BAG, Urteil vom 10.8.2022, 5 AZR 154/22
Ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände erteilt, da dieser aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückgekehrt ist, und das, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Quarantäne unterliegt, schuldet grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs.
Sachverhalt
Bei der Beklagten, welche am Standort Berlin Lebensmittel für den Handel produziert, gab es ein Hygienekonzept, welches für Arbeitnehmer, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltanspruch vorsah. Auch gemäß der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16.6.2020 bestand grds. eine Absonderungspflicht nach Einreise aus einem Risikogebiet für einen Zeitraum von 14 Tagen; allerdings sollte dies nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest und einen aktuellen Laborbefund verfügten, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen.
Aufgrund des Todes seines Bruders reiste der Kläger, welcher bei der Beklagten Leiter der Nachtreinigung ist, während seines Urlaubs vom 11.8. bis zum 14.8.2020 in die Türkei, die zu dieser Zeit ein Corona-Risikogebiet war. Er unterzog sich vor der Ausreise aus der Türkei einem Corona-PCR-Test, ebenso wie nach Ankunft in Deutschland. Beide Tests waren negativ. Darüber hinaus wurde ihm durch seinen Arzt Symptomfreiheit attestiert. Die Beklagte verweigerte dem Kläger trotzdem für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betrieb und zahlte keine Arbeitsvergütung. Dieser klagte nun auf Vergütung wegen Annahmeverzugs in Höhe von 1.512,47 EUR brutto.
Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg; denn die Beklagte befand sich mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug, da das von ihr erteilte Betretungsverbot nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers gem. § 297 BGB geführt hatte, sondern die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von ihr selbst gesetzt worden war.
Nach Auffassung des Gerichts war zudem die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, unbillig gem. § 106 GewO, und daher unwirksam. Grund hierfür sei, so das BAG, dass die Beklagte dem Kläger nicht die Möglichkeit eröffnet hatte, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen; denn auch so hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.