Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung. Verringerung durch neues Arbeitsverhältnis
Normenkette
BAT-O § 29 Abschn. B Abs. 7, § 3 Buchst. d; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. Dezember 1994 – 6 Sa 235/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Abfindung nach dem Tarifvertrag zur Sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992.
Die Klägerin war beim Beklagten in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt, auf das der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung fand. Die Beschäftigungszeit der Klägerin im Sinne des § 19 BAT-O begann am 1. Januar 1985. Ihr Bruttogehalt betrug zuletzt 2.034,43 DM. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis wegen mangelnden Bedarfs nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 Einigungsvertrag zum 30. September 1992. Seit dem 1. Februar 1993 war die Klägerin bis 31. Januar 1994 befristet im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bei der R. T. g. GmbH (im folgenden: RTG GmbH) beschäftigt. In dem von der RTG GmbH verwendeten Arbeitsvertragsformular ist bestimmt, daß sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G-O) richtet. An der RTG GmbH sind u.a. der Beklagte, der Landkreis W. und die Stadt Z. als Gesellschafter beteiligt.
Die Klägerin verlangte vom Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung vom 6. Juli 1992 (TV soziale Absicherung) eine Abfindung in Hohe von 3.563,25 DM. Der Beklagte zahlte der Klägerin jedoch nur eine nach § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung verringerte Abfindung in Höhe von 2.034,43 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Abfindung habe sich nicht verringert, weil die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung nicht gegeben seien. Die RTG GmbH sei kein Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT-O/BAT. Die neue Beschäftigung erfolge im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die nicht unter den Geltungsbereich des BAT-O falle. Die Höhe des Gesellschaftsanteils der Beklagten an der RTG GmbH stehe nicht fest. Auch nehme die RTG GmbH keine öffentlichen Aufgaben wahr.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.528,82 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1992 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Die Klage ist unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch auf eine höhere als die von der Beklagten bereits gezahlte Abfindung von 2.034,43 DM zustehe. Dies ist frei von Rechtsirrtum.
2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Abfindung in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe sind gegeben. Der Klägerin ist wegen mangelnden Bedarfs nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziffer 2 Einigungsvertrag zum 30. September 1992 gekündigt worden. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt unstreitig eine Beschäftigungszeit von mehr als sieben Jahren zurückgelegt. Jedoch verringert sich dieser Abfindungsanspruch gemäß § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung auf 4/4 der letzten Monatsvergütung von 2.034,43 DM, weil die Zahl der zwischen der Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses am 30. September 1992 und der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses am 1. Februar 1993 liegenden Kalendermonate vier beträgt und damit geringer ist als die der Abfindung zugrunde liegende Zahl von sieben Bruchteilen der Monatsvergütung nach § 2 Abs. 2 TV soziale Absicherung. Über diese Berechnung besteht zwischen den Parteien kein Streit.
3. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung erfüllt sind. Nach dieser Bestimmung verringert sich die Abfindung, wenn der Angestellte in ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT-O/BAT eintritt.
a) Die Klägerin ist in ein Arbeitsverhältnis zur RTG GmbH eingetreten. Rechtlich unerheblich ist, daß dieses Arbeitsverhältnis bis 31. Januar 1994 befristet war. Auch durch Einkünfte aus einem befristeten Arbeitsverhältnis entfällt der finanzielle Bedarf, der durch den aufgrund der Verringerung wegfallenden Teil der Abfindung abgedeckt werden soll (vgl. BAG Urteil vom 1. Dezember 1994 – 6 AZR 571/94 –, n.v.).
b) Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei der RTG GmbH um einen Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT-O. Diese Vorschrift bestimmt den Begriff des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 29 Abschnitt B Abs. 2, 5 und 6 BAT-O, auf den es auch nach § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung ankommt. Nach § 29 Abschnitt B Abs. 7 Satz 3 BAT-O steht dem öffentlichen Dienst gleich die Tätigkeit im Dienst eines solchen Arbeitgebers, der die für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge anwendet, wenn eine der in Satz 1 bezeichneten Körperschaften durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die RTG GmbH.
Die RTG GmbH vereinbart mit ihren Beschäftigten in Formularverträgen die Geltung der Bestimmungen des BMT-G-O und wendet damit einen für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrag an.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind an der RTG GmbH u.a. der Beklagte, der Landkreis W. sowie die Stadt Z. und somit in § 29 Abschnitt B Abs. 2 Satz 1 genannte Körperschaften des öffentlichen Rechts als Gesellschafter beteiligt. Ein Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 14 GmbHG) ist verglichen mit den in erster Linie genannten Beteiligungsformen der Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen eine Beteiligung in anderer Weise. Auf den Umfang der Beteiligung kommt es nicht an (vgl. dazu Urteil des Senats vom 26. Mai 1994 – 6 AZR 897/93 – AP Nr. 11 zu § 29 BAT).
c) Zu Unrecht meint die Revision, § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT-O sei deshalb nicht anwendbar, weil die Klägerin im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach §§ 93, 97 AFG beschäftigt werde und nach § 3 Buchst. d BAT-O derartige Arbeitsverhältnisse nicht unter den Geltungsbereich des BAT-O fielen. Dies ist rechtlich ebenso unbeachtlich, wie die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die RTG GmbH öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Nach Wortlaut und Sinn verlangt § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung als Voraussetzungen der Verringerung einer Abfindung nur, daß ein Arbeitsverhältnis zu einem der dort genannten Arbeitgeber begründet wird, der die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anwendet. Ob der vereinbarte Tarifvertrag normativ gelten würde, ist unerheblich.
4. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Tarifbestimmung des § 2 Abs. 6 TV soziale Absicherung nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstößt.
Soweit die Regelung zwischen ausgeschiedenen Arbeitnehmern, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums in ein neues Arbeitsverhältnis eintreten und solchen Arbeitnehmern unterscheidet, die in dieser Zeit kein neues Arbeitsverhältnis begründen, ist dies aufgrund des durch die Einkünfte aus dem neuen Arbeitsverhältnis geringeren Bedarfs sachlich gerechtfertigt. Soweit die Vorschrift zwischen neuen Arbeitsverhältnissen zu Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes und zu sonstigen Arbeitgebern differenziert, besteht die erforderliche sachliche Rechtfertigung darin, daß auch eine doppelte Belastung öffentlicher Haushalte ausgeschlossen werden soll.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Bengs, Bruse
Fundstellen