Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiende Lebensversicherung im Vorruhestand
Leitsatz (redaktionell)
1. Leistungen, die ein Arbeitnehmer aus einer befreienden Lebensversicherung erhält, können Leistungen sein, die den Bezug von Vorruhestandsgeld ganz oder teilweise ausschließen. Sie sind dem Altersruhegeld vergleichbare Leistungen, wenn sie der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen. Die vereinbarte Fälligkeit dieser Versicherung bereits zum 60. Lebensjahr schließt die Vergleichbarkeit nicht aus. Auch auf die Zahlungsform - Kapital oder Rente - kommt es nicht an.
2. Erhält ein Arbeitnehmer, der sich im Vorruhestand befindet, eine solche befreiende Lebensversicherung ausgezahlt, so erlischt der Anspruch auf Vorruhestandsgeld nur teilweise.
3. Der geschuldete Teilbetrag des vollen Vorruhestandsgeldes ist nach dem Verhältnis der auf die befreiende Lebensversicherung entfallenden Versicherungszeiten zu den gesamten, dem Arbeitnehmer gutgebrachten Versicherungszeiten zu berechnen.
Orientierungssatz
Auslegung des § 8 des Tarifvertrages über den Vorruhestand im Baugewerbe vom 26.9.1984.
Normenkette
TVG § 1; VRG § 5; BGB § 362; AFG § 118; GG Art. 3 Abs. 1; VRG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 14.10.1986; Aktenzeichen 2 Ca 4293/86) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes Vorruhestandsleistungen.
Der am 9. September 1924 geborene Kläger trat am 1. April 1940 in das Erwerbsleben. Seit dem 1. April 1953 war er als Techniker bei der P GmbH & Co. KG beschäftigt. Bis zum 30. April 1963 war er mit geringfügigen Unterbrechungen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Von da ab entrichtete er wegen Überschreitens der Pflichtversicherungsgrenze freiwillige Beiträge. Vom 1. Januar 1960 bis zum 1. September 1984 zahlte er in eine befreiende Lebensversicherung ein. Er erhielt im September 1984 einen Betrag von 181.028,16 DM ausgezahlt, von dem er jedoch 45.000,-- DM auf verschiedene Darlehen abgetreten hatte, so daß ihm ein Betrag von 136.028,16 DM verblieb.
Am 15. April 1985 beantragte der Kläger bei seinem Arbeitgeber ab 1. Januar 1986 die Gewährung von Vorruhestandsleistungen. Am 8. Juli 1985 füllte er für die beklagte Zusatzversorgungskasse den Wartezeitnachweis für Vorruhestand aus. In diesem vermerkte er, daß er von der Versicherungspflicht gemäß beigefügter Befreiungsbescheinigung befreit sei und statt dessen eine Versorgung bei der Victoria-Versicherung Kiel beziehe.
Die P GmbH & Co. KG beantragte am 9. Juli 1985 bei der Beklagten die Anerkennung der Erstattungspflicht. Die Beklagte erteilte am 26. September 1985 einen Vorbescheid, daß die Vorruhestandsvoraussetzungen vorlägen.
Am 1. Januar 1986 trat der Kläger aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber in den Vorruhestand. Am 3. April 1986 teilte die Beklagte dem Arbeitgeber mit, daß der Kläger keinen Anspruch auf Vorruhestandsleistungen habe, weil er bei Eintritt in den Vorruhestand bereits Versorgungsleistungen erhalten habe und diese seine Hauptversorgung ausmachten. Zu einem vom Arbeitsgericht nicht festgestellten Zeitpunkt wurde über das Vermögen der P GmbH & Co. KG das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter unterrichtete den Kläger, daß sein Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt in den Vorruhestand am 1. Januar 1986 geendet habe und er nicht wieder beschäftigt werden könne.
Der Kläger hat wegen der Insolvenz seines früheren Arbeitgebers von der Beklagten Vorruhestandsleistungen verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, daß sich die Beklagte an ihrem Vorbescheid vom 26. September 1985 festhalten lassen müsse. Im Vertrauen auf den Vorbescheid sei er in den Vorruhestand getreten und habe das Arbeitsverhältnis beendet. Im übrigen lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Vorruhestandsleistungen auch vor. Nach § 8 des Tarifvertrages über den Vorruhestand im Baugewerbe (Vorruhestandstarifvertrag - VRTV-Bau) vom 26. September 1984 erlösche der Anspruch auf Vorruhestandsgeld mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Monat, von dem an der ausgeschiedene Arbeitnehmer Altersruhegeld vor Vollendung des 65. Lebensjahres, Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Bezüge öffentlich- rechtlicher Art beanspruchen könne. Derartige Leistungen könne er jedoch nicht beanspruchen. Zumindest beruhe seine Hauptversorgung auf der gesetzlichen Sozialversicherungsrente und nicht auf der befreienden Lebensversicherung. Nach einer Rentenauskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 13. August 1982 betrage seine Altersrente monatlich 1.073,60 DM. Dagegen betrage der monatliche Rentenanspruch aus der Lebensversicherung bei einem Betrage von 141.028,16 DM 552,27 DM monatlich. Die Vorruhestandsleistungen könne er nicht berechnen. Es sei aber davon auszugehen, daß die Beklagte ein Feststellungsurteil befolgen werde.
Der Kläger hat, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt wurde, beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflich-
tet ist, für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis
31. Juli 1988 Vorruhestandsleistungen zu ge-
währen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Feststellungsklage unzulässig sei. Der Kläger könne die Vorruhestandsleistungen ohne Schwierigkeiten nach dem VRTV-Bau berechnen. Auf den Vorbescheid habe der Kläger nicht vertrauen dürfen. Sie habe bei Erteilung des Vorbescheides nicht gewußt, daß der Kläger bereits die Leistung aus der befreienden Lebensversicherung bezogen habe. Im übrigen habe der Kläger nach dem Tarifvertrag keinen Anspruch auf Vorruhestandsleistungen, da die Leistungen der befreienden Lebensversicherung der Altersversorgung vergleichbar seien. In dem Runderlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 14. Juni 1985 (82/85) seien die Leistungsvoraussetzungen für die Erstattung des Vorruhestandsgeldes durch die Bundesanstalt für Arbeit an die Arbeitgeber erweitert worden. Die Tarifvertragsparteien hätten dies hingenommen. Nach dem Runderlaß stelle die Rente aus der befreienden Lebensversicherung die Hauptversorgung dar. Die Sozialversicherungsrente des Klägers werde nach der Rentenauskunft berechnet aus 261 Monaten Beitragszeiten, davon 184 Monaten Pflichtbeiträgen und 56 Monaten freiwilligen Beiträgen, 77 Monaten Ersatzzeiten und 18 Monaten Ausfallzeiten, insgesamt 356 Monaten. Dagegen habe die ersetzende Lebensversicherung 200 Monate bestanden. Sie habe damit länger bestanden als die für die Hauptversorgung zu berücksichtigenden Zeiten einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen hat die Beklagte mit Zustimmung des Klägers Sprungrevision eingelegt, mit der sie den Abweisungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Der Kläger kann von der Beklagten anteilige Vorruhestandsleistungen verlangen.
I. Die Klage, mit der der Kläger Feststellung begehrt, daß die Beklagte ab 1. Januar 1986 zur Zahlung von Vorruhestandsleistungen verpflichtet ist, ist zulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZP0 kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Der Kläger begehrt mit der Klage die Feststellung eines Anspruchs auf Vorruhestandsleistungen. An dieser Feststellung besteht ein Rechtsschutzinteresse. Es ist zwischen den Parteien umstritten, ob der Bezug privater Versicherungsleistungen zum Erlöschen des Anspruches geführt hat.
Dem Feststellungsinteresse des Klägers steht nicht entgegen, daß er im Zeitpunkt der Klageerhebung in der Lage war, bereits Leistungsklage zu erheben. Bei Klageerhebung im Juli 1986 hätte er für den Zeitraum vom 1. Januar 1986 bis zum 30. Juni 1986 bereits einen bezifferten Leistungsantrag stellen können. Dagegen war für die Folgezeit nur eine Klage auf künftige Leistungen möglich (§ 257 ZP0). Macht ein Kläger Ansprüche für Vergangenheit und Zukunft geltend, ist er nicht genötigt, die in der Vergangenheit fällig gewordenen Ansprüche mit der Leistungsklage zu verfolgen und allein wegen der zukünftig fällig werdenden Feststellungsklage zu erheben. Soweit eine Klage auf künftige Leistung in Betracht kommt, steht diese einem Feststellungsinteresse nicht entgegen (BGH NJW 1986, 2507, mit weiterem Nachweis). Soweit inzwischen die Ansprüche fällig geworden sind, braucht der Kläger nicht zu einer Leistungsklage überzugehen (BGH WM 1978, 470). Da das Gericht über den einheitlichen Anspruch entscheiden muß, verbietet die Prozeßökonomie nicht, die Gesamtforderung im Wege der Feststellungsklage zu verfolgen (BAGE 12, 290, 292 ff. = AP Nr. 40 zu § 256 ZP0, mit zustimmender Anmerkung von Pohle).
Im übrigen ist davon auszugehen, daß die Beklagte auch ein Feststellungsurteil befolgen wird. Die Beklagte ist eine unter staatlicher Aufsicht stehende Versicherungsgesellschaft, die notfalls durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zur Erfüllung ihrer Aufgaben angehalten werden kann.
II. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Vorruhestandsleistungen, für den die beklagte Zusatzversorgungskasse einzustehen hat.
1. Ein Anspruch auf Vorruhestandsgeld entsteht, wenn der Arbeitnehmer 58 Jahre alt ist, persönlich bestimmte Wartezeiten erfüllt hat, innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses mindestens 1.080 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat und dem Betrieb unmittelbar vor Beginn des Vorruhestandes ununterbrochen mindestens 12 Monate als vom Geltungsbereich des Vorruhestandstarifvertrages erfaßter Arbeitnehmer angehört hat (§ 2 Abs. 2 VRTV-Bau).
Der am 9. September 1924 geborene Kläger war am 1. Januar 1986 bereits über 60 Jahre alt. Der Kläger war seit dem 1. April 1953 bei der P GmbH & Co. KG beschäftigt. Er hatte damit 1986 die 10jährige Wartezeit erfüllt. Während der Dauer seiner Beschäftigung war er zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig und gehörte seit mehr als einem Jahr als Techniker dem Unternehmen seines Arbeitgebers an.
2. Für die Vorruhestandsleistungen muß die Beklagte einstehen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VRTV-Bau in Verb. mit § 9 Abs. 1 VRG gewährt die Beklagte Vorruhestandsleistungen wie ein Arbeitgeber, wenn der Arbeitgeber seine Verpflichtungen zur Zahlung von Vorruhestandsgeld nicht erfüllt und über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß über das Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers das Konkursverfahren eröffnet worden ist und dieser Leistungen nicht erbracht hat. Dagegen hat es den genauen Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht festgestellt. Dies nötigt aber nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die Beklagte hat ihre Passivlegitimation nicht in Abrede gestellt, so daß angenommen werden kann, das Konkursverfahren sei vor dem Klagezeitraum eröffnet worden.
III. Der Anspruch des Klägers auf Vorruhestandsleistungen ist nur zum Teil entstanden, da der Kläger ab 1. Januar 1986 bereits Versorgungsleistungen bezogen hat.
1. Der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen erlischt mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Monat, von dem an der ausgeschiedene Arbeitnehmer Altersruhegeld vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder eine andere der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Abs. 2 VRG genannten Leistungen beanspruchen kann (§ 8 Abs. 1 VRTV-Bau). Liegt der Tatbestand, der zum Erlöschen des Anspruchs führt, vor dem Beginn des Vorruhestandes, können insoweit Ansprüche nicht entstehen.
a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VRG erlischt der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen, wenn der Arbeitnehmer vor Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld, Knappschaftsausgleichsleistungen oder sonstige Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann. Aus der gesetzlichen Sozialversicherung konnte der Kläger kein vorgezogenes Altersruhegeld wegen Erreichens des 63. Lebensjahres oder als anerkannter Schwerbehinderter beziehen, da er die Rahmenfrist von 35 Jahren nicht erfüllte (§ 25 Abs. 1, 7 Satz 1 AVG; § 1248 RV0). Für einen Anspruch auf sonstige öffentlich- rechtliche Leistungen gibt es keine Anhaltspunkte.
b) Den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VRG bezeichneten Leistungen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsleistungen führen, stehen vergleichbare Leistungen einer Versicherung oder Versorgungseinrichtung oder eines Versorgungsunternehmens gleich, wenn der Arbeitnehmer in der vorhergehenden Beschäftigung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit war (§ 2 Abs. 2 VRG).
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1968 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war, da sein Einkommen die Versicherungspflichtgrenze überschritten und er seine Freistellung beantragt hatte (Art. 2 § 1 AnVNG).
Der Kläger bezog im September 1984 eine dem vorgezogenen Altersruhegeld vergleichbare Leistung von einem privaten Versicherungsunternehmen. Die von dem Versicherungsunternehmen bezogenen Leistungen müssen den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VRG genannten vergleichbar sein. Es muß sich um Leistungen handeln, die nach ihrem Zweck bei Eintritt eines Versorgungsfalles wie die gesetzliche Rente zur Sicherung des Lebensunterhalts dient. Dagegen kommt es auf die Zahlungsform nicht an; es ist unerheblich, ob die Leistungen als Kapital oder Rente gezahlt werden.
Der Vergleichbarkeit der Leistung steht nicht entgegen, daß die Kapitallebensversicherung bereits mit dem 60. Lebensjahr ausgezahlt wurde. Zwar ist dieses Alter im Vergleich zur regelmäßigen Altersgrenze für Männer in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgezogen. Doch können auch in der gesetzlichen Rentenversicherung Arbeitslose und Schwerbehinderte Altersruhegeld mit 60 Jahren erhalten. Dann steht es aber einer Partei frei, bei ihrer Lebensplanung zumindest auf dieses Lebensalter abzustellen. Die Vergleichbarkeit kann auch nicht damit in Abrede gestellt werden, daß nach dem Zweck des Gesetzes eine ersetzende Lebensversicherung nur deswegen einer gesetzlichen Sozialversicherungsrente gleichgestellt ist, um die nach den verschiedenen Versorgungssystemen Versorgungsberechtigten nicht ungleich zu behandeln. Unterschiedliche Altersgrenzen in der Versorgungsplanung eines Versicherten stehen einem Vergleich der von den verschiedenen Versicherungsträgern gezahlten Leistungen nicht entgegen. Die Altersgrenze berührt nur die Entstehung des Anspruchs.
2. Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld ist jedoch nur zum Teil erloschen.
a) Die gesamte Versorgung des Klägers besteht aus einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die er mit Erreichen des 65. Lebensjahres beanspruchen kann (§ 25 Abs. 5 AVG; § 1248 Abs. 5 RV0) und der Kapitalzahlung aus der ersetzenden Lebensversicherung, die er im September 1984 bei Erreichen des 60. Lebensjahres bezogen hat.
Aus dem Wortlaut von § 8 VRTV-Bau ergibt sich nicht unmittelbar, ob der Anspruch in vollem Umfang erlischt, wenn der Vorruheständler sowohl die eine als auch die andere Versorgungsleistung erhält. Dasselbe gilt auch für den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers auf Vorruhestandsgeld gegen die Bundesanstalt für Arbeit (§ 2 Abs. 1 VRG). Im Schrifttum wird zum Teil angenommen, daß § 2 Abs. 1 Nr. 1 b und § 5 VRG bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch erlöschen soll, eine Regelungslücke enthält (vgl. Schenke in Andresen/Barton/Kuhn/Schenke, VRG, Stand 1. Februar 1987, Teil 6 Rz 24; Grüner/Dalichau, VRG, Stand 1. September 1988, § 2 Anm. III 5). Jedenfalls sind zum Anspruch des Arbeitgebers gegen die Bundesanstalt für Arbeit auf Erstattung von Vorruhestandsgeld verschiedene Versuche unternommen werden, den Erlöschenstatbestand näher zu bestimmen.
b) Die Bundesanstalt für Arbeit hat in einem Dienstblatt-Runderlaß vom 14. Juni 1985 (82/85) den Erlöschenstatbestand eines Erstattungsanspruchs wie folgt bestimmt:
...
3.1 Ist ein sog. befreiender Lebensversicherungsver-
trag auf ein vor dem 65. Lebensjahr liegendes
Endalter abgeschlossen (z.B. 62. oder 63. Le-
bensjahr) oder wird ein solcher Versicherungs-
vertrag vor seiner Fälligkeit in Anspruch genom-
men, so endet der Anspruch auf Zuschuß zu den
Vorruhestandsleistungen und der auf Vog gem. § 9
mit der Fälligkeit des Versicherungsvertrages bzw.
der tatsächlichen Inanspruchnahme, wenn die Ver-
sicherung zugleich die Hauptversorgung darstellt.
Das ist der Fall, wenn die zeitliche Dauer des
Versicherungsvertrages bis zu der tatsächlichen
oder zumutbaren Inanspruchnahme länger ist als
die Zeit des Bestehens einer beitragspflichtigen
Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung (ohne Ausfall- und Ersatzzeiten). Der er-
ste Wert ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag,
der zweite aus der Auskunft des gesetzlichen Ver-
sicherungsträgers über die Rentenanwartschaft
(§ 104 AVG). Wird die Hauptversorgung durch die
Inanspruchnahme der Versicherung nicht gewährlei-
stet, besteht der Anspruch auf Zuschuß zu den Vor-
ruhestandsleistungen und der auf Vog längstens bis
zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
c) Dieser Rechtsauffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Der Erlaß hat als Verwaltungsanordnung keine die Gerichte oder die Bürger bindende Wirkung. Er ist nicht im Rahmen der der Bundesanstalt für Arbeit zugewiesenen Selbstverwaltungsaufgaben ergangen.
Aus dem VRG und dem VRTV-Bau lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte gewinnen, daß der gesamte Anspruch auf Vorruhestandsgeld bzw. der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen die Bundesanstalt für Arbeit erlischt, wenn der Vorruheständler nur einen Teil seiner Altersversorgung erhält. Es mag sein, daß § 8 VRTV-Bau (Erlöschen und Ruhen des Anspruchs eines Arbeitnehmers) in enger Anlehnung an § 5 VRG (Erlöschen und Unterbrechung des Anspruchs auf Erstattung der Arbeitgeberleistung gegen die Bundesanstalt für Arbeit) formuliert worden ist und daß § 5 VRG seinerseits an § 118 AFG (Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld) angelehnt worden ist. Das Bundessozialgericht mag auch bei ausländischen öffentlichen Teilrenten von einem Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld ausgegangen sein (BSGE 43, 26). Hieraus ist aber nichts für die Auslegung von § 5 VRG und die sich daran anschließenden Tarifverträge abzuleiten. Die zu § 118 AFG ergangene Rechtsprechung hat ihren Rechtsgrund darin, daß Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht zum Ausgleich anderer Rentensysteme dienen sollen (BAG Urteil vom 17. Mai 1988 - 3 AZR 419/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 3 b der Gründe).
Die Aufteilung der Altersversorgung in eine Haupt- und Nebenversorgung mit der Wirkung, daß der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Vorruhestandsgeld im Falle der Hauptversorgung in vollem Umfang erlischt, verstößt gegen allgemeine Grundsätze des Zivil- und Arbeitsrechts und gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Nach § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger erbracht wird. Wird nur eine Teilleistung erbracht, kann das Schuldverhältnis nur teilweise erlöschen. Dieser Grundgedanke ist auch auf die hier zu beurteilende Fallgestaltung anzuwenden. Der Gleichheitssatz gebietet eine Regelung, die Ungleiches ungleich, aber Gleiches im wesentlichen gleich behandelt (vgl. zur Bindung des Gesetzgebers BVerfGE 3, 58, 135; 42, 64, 72; 71, 255, 271).
Ob und in welchem Umfang ein Versorgungsberechtigter einen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einen Anspruch aus der befreienden Lebensversicherung - gemessen an den Versicherungszeiten - hat, hängt sehr von Zufälligkeiten ab, die nicht zum Maßstab einer Regelung genommen werden können.
Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld erlischt mit Ablauf des Kalendermonats vor dem Monat, von dem an der ausgeschiedene Arbeitnehmer Leistungen der vorgezogenen Altersversorgung bezieht oder beziehen kann. Durch § 8 Abs. 1 VRTV-Bau wird gewährleistet, daß der Arbeitgeber nur dann und nur insoweit und solange Vorruhestandsleistungen zu erbringen hat, wie der Lebensbedarf des Arbeitnehmers nicht durch Ruhestandsleistungen gedeckt wird. Werden die Leistungen der Altersversorgung erst zum Teil erbracht, erlöschen auch die Vorruhestandsleistungen nur zum Teil. Eine Teilaltersrente kann nicht mit einer Vollrente gleichgesetzt werden. Bei einer Gleichsetzung würden Arbeitnehmer benachteiligt, die längere Versicherungszeiten in dem Versorgungsteil aufweisen, der zuerst fällig wird. Die Arbeitnehmer mit kürzeren Versicherungszeiten würden dagegen ungerechtfertigt doppelt versorgt. Nur bei der Teilverrechnung der Versorgungs- und Vorruhestandsleistungen wird der von den Tarifvertragsparteien übernommene Zweck des Vorruhestandes gefördert, den Arbeits- und Stellenmarkt durch vorzeitige Pensionierung zu verbreitern, andererseits aber auch die Wirtschaft nicht unangemessen zu belasten. Nur bei einer teilweisen Verrechnung kann sich ein Gesamtausgleich der Aufwendungen ergeben.
Aus diesen Gründen kann der Senat auch nicht dem Arbeitsgericht folgen. Auch das Arbeitsgericht geht von einer Haupt- und Nebenversorgung aus. Es will nach der Versorgungshöhe unterscheiden. Diese Unterscheidung begegnet den gleichen Bedenken. Mit ihr kann man nicht begründen, warum eine Teilleistung im Rahmen der geplanten Altersversorgung die Vorruhestandsleistung insgesamt zum Erlöschen bringen soll.
d) Der Einwand der Beklagten, nach dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften über das Vorruhestandsgeld und dem Erstattungsanspruch gegen die Bundesanstalt für Arbeit sei eine Aufteilung nach Teilleistungen ausgeschlossen, ist nicht begründet. Zwar kommt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 a VRG ein Anspruch auf Erstattung von Vorruhestandsgeld nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer mindestens 65 v.H. des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne von § 3 Abs. 2 VRG zahlt. Doch verkennt die Beklagte, daß diese Bestimmung nur eine ausreichende Mindestversorgung des Arbeitnehmers sicherstellen will. Wenn im Falle von Teilleistungen der Anspruch auf Vorruhestandsgeld teilweise erfüllt wird, führt dies gleichzeitig dazu, daß der Erstattungsbetrag von dem Rest zu berechnen ist. Nichts anderes gilt auch für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 165 Abs. 2 RV0).
3. Zur Ermittlung des Umfanges, in dem Ruhegeldleistungen auf das Vorruhestandsgeld angerechnet werden, ist allein von den zurückgelegten Versicherungszeiten auszugehen. Das sind die Zeiten, für die der Arbeitnehmer Beiträge zu einer befreienden Lebensversicherung gezahlt hat.
a) Maßgebend sind die Zeiten, für die Beiträge zur befreienden Lebensversicherung gezahlt werden. Richtig ist allerdings, daß die Höhe einer Rente nicht allein von der Dauer der Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in einer befreienden Lebensversicherung abhängt. Für die Berechnung der Leistungen im Vorruhestand kann es aber nicht darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer eine zweckmäßige oder unzureichende Versicherung abgeschlossen hat.
b) Der auf die Vorruhestandsleistung anzurechnende Teil der anrechenbaren Leistungen ist zu ermitteln, indem von sämtlichen Versicherungszeiten diejenigen Versicherungszeiten abgezogen werden, die zu der vorzeitigen Versorgung durch eine befreiende Lebensversicherung führen. Der Versorgungsanspruch beruht auf der Gesamtversicherungszeit; dann muß auch diese zur Rentenberechnung herangezogen werden. Die Altersversorgung des Klägers beruht auf 556 Versicherungsmonaten. Für 200 Monate hat er Beiträge zur befreienden Lebensversicherung entrichtet, so daß die Vorruhestandsleistungen um 200/556 zu kürzen sind.
IV. Die Beklagte braucht nicht deshalb höhere Leistungen zu erbringen, weil sie in einem Vorbescheid die Voraussetzungen des Vorruhestandes bejaht hat.
1. Der Vorbescheid enthält kein Schuldanerkenntnis gegenüber dem Kläger (§ 781 BGB). Nach § 6 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Vorruhestand im Baugewerbe (TV-Vorruhestandsverfahren) vom 12. Dezember 1984 hat die Beklagte dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, ob ein Erstattungsanspruch dem Grunde nach besteht (Vorbescheid), wenn die Wartezeitvoraussetzungen bis zum Ablauf des Tages von dem beantragten Beginn des Vorruhestands erfüllt sein können. Der Vorbescheid ergeht unter dem Vorbehalt, daß die Wartezeiten des § 2 Abs. 2 VRTV-Bau bis zum Beginn des Vorruhestandes erfüllt werden. Von diesem Vorbescheid erhält der Arbeitnehmer eine Kopie (§ 6 Abs. 4 TV-Vorruhestandsverfahren). Da der Arbeitnehmer nicht einmal Adressat des Vorbescheids ist, kann ein Schuldanerkenntnis ihm gegenüber nicht angenommen werden. Überdies werden nach dem Wortlaut des Vorbescheids nur die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 VRTV-Bau geprüft, dagegen nicht die Erlöschensvoraussetzungen, so daß ein Schuldanerkenntnis in jedem Fall ausscheidet.
2. Dagegen braucht der Senat im Rahmen des gestellten Klageantrags nicht zu entscheiden, ob der Kläger Schadenersatz wegen fehlerhafter Auskunft oder unzureichender Aufklärung verlangen könnte.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Kunze Dr. Reinfeld
Fundstellen
Haufe-Index 438722 |
BAGE 60, 22-32 (LT1-3) |
BAGE, 22 |
DB 1989, 483-484 (LT1-3) |
NZA 1989, 310-311 (LT1-3) |
RdA 1989, 129 |
WM IV 1989, 507-510 (LT1-3) |
WuB, IX A § 2 VRG 1.89 (ST) |
AP § 5 VRG (LT1-3), Nr 1 |
AR-Blattei, ES 1750 Nr 6a (LT1-3) |
AR-Blattei, Vorruhestand Entsch 6a (LT1-3) |
EzA § 2 VRG Bauindustrie, Nr 2 (LT1-3) |
VersR 1989, 414-417 (LT1-3) |