Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrente bei Einkünften im öffentlichen Dienst
Leitsatz (redaktionell)
Entsprechende Anwendung des § 53 BeamtVG aufgrund einer allgemeinen Verweisung auf das Beamtenrecht; mögliche Doppelbelastung öffentlicher Haushalte
Normenkette
BetrAVG § 1 Beamtenversorgung; BeamtVG § 53; BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 04.04.1989; Aktenzeichen 6 Sa 1681/88) |
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 11.08.1988; Aktenzeichen 6 Ca 1198/88) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. April 1989 – 6 Sa 1681/88 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Betriebsrente des Klägers in entsprechender Anwendung der Ruhensregelung des § 53 BeamtVG gekürzt werden darf.
Die Beklagte ist eine Stiftung und betreibt ein an die katholische Kirche gebundenes Krankenhaus. Der am 30. März 1916 geborene Kläger war bei ihr vom 1. November 1956 bis 31. März 1981 als leitender Arzt der chirurgischen Abteilung beschäftigt. Ihm stand „im Bereich seiner beruflichen Tätigkeit” ein Liquidationsrecht zu. Das Gehalt und die betriebliche Altersversorgung sind in § 4 des Anstellungsvertrags wie folgt geregelt:
„§ 4
- Der Arzt erhält ein Gehalt nach der Landesbesoldungsordnung Nordrhein-Westfalen und zwar nach der Gruppe A 14 in der Ortsklasse S. Das Besoldungsalter wird festgesetzt auf den 1.12.1941.
- Nach Erreichung des 65. Lebensjahres, bei vorzeitigem Tod oder vorzeitiger unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit gewährt das Krankenhaus dem Arzt Ruhegehalts-, Witwen- und Waisenversorgung. Die ruhegehaltsberechtigte Dienstzeit beginnt mit dem Abschluß dieses Vertrages. Zur Abgeltung der genannten Versorgungsansprüche ist die Stelle bei der Versorgungskasse des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe versichert. Der Anspruch auf Ruhegehaltsversorgung erlischt, wenn dieses Vertragsverhältnis durch Kündigung endet. Die Beiträge werden von dem Krankenhause getragen.
- Für seine Tätigkeit im Dienste des Krankenhauses versichert dieses den Arzt gegen Unfall und Haftpflicht und trägt die Kosten der Versicherung.”
Am 31. März 1981 trat der Kläger in Ruhestand. Seither erhält er von der Westfälisch-Lippischen Versorgungskasse (WVK) Ruhegehalt. Seit dem 1. Juni 1981 ist er im vertrauensärztlichen Dienst der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen als Arbeitnehmer tätig. Dem Verwaltungsleiter der Beklagten war dies bekannt. Nach der Arbeitsaufnahme übersandte die WVK dem Kläger eine „Jahreserklärung sowie Erklärung über den Bezug von Kindergeld und Ortszuschlag”, die mehrere Fragen enthielt. Die erste lautete:
„1) Haben Sie oder ggf. vorhandene Waisen außer den von der Westf.-Lipp.-Vers.Kasse gezahlten Versorgungsbezügen in den letzten zwei Jahren noch andere Versorgungsbezüge oder Einkünfte aus einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst erhalten?
Wenn ja, von welcher Stelle bzw. Kasse und ab wann?”
Der Kläger beantwortete die Frage mit „nein”. Dem Schreiben der WVK lag ein Merkblatt „für Empfänger von Versorgungsbezügen” bei, das unter anderem den Hinweis enthielt:
„Falls in Ihren persönlichen und sonstigen Verhältnissen, die für die Feststellung und Zahlung der Bezüge maßgebend sind, Änderungen eintreten, sind Sie verpflichtet, diese der Westfälisch-Lippischen Versorgungskasse unverzüglich mitzuteilen.
Sofortige Mitteilungen können nicht durch Angaben in der Jahresbescheinigung ersetzt werden.
Insbesondere sind anzuzeigen:
…
f) Aufnahme einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst, Veränderungen des Einkommens aus einer solchen Beschäftigung, Begründung eines Dienstverhältnisses als Berufssoldat, Soldat auf Zeit oder berufsmäßiger Angehöriger des Bundesgrenzschutzes, der Polizei u.s.w. Verwendung im öffentlichen Dienst ist jede Beschäftigung im Dienste des Bundes, der Länder oder Gemeinden oder anderer Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts oder Verbänden von solchen. Ihr steht gleich die Verwendung im öffentlichen Dienst bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung oder die Beschäftigung bei überwiegend durch öffentliche Zuschüsse unterhaltene Ersatzschulen.
…
Sie werden auf § 62 Abs. 2 und 3 BeamtVG hingewiesen, wonach Ihnen die Versorgung ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer entzogen werden kann, wenn Sie der Anzeigepflicht schuldhaft nicht nachkommen.”
Der Kläger kann sich nicht mehr daran erinnern, dieses Merkblatt erhalten zu haben.
In einem Fragebogen, den die WVK dem Kläger im Jahre 1986 zusandte, gab der Kläger seine Tätigkeit bei der LVA Westfalen an. Er verweigerte aber Auskünfte zu seinem Einkommen aus dieser Tätigkeit. Nachdem die LVA Westfalen der WVK den Verdienst des Klägers mitgeteilt hatte, berechnete die WVK das Ruhegehalt neu und wandte dabei § 53 BeamtVG an. Sie gelangte zu einer Gesamtüberzahlung von 133.085,81 DM brutto. Die ab 1. April 1988 zu zahlenden Versorgungsbezüge berechnete sie wie folgt:
Höchstgrenze der Versorgungsbezüge |
|
nach § 53 BeamtVG |
7.120,32 DM |
Vergütung aus der Tätigkeit bei der LVA Westfalen „Verwendungseinkommen”) |
4.560,00 DM |
Unterschiedsbetrag |
2.560,32 DM |
Diesen Betrag zahlte die WVK dem Kläger ab April 1988 aus. Sein Ruhegehalt von 4.425,13 DM wurde entsprechend um 1.864,81 DM gekürzt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß § 53 BeamtVG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar sei. Selbst wenn der Anstellungsvertrag umfassend auf das Beamtenrecht verweise, könne § 53 BeamtVG nicht herangezogen werden. Seine Anwendung auf Nichtbeamte sei sinnwidrig. § 53 BeamtVG wolle eine Doppelbelastung der öffentlichen Hand vermeiden. Dazu könne es aber im vorliegenden Fall ohnehin nicht kommen. Im übrigen habe der Kläger während seiner Beschäftigungszeit bei der Beklagten aufgrund seines Liquidationsrechts unbeschränkt dazu verdienen dürfen. Dies habe sich mit Erreichen des Pensionsalters nicht ändern sollen, zumal der Kläger lediglich Versorgungsbezüge in Höhe von 75 % seines Festgehalts erhalte und sein Liquidationsrecht bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung unberücksichtigt bleibe. Die Beklagte habe den Kläger zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, daß sein Ruhgehaltsanspruch Anrechnungsvorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes unterliege. Dadurch habe die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Eine etwaige Kürzungsmöglichkeit nach § 53 BeamtVG sei jedenfalls verwirkt. Wenn ihm die Anwendbarkeit des § 53 BeamtVG mitgeteilt worden wäre, hätte er ein Angebot der Fa. S angenommen und bei ihr als Betriebsarzt gegen ein monatliches Gehalt von 5.000,00 DM gearbeitet. Dieses Arbeitseinkommen wäre von der Regelung des § 53 BeamtVG nicht erfaßt worden.
Im Revisionsverfahren beruft sich der Kläger außerdem noch darauf, daß er nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mit der LVA Westfalen eine neue Vereinbarung über eine Aushilfstätigkeit für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1989 getroffen habe. Seine Arbeitszeit sei verringert worden und sein Arbeitseinkommen gesunken. Seit 1. Juli 1989 werde die Höchstgrenze des § 53 BeamtVG nicht mehr überschritten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
- über die vom Arbeitsgericht zugesprochenen 1.864,81 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag hieraus seit dem 01.04.1988 hinaus für die Monate Mai 1988 bis April 1989 und an restlicher jährlicher Sonderzuwendung für das Jahr 1988 weitere 24.242,53 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag von je 1.864,81 DM brutto seit dem 01.05.1988, dem 01.06.1988, dem 01.07.1988, dem 01.08.1988, dem 01.09.1988, dem 01.10.1988, dem 01.11.1988, dem 01.01.1989, dem 01.02.1989, dem 01.03.1989 und dem 01.04.1989 sowie aus dem Nettobetrag von 3.729,62 DM seit dem 01.12.1988 zu zahlen,
- ab 01.05.1988 jeweils am 01. eines jeden Kalendermonats über die freiwillig gezahlten monatlichen Ruhegehälter (in Höhe des jeweiligen Grundgehaltes eines Beamten der Besoldungsgruppe A 14, Stufe 14 mit dem Ortszuschlag Tarifklasse I b, Stufe 2 nebst Anpassungszuschlag, aber abzüglich eines Kürzungsbetrages von 1.864,81 DM brutto) hinaus weitere 1.864,81 DM brutto monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß sich die Betriebsrente des Klägers nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes richte. § 53 BeamtVG sei entsprechend anzuwenden. Der Kläger habe auch gewußt, daß er Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften erhalte. Wegen dieser Ausgestaltung seiner Altersversorgung habe er im Jahre 1968 Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt und erhalten. Außerdem habe er am 9. August 1981 trotz des mitübersandten Merkblattes die Frage nach Einkünften aus einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst falsch beantwortet. Bei ordnungsgemäßen Angaben wäre er frühzeitig über die Kürzung unterrichtet worden. Schon deshalb sei das Recht zur Kürzung nicht verwirkt. Ebensowenig habe die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt. Der Verwaltungsleiter habe nicht vor oder bei Dienstantritt, sondern erst nach einer gewissen Zeit von der Nebentätigkeit des Klägers Kenntnis erlangt. Im übrigen habe der Verwaltungsleiter keine Veranlassung gehabt, von sich aus den Kläger auf etwaige Nachteile durch die Nebentätigkeit hinzuweisen. Nicht die Beklagte, sondern die WVK habe das Ruhegehalt berechnet und die Korrespondenz geführt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, die in der ersten Instanz auf Zahlung des Differenzbetrages für April 1988 in Höhe von 1.864,81 DM brutto gerichtet war. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die im Berufungsverfahren erweiterte Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine höhere Betriebsrente zu. Die Beklagte durfte die Ruhensregelung des § 53 BeamtVG anwenden.
I. Da der Kläger nicht Beamter war, gelten die Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes zwar nicht unmittelbar. Die Parteien haben jedoch die Anwendung des Beamtenversorgungsgesetzes im Anstellungsvertrag vereinbart. Das Landesarbeitsgericht hat den Anstellungsvertrag richtig ausgelegt.
1. Bereits der Wortlaut des Anstellungsvertrages spricht für diese Auslegung. Der in § 4 Nr. 2 des Anstellungsvertrages verwandte Ausdruck „Ruhegehalt” ist ein rechtstechnischer Begriff des Beamtenrechts und deutet auf eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen hin (vgl. BAG Urteil vom 16. Oktober 1975 – 3 AZR 373/74 – AP Nr. 4 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Beamtenversorgung). Entscheidend ist aber nicht diese Wortwahl, sondern der enge Zusammenhang zwischen der betrieblichen Altersversorgung und der Versicherung bei der WVK.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß § 4 des Anstellungsvertrages die betriebliche Alterversorgung nur dem Grunde nach eigenständig regelt. Zur Höhe der Versorgungsbezüge enthält der Anstellungsvertrag keine Bestimmungen. Dennoch ist er nicht lückenhaft. Nach § 4 Nr. 2 Satz 3 des Anstellungsvertrages ist „die Stelle” des Klägers „zur Abgeltung” seiner Versorgungsansprüche bei der WVK versichert. Es kann dahinstehen, ob bereits der Hinweis auf eine stellenbezogene Versicherung hinreichend deutlich auf beamtenrechtliche Vorschriften Bezug nimmt. Die
Formulierung „zur Abgeltung der genannten Versorgungsansprüche” bringt jedenfalls klar zum Ausdruck, daß der Versorgungsanspruch des Klägers inhaltlich auf die Versicherung bei der WVK abgestimmt ist, und die Höhe der Altersversorgung des Klägers den Versicherungsleistungen der WVK entspricht. Mit dem Wort „Abgeltung” hat die Beklagte unmißverständlich zu erkennen gegeben, daß sie keine Verpflichtung eingehen wollte, die durch die Versicherung bei der WVK nicht gedeckt ist.
2. Da nach dem Anstellungsvertrag die Versorgungsleistungen der Beklagten und die Leistungen der WVK übereinstimmen, ist für die Höhe des Versorgungsanspruchs des Klägers die Satzung der WVK entscheidend. Nach § 16 Abs. 1 der Satzung trägt die WVK die von den Mitgliedern zu gewährenden Versorgungsleistungen nur „nach den für Kommunalbeamte im Lande Nordrhein-Westfalen geltenden beamtenrechtlichen Bestimmungen und nach Maßgabe dieser Satzung”. Damit verweist die Satzung auf das Beamtenversorgungsgesetz. Die Satzung sieht für den vorliegenden Fall keine über das Beamtenrecht hinausgehende Leistungserweiterung vor.
II. Nach § 53 Abs. 1 und 2 BeamtVG erhält ein Versorgungsberechtigter Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen einer Höchstgrenze.
1. Diese Bestimmung ist auch auf Arbeitsverhältnisse der vorliegenden Art anzuwenden. Die Festlegung von Höchstgrenzen gehört zu den Regelungen, die auf Arbeitsverhältnisse entsprechend angewendet werden können.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann es nicht dahinstehen, ob eine entsprechende Anwendung des § 53 BeamtVG seinem Sinn und Zweck entspricht. Auch bei einer umfassenden Verweisung auf das Beamtenrecht dürfen solche Bestimmungen nicht herangezogen werden, deren Anwendung auf Nichtbeamte sinnwidrig wäre (vgl. BAG Urteil vom 14. Juli 1970 – 3 AZR 410/69 – AP Nr. 1 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Beamtenversorgung, zu 2 der Gründe; BGH Urteil vom 20. Oktober 1977 – II ZR 25/77 – AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Beamtenversorgung, zu 1 a der Gründe). Diese Einschränkung gewinnt allerdings im vorliegenden Falle keine Bedeutung.
§ 53 BeamtVG soll eine Doppelbelastung öffentlicher Haushalte vermeiden. Diese kann auch dann eintreten, wenn die Altersversorgung durch Leistungen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft finanziert wird und diese öffentlich-rechtliche Körperschaft ihre Mittel aus Umlagen gewinnt, die von öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern aufzubringen sind. Die WVK ist nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ihrer Satzung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Pflichtmitglieder sind die kreisangehörigen Gemeinden ihres Geschäftsbereichs mit Ausnahme der Städte (§ 3 Abs. 1 der Satzung). Als freiwillige Mitglieder können andere Gemeinden und Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts zugelassen werden, soweit sie ihren Sitz im Geschäftsbereich der Versorgungskasse haben (§ 3 Abs. 2 der Satzung). Das Verhältnis zwischen der Versorgungskasse und ihren Mitgliedern ist öffentlich-rechtlich bestimmt (§ 3 Abs. 3 der Satzung). Nach § 28 der Satzung werden die durch die Versorgungsaufwendungen erforderlichen Mittel durch Umlagen der Mitglieder aufgebracht. Mit höheren Versorgungsleistungen wird also nicht nur der einzelne Arbeitgeber, sondern die gesamte Umlagengemeinschaft belastet.
2. Der Kläger ist für die LVA Westfalen tätig geworden. Sie ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Durch die Beschäftigung bei ihr bezieht der Kläger Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst.
a) Für die Anwendung des § 53 BeamtVG ist es unerheblich, daß die Versorgungsleistungen und das Arbeitseinkommen von verschiedenen Rechtsträgern aufgebracht werden. § 53 BeamtVG betrachtet die öffentlichen Haushalte grundsätzlich als Einheit. Es muß nicht in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Doppelbelastung tatsächlich eingetreten ist oder eintritt. Eine derartige Handhabung wäre mit dem generalisierenden Wesen der Gesetzgebung unvereinbar, das es weder fordert noch auch nur zuläßt, in jeder unter die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale fallenden Sache die Frage aufzuwerfen, ob und inwieweit der Gesetzgeber gerade auch an einen solchen Fall bei der Formulierung des Tatbestandes gedacht habe (BVerwG in ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 10. März 1965 – VI C 3.63 – Buchholz 232 § 160 BBG Nr. 6). Eine Einschränkung hält das Bundesverwaltungsgericht nur dann für geboten, wenn die Anwendung der Ruhensregelung sich sinnwidrig auswirken müßte und daher zu unerträglichen Ergebnissen führen würde. Für die Anwendbarkeit der Ruhensregelung reicht die bloße Möglichkeit des Austausches von öffentlichen Mitteln aus. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß ein solcher Austausch tatsächlich stattgefunden hat oder mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit stattfinden wird (vgl. BVerwG Urteil vom 10. März 1965 – VI C 3.63 – Buchholz 232 § 160 BBG Nr. 6; Beschluß vom 26. Juni 1973 – VI B 34.73 – Buchholz 232 § 158 BBG Nr. 26; Urteil vom 29. Mai 1980 – 6 C 43.78 – Buchholz 232.5 § 53 BeamtVG Nr. 2; Urteil vom 23. Oktober 1985 – 6 C 86.83 – BVerwGE 72, 174, 180 f.). Auch der Bundesgerichtshof legt § 53 BeamtVG weit aus (vgl. Urteil vom 20. Oktober 1977 – II ZR 25/77 – AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Beamtenversorgung zum inhaltsgleichen § 168 LBG NW).
b) Abgesehen davon, daß die LVA Westfalen Mitglied der WVK werden kann, bringt sie ihre Mittel nicht nur durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber, sondern auch durch Bundeszuschüsse auf. Damit ist sie ebenso wie die umlagepflichtigen Mitglieder der WVK am Verbundsystem der Finanzwirtschaft von Bund, Ländern, Gemeinden und sonstiger Körperschaften und Anstalten beteiligt.
c) Die Art der im öffentlichen Dienst ausgeübten Tätigkeit ist unerheblich. Nach § 53 Abs. 5 Satz 1 BeamtVG ist Verwendung im öffentlichen Dienst jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Reichsgebiet oder ihrer Verbände. Selbst die Fortsetzung einer Tätigkeit, die während der aktiven Dienstzeit als Nebentätigkeit wahrgenommen wurde, führt zur Anwendung des § 53 BeamtVG (Fürst/Finger/Mühl/Niedermaier, GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: 1990, § 53 BeamtVG Rz 15; Plog/Wiedow/Beck, BeamtVG, Stand: Juli 1990, § 53 Rz 9).
Soweit sich der Kläger den durch die Liquidationseinnahmen erzielten Lebensstandard im Alter und bei Invalidität sichern wollte, blieb es ihm überlassen, selbst für diesen Bedarf Vorsorge zu treffen (vgl. BAG Urteil vom 8. März 1988 – 3 AZR 342/86 -AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Beamtenversorgung), oder eine Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes aufzunehmen.
d) Die Berechnung des Kürzungsbetrages nach der Ruhensregelung ist vom Kläger weder in den Vorinstanzen noch im Revisionsverfahren angegriffen worden.
III. Das Recht zur Kürzung des Ruhegehalts ist nicht verwirkt. Die Kürzung widerspricht auch nicht der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es unerheblich, daß die Beklagte ihn nicht auf die Anrechnungsvorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes hingewiesen hat. Im Anstellungsvertrag war die Höhe und die Berechnung der Versorgung nicht ausdrücklich und im einzelnen geregelt. Dies konnte selbst ein rechtsunkundiger Arbeitnehmer ohne weiteres erkennen. Auch der Zusammenhang mit den Leistungsbedingungen der WVK war dem Anstellungsvertrag leicht zu entnehmen. Wenn der Kläger diesen Zusammenhang nicht erkannte, war für ihn die Ausgestaltung seiner Versorgung völlig offen. Es hätte an ihm gelegen, Unklarheiten durch entsprechende Rückfragen zu beseitigen.
IV. Der Kläger kann den Differenzbetrag nicht als Schadenersatz wegen Verletzung einer Hinweispflicht verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, wann der Verwaltungsleiter der Beklagten, für dessen Verschulden die Beklagte nach § 278 BGB einzustehen hätte, von der Aufnahme der Tätigkeit bei der LVA Westfalen erfuhr. Nicht die Beklagte, sondern die WVK wickelte die Versorgung ab.
Dies war dem Kläger bekannt. Der Verwaltungsleiter durfte davon ausgehen, daß der Kläger sich bei etwaigen Unklarheiten an die WVK wenden werde. Vor allem durfte der Verwaltungsleiter erwarten, daß der Kläger ebenso wie alle anderen Arbeitnehmer die Merkblätter der WVK erhält, sie liest und die Fragen der WVK wahrheitsgemäß beantwortet. Wenn der Kläger sich über den Inhalt seiner Versorgung im Unklaren war und deshalb nicht wußte, ob und ggf. wie sich die Aufnahme einer Tätigkeit auf seine Versorgung auswirkte, hätte er bei der WVK oder bei der Beklagten nachfragen können. Jeder Vertragspartner hat grundsätzlich für die Wahrnehmung seiner Interessen selbst zu sorgen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob die Arbeitnehmer ausreichend für ihre Belange sorgen, vor allem nicht, wenn sie über die Intelligenz und Geschäftsgewandtheit eines leitenden Arztes verfügen.
V. Die Behauptung des Klägers im Revisionsverfahren, nach Schluß der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz habe sich der Umfang seiner Tätigkeit bei der LVA Westfalen so verringert, daß die Ruhensregelung des § 53 BeamtVG nicht mehr eingreife, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage sind die tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter. Auf später eingetretene Tatsachen bezieht sich die Rechtskraft eines Urteils nicht (vgl. BAGE 41, 316, 324 = AP Nr. 14 zu § 322 ZPO, zu B II 3 der Gründe; BGH Urteil vom 28. Juni 1985 – V ZR 43/84 – NJW 1985, 2825, 2826). Insoweit tritt keine Präklusionswirkung ein.
Unterschriften
Dr. Heither, Dr. Wittek, Kremhelmer, Dr. Krems, Oberhofer
Fundstellen