Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Datenweitergabe
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Personalrat hat nicht mitzubestimmen, wenn die Dienststelle auf Ersuchen des Bundesrechnungshofs Schaublätter aus Fahrtenschreibern in von Bediensteten der Dienststelle gefahrenen Kraftfahrzeugen dem Bundesrechnungshof übersendet.
2. Durch die in § 95 Abs 1 BH0 normierte Verpflichtung der Dienststelle, dem Bundesrechnungshof solche Schaublätter vorzulegen, wird der Arbeitnehmer, dessen Fahrtzeiten in den Schaublättern aufgezeichnet sind, nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BPersVG § 69; BHO § 95 Abs. 1; BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 17
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 27.05.1986; Aktenzeichen 7 Sa 385/85) |
ArbG München (Entscheidung vom 26.03.1985; Aktenzeichen 7 Ca 13184/84) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei der beklagten Deutschen Bundespost (im folgenden nur Bundespost) als Arbeiter beschäftigt, zuletzt als Kraftfahrer beim Fernmeldezeugamt M. Die vom Kläger - und seinen Arbeitskollegen - gefahrenen Kraftfahrzeuge sind mit einem Kontrollgerät nach § 15 a Abs. 8 StVZO (Fahrtenschreiber) ausgerüstet. Die vom Fahrtenschreiber erstellten Schaublätter sollen nach einer Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 2. September 1977 nicht zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Kraftfahrer verwendet werden. Sie sind von der Oberpostdirektion bislang für einen solchen Zweck auch nicht verwendet worden. Eine Dienstvereinbarung über die Auswertung der Schaublätter besteht für das Fernmeldezeugamt M nicht.
Im November 1982 erteilte der Bundesrechnungshof der Vorprüfungsstelle bei der Oberpostdirektion M den Auftrag, die Entschädigungen im Kraftfahrtdienst zu prüfen. In Form von Stichproben sollten bei den Ämtern der Oberpostdirektion für einen Monat die sachlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Kraftfahreraufwandsentschädigung und deren kassenmäßige Behandlung geprüft werden. Diese Prüfung erstreckte sich auch auf das Fernmeldezeugamt M. Dieses übersandte der Vorprüfungsstelle die verlangten Unterlagen, u.a. die Dienstpläne, Dienstverrichtungspläne, Dienstverteilungspläne und sogenannte Ladelisten. Bei der Überprüfung wurde festgestellt, daß in vielen Fällen die in den Nachweislisten vermerkten Abwesenheitszeiten, nach denen sich die Kraftfahreraufwandsvergütung errechnet, die Sollwerte in den Dienstverrichtungsplänen überschritten. Zur weiteren Überprüfung forderte daher die Vorprüfungsstelle die Übersendung der Aufzeichnungen der Fahrtenschreiber in Form von 84 bestimmten Schaublättern. Darunter befanden sich auch Schaublätter aus den vom Kläger gefahrenen Kraftfahrzeugen.
Der Personalrat beim Fernmeldezeugamt M vertrat die Auffassung, die Übersendung der Schaublätter an die Vorprüfungsstelle unterliege seiner Mitbestimmung. Er legte im September 1983 die Angelegenheit der Oberpostdirektion zur Entscheidung vor. Eine Einigung mit dem Bezirkspersonalrat kam nicht zustande. Dieser verlangte vielmehr unter Androhung eines Beschlußverfahrens, die Übersendung der Schaublätter zu unterlassen.
Mit Schreiben vom 30. August 1984 forderte der Bundesrechnungshof die Oberpostdirektion auf, die näher bezeichneten Schaublätter bis zum 30. September 1984 vorzulegen. Die Schaublätter wurden dann am 14. September 1984 von einem Beauftragten des Bundesrechnungshofs aus dem Dienstgebäude des Fernmeldezeugamts M abgeholt.
Der Kläger ist der Auffassung, die Bundespost habe die Schaublätter nicht herausgeben dürfen. Die Verwendung der Schaublätter zu anderen als in der Straßenverkehrszulassungsordnung geregelten Zwecken unterliege der Mitbestimmung des Personalrats. Mit der Weitergabe der Schaublätter, die Aufzeichnungen über seine, des Klägers, Lenk-, Warte- und Ruhezeiten enthielten, habe die Bundespost auch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Der Kläger hat daher im vorliegenden Verfahren beantragt
festzustellen, daß die Bundespost nicht berechtigt
war, Fahrtenschreiberblätter des Klägers
ohne Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens
gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG zum Zwecke
der Überprüfung und Auswertung weiterzugeben;
die Bundespost zu verurteilen, es in Zukunft zu
unterlassen, Fahrtenschreiberblätter des Klägers
ohne Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens
gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG
zum Zwecke der Überprüfung und Auswertung an
den Bundesrechnungshof weiterzugeben und der
Bundespost anzudrohen, daß für jeden Fall der
Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe
von 500.000,-- DM oder eine Ordnungshaft bis
zu 6 Monaten, zu vollziehen am Präsidenten der
Oberpostdirektion, gegen sie festgesetzt wird.
Die Bundespost hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, daß sie zur Herausgabe der vom Bundesrechnungshof geforderten Unterlagen verpflichtet sei. Die Herausgabe der Schaublätter sei auch nicht mitbestimmungspflichtig. Sie selbst verwende die Schaublätter nicht zur Überwachung des Klägers.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Bundespost um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Bundespost ihn betreffende Schaublätter dem Bundesrechnungshof nicht vorlegt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob für den Klageanspruch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist. Im Hinblick darauf, daß die Bundespost die Schaublätter in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 95 BH0, dem Bundesrechnungshof die für erforderlich gehaltenen Unterlagen vorzulegen, gehandelt hat, erscheint es möglich, daß der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VerwGO). Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen im Verhältnis zu den Verwaltungsgerichten ist auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen. Diese Prüfung wird durch § 73 Abs. 2 ArbGG nicht ausgeschlossen (BAGE 28, 83 = AP Nr. 34 zu § 138 BGB).
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist jedoch gegeben. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Streitgegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Bundespost dem Kläger gegenüber verpflichtet ist, die Weitergabe der Schaublätter an den Bundesrechnungshof zu unterlassen. Diese Verpflichtung kann sich nur aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis ergeben. In diesem stehen sich die Parteien als gleichberechtigte Partner gegenüber. Streitigkeiten zwischen ihnen sind daher bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten. Daß die Bundespost die Schaublätter dem Bundesrechnungshof vorgelegt hat, weil sie sich dazu aufgrund einer Vorschrift des öffentlichen Rechts für verpflichtet hielt, ändert daran nichts. Sie hat deswegen nicht in Ausübung hoheitlicher Gewalt gegenüber dem Kläger gehandelt, sondern nur eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung erfüllt. Ob diese Verpflichtung bestand, ist gegebenenfalls als Vorfrage zu prüfen. Sie kann bejahendenfalls Verpflichtungen der Bundespost aus dem Arbeitsverhältnis dem Kläger gegenüber näher gestalten oder begrenzen. An der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Kläger seine Ansprüche ableitet, ändert sich dadurch nichts. Die Natur des Rechtsverhältnisses ist aber maßgeblich für die Frage, ob eine bürgerlich-rechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt (GmS 0GB Beschluß vom 4. Juni 1974 - GmS-0GB 2/73 - AP Nr. 3 zu § 405 RV0).
II. Der Feststellungsantrag des Klägers ist unzulässig.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Kläger damit die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses begehrt, aus dem sich keine gegenwärtigen Rechte und Pflichten der Parteien mehr ergeben können. Ein auf die Feststellung eines solchen Rechtsverhältnisses gerichteter Klageantrag ist unzulässig (Urteil des Senats vom 12. September 1984, BAGE 46, 322 = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Wenn die Revision geltend macht, die Überprüfung durch den Bundesrechnungshof sei noch nicht abgeschlossen, so übersieht sie, daß das Ergebnis der Überprüfung, mag es auch auf den herausgegebenen Schaublättern beruhen, nicht das Rechtsverhältnis der Parteien betrifft. Die Überprüfung durch den Bundesrechnungshof betrifft allein die Frage, ob die Bundespost haushaltsrechtlich korrekt gehandelt hat.
Die mit dem Hauptantrag zur Entscheidung gestellte Frage, ob die Bundespost künftig Schaublätter des Klägers dem Bundesrechnungshof vorlegen darf, ist auch nicht davon abhängig, ob die Bundespost dazu in der Vergangenheit berechtigt war. Der Feststellungsantrag ist daher auch nicht als sogenannte Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZP0 zulässig.
III. Der Unterlassungsantrag ist unbegründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Bundespost künftig ihn betreffende Schaublätter dem Bundesrechnungshof auf dessen Verlangen hin nicht vorlegt.
1. Durch die Herausgabe der Schaublätter verletzt die Bundespost nicht in rechtswidriger Weise das Persönlichkeitsrecht des Klägers.
a) Der Antrag des Klägers schließt eine Überprüfung des Klagebegehrens unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt nicht aus. Zwar soll nach dem Wortlaut des Antrages die Bundespost die Herausgabe der Schaublätter (nur) ohne Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens unterlassen, der Kläger hat aber von Anfang an deutlich gemacht, daß er in der Herausgabe der Schaublätter einen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht sieht. Mit der Begründung, eine Herausgabe der Schaublätter ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats, das gerade auch dem Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmer diene, sei schon deswegen unzulässig, wollte der Kläger nicht geltend machen, eine Herausgabe der Schaublätter sei nur unzulässig, wenn der Personalrat nicht mitbestimmt habe.
Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Klägers auch so verstanden und diesen entsprechend beschieden. Die Ansicht des Klägers ist jedoch unzutreffend.
b) § 95 Abs. 1 BH0 verpflichtet die Bundespost, Unterlagen, die der Bundesrechnungshof zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, diesem auf Verlangen vorzulegen.
§ 95 Abs. 1 BH0 ist nicht deswegen nichtig, weil durch die hier bestimmte Pflicht der Bundespost zur Vorlage von Unterlagen an den Bundesrechnungshof das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt wird. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift die Bundespost oder eine andere Bundesverwaltung zur Vorlage aller nur denkbaren Unterlagen wirksam verpflichten kann, insbesondere auch solcher Unterlagen, die Angaben über Arbeitnehmer oder sonstige Personen enthalten, deren Bekanntwerden das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers oder der sonstigen Person verletzt. Insoweit mag es an einer ausreichenden Bestimmtheit der Vorschrift fehlen. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 95 Abs. 1 BH0 führt auf jeden Fall dazu, daß diese Vorschrift in rechtswirksamer Weise die Verpflichtung der Bundespost begründet, im Rahmen einer haushaltsrechtlichen Überprüfung auch ihre Arbeitnehmer betreffende Schaublätter vorzulegen.
c) Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisten den Schutz eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 65, 1) umfaßt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auch ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses gewährleistet das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Persönliche Daten im Sinne dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind auch die in den Schaublättern festgehaltenen Daten über Lenk- und sonstige Zeiten des Klägers während einer Fahrt mit einem bestimmten Lastkraftwagen. Das Recht, über die Preisgabe und Verwendung dieser Daten selbst zu bestimmen, wird beeinträchtigt, wenn diese Daten durch die Bundespost dem Bundesrechnungshof übermittelt werden.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besteht jedoch nicht schrankenlos. Der Mensch als gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger muß im Interesse dieser Gemeinschaft gebotene Beschränkungen hinnehmen. Wo die Grenze zwischen einem unantastbaren Bereich privater Lebens- und Informationsgestaltung und dem Recht der Gemeinschaft, des Staates, auf Information verläuft, bestimmt sich im Einzelfall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser zieht einem staatlichen Eingriff Grenzen und bestimmt damit zugleich auch die Reichweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen (BVerfGE 34, 238, 246 = AP Nr. 20 zu Art. 2 GG, zu B II 1 der Gründe). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert im Einzelfall die Abwägung der in Betracht kommenden Interessen. Wiegen die Interessen der Gemeinschaft, deren Wahrung die staatliche Maßnahme dienen soll, schwerer als die einer Preisgabe von Informationen entgegenstehender Interessen des Einzelnen, so ist der Eingriff zulässig. Solche Maßnahmen muß der Einzelne als Bürger eben dieser Gemeinschaft hinnehmen (BVerfGE 27, 344, 352 = AP Nr. 17 zu Art. 2 GG, zu B 1 b der Gründe).
d) Diese Interessenabwägung führt im vorliegenden Falle dazu, daß der Kläger es hinnehmen muß, wenn der Staat die Bundespost durch § 95 Abs. 1 BH0 verpflichtet, die Schaublätter dem Bundesrechnungshof vorzulegen.
Der Bundesrechnungshof hat die Aufgabe, die Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit der öffentlichen Verwaltung zu prüfen. Das gilt auch gegenüber der Bundespost (§ 18 PostVerwG). An der Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung, die durch die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs gesichert, zumindest aber gefördert wird, hat die Allgemeinheit ein beachtliches Interesse. Die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit von Leistungen der Verwaltung an Dritte schließt tatsächliche Feststellungen darüber ein, ob die für die jeweilige Leistung geforderten Voraussetzungen erfüllt waren. Dazu bedarf es der Kenntnis derjenigen Tatsachen, die diese Leistungsvoraussetzungen bilden. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit gewährter Kraftfahreraufwandsvergütungen durch die Bundespost setzt daher die Kenntnis derjenigen Arbeitszeiten der Kraftfahrer voraus, die einen Anspruch auf eine Aufwandsvergütung rechtfertigen. Eine Kenntnis über diese Zeiten vermitteln die in den Schaublättern festgehaltenen Aufzeichnungen über Fahr- und Standzeiten der geführten Kraftfahrzeuge. Von daher hat die Allgemeinheit ein erhebliches Interesse daran, daß dem Bundesrechnungshof auch die Schaublätter vorgelegt werden.
Das Interesse des Klägers, die in den Schaublättern enthaltenen Angaben über Lenk- und sonstige Zeiten nicht dem Bundesrechnungshof bekannt werden zu lassen, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Diese Daten betreffen nicht den Bereich einer privaten und der Kenntnis Dritter grundsätzlich verschlossenen Lebensführung. Sie haben Bezug zum Verhalten des Klägers in einem Rechtsverhältnis, das dieser durch den Abschluß des Arbeitsvertrages freiwillig eingegangen ist und aufgrund dessen dem Kläger für die auch durch die Schaublätter ausgewiesenen Zeiten eine Leistung gewährt worden ist. Daran, daß diese Zeiten dem Bundesrechnungshof nicht bekannt werden, kann der Kläger nur dann ein Interesse haben, wenn er solche Leistungen zu Unrecht bezogen haben sollte. Ein solches Interesse wäre jedoch nicht schützenswert.
Durch die Verpflichtung der Bundespost, die Schaublätter dem Bundesrechnungshof herauszugeben, wird daher der Kläger in seinen Rechten nicht verletzt. § 95 Abs. 1 BH0 ist jedenfalls insoweit wirksam. Die Bundespost handelt dem Kläger gegenüber nicht rechtswidrig, wenn sie dieser Verpflichtung nachkommt.
2. Der Kläger kann auch nicht verlangen, daß die Bundespost die Schaublätter dem Rechnungshof (wenigstens) solange nicht vorlegt, bis das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen ist und die Vorlage der Schaublätter personalvertretungsrechtlich zulässig gemacht hat.
a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Revision, daß die Bundespost Erkenntnisse aus den Schaublättern über die Arbeitsleistung des Klägers nicht verwerten darf, wenn gerade diese Verwertung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aber nicht beachtet wird.
Fahrtenschreiber sind eine technische Einrichtung im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG bzw. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, die zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer bestimmt ist (Beschluß des Senats vom 10. Juli 1979 - 1 ABR 50/78 - AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Fahrtenschreiber erheben kraft ihrer Bauart und Funktion Daten über Fahr- und Standzeiten des Fahrzeuges und damit über Lenk- und sonstige Zeiten des jeweiligen Fahrers. Das sind Daten, die eine Aussage über das Arbeitsverhalten des Fahrers zum Inhalt haben.
Die Installation von Fahrtenschreibern unterliegt allerdings nicht der Mitbestimmung des Personal- bzw. Betriebsrats, soweit diese - wie hier - gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß die weitere Verwendung der durch den Fahrtenschreiber erhobenen und auf den Schaublättern aufgezeichneten Daten durch den Arbeitgeber - soweit diese nicht ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben ist - der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, wenn diese weitere Verwendung zur Überwachung der Arbeitnehmer bestimmt ist. Der Senat hat entschieden, daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die selbst Verhaltens- oder Leistungsdaten erheben, auch die weitere Verwendung der so erhobenen Daten zur Überwachung der Arbeitnehmer umfaßt (Beschluß vom 6. Dezember 1983, BAGE 44, 285 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Für das Mitbestimmungsrecht des Personalrats aufgrund der gleichlautenden Vorschrift des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG kann nichts anderes gelten.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dient das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und damit auch des Personalrats dem Schutz der Arbeitnehmer vor einer Gefährdung ihres Persönlichkeitsrechts durch technische Überwachungseinrichtungen (vgl. Beschluß des Senats vom 14. September 1984, BAGE 46, 367 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung).
Eine technische Überwachung des Arbeitnehmers ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebs- oder Personalrats ist geeignet, das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zu gefährden. Der von einer solchen technischen Überwachung betroffene Arbeitnehmer kann daher verlangen, daß eine solche drohende Gefährdung unterbleibt. Er kann vom Arbeitgeber verlangen, daß dieser Verhaltens- oder Leistungsdaten, die er aus der Anwendung einer technischen Kontrolleinrichtung erhalten hat, nicht zu Überwachungszwecken verwendet, wenn der Betriebs- oder Personalrat dieser Verwendung nicht zugestimmt hat. Das Fehlen der Mitbestimmung des Betriebs- oder Personalrats macht eine solche Maßnahme dem Arbeitnehmer gegenüber unzulässig. In gleicher Weise hat der Fünfte Senat entschieden, daß der Arbeitnehmer die Löschung unzulässig gespeicherter Daten verlangen kann und daß Daten unzulässig erhoben sind, wenn sie unter Mißachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG erfragt wurden (Urteil vom 22. Oktober 1986 - 5 AZR 660/85 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
c) Die Herausgabe der Schaublätter an den Bundesrechnungshof ist jedoch keine Maßnahme der Bundespost, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Die Bundespost ist nach § 95 Abs. 1 BH0 zu dieser Herausgabe verpflichtet, wenn der Bundesrechnungshof darum ersucht. Nur um eine Herausgabe auf ein solches Ersuchen hin geht es im vorliegenden Falle. § 95 Abs. 1 BH0 ist damit eine gesetzliche Regelung der Herausgabe, die nach § 75 Abs. 3 Eingangssatz BPersVG ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats ausschließt. Daß diese Vorschrift - jedenfalls soweit sie die Herausgabe der Schaublätter regelt - wirksam ist, ist bereits dargelegt worden. Eine Auswertung der Schaublätter durch den Bundesrechnungshof ist keine Maßnahme der Bundespost mehr, so daß auch insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats ausscheidet (vgl. BAG Urteil vom 17. Mai 1983, BAGE 42, 375 = AP Nr. 11 zu § 75 BPersVG).
Eine Herausgabe der Schaublätter ist daher dem Kläger gegenüber nicht deswegen unzulässig, weil der Personalrat dieser Maßnahme nicht zustimmt und dessen Zustimmung auch nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird.
Damit erweist sich die Revision des Klägers als unbegründet. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 ZP0).
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Rösch Schneider
Fundstellen
DB 1988, 1552-1553 (LT1-2) |
CR 1988, 749 (L) |
NZA 1988, 621-623 (LT1-2) |
RdA 1988, 189 |
ZTR 1988, 360-361 (LT1-2) |
AP § 75 BPersVG (LT1-2), Nr 23 |
AR-Blattei, Datenschutz Entsch 11 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 580 Nr 11 (LT1-2) |
PersR 1989, 15-17 (LT1-2) |
PersV 1989, 17-20 (LT1-2) |
RDV 1988, 197-199 (LT1-2) |