Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung einer Bescheinigung über die Tätigkeit als Arzt im Praktikum
Orientierungssatz
- Für eine Klage auf Änderungen der in einer Bescheinigung über die Tätigkeit als Arzt im Praktikum (§ 34d ÄApprO vom 14. Juli 1987) enthaltenen wertenden Äußerungen besteht zumindest dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Arzt seine Approbation bei der zuständigen Behörde bereits beantragt hat.
- Einwände gegen die Richtigkeit der vom leitenden Arzt in der Bescheinigung gemachten Wertungen können und müssen im Verwaltungsverfahren über die Erteilung der Approbation geltend gemacht werden.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; BGB § 630; GewO § 109; BBiG § 16; BÄO vom 21. Juli 2004 § 3; ÄapprO vom 14. Juli 1987 §§ 34d, 35; ÄApprO vom 27. Juni 2002 § 42; VwGO §§ 42, 68
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 22.12.2004; Aktenzeichen 8 Sa 840/04) |
ArbG Köln (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen 7 Ca 4895/03) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Dezember 2004 – 8 Sa 840/04 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Berichtigung einer “Bescheinigung über ordnungsgemäße Ableistung der Tätigkeit als Arzt im Praktikum”.
Die Klägerin erstrebt die Approbation als Ärztin. Sie war nach bestandener ärztlicher Prüfung in der Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 6. Januar 2002 in der geriatrischen Abteilung des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses als Ärztin im Praktikum tätig. Sie ist in ihrer Hörkraft beeinträchtigt, weshalb sie Hörhilfen benutzt. Am 6. Dezember 2001 erteilte der Chefarzt der Klinischen Geriatrie und Mitgeschäftsführer der Beklagten der Klägerin eine Bescheinigung über ihre Tätigkeit als Ärztin im Praktikum. Dort heißt es ua.:
“Die Ausbildung ist ordnungsgemäß abgeleistet worden.
Beschreibung und Würdigung der Tätigkeit im einzelnen …
…
Durchführung Geriatrisches Assessment, Anamnese, Befund, Teambesprechung, Arztbriefe, Blutabnahme, Fädenziehen, Betreuung von bis zu zwei Patienten gleichzeitig seit Juli 2001 mit Unterstützung, noch nicht selbständig.
Fr. Dr. A… ist nicht in der Lage, die erworbenen theoretischen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen und in Akutsituationen zeitgerecht anzuwenden. Sie hat Schwierigkeiten bei der Gewichtung mehrerer Diagnosen und beim Einordnen komplexer Zusammenhänge. Sie überschätzt ihre Fähigkeiten.
Ein Anhaltspunkt dafür, daß Frau Dr. A… infolge eines Gebrechens oder wegen Schwäche seiner/ihrer geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht die für die Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Fähigkeit oder Eignung fehlt, hat sich in folgender Hinsicht ergeben: Durch Hörminderung kann sie nicht gleichzeitig hören und handeln.”
Die Klägerin hat einen Antrag auf Approbation bei der zuständigen Behörde gestellt, über den zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden war. Sie hält die negativen Bewertungen in der Bescheinigung für unzutreffend und verlangt deren Berichtigung.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung der Bescheinigung vom 6. Dezember 2001 eine neue Bescheinigung über die Tätigkeit der Klägerin als Ärztin im Praktikum auszustellen und zwar mit folgendem Inhalt:
– Die Ausbildung ist ordnungsgemäß abgeleistet worden.
– Unter “Beschreibung und Würdigung der Tätigkeit im Einzelnen”: Frau Dr. A… wurde wie folgt beschäftigt: Durchführung Geriatrisches Assessment, Anamnese, Befund, Teambesprechung, Teilnahme an den täglichen Röntgenbesprechungen, Blutabnahme, Fädenziehen, Entlassungen von Patienten, Arztbriefe, d.h. Betreuung der Patienten mit allen damit verbundenen ärztlichen Tätigkeiten der ÄApprO für Ärzte im Praktikum. Frau Dr. A… hat somit das Ausbildungsziel erreicht.
– Ein Anhaltspunkt dafür, dass Frau Dr. A… infolge eines Gebrechens oder wegen Schwäche ihrer geistigen oder körperlichen Kräfte oder wegen einer Sucht die für die Ausbildung des ärztlichen Berufs erforderliche Fähigkeit oder Eignung fehlt, hat sich nicht ergeben.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie meint, der Klage mangele es bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Zudem sei die erteilte Bescheinigung inhaltlich zutreffend.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihren Berichtigungsanspruch weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihre Klage auf Berichtigung der Bescheinigung über die Ableistung des Praktikums (§ 34d ÄApprO idF vom 14. Juli 1987) ist unzulässig.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen, weil der Klägerin für den geltend gemachten Berichtigungsanspruch das Rechtsschutzinteresse fehle. Es ist davon ausgegangen, das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Leistungsklage liege deshalb nicht vor, weil die für die Erteilung der Approbation zuständige Behörde weder an den Inhalt der Bescheinigung noch an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über deren Inhalt gebunden sei. Die Behörde habe eigenständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation vorliegen.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage ergibt sich in der Regel schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs. Jedoch können besondere Umstände das Verlangen, in die materiell-rechtliche Prüfung des Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen (BGH 4. März 1993 – I ZR 65/91 – DB 1993, 1276; BAG 15. Januar 1992 – 5 AZR 15/91 – BAGE 69, 204). Das ist der Fall, wenn die klagende Partei das Rechtsschutzziel ebenso sicher auf einfacherem, schnellerem und billigerem Wege in einem anderen Rechtsweg oder in einem Verwaltungsverfahren erreichen kann (vgl. BGH 24. Februar 1994 – IX ZR 120/93 – NJW 1994, 1351; BSG 12. Dezember 1990 – 11 RAr 43/88 – NZA 1991, 696).
a) Ausgehend von diesen Anforderungen hat das Bundessozialgericht (12. Dezember 1990 – 11 RAr 43/88 – NZA 1991, 696) für die Klage eines Arbeitnehmers auf Berichtigung des Inhalts einer Arbeitsbescheinigung (§ 133 AFG aF; jetzt: § 312 SGB III) das Rechtsschutzbedürfnis verneint. Sobald ein Antragsverfahren (dort: auf Gewährung von Arbeitslosengeld) eingeleitet sei, müsse die Arbeitsverwaltung ohnehin von Amts wegen ermitteln, ohne an den Inhalt der vom Arbeitgeber ausgefüllten Arbeitsbescheinigung gebunden zu sein (§ 20 SGB X).
b) Diese Anforderungen an die Erforderlichkeit des Klageverfahrens gelten auch für den geltend gemachten Anspruch, mit dem der Inhalt der Bescheinigung über die Ableistung des Praktikums berichtigt werden soll. Soweit die Klägerin die Würdigung ihrer Tätigkeit und die Mitteilung von Anhaltspunkten für körperliche Beeinträchtigungen geändert haben möchte, fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
Da die Klägerin bereits ihre Approbation beantragt hat, kann sie in diesem Verwaltungsverfahren ihre Einwendungen gegen den Inhalt der Bescheinigung geltend machen.
Für die Klägerin, die ihr Studium der Medizin bereits vor dem 1. Oktober 2003 aufgenommen hatte, findet die Approbationsordnung für Ärzte in der Bekanntmachung vom 14. Juli 1987 (BGBl. I S. 1593), geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 27. April 2002 – BGBl. I S. 1467 – (im Folgenden: ÄApprO) Anwendung (§ 42 Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 – BGBl. I S. 2405 – ÄApprO 2002). Nach § 34d Abs. 1 ÄApprO ist dem Arzt im Praktikum von jeder Stelle, an der er tätig gewesen ist, eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 20a zur ÄApprO zu erteilen. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt. § 34d ÄApprO verlangt nur, dass die Art der Tätigkeit eingehend beschrieben und angegeben wird, ob die Ausbildung ordnungsgemäß abgeleistet worden ist und ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Arzt im Praktikum in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufes ungeeignet ist. Diesen Anforderungen genügt die Bescheinigung des Chefarztes der klinischen Geriatrie der Beklagten vom 6. Dezember 2001. Damit wurde der Klägerin ermöglicht, einen Antrag auf Erteilung der Approbation zu erstellen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 ÄApprO ist diesem Antrag die Bescheinigung über die ordnungsgemäße Ableistung der Tätigkeit als Arzt im Praktikum beizufügen.
Der von § 34d Abs. 1 ÄApprO geforderte Inhalt der Bescheinigung über die Tätigkeit als Arzt im Praktikum (§ 34d ÄApprO) bindet die für die Erteilung der Approbation zuständige Behörde nicht. Dies gilt sogar für den Fall, dass in der Bescheinigung eine ordnungsgemäße Ableistung des Praktikums nicht bestätigt wird. Nach § 34d Abs. 2 ÄApprO entscheidet die Behörde dann, ob der Tätigkeitsabschnitt ganz oder teilweise zu wiederholen ist.
Der ärztliche Leiter hat nach § 34d Abs. 1 Satz 3 ÄApprO anzugeben, ob sich während der Tätigkeit als Arzt im Praktikum Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Arzt im Praktikum in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufes ungeeignet ist. Diese Regelung greift die diesbezügliche Approbationsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO idF vom 21. Juli 2004 auf (vgl. VGH Baden-Württemberg 29. November 1989 – 9 S 2961/89 – MedR 1990, 202) und dient damit letztlich dazu, der zuständigen Behörde Anhaltspunkte zu liefern, ob eine eigenständige genaue Überprüfung dieser Approbationsvoraussetzung veranlasst ist. Der die Bescheinigung ausstellende Arzt bestätigt oder verneint nicht die gesundheitliche Eignung. Er trifft keine Feststellungen, die gerichtlich überprüfbar wären, sondern er weist lediglich – wie eine Auskunftsperson – auf von ihm subjektiv wahrgenommene Anhaltspunkte hin. Ob die für eine Approbation nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO erforderliche Voraussetzung “gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Berufes” vorliegt, hat die zuständige Behörde selbständig zu prüfen. Ein Hinweis auf Beeinträchtigungen soll nur die zuständige Behörde zu einer gesundheitlichen Eignungsprüfung veranlassen. Insoweit hat der leitende Arzt lediglich eine schriftliche Aussage gegenüber der für die Erteilung der Approbation zuständigen Behörde abgegeben. Zu einer solchen Aussage war der ärztliche Leiter der Einrichtung, in der die Klägerin als Ärztin im Praktikum tätig gewesen ist, gegenüber der zuständigen Behörde nach § 34d Abs. 1 Satz 3 ÄApprO verpflichtet. Die Bescheinigung ersetzt insoweit aus Verwaltungsvereinfachungsgründen seine Befragung durch die Behörde. Das schließt aus, ihn durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung zur Abgabe bestimmter Auskünfte zu verurteilen.
c) Der Klägerin wird dadurch nicht der Rechtsschutz verwehrt. Ihr bleibt es unbenommen, der zuständigen Behörde andere ärztliche Bescheinigungen, die ihre gesundheitliche Eignung bestätigen, vorzulegen. Diese muss dann in eine Sachprüfung eintreten.
d) Soweit der Chefarzt der klinischen Geriatrie der Beklagten die im Praktikum gezeigten Leistungen negativ beurteilt hat, setzt die Erteilung der Approbation nach § 3 Abs. 1 BÄO nicht voraus, dass in der Bescheinigung über die Ableistung des Praktikums die Leistungen positiv gewürdigt worden sind. Der Hinweis darauf, die Klägerin überschätze ihre Fähigkeiten, kann die zuständige Behörde zwar veranlassen, die Fähigkeit und Zuverlässigkeit der Klägerin zu überprüfen, die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO Voraussetzung für die Ausübung des ärztlichen Berufes ist. Auch insoweit trifft die Bescheinigung jedoch keine abschließende und verbindliche Bewertung, sondern stellt lediglich eine Auskunft gegenüber der Behörde dar. Diese hat selbst zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation vorliegen. Dazu kann sie etwa durch Anhörung aller Beteiligten und durch Einholung von Sachverständigengutachten die Fähigkeit und Zuverlässigkeit überprüfen. Die Klägerin kann der Beklagten nicht durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung aufgeben, den leitenden Arzt zu veranlassen, zur Durchführung des Approbationsverfahrens bestimmte Erklärungen über die Fähigkeit und Zuverlässigkeit der Klägerin abzugeben.
e) Führt das vor der zuständigen Behörde durchzuführende Verwaltungsverfahren dazu, dass der Klägerin die Approbation verweigert wird, so hat sie die Möglichkeit, sich gegen diesen ablehnenden Verwaltungsakt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 42 Abs. 1 iVm. § 68 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zur Wehr zu setzen. Damit wird der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsweggarantie genügt.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis auch nicht daraus, dass die Bescheinigung über die Ableistung des Praktikums zusätzlich im Sinne einer sog. Doppelfunktion dazu dient, Bewerbungen der Klägerin zu erleichtern, weil ihr eine Aussagekraft, ähnlich der eines Zeugnisses, zukomme. Die Bescheinigung nach § 34d ÄApprO ist kein Zeugnis iSd. § 630 BGB, § 109 GewO oder § 16 BBiG. Zeugnisansprüche dienen dem beruflichen Fortkommen des Beurteilten. Dritte, die eine Einstellung oder Beschäftigung erwägen, sollen sich mit Hilfe des Zeugnisses über den Bewerber unterrichten können. Die Bescheinigung über die Tätigkeit als Arzt im Praktikum verfolgt keinen mit einem Zeugnis vergleichbaren Zweck. Dies folgt aus § 34d Abs. 1 Satz 5 ÄApprO. Danach ist die Bescheinigung vertraulich zu behandeln. Sie darf auch nur zu dem angegebenen Zweck verwendet werden. Angegebener Zweck iSd. Vorschrift ist die Vorlage bei der zuständigen Behörde nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 ÄApprO zwecks Beantragung der Approbation. Dient somit die Bescheinigung über die Tätigkeit als Arzt im Praktikum ausschließlich der Information der zuständigen Behörde im Rahmen deren Entscheidung über die Erteilung der Approbation, so können sich aus einem möglicherweise unzutreffenden Inhalt der Bescheinigung keine Rechtsnachteile für die Klägerin für Bewerbungen bei Dritten ergeben, weil die Bescheinigung den Dritten nicht vorgelegt werden darf.
II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Böck, H. Kranzusch, S. Neumann
Fundstellen