Lohnfortzahlung bei betrieblicher Quarantäneregelung
Der Arbeitnehmer war als Leiter der Nachtreinigung bei seinem Arbeitgeber, einem Lebensmittelproduzenten in Berlin, beschäftigt. Das Unternehmen erstellte ein Corona-Hygienekonzept zum Infektionsschutz. Für Arbeitnehmer, die nach einem Urlaub aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, sah das Hygienekonzept eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs vor. Während dieser Quarantänezeit sollte kein Entgeltanspruch bestehen.
Betriebliches Hygienekonzept war strenger als die gesetzlichen Corona-Bestimmungen
Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin sahen zum damaligen Zeitpunkt nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich ebenfalls eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Personen, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügten, der ein negatives Ergebnis eines höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen PCR-Tests auswies und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufwiesen, waren jedoch nach den Bestimmungen des Landes von einer Quarantänepflicht ausgenommen. Eine solche Ausnahme war im betrieblichen Hygienekonzept des Arbeitgebers nicht vorgesehen.
Angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen
Der Arbeitnehmer reiste während des ihm erteilten Urlaubs vom 11. August bis zum 14. August 2020 wegen des Todes seines Bruders in die Türkei, die zu dieser Zeit als Corona-Risikogebiet ausgewiesen war. Vor der Ausreise aus der Türkei unterzog er sich einem Corona-PCR-Test, der ebenso wie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland negativ war. Sein Arzt attestierte ihm nach der Wiedereinreise Symptomfreiheit. Dennoch verweigerte der Arbeitgeber dem Beschäftigten für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betrieb und zahlte auch keine Arbeitsvergütung. Der Arbeitnehmer klagte das ihm nicht bezahlte Arbeitsentgelt in Höhe von 1.512,47 Euro brutto unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs ein. Er habe seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten, der Arbeitgeber habe die Annahme seiner Arbeitsleistung zu Unrecht verweigert.
Übers Ziel hinausgeschossen
Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision des Arbeitgebers blieb vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolglos. Das BAG schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Landesarbeitsgerichts an, dass sich der Arbeitgeber mit der Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand. Das vom Arbeitgeber erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers, weil die Ursache für die Nichterbringung der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber selbst gesetzt wurde. Dass die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände für den Arbeitgeber unzumutbar war, konnte dieser nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen. Die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, befand das BAG außerdem für unbillig und damit für unwirksam. Der Arbeitgeber hat dem Mitarbeiter in seinem Hygienekonzept nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch wäre der nach § 618 Abs. 1 BGB erforderliche und angemessene Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht und ein ordnungsgemäßer Betriebsablauf sichergestellt worden.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. August 2022, Az. 5 AZR 154/22
Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt, schuldet der Arbeitgeber grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs.
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