Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung für Wegezeit. unzulässiges Teilurteil
Leitsatz (amtlich)
- § 4 Abs. 2 der Sondervereinbarung gemäß § 2 Buchst. a BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben, wonach die über 10 Minuten hinausgehende Zeit für den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle als Mehrarbeit vergütet wird, regelt nicht, daß solche Wege an allen Arbeitstagen zurückzulegen sind. An welchen Arbeitstagen der Arbeiter die Abrechnungsstelle aufsuchen muß, bestimmt der Arbeitgeber kraft seines nach billigem Ermessen auszuübenden Direktionsrechts.
- Hat das Arbeitsgericht ein Teilurteil erlassen, das nicht erkennen läßt, über welchen Anspruch oder welchen Teil eines Anspruchs entschieden ist, so liegt darin ein wesentlicher Verfahrensmangel. Hebt das Landesarbeitsgericht das Teilurteil aus diesem Grund auf, so muß es über die Klage insgesamt entscheiden. Hat das Landesarbeitsgericht, ohne den Verfahrensfehler des Arbeitsgerichts zu erkennen, über die Berufung sachlich entschieden, hebt das Revisionsgericht das unzulässige Teilurteil des Arbeitsgerichts auf und entscheidet, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist, seinerseits über die Klage insgesamt. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts und das Berufungsurteil sind auch dann aufzuheben, wenn die Revision zurückzuweisen ist, weil sie in der Sache unbegründet ist.
Normenkette
BMT-G II § 2 Abs. 1 Buchst. a, § 22; Sondervereinbarung gemäß § 2 Buchst. a BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben § 4; BGB § 315 Abs. 3; ZPO §§ 301, 539, 565 Abs. 3 Nr. 1; ArbGG § 68
Verfahrensgang
Tenor
- Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
- Das Teilurteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 31. Mai 1991 – 5 Ca 62/91 – und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt (Main) vom 22. Mai 1992 – 9 Sa 949/91 – werden aufgehoben.
- Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten, einer kommunalen Verkehrsgesellschaft, als Busfahrer beschäftigt. Er begehrt Mehrarbeitsvergütung für Wege, die er zwischen den Ablösestellen und dem Betriebshof der Beklagten zurückgelegt hat. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 nebst der Sondervereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. a BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben (SV) Anwendung. § 4 SV lautet wie folgt:
- Für Vorbereitungs- und Abschlußdienst – einschließlich Abrechnung und Einzahlung – werden insgesamt 20 Minuten in die Arbeitszeit eingerechnet. Sind hierfür (z. B. bei Einmannfahrern) mehr als 20 Minuten erforderlich, so gilt auch die Mehrzeit als Arbeitszeit.
- Die für den Weg zwischen der Ablösungs- und Abrechnungsstelle erforderliche Zeit ist durch die Vorbereitungs- und Abschlußzeit abgegolten, soweit sie nicht mehr als zehn Minuten beträgt. Die über zehn Minuten hinausgehende Wegezeit wird als Mehrarbeit mit den nach § 22 in Betracht kommenden Zuschlägen vergütet.
Der Kläger beginnt und beendet seinen Fahrdienst nach dem Dienstplan nicht immer im Betriebshof der Beklagten, sondern an Ablösungsstellen, die im Nahverkehrsnetz liegen. Für die dabei anfallende Wegezeit bestimmte eine bis zum Jahre 1989 geltende Betriebsvereinbarung die Wegezeit als “die tatsächlich aufgewandte Zeit, die notwendig ist, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Betriebsbahnhof zum Ablösepunkt oder vom Ablösepunkt zum Betriebsbahnhof zu gelangen”. Diese Betriebsvereinbarung wurde durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst, die vorsieht, daß “Regelungen, insbesondere hinsichtlich der Vorbereitungs- und Abschlußzeiten und der Arbeitszeitberechnung”, sich nach den einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen richten.
Bis zum 13. Januar 1990 waren die Arbeitnehmer der Beklagten verpflichtet, den Fahrausweis- und Bargeldbestand im Tresor des Betriebshofs zu deponieren. Bis zu diesem Zeitpunkt vergütete die Beklagte den Busfahrern den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle und umgekehrt in Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 SV, wenn der dafür erforderliche Zeitaufwand mehr als 10 Minuten betrug. Mit Dienstanweisung vom 1. Januar 1990 hob die Beklagte die Verpflichtung der Busfahrer zur täglichen Deponierung des Bargeld- und Fahrscheinbestands auf. Seitdem ist an jedem fünften Tag, wenn der Dienst nicht am Betriebshof endet und die Wegezeit von der Ablösungsstelle zum Betriebshof mehr als 10 Minuten beträgt, eine entsprechende Zeit in den Dienstplan eingearbeitet, und der Kläger erhält eine Vergütung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 SV.
Der Kläger begehrt für den Zeitraum vom 4. April 1990 bis einschließlich Februar 1991 für weitere im einzelnen dargelegte Wege zwischen Ablösungsstelle und Betriebshof und zurück eine Mehrarbeitsvergütung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 SV, weil er an jedem dieser Tage seine Dienstausrüstung einschließlich des Fahrschein- und Bargeldbestands im Betriebshof deponiert, dort betriebliche Informationen eingeholt, und an mindestens 55 dieser Tage die ebenfalls im Betriebshof liegende Abrechnungsstelle aufgesucht und eine Abrechnung und entsprechende Einzahlung vorgenommen habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 840,11 DM brutto nebst 4 % Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, § 4 Abs. 2 SV gewähre dem Kläger keinen Anspruch auf die tägliche Vergütung der Wegezeit. Der Arbeitgeber bestimme kraft Direktionsrechts, wann eine Abrechnung vorzunehmen sei. Im übrigen sei es dem Kläger zumutbar, das eingenommene Geld bis zur Abrechnung zu verwahren.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 23. April 1991 zu Protokoll erklärt: “Wenn die Beklagte arbeitstäglich zwei Wegezeiten (einmal von der Abrechnungsstelle zum Ablösungspunkt, einmal vom Ablösepunkt zur Abrechnungsstelle) zu vergüten hätte, wäre ein Betrag von 400,00 DM für den Zeitraum vom 4. April 1990 bis zum 28. Februar 1991 zu zahlen, bei einer Wegezeit (vom Ablösungspunkt zur Abrechnungsstelle) ein Betrag von 200,00 DM.”
Das Arbeitsgericht hat ein Teilurteil über insgesamt 400,00 DM erlassen. Es hat die Beklagte zur Zahlung einer Vergütung von 200,00 DM für Wegezeiten zwischen Ablösungspunkt und Abrechnungsstelle verurteilt und die Klage in Höhe der weiteren 200,00 DM abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten das Teilurteil abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als die Beklagte verurteilt worden war. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in Höhe der 400,00 DM, die Gegenstand des Teilurteils waren, weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, gem. § 4 Abs. 2 SV seien nur erforderliche Wege zu vergüten. Nachdem die Beklagte kraft ihres Direktionsrechts angeordnet habe, daß die Busfahrer nur noch an jedem fünften Tag den Betriebshof aufsuchen müssen und diese Anordnung billigem Ermessen entspreche, habe es der Kläger versäumt, substantiiert darzulegen, daß die von ihm an den einzelnen Tagen zurückgelegten Wege erforderlich gewesen seien. Auch aus der Betriebsvereinbarung und aufgrund betrieblicher Übung habe der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung der geltend gemachten Wege.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der zurückgelegten Wege.
1. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht einen tariflichen Anspruch des Klägers abgelehnt.
Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 SV wird die über 10 Minuten hinausgehende Wegezeit als Mehrarbeit mit den nach § 22 BMT-G II in Betracht kommenden Zuschlägen vergütet. Die Auslegung des § 4 Abs. 2 SV ergibt, daß nur die Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle vergütet werden, die zur Abrechnung und Einzahlung zurückgelegt werden und vom Arbeitgeber angeordnet worden sind.
a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 SV ist die für den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle erforderliche Zeit durch die Vorbereitungs- und Abschlußzeit abgegolten, soweit sie nicht mehr als 10 Minuten beträgt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt es für den Anspruch nach § 4 Abs. 2 Satz 2 SV nicht darauf an, daß der Weg erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist nach dem Wortlaut der Regelung nur auf die Zeit bezogen. Der Tarifbegriff “Weg” wird allein durch den Hinweis auf “den Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle” bestimmt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 SV wird der Vorbereitungs- und Abschlußdienst – einschließlich Abrechnung und Einzahlung – mit 20 Minuten in die Arbeitszeit eingerechnet. Damit ist die Abrechnung und Einzahlung als eine im Rahmen des Vorbereitungs- und Abschlußdienstes vorzunehmende Verrichtung gekennzeichnet. Abrechnungsstelle ist damit die Stelle, an der der Arbeitnehmer seine Einnahmen abliefert und die Abrechnung vornimmt. Daraus ergibt sich, daß unter Wegen zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 SV nicht alle Wege, die der Arbeitnehmer zwischen Ablösungsstelle und einer Einrichtung des Arbeitgebers (Betriebshof) zurücklegt, zu verstehen sind, sondern nur solche, die zur Abrechnung und Einzahlung führen sollen. Die Abrechnungsstelle kann damit von dem Arbeitnehmer nur mit dem Ziel aufgesucht werden, eine Abrechnung vorzunehmen und die Einnahmen abzuliefern.
Diese am Wortlaut orientierte Auslegung wird auch durch den Sinn und Zweck des § 4 SV bestätigt. Wenn der Arbeitnehmer seinen Fahrdienst an einer im Verkehrsnetz liegenden Ablösungsstelle beendet, er eine Abrechnung aber nur an der Abrechnungsstelle vornehmen kann, so muß er, um seiner Abrechnungs- und Einzahlungspflicht genügen zu können, einen Weg zurücklegen. Hierfür haben die Tarifvertragsparteien in § 4 Abs. 2 SV eine differenzierende Abgeltungs- und Vergütungsregelung getroffen. Soweit der Weg nicht mehr als 10 Minuten erfordert, ist er durch die in § 4 Abs. 2 Satz 1 SV festgelegte Vorbereitungs- und Abschlußzeit abgegolten. Darüber hinaus wird er vergütet. Daraus ergibt sich, daß nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien die Wegezeit zwar nicht zur Vorbereitungs- und Abschlußzeit im Sinne des § 4 Abs. 1 SV zählt, aber, soweit sie 10 Minuten nicht übersteigt, wie eine solche behandelt werden soll. Damit wird deutlich, daß § 4 Abs. 2 Satz 1 SV den Weg insoweit betrifft, als er zum Zwecke der in § 4 Abs. 1 Satz 1 SV genannten Abrechnung und Einzahlung zurückgelegt wird.
b) Aus § 4 Abs. 2 Satz 2 SV ergibt sich allerdings nicht, an welchen Arbeitstagen Wege zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle, soweit sie zur Abrechnung und Einzahlung zurückgelegt werden, vergütet werden. Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang gibt darauf keinen Hinweis. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien einen täglichen Weg für notwendig erachtet haben. Der Wille der Tarifvertragsparteien, nach Ende eines jeden Dienstes sei eine Wegezeit zu vergüten, läßt sich insbesondere nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1 SV entnehmen. Zwar läßt diese Vorschrift erkennen, daß die Abrechnung und Einzahlung zu den Vorbereitungs- und Abschlußarbeiten zählt, sie besagt aber nicht, wie oft Abrechnungen und Einzahlungen vorzunehmen sind. Daraus allein, daß die in die Arbeitszeit einzurechnenden 20 Minuten für Vorbereitungs- und Abrechnungsarbeiten vorgesehen sind, folgt nicht, daß eine Abrechnung und Einzahlung nach dem Willen der Tarifvertragsparteien täglich vorzunehmen ist. Der Vorbereitungs- und Abschlußdienst umfaßt eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten. Daß diese in unterschiedlichem Umfang anfallen und damit nicht täglich wiederzukehren brauchen, folgt schon aus § 4 Abs. 1 Satz 2 SV, wonach die über 20 Minuten hinausgehende Abschluß- und Vorbereitungszeit als Arbeitszeit gilt.
Auch aus § 4 Abs. 2 Satz 1 SV läßt sich keine Aussage über die gebotene Häufigkeit derartiger Wege entnehmen. Zwar sieht § 4 Abs. 2 Satz 1 SV vor, daß Wegezeit von nicht mehr als 10 Minuten durch die Vorbereitungs- und Abschlußzeit abgegolten wird. Daraus folgt zwar, daß eine solche Vergütung bereits dann erfolgen soll, wenn der Arbeitnehmer zur Abrechnung einen entsprechenden Weg zurückgelegt hat. Daraus läßt sich jedoch kein Hinweis entnehmen, wie oft der Fahrer seine Abrechnungspflicht erfüllen muß. Diese Regelung umfaßt die tägliche Abrechnung in gleicher Weise wie Abrechnungen, die in größeren Abständen stattfinden. Die Rechtsfolge, daß der Zeitaufwand in beiden Fällen abgegolten ist, ist stets die gleiche. Es kann also daraus, daß § 4 Abs. 2 Satz 1 SV auch für den Fall einer täglichen Abrechnung zutrifft, nicht geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien bestimmt hätten, es sei täglich abzurechnen. Ergibt sich aber aus § 4 Abs. 2 Satz 1 SV nicht, daß die Tarifvertragsparteien von einem täglichen Weg ausgegangen sind, so kann aus Satz 2 nichts anderes hergeleitet werden. Diese Vorschrift regelt im Verhältnis zu Satz 1 den Sonderfall, daß der Weg mehr als 10 Minuten in Anspruch nimmt und bestimmt die Rechtsfolge im Unterschied zu Satz 1 dahin, daß die über 10 Minuten hinausgehende Wegezeit nicht abgegolten, sondern als Mehrarbeit zu vergüten ist. Es handelt sich hierbei allein um eine Vergütungsregelung, nicht aber um eine Bestimmung, durch die der Inhalt der Arbeitspflicht (Häufigkeit der Abrechnungen) geregelt wird.
c) Da der Tarifvertrag keinen Hinweis darauf gibt, in welchem zeitlichen Abstand Abrechnungen vorzunehmen sind, kann eine Konkretisierung nur durch den Arbeitgeber erfolgen.
Die Abrechnung und Einzahlung gehört zu den vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistungen. Der Arbeitgeber ist aufgrund seines Weisungsrechts berechtigt, einseitig die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitspflicht näher zu bestimmen (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt BAG Urteil vom 23. Juni 1992 – 1 AZR 57/92 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitszeit). Die Beklagte gewährt den bei ihr beschäftigten Busfahrern an jedem fünften Tag eine Wegezeitvergütung, wenn der Weg zwischen Ablösungs- und Abrechnungsstelle mehr als 10 Minuten beträgt. Dadurch hat sie festgelegt, daß die Fahrer nur an jedem fünften Tag abzurechnen haben. Entschließt sich der Arbeitnehmer zu einer häufigeren Abrechnung, so bringt er damit eine über seine arbeitsvertragliche Verpflichtung hinausgehende Leistung. Daraus läßt sich eine Vergütungspflicht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 SV nicht herleiten, weil diese Vorschrift voraussetzt, daß der Arbeitnehmer die Abrechnung und Einzahlung im Rahmen des Vorbereitungs- und Abschlußdienstes im Sinne des § 4 Abs. 1 SV vornimmt. Das ist bei einer nicht vom Arbeitgeber angeordneten Abrechnung und Einzahlung nicht der Fall.
Die Rechtsfolge des § 4 Abs. 2 Satz 2 SV kann somit nur eintreten, wenn der Arbeitgeber eine Abrechnung und Einzahlung im Sinne von § 4 Abs. 1 SV anordnet. Nur dann entsteht zu vergütende Mehrarbeit.
Diese von der Beklagten getroffene Festlegung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Fahrer durch Direktionsrecht entspricht auch billigem Ermessen und ist daher für die Arbeitnehmer verbindlich (§ 315 Abs. 3 BGB). Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, bei geringen Erschwernissen für den Kläger komme es zur Verwaltungsvereinfachung und Ersparnis von Wegegeldern bei der Beklagten, wenn die Abrechnung und Einzahlung nur noch alle 5 Tage erfolge. Dem Kläger sei aus diesem Grunde zuzumuten, das eingenommene Fahrgeld sowie die Fahrscheine vorübergehend bei sich aufzubewahren. Bei Verlusten schützten den Kläger die Regelungen über die eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und werden auch von der Revision nicht angegriffen.
2. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf eine Betriebsvereinbarung stützen. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1989 weist nur darauf hin, daß sich Regelungen, insbesondere hinsichtlich der Vorbereitungs- und Abschlußzeiten, nach den einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen richten. In der von dieser Betriebsvereinbarung abgelösten Betriebsvereinbarung von 1985, auf die der Kläger sich ebenfalls glaubt berufen zu können, war nur die Wegezeit definiert, nicht aber bestimmt, wann Wege zurückzulegen sind.
3. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf eine betriebliche Übung stützen.
Die Beklagte hat in der Vergangenheit durch ihr Verhalten keine betriebliche Übung begründet, sondern Wegezeitvergütung in Vollzug der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 SV gewährt. Sie hatte das Direktionsrecht dahingehend ausgeübt, daß der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet war, täglich den Betriebshof zur Deponierung von Fahrgeld und Fahrscheinen aufzusuchen, weil Bargeld und Fahrausweise außerhalb der Schicht im Tresor des Betriebshofes aufbewahrt werden sollten. Aus dieser Handhabung konnte der Kläger nicht ohne zusätzliche und von ihm zu behauptende konkrete Anhaltspunkte schließen, daß die arbeitsvertragliche Pflicht, den Betriebshof aufzusuchen, auf Dauer Bestandteil des Arbeitsvertrags sei. Nachdem die Beklagte das Direktionsrecht ab 14. Januar 1990 wirksam dahin ausgeübt hat, daß die Verpflichtung, täglich zum Betriebshof zu kommen, entfallen ist, und nur noch an jedem fünften Tag ein Weg zur Einzahlung und Abrechnung zurückzulegen ist (vgl. oben II 1), und nachdem die Beklagte daraufhin die Zahlungen in der bisherigen Höhe eingestellt hat, fehlen für den Kläger jedoch zusätzliche Anhaltspunkte dafür, daß er künftig Vergütung für täglich zurückgelegte Wege zwischen Ablösestelle und Betriebshof erhält.
III. Obwohl dem Landesarbeitsgericht in der materiellrechtlichen Beurteilung im Ergebnis zu folgen ist, war das Berufungsurteil aufzuheben.
1. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts war unzulässig. Sein Erlaß stellte einen wesentlichen Verfahrensmangel (§ 539 ZPO) dar. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
a) Gemäß § 301 ZPO kann das Arbeitsgericht ein Teilurteil nur über einen Teil des Anspruchs erlassen, der größenmäßig bestimmt ist und endgültig feststeht. Ein Teilurteil, das nur über einen Teil des aus mehreren selbständigen Ansprüchen bestehenden Klagebegehrens entscheidet, muß daher zweifelsfrei erkennen lassen, welcher Anspruch oder welche Teile welcher Ansprüche Gegenstand der Entscheidung sind. Fehlt es hieran, so bleibt der Umfang der Rechtskraft dieses Urteils im Ungewissen (BAG Urteil vom 21. März 1978 – 1 AZR 11/76 – BAGE 30, 189 = AP Nr. 62 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BGH Urteil vom 8. Juni 1988 – VIII ZR 105/87 – WM 1988, 1500; BGH Urteil vom 12. Juli 1989 – VIII ZR 286/88 – BGHZ 108, 256).
b) Das Arbeitsgericht hat aufgrund der Erklärung der Beklagten, daß für den Zeitraum vom 4. April 1990 bis zum 28. Februar 1991 bei einem täglichen Weg vom Ablösungspunkt zur Abrechnungsstelle 200,00 DM und bei einem weiteren täglichen Weg von der Abrechnungsstelle zum Ablösungspunkt insgesamt 400,00 DM zu zahlen seien, ein Teilurteil über 400,00 DM erlassen, in dem es die Beklagte zur Zahlung von 200,00 DM für einen Weg zwischen Ablösungspunkt und Abrechnungsstelle verurteilt und hinsichtlich der weiteren 200,00 DM die Klage abgewiesen hat. Dieses Teilurteil läßt nicht erkennen, über welchen größenmäßig bestimmten Teil der Ansprüche des Klägers von insgesamt 840,11 DM entschieden worden ist, so daß der Umfang der Rechtskraft nicht feststeht. Der Kläger hat im Wege der objektiven Klagehäufung die Vergütung vieler Wegezeiten begehrt und dafür an bestimmten Tagen des Klagezeitraums zurückgelegte Wege mit den dazugehörigen Zeiten substantiiert dargetan, was den aus vielen Einzelbeträgen zusammengesetzten Klagebetrag von 840,11 DM ergibt. Gegenstand des Klagebegehrens ist somit eine Vielzahl von Ansprüchen, die verschiedene Wege und Zeiten betreffen. Bei dieser Ausgangslage durfte das Arbeitsgericht nicht aufgrund der Erklärung der Beklagten, bei zwei im Klagezeitraum täglich zu vergütenden Wegen seien 400,00 DM, bei nur einem 200,00 DM geschuldet, ein Teilurteil erlassen. Mit dieser Erklärung hat die Beklagte lediglich die Klageforderung von 840,11 DM unsubstantiiert bestritten. Sie hat aber nicht die ihrer Ansicht nach geschuldeten Beträge den einzelnen Klageansprüchen zugeordnet. Das Arbeitsgericht konnte somit nicht erkennen, welche der Ansprüche zur Entscheidung reif waren. Demgemäß läßt das Teilurteil offen, welche einzelnen Wege erfaßt sind, so daß nicht feststeht, in welchem Umfang über die Vergütung für den Klagezeitraum entschieden wurde und welche Ansprüche noch beim Arbeitsgericht anhängig sind.
2. Der Senat hatte nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Dabei durfte er sich nicht auf die Nachholung der vom Berufungsgericht versäumten Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils beschränken, sondern mußte über den gesamten Klageanspruch befinden, auch soweit dieser in erster Instanz anhängig geblieben war.
a) Das Landesarbeitsgericht hätte nach Aufhebung des unzulässigen Teilurteils das Arbeitsgericht selbst in der Sache entscheiden müssen, weil die Zurückverweisung wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts unzulässig ist (§ 68 ArbGG). Es hätte den Verfahrensverstoß des Arbeitsgerichts nur in der Weise beseitigen können, daß es den beim Arbeitsgericht anhängig gebliebenen Teil der Klage an sich zog und auch über ihn entschied. Da dies unterblieben ist, muß der Senat es nachholen.
b) Da es für die Ansprüche des Klägers auf Vergütung der Zeiten für die Wege zwischen Ablösungspunkt und Betriebshof keine Rechtsgrundlage gibt (vgl. oben II 1 bis 3) und damit der Rechtsstreit in der Sache insgesamt entscheidungsreif war, war nicht nur die Revision zurückzuweisen, sondern die Klage insgesamt abzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Mergenthaler, Lenßen
Fundstellen
Haufe-Index 848149 |
BAGE, 85 |
NZA 1994, 133 |
AP, 0 |