbegründet. Die Widerklage ist, auch soweit ihr Streitgegenstand über den Zahlungsantrag der Klägerin hinaus geht, aus denselben Gründen unbegründet, aus denen die Klage begründet ist. Dies hat das Berufungsgericht zum Ausdruck gebracht, indem es ausgeführt hat, der Anspruch der Klägerin sei aufgrund der Zusage in § 6 des Anstellungsvertrags ihres verstorbenen Ehemannes vom 26. Januar 1978 begründet. Genau diesen Anspruch leugnet die Widerklage. Weitere Ausführungen dazu waren nicht geboten.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Kunze Dr. Schwarze
Fundstellen
Haufe-Index 438708 |
BB 1990, 856 |
BB 1990, 856-857 (LT1-3) |
DB 1990, 1195-1196 (LT1-3) |
ARST 1990, 95-97 (LT1-3) |
BetrAV 1990, 200-201 (LT1-3) |
EWiR 1990, 539 (L1-3) |
JR 1991, 352 |
JR 1991, 352 (S) |
NZA 1990, 525-526 (LT1-3) |
RdA 1990, 189 |
ZAP, EN-Nr 428/90 (S) |
ZIP 1990, 733 |
ZIP 1990, 733-735 (LT1-3) |
AP § 35 GmbHG (LT1-3), Nr 6 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 235 (LT1-3) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 235 (LT1-3) |
EzA § 117 BGB, Nr 2 (LT1-3) |