Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug nach fristloser Arbeitgeberkündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Es bedarf einer Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, deren Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, nämlich der Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und der Zuweisung der Arbeit, damit der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann. Daher gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er dem Arbeitnehmer unberechtigterweise fristlos kündigt, ohne daß es eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf (Die bisherige entgegengesetzte Rechtsprechung, BAG Urteil vom 24.11.1960 5 AZR 545/59 = AP Nr 18 zu § 615 BGB, BAG Urteil vom 18.1.1963 5 AZR 200/62 = AP Nr 22 zu § 615 BGB, BAG Urteil vom 10.4.1963 4 AZR 95/62 = AP Nr 23 zu § 615 BGB, BAG Urteil vom 26.8.1971 2 AZR 301/70 = AP Nr 26 zu § 615 BGB, BAG Urteil vom 27.1.1975 5 AZR 404/74 = AP Nr 31 zu § 615 BGB, nach der ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers erforderlich ist, wird hiermit aufgegeben).
2. Ist der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung oder später nicht leistungsbereit oder leistungsfähig, so hat er den Beginn seiner Leistungsbereitschaft oder -fähigkeit dem Arbeitgeber mitzuteilen und ihn aufzufordern, ihm eine Arbeit zuzuweisen. Ausnahmsweise bedarf es der Mitteilung der Arbeitsbereitschaft und der Aufforderung nicht, wenn der Arbeitgeber nach Ausspruch der fristlosen Kündigung dem Arbeitnehmer klar und ernsthaft erklärt hat, er verzichte auf die Arbeitsleistung auch für die Zeit nach dem Ende der fehlenden Arbeitsbereitschaft (hier der Arbeitsunfähigkeit).
Normenkette
BGB §§ 293, 295-296, 615
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über restliche Lohnforderungen des Klägers und deren Abrechnung aus beendetem Arbeitsverhältnis.
Die Beklagte, die einen Betrieb der Armaturen- und Regeltechnik unterhält und in der Regel mehr als zwanzig Arbeitnehmer beschäftigt, hatte das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis am 31. März 1981 fristlos gekündigt. Das Landesarbeitsgericht hat der hiergegen am 6. April 1981 erhobenen Kündigungsschutzklage rechtskräftig stattgegeben, so daß feststeht, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 3. April 1981 hat der Kläger der Beklagten seine Arbeitskraft wie folgt angeboten:
"Herr N bietet seine Arbeitskraft weiter-
hin an. Soweit ich informiert bin, ist Herr
N allerdings zur Zeit krankgeschrieben.
Falls Sie an einer weiteren Mitarbeit des Herrn
N interessiert sind, darf ich Sie bitten,
mir dies mitzuteilen."
Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 6. April 1981 unter anderem wie folgt:
"Weiter teilen Sie uns mit, daß Herr N. seine Ar-
beitskraft anbietet, worauf wir jedoch aus bekann-
ten Gründen verzichten wollen. Zwischenzeitlich
haben Sie eine Kündigungsschutzklage erhoben, deren
Ausgang wir mit größter Gelassenheit entgegensehen."
Der Kläger war vom 2. April bis 21. April 1981 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte verweigerte die Annahme der ihr am 2. oder 3. April 1981 angebotenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Seit dem 24. Juli 1981 steht der Kläger in einem neuen Arbeitsverhältnis. In der Zeit vom 1. April bis 31. Juli 1981 bezog er vom zuständigen Arbeitsamt Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 8.983,-- DM.
Mit der am 7. April 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Lohnforderungen für die Zeit vom 1. April bis 23. Juli 1981 geltend gemacht.
Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Lohn für die streitige Zeit zu zahlen und hierüber Abrechnung zu erteilen. Ein Krankengeld sei ihm nicht gezahlt worden. Da er nicht sechs Wochen lang krank gewesen sei, hätte die Beklagte ihm für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit Lohnfortzahlung gewähren müssen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, ordnungsgemäße
Abrechnung für den Zeitraum vom 1. April 1981
bis zum 23. Juli 1981 einschließlich zu er-
stellen;
2. die Beklagte zu verurteilen, den sich aus der
datumsgemäßen Abrechnung zu Ziffer 1 erge-
benden Betrag abzüglich des an das Arbeitsamt
Meschede zu zahlenden Betrages an den Kläger
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, Annahmeverzug habe nicht eintreten können, weil der Kläger in seinem Schreiben vom 3. April 1981 selbst darauf hingewiesen habe, daß er arbeitsunfähig krank sei. Ein erneutes Angebot der Arbeitsleistung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit sei nicht erfolgt. Außerdem könne der Annahmeverzug nicht bereits für den 1. April 1981 begründet sein. Zwar werde in der im arbeitsgerichtlichen Urteil angeführten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin die Auffassung vertreten, daß im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage letztlich rückwirkend Gläubigerverzug ausgelöst werde. Diese Entscheidung sei aber dogmatisch nicht zu halten. Vorsorglich werde bestritten, daß der Kläger am 1. April 1981 arbeitsfähig gewesen sei. Da Erkrankungen, die zur Arbeitsunfähigkeit führten, erfahrungsgemäß nicht ganz plötzlich auftreten, müsse behauptet werden, daß der Kläger schon am 1. April 1981 wegen eines Rückenleidens arbeitsunfähig gewesen sei. Bereits in der Zeit vom 20. Januar bis 24. Februar 1981 hätte Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Rückenleidens bestanden.
Der Kläger hat erwidert, er sei am 1. April 1981 gesund gewesen. Erst seit dem 2. April 1981 sei er arbeitsunfähig krank gewesen. Er ist der Auffassung, entscheidend für das Vorliegen des Annahmeverzugs sei, daß die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 6. April 1981 erklärt habe, auf seine Arbeitsleistung verzichten zu wollen, ohne auf die Erkrankung überhaupt einzugehen.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 16. November 1982 die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. April bis 31. Juli 1981 eine Lohnabrechnung zu erteilen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts sei statthaft, weil die Beschwer 1.200,-- DM betrage, sie sei aber nicht begründet. Der Kläger habe nämlich einen Anspruch auf Abrechnung für die Zeit vom 1. April bis 23. Juli 1981, da für diese Zeit noch Lohnansprüche offen seien. In der Zeit vom 2. bis 21. April 1981 sei der Kläger arbeitsunfähig krank gewesen; daher stehe ihm für diese Zeit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zu. Für den 1. April und die Zeit vom 22. April bis 23. Juli 1981 ergebe sich der Lohnanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 BGB). Die Beklagte sei in Annahmeverzug geraten, weil der Kläger mit Schreiben vom 3. April 1981 seine Arbeitskraft angeboten habe. Unschädlich sei, daß er zu dieser Zeit arbeitsunfähig krank gewesen sei, weil die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 6. April 1981 auf die Arbeitsleistung des Klägers verzichtet habe. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes sei ein nochmaliges Arbeitsangebot nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeit überflüssig gewesen. Der Annahmeverzug wirke auf den 1. April 1981 zurück. In der bisherigen Erfüllung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer sei zumindest dann zugleich die Erklärung zu erblicken, auch in Zukunft die vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen erbringen zu wollen, wenn der Arbeitnehmer gegen eine Kündigung unverzüglich protestiere und Kündigungsschutzklage erhebe.
B. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts wird im Ergebnis, aber nicht in allen Teilen der Begründung gefolgt.
Anspruch auf Abrechnung hat der Kläger gemäß § 134 Abs. 2 GewO, wenn er noch für die streitige Zeit restliche Lohnansprüche hat.
I. In der Zeit vom 2. bis 21. April 1981 ist der Kläger unstreitig arbeitsunfähig krank gewesen. Ihm steht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG dem Grunde nach Lohnfortzahlung zu, da er seiner Nachweispflicht aus § 3 Abs. 1 LohnFG nachgekommen ist, indem er versucht hat, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten abzugeben. Weigert sich der Arbeitgeber, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzunehmen, hat der Arbeiter seine Pflicht erfüllt.
Das Landesarbeitsgericht hat allerdings nicht aufgeklärt, ob der Kläger in der Zeit vom 20. Januar bis 24. Februar 1981 wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig krank gewesen ist. Sollte diese Behauptung der Beklagten zutreffen, hätte der Kläger nur noch für sechs Tage der zweiten Arbeitsunfähigkeitsperiode einen Lohnanspruch (§ 1 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz LohnFG). Auf jeden Fall hat der Kläger für einen Teil der zweiten Arbeitsunfähigkeitsperiode einen Lohnfortzahlungs- und damit auch einen Abrechnungsanspruch.
II. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, der Kläger habe für den 1. April sowie für die Zeit vom 22. April bis 23. Juli 1981 Restlohnansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.
1. Nach § 615 BGB hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er in Annahmeverzug gerät. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muß der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich anbieten. Nach § 295 BGB genügt jedoch ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 BGB).
2. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist in der fristlosen Kündigung des Arbeitgebers zugleich die Erklärung zu sehen, er nehme die Arbeitsleistung für die Zukunft nicht mehr an. Aus diesem Grunde hat das Bundesarbeitsgericht bisher ein wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB genügen lassen und in einem erkennbaren Protest gegen die Kündigung, insbesondere in der Erhebung der Kündigungsschutzklage, dann ein wörtliches Angebot gesehen, wenn der Arbeitnehmer auch arbeitswillig und arbeitsfähig war (BAG 10, 202 = AP Nr. 18; BAG 14, 31 = AP Nr. 22; BAG 14, 156 = AP Nr. 23; BAG Urteil vom 26. August 1971 - 2 AZR 301/70 - AP Nr. 26 sowie BAG Urteil vom 27. Januar 1975 - 5 AZR 404/74 - AP Nr. 31, alle zu § 615 BGB).
In einer Entscheidung, der keine Kündigung zugrundelag, hat das Bundesarbeitsgericht sogar in der bisherigen Arbeitsleistung das Arbeitsangebot gesehen: Ein Unternehmen des Kohlebergbaus hatte einseitig Kurzarbeit angeordnet. Das Bundesarbeitsgericht vertrat die Auffassung, dem Arbeitnehmer stehe der eingeklagte Verzugslohn zu, weil eine Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers zur Arbeitsleistung erforderlich gewesen sei und es deshalb nur eines wörtlichen Angebots bedurft habe. Dieses sei in der bisherigen Arbeitsleistung des Klägers zu erblicken, da das Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen gewesen sei. In einer weiteren Entscheidung, der die einseitige unberechtigte Einführung von Kurzarbeit für eine abgrenzbare Abteilung zugrundelag, hat der Fünfte Senat angenommen, es bedürfe auch keines wörtlichen Angebots (BAG 22, 111 = AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit mit Anm. von Söllner = AuR 1969, 381 mit Anm. von Herschel = SAE 1970, 1 mit Anm. von Beitzke).
Bei einer fristlosen Kündigung hat die Rechtsprechung bisher auf ein wörtliches Angebot verzichtet, wenn die Form der Kündigung es dem Arbeitnehmer unzumutbar machte, der Kündigung zu widersprechen (RAG ARS 17, 319, 321; 19, 225; 23, 114; zust. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band I, 7. Aufl., S. 218). Wird die unwirksame Kündigung mit einem Hausverbot verbunden, dann verweigert der Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts so ernsthaft und endgültig die Weiterbeschäftigung, daß aus diesem Grunde wiederum ein wörtliches Angebot überflüssig sein soll (BAG 28, 233 = AP Nr. 8 zu § 103 BetrVG 1972 = EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 17 mit Anm. v. Kraft).
3. Diese Rechtsprechung hat viel Kritik erfahren. Insbesondere wird ihr vorgeworfen, sie berücksichtige zu wenig, daß das Arbeitsverhältnis ein Dauerschuldverhältnis ist. Sie sei lebensfremd, weil sie mit dem wörtlichen Angebot bei fristloser Kündigung etwas verlange, was für den Arbeitnehmer entwürdigend und für den Arbeitgeber beleidigend sei. Der Arbeitgeber erwarte nach einer fristlosen Kündigung am allerwenigsten ein Arbeitsangebot des Arbeitnehmers, habe er doch mit der fristlosen Kündigung deutlich genug gemacht, daß er die weitere Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ablehne. Ein Angebot des Arbeitnehmers müsse er als Hohn empfinden. Der Arbeitnehmer komme auch nicht auf den Gedanken, zur Sicherung der Lohnansprüche die Arbeit anbieten zu müssen, an der ihn der Arbeitgeber doch gerade hindere (Stehl, AuR 1967, 44; Nikisch, RdA 1967, 241 ff.; Beitzke, SAE 1970, 4; W. Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 26 und 31 zu § 615 BGB sowie zuletzt Eisemann, Arbeitsrecht der Gegenwart, Kündigung und Annahmeverzug, Bd. 19, 1981, S. 33 ff.). Die Schwäche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werde schon daran deutlich, daß es mittels Fiktionen versuche, die Lebensfremdheit seiner Auffassung zu korrigieren. Wenn der Arbeitnehmer die fristlose Kündigung mit einer Klage angreife, mache er sich in der Regel gar keine Gedanken über seine Arbeitsbereitschaft. Soweit ihm wegen eines unbegründeten ehrenrührigen Vorwurfs gekündigt worden sei, sehe er in vielen Fällen gar keine Möglichkeit für eine weitere Zusammenarbeit, er wolle dann mit der Klage zunächst einmal den Makel der fristlosen Kündigung und des unberechtigten Vorwurfs beseitigen. Selbst mit Hilfe seiner Fiktionen könne das Bundesarbeitsgericht zudem unbefriedigende Ergebnisse nicht verhindern, denn das Arbeitsangebot wirke nicht zurück. Der Arbeitnehmer benötige aber zum einen einige Tage Zeit für seine Entscheidung, ob er sich gegen die Kündigung wehren solle, und dann dauere es wieder einige Tage, bis die Kündigungsschutzklage erhoben und zugestellt sei. Der Arbeitnehmer verliere also bei fast jeder unberechtigten fristlosen Kündigung für einige Tage das Entgelt, ohne daß dies gerechtfertigt wäre (W. Blomeyer, aaO). Abgesehen davon führe die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenigstens, wenn dem Urteil vom 8. März 1961 (BAG 11, 34 = AP Nr. 13 zu § 615 BGB Betriebsrisiko) gefolgt werde, zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nach dem, ob dem Arbeitnehmer während der Arbeit oder außerhalb der Arbeitszeit gekündigt werde. Nur in letzterem Falle werde offensichtlich ein Protestakt erwartet. Es hänge aber mehr oder weniger vom Zufall ab, ob der Arbeitgeber während oder außerhalb der Arbeitszeit kündige.
4. Die von der Rechtsprechung ungelösten Fragen des Annahmeverzugs bei fristloser Kündigung werden unterschiedlich beantwortet:
a) Nikisch (aaO) leitet aus dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis mit personenrechtlichen Zügen ab, die Erfüllung des Arbeitsverhältnisses sei ein Zustand, der zu dem Zeitpunkt beginne, in dem der Arbeitnehmer in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert werde. Daraus folge, daß der Arbeitnehmer nur einmal, nämlich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses, die Arbeit tatsächlich anbieten müsse. Ein wörtliches Angebot genüge, wenn der Arbeitgeber schon vorher erklärt habe, er nehme die Dienste nicht an. Nur für den erstmaligen Antritt der Arbeit fänden also die Vorschriften der §§ 294 ff. BGB Anwendung (ebenso Beitzke, SAE 1970, 4). Danach könne der Arbeitnehmer gar keine bestimmte, konkrete oder abgrenzbare Leistung mehr anbieten. Deshalb könne vom Arbeitnehmer auch nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung auch kein wörtliches Angebot mehr verlangt werden. Die Vorschriften des Annahmeverzugs müßten dieser Besonderheit des Arbeitsverhältnisses angeglichen werden. Auch wenn man aber ein Angebot des Arbeitnehmers verlangen wollte, hätte der Arbeitnehmer einen Anspruch in gleicher Höhe, weil der Arbeitgeber durch die Ablehnung der Dienste des Arbeitnehmers dessen Leistung unmöglich gemacht habe (§ 324 Abs. 1 BGB).
Der Senat kann dieser Auffassung nicht folgen, weil sie auf einer Überbetonung des personenrechtlichen Einschlags des Arbeitsverhältnisses beruht und dabei Sinn und Zweck der §§ 294 ff. BGB aus dem Auge verliert, nämlich die Leistungsbereitschaft des Schuldners klarzustellen und den Zeitpunkt eindeutig festzulegen, in dem der Gläubigerverzug beginnt (so schon W. Blomeyer, Anm. zu AP Nr. 26 zu § 615 BGB). Der Arbeitnehmer kann auch nach Antritt der Arbeit abgrenzbare Leistungen anbieten, ebenso wie der Arbeitgeber zur konkreten und abgrenzbaren Entgeltzahlung verpflichtet ist. Die Anwendung von § 324 Abs. 1 BGB setzt voraus, daß dem Schuldner die Leistung unmöglich wird, nicht nur, daß der Gläubiger in Annahmeverzug gerät. Unmöglich ist die Arbeitsleistung mit Zugang der fristlosen Kündigung aber noch nicht.
b) Auch Stehl (AuR 1967, 44 f.), der besonders anschaulich die Nachteile der bisherigen Rechtsprechung beschreibt, bietet keine brauchbare Lösung an: Er ist der Auffassung, in der fortlaufenden Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sei ein Angebot auch für die Zeit der Kündigung zu sehen und deshalb sei § 293 BGB unmittelbar anzuwenden, ähnlich wie dies vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 8. März 1961 (BAG 11, 34 = AP Nr. 13 zu § 615 BGB Betriebsrisiko) angenommen worden war. Stehl (aaO) und das Bundesarbeitsgericht (aaO) arbeiten auch hier mit einer Fiktion, weil die Arbeitsleistung zur Erfüllung der obligatorischen Vertragspflicht erbracht wird, nicht aber als Angebot der Dienste für die Zukunft. Darüber hinaus kann das tatsächliche Angebot nach § 294 BGB und das wörtliche Angebot nach § 295 BGB erst nach Ausspruch der fristlosen Kündigung erfolgen, vorher besteht weder ein Anlaß für ein Angebot noch kann Sinn und Zweck der §§ 294 ff. BGB Rechnung getragen werden. Abgesehen davon ist die unmittelbare Anwendung von § 293 BGB schon deshalb nicht möglich, weil die Voraussetzungen des Annahmeverzugs in den §§ 294 ff. BGB geregelt sind (vgl. auch W. Blomeyer, Anm. zu BAG AP Nr. 26 zu § 615 BGB und Beitzke, SAE 1970, 4).
c) Andere Autoren halten ein wörtliches Angebot dann für entbehrlich, wenn der Arbeitgeber sich ernsthaft geweigert hat, die Dienste des Arbeitnehmers anzunehmen (Söllner, Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit; ähnlich Larenz, Schuldrecht I, 12. Aufl., S. 361, der darauf hinweist, es könne sein, daß nach Lage der Dinge jedes weitere Angebot sinnlos sei; W. Blomeyer, aaO). § 295 BGB soll dem nicht entgegenstehen, da diese Vorschrift ein wörtliches Angebot genügen lasse, aber nicht in jedem Falle verlange, wenn der Gläubiger erkläre, er nehme die Leistung nicht an. Söllner (aaO) und W. Blomeyer (aaO) weisen zudem darauf hin, es sei von den Zivilgerichten seit langem anerkannt, daß, um die Folgen des Schuldnerverzugs auszulösen, die von § 284 Abs. 1 BGB geforderte Mahnung und sogar die Fristsetzung nach § 326 Abs. 1 BGB unterbleiben könne, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft verweigere (ständige Rechtsprechung seit RGZ 51, 347, 350). Entsprechendes müsse auch für den Annahmeverzug gelten. Blomeyer (aaO) hält eine teleologische Reduktion der §§ 294 ff. BGB und insbesondere des § 295 BGB für den Fall der fristlosen Kündigung grundsätzlich für möglich, weil der Arbeitgeber mit der fristlosen Kündigung sein Desinteresse an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers klar zum Ausdruck bringe, von der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers Kenntnis habe und ihm auch der Beginn des Annahmeverzugs bekannt sei. Nur in den Fällen, in denen durch besondere Umstände Zweifel an der Leistungsbereitschaft begründet seien, bedürfe es eines wörtlichen Angebots.
5. a) Der Senat hält die Kritik gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Voraussetzungen des Annahmeverzuges bei fristloser Kündigung zu einem erheblichen Teil für berechtigt. Insbesondere ist richtig, daß das Festhalten an einem wörtlichen Angebot, auch wenn der Arbeitgeber durch die fristlose Kündigung oder ein anderes Verhalten deutlich und ernsthaft zu erkennen gegeben hat, er wünsche die Arbeitsleistung für die Zukunft nicht mehr, weder zu befriedigenden Ergebnissen führt noch nach den §§ 294 ff. BGB geboten ist. Allerdings vermag der Senat auch nicht ganz der Konzeption von W. Blomeyer (aaO) zu folgen. § 296 BGB, der die Fälle aufführt, in denen ausnahmsweise ein auch nur wörtliches Angebot überflüssig ist, wäre wohl weitgehend entbehrlich, falls bereits nach § 295 BGB in bestimmten Fällen ein wörtliches Angebot nicht mehr erforderlich wäre. Wenn auch nach dem Wortlaut des § 295 BGB in den dort aufgeführten Fällen ein wörtliches Angebot "genügt", so ist das doch dahin auszulegen, daß in den Fällen des § 295 BGB ein wörtliches Angebot erforderlich ist. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang von § 295 und § 296 BGB. § 295 BGB läßt nämlich u.a. ein wörtliches Angebot dann genügen, wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Nach § 296 BGB ist auch dieses wörtliche Angebot überflüssig, wenn für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist und der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Soll daher § 296 BGB nicht insoweit leerlaufen, muß für diese Fallgestaltung nach § 295 BGB ein wörtliches Angebot nicht nur genügen, sondern erforderlich sein. Etwas anderes kann dann aber auch nicht für die andere Fallgestaltung des § 295 BGB gelten, nach der ein wörtliches Angebot genügt, wenn der Gläubiger erklärt, er nehme die geschuldete Leistung nicht an (vgl. dazu auch Eisemann, aaO, S. 42). Dementsprechend erscheint es dem Senat zu gewagt, mittels einer teleologischen Reduktion von § 295 BGB in all den Fällen einer fristlosen Kündigung von einem wörtlichen Angebot abzusehen, in denen der Arbeitnehmer dienstbereit ist.
b) Der erkennende Senat kommt aber in Anwendung des § 296 BGB zu dem gleichen Ergebnis.
Nach § 296 BGB bedarf es keines Angebots, wenn für die vom Gläubiger zu erbringende Mitwirkungshandlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist und diese Handlung nicht rechtzeitig vorgenommen wird. Der Fünfte Senat hat bereits in dem Urteil vom 10. Juli 1969 (BAG 22, 111 = AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit) angenommen, es könne bei der einseitig und deshalb unberechtigt angeordneten vorübergehenden Schließung eines Betriebs oder einer Betriebsabteilung auf ein wörtliches Angebot verzichtet werden, weil der Arbeitgeber seiner kalendermäßig festgelegten Mitwirkungshandlung, für die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Fortsetzung der Arbeit zu sorgen und den Arbeitnehmern mitzuteilen, daß sie arbeiten dürfen, nicht nachgekommen sei (zust. auch in der Begründung Söllner, aaO; Herschel, AuR 1969, 383, 384; BGB - RGRK-Alff, 12. Aufl., § 296 Rz 2; Beitzke, SAE 1970, 4). Für zu weitgehend hält dies Löwisch in Staudinger/Löwisch, BGB, 12. Aufl., § 296 Rz 3). Herschel (aaO) und später Löwisch (aaO) haben gesehen, daß, wenn dies für den abgegrenzten Betriebsteil gelte, es konsequenterweise auch auf das einzelne Arbeitsverhältnis übertragen werden müsse. Das ist auch die Auffassung des erkennenden Senats. Er folgt daher den Ausführungen des Fünften Senats im Urteil vom 10. Juli 1969 (aaO) und führt diese Rechtsprechung fort: Er sieht die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers darin, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm die Arbeit zuzuweisen. Da der Arbeitgeber mit der fristlosen Kündigung dem Arbeitnehmer den entgegengesetzten Willen zu erkennen gibt, muß der Arbeitgeber ihn wieder zur Arbeit auffordern, wenn er trotz fristloser Kündigung nicht in Annahmeverzug geraten will (ähnlich Eisemann, aaO, S. 46 f.; auch der Siebte Senat hat im Urteil vom 13. Mai 1981 - BAG 35, 268, 277, 278 = AP Nr. 3 zu § 18 SchwbG, zu II 3 b der Gründe - ausgesprochen, daß er dieser Ansicht zuneige).
c) Dem Kläger wurde am 31. März 1981 fristlos gekündigt. Die Beklagte hat ihn nicht wieder zur Arbeit aufgefordert, sondern auf sein wörtliches Angebot vom 3. April 1981 mit Schreiben vom 6. April 1981 erklärt, sie verzichte auf seine Arbeitskraft. Der Kläger ist am 1. April 1981 auch nicht außerstande gewesen, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Dementsprechend ist die Beklagte für die Zeit des 1. April 1981 gemäß §§ 293, 296 BGB in Annahmeverzug geraten, so daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch für diese Zeit begründet ist (§ 615 BGB).
d) Der Kläger hat auch für die Zeit vom 22. April bis 23. Juli 1981 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Restlohnansprüche.
Der Kläger ist zwar vom 2. bis 21. April 1981 arbeitsunfähig krank gewesen. Während dieser Zeit hat die Beklagte nicht in Annahmeverzug geraten können (§ 297 BGB). Da in diesem Fall dem Arbeitgeber das Ende der Arbeitsunfähigkeit und der Beginn des Annahmeverzugs nicht erkennbar ist, muß der Arbeitnehmer nach seiner Gesundung zwar nicht die Arbeit anbieten, aber den Arbeitgeber auffordern, ihm Arbeit zuzuweisen (ebenso Eisemann, aaO, S. 47). Nach § 295 Satz 2 BGB steht diese Aufforderung des Gläubigers, die Mitwirkungshandlung vorzunehmen, einem Angebot gleich. Dieser Aufforderung bedarf es in allen Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht erkennen kann, ob und von welchem Zeitpunkt an der Arbeitnehmer leistungsbereit und willig ist.
Vorliegend ist die Beklagte ausnahmsweise auch ohne diese Aufforderung des Klägers für die Zeit vom 22. April bis 23. Juli 1981 in Annahmeverzug geraten, weil die Beklagte auf das - an und für sich untaugliche - Arbeitsangebot des Klägers vom 3. April 1981 mit Schreiben vom 6. April erklärt hat, sie verzichte auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf seine Dienste. Das ergibt sich aus dem Gesetzeszweck der §§ 293 ff., insbesondere der §§ 294 und 295 BGB: Durch das tatsächliche und wörtliche Angebot wie durch die Aufforderung zur Mitwirkungshandlung soll die Leistungsbereitschaft des Schuldners klargestellt werden und außerdem der Zeitpunkt endgültig festgelegt werden, an dem der Gläubigerverzug beginnt (vgl. insbesondere W. Blomeyer, aaO, m.w.N.). Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht nur fristlos gekündigt, sondern darüber hinaus eindeutig erklärt, daß er ihn auch nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht weiterbeschäftigen werde, er vielmehr auf seine Dienste verzichte, hat er damit zugleich zu erkennen gegeben, daß ihn die Mitteilung des Beginns der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers und damit auch der des Beginns des Annahmeverzugs nicht interessieren. In einem solchen Fall eine nochmalige Aufforderung zu verlangen, einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zuzuweisen, wäre durch den Gesetzeszweck nicht mehr gedeckt, sondern nur noch Förmelei (MünchKomm-Schaub, BGB, § 615 Rz 18; Larenz, Schuldrecht I, 12. Aufl., S. 361; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 8. Aufl., S. 268; derselbe in Anm. zu BAG AP Nr. 2 zu § 615 BGB Kurzarbeit; Seiter, ZfA 1970, 355, 401 m.w.N.; BAG 28, 233 = AP Nr. 8 zu § 103 BetrVG 1972 für den Fall eines Hausverbots).
C. Ist somit die Beklagte auch für die Zeit vom 22. April bis 23. Juli 1981 in Annahmeverzug geraten, ist die Klage insgesamt begründet, so daß die Revision zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Triebfürst Dr. Weller
zugleich für den wegen Krankheit
an der Unterschrift verhinderten
Richter Prof. Dr. Röhsler
Walter Sickert Dr. Bensinger
Fundstellen
BAGE 46, 234-245 (LT1-2) |
BAGE, 234 |
BB 1985, 399-401 (LT1-2) |
DB 1985, 552-554 (LT1-2) |
NJW 1985, 935 |
NJW 1985, 935-936 (LT1-2) |
ARST 1985, 49-50 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1985, 121-121 (T) |
JR 1986, 220 |
NZA 1985, 119-120 (LT1-2) |
SAE 1986, 9-12 (LT1-2) |
ZIP 1985, 116 |
ZIP 1985, 116-120 (LT1-2) |
AP § 615 BGB (LT1-2), Nr 34 |
AR-Blattei, Annahmeverzug Entsch 29 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 80 Nr 29 (LT1-2) |
EzA § 615 BGB, Nr 43 (LT1-2) |
JuS 1985, 650-651 (LT1-2) |
MDR 1985, 346-347 (LT1-2) |
ZfA 1985, 586-588 (T) |
Belling / Luckey 2000, 124 |