Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Sonderschullehrerin
Leitsatz (redaktionell)
Keine Eingruppierung einer Lehrkraft an einer Förderschule mit einer Ausbildung als Kindergärtnerin und Diplompädagogin in VergGr. IV a Fallgruppe 6 nach den TdL-Richtlinien in der vom 1. Januar 1994 bis 30. Juni 1995 geltenden Fassung.
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer; BAT-O § 11 S. 2; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O § 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Mai 1996 – 7 Sa 1027/95 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 16. August 1995 – 4 Ca 787/95 – wird auch insoweit zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die im Jahre 1955 geborene Klägerin wurde seit 1974 von der damaligen DDR als Lehrerin beschäftigt. Am 6. Juli 1974 hatte die Klägerin an der Pädagogischen Schule für Kindergärtnerinnen in Leipzig eine zweijährige Ausbildung abgeschlossen. Mit dieser hatte sie die Befähigung zur Arbeit als Kindergärtnerin erworben. 1978 erlangte sie nach zweijährigem Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin den akademischen Grad einer Diplompädagogin. Nachdem das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages auf den Beklagten übergegangen war, beschäftigte dieser die Klägerin an einer Förderschule für geistig Behinderte.
Mit Änderungsvertrag vom 28. August 1991 hatten die Parteien u.a. vereinbart:
„§ 1
Alle bisherigen Regelungen des Arbeitsvertrages vom 1.8.74 einschließlich erfolgter Änderungen verlieren ihre Gültigkeit und werden durch die Regelungen des BAT-O ersetzt. Das gilt insbesondere für die Zuordnung zu einer Gehaltsgruppe, für die Zahlung von Zulagen, Zuschlägen etc. Die Regelungen des Einigungsvertrages gelten uneingeschränkt weiter.
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
§ 3
Für die Eingruppierung gilt der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung.
Danach ist der/die Angestellte in der Vergütungsgruppe III eingruppiert.”
Im Jahre 1992 wollte der Beklagte durch schriftlichen Vertrag mit der Klägerin die VergGr. III durch die VergGr. IV b BAT-O ersetzen; die Klägerin willigte jedoch nicht ein. Bis Januar 1993 gewährte er ihr daraufhin die Vergütung nach der VergGr. III BAT-O weiter. Von Februar bis April 1993 zahlte der Beklagte dann Vergütung nach der VergGr IV b BAT-O. Von Mai 1993 bis September 1994 erhielt die Klägerin wieder Vergütung nach der VergGr. III BAT-O sowie die Differenzbeträge zur VergGr. III BAT-O für die Monate Februar bis April 1993. Mit Schreiben vom 8. März 1994 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, daß „sie seit dem 1. Dezember 1992 überzahlt” sei. Er machte die sich daraus ergebenden Rückforderungsansprüche geltend. Ab dem 1. September wurde die Klägerin dann wieder in die VergGr. IV b BAT-O eingruppiert. Seit dem 1. Juli 1995 erhält sie Vergütung nach der VergGr. IV a BAT-O.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, aufgrund der abgeschlossenen Fachschulausbildung als Kindergärtnerin und des abgeschlossenen zweijährigen Hochschulstudiums als Diplompädagogin sei eine Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT-O gerechtfertigt, weil diese Abschlüsse mit den anderen beispielhaft genannten Abschlüssen in den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der nicht von der Anlage 1 a zum BAT-O erfaßten Angestellten vom 24. Juni 1991 (TdL-Richtlinien) der VergGr. IV a BAT-O vergleichbar seien.
Ursprünglich hat die Klägerin mit ihrer Klage Vergütung nach der VergGr. III BAT-O und hilfsweise Vergütung nach der VergGr. IV a BAT-O geltend gemacht.
Die Klägerin hat zuletzt nur noch beantragt
festzustellen, daß sie Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV a BAT-O ab 1. März 1994 hat.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, die Klägerin habe bis zum 30. Juni 1995 lediglich Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV b BAT-O gehabt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IV a BAT-O ab 1. März 1994 hat. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat bis 30. Juni 1995 keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet.
Ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O ergebe sich unmittelbar weder auf Grund des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 in Verbindung mit der Anlage 1 zur Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung – 2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 noch nach den TdL-Richtlinien, weil die Klägerin keine ausgebildete Diplomlehrerin und auch keine Lehrerin mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung sei.
Da sich aber die Klägerin auf Grund ihrer Ausbildung und der langjährigen Tätigkeit deutlich vom Berufsbild einer Kindergärtnerin mit Zusatzausbildung abhebe, rechtfertige es sich, ihr die Eingruppierung nach der VergGr. IV a BAT-O ab dem 1. März 1994 zuzusprechen.
II. Der Senat vermag dem Landesarbeitsgericht nicht zu folgen.
1. Streitgegenständlich ist die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O für die Zeit vom 1. März 1994 bis zum 30. Juni 1995.
2. Für die Eingruppierung der Klägerin gelten gemäß dem Änderungsvertrag der Parteien vom 28. August 1991 die TdL-Richtlinien in der jeweiligen Fassung.
a) Zwar bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 2 des Änderungsvertrages nach dem BAT-O vom 10. Dezember 1990. Für die Eingruppierung ist die in § 3 des Arbeitsvertrages vereinbarte Anwendung der TdL-Richtlinien jedoch die speziellere Bestimmung. Für die Eingruppierung wären tarifliche Bestimmungen nur dann maßgebend, wenn die Klägerin tarifgebunden wäre (vgl. BAG Urteil vom 8. August 1996 – 6 AZR 230/95 – AP Nr. 55 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Dies ist jedoch nicht der Fall. Deshalb hat die Prüfung der zutreffenden Eingruppierung nur anhand der TdL-Richtlinien und nicht auch nach der Anlage 1 zur 2. BesÜV in Verbindung mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 1 zu erfolgen, wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist.
b) Die TdL-Richtlinien vom 24. Juni 1991 sehen in der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung vor:
„E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis
…
I. Eingruppierung
a) Allgemeinbildende Schulen
…
Vergütungsgruppe IV a
…
6. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen und einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen
…”
3. Die Klägerin erfüllt nach diesen Richtlinien nicht die Voraussetzungen der für sie allein in Betracht kommenden Fallgruppe 6 der VergGr. IV a BAT-O
a) Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat mit den Eingruppierungsmerkmalen in Abschnitt E der TdL-Richtlinien der Ausbildung der Lehrer und dem Schulsystem in der ehemaligen DDR Rechnung getragen. Für die Einstufungsmerkmale der Besoldungsgruppen in der Anlage 1 zur 2. BesÜV, deren Ergänzung die TdL-Richtlinien (auch) dienen, ist dies durch die Rechtsprechung anerkannt (vgl. BAG Urteil vom 20. November 1997 – 6 AZR 272/96 – n.v.; BAG Urteil vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – BAGE 83, 201 = AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Demgemäß
sind zur Beurteilung der Frage, ob die von der Klägerin absolvierte Ausbildung den Anforderungen der Fallgruppe 6 der VergGr. IV a BAT-O entspricht, die für die Ausbildung und den Ausbildungsabschluß durch eine entsprechende Prüfung maßgeblichen Vorschriften der ehemaligen DDR heranzuziehen.
b) Die Klägerin besitzt schon keine abgeschlossene Fachschulausbildung als Lehrerin für untere Klassen.
Mit ihrer am 6. Juli 1974 abgeschlossenen Ausbildung erwarb sie lediglich die Befähigung zur Arbeit als Kindergärtnerin und nicht als Lehrerin für untere Klassen. Eine Vergleichbarkeit zwischen diesen Ausbildungsabschlüssen, die die gleiche Vergütung rechtfertigt, wie die Klägerin meint, liegt nicht vor. Die TdL-Richtlinien differenzieren in zahlreichen Fallgruppen zwischen der Ausbildung als Kindergärtnerin und als Lehrer für untere Klassen (vgl. Fallgruppe 3 und 4 der VergGr. IV b BAT-O oder Fallgruppe 1 der VergGr. V c BAT-O). Dem liegt zugrunde, daß es sich nach dem Recht der früheren DDR um völlig unterschiedliche Ausbildungsgänge und Abschlüsse handelte. So bestimmte § 28 Abs. 1 des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. Februar 1965 (GBl DDR I S. 83, 95), daß die Ausbildung der Kindergärtnerinnen an Pädagogischen Schulen erfolgte. Sie diente nach dem Studienplan für die Ausbildung von Kindergärtnerinnen dazu, Erzieherinnen für die Einrichtungen der Vorschulerziehung heranzubilden (Auszug in: Die Lehrerbildung in der DDR, 4. Aufl., herausgegeben vom Ministerium für Volksbildung, S. 91). Demgegenüber erfolgte die Ausbildung der Lehrer für untere Klassen an den Instituten für Lehrerbildung, an denen sie gemäß § 28 Abs. 2 des Gesetzes eine fachwissenschaftliche und methodische Ausbildung für diejenigen Fächer erhielten, die sie nach dem Studium unterrichten sollten. Daß der Abschluß als Lehrer für untere Klassen als notwendige Voraussetzung für eine Eingruppierung in die Fallgruppe 6 der VergGr. IV a BAT-O angesehen wurde, zeigt sich im übrigen an der ausdrücklichen Einfügung des Erfordernisses einer abgeschlossenen pädagogischen Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen für die Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT-O (damals: Fallgruppe 5) durch die Erste Änderung der Richtlinien vom 23. Januar 1992. Zuvor war in der vormaligen Fallgruppe 4 neben einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren lediglich eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung Voraussetzung für eine Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT-O.
Da diese seit der Ersten Änderung vorausgesetzte Lehrerausbildung neben dem Hochschulstudium vorliegen muß, kann die zwischen den Parteien streitige Frage dahinstehen, inwieweit das zweijährige Studium der Klägerin an der Humboldt-Universität ein im Sinne der TdL-Richtlinien für das Lehramt geeignetes war.
c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kommt es für die Eingruppierung der Klägerin nicht darauf an, ob sie ihre Tätigkeit mehr als 20 Jahre lang ohne Beanstandungen ausgeübt hat. Die TdL-Richtlinien knüpfen insofern allein an eine bestimmte Ausbildung an. Sie berücksichtigen nicht, ob „gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen” vorliegen (vgl. BAG Urteil vom 26. April 1995 – 4 AZR 299/94 – AP Nr. 4 zu § 11 BAT-O).
Ebenso genügt es nicht, daß die Klägerin einen akademischen Abschluß als Diplompädagogin besitzt, um die Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT-O zu rechtfertigen. In den TdL-Richtlinien wird im einzelnen zwischen den unterschiedlichen Ausbildungsabschlüssen der ehemaligen DDR unterschieden. Dabei ist die Ausbildung zum Diplompädagogen nicht übersehen worden. Diese ist vielmehr in Abschnitt E I b „Berufliche Schulen” Ziff. 1 in VergGr. IV b Fallgruppe 2 und in VergGr. IV a Fallgruppe 2 ausdrücklich erwähnt (vgl. BAG Urteil vom 26. April 1995 – 4 AZR 299/94 – aaO), findet aber bei der Tätigkeit an Förderschulen für eine Eingruppierung in die VergGr IV a keine Berücksichtigung.
4. Die Klägerin hat auch keinen eigenständigen, von den TdL-Richtlinien unabhängigen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine höhere Vergütung. Soweit in § 3 des Änderungsvertrages vom 28. August 1991 eine Eingruppierung der Klägerin in die VergGr. III BAT-O vorgesehen ist, handelt es sich lediglich um die gemäß § 22 Abs. 3 BAT-O erforderliche Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag, die nur wiedergibt, welche Vergütungsgruppe der Beklagte bei Anwendung der maßgeblichen Eingruppierungsbestimmungen als zutreffend ansah. Der für die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes vorgeschriebenen und deshalb typischen Angabe der Vergütungsgruppe läßt sich keine Willenserklärung des öffentlichen Arbeitgebers entnehmen, auch unabhängig von den Eingruppierungsbestimmungen die angegebene Vergütung zahlen zu wollen (vgl. BAG Urteil vom 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP Nr. 46 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAG Urteil vom 23. August 1995 – 4 AZR 352/94 – ZTR 1996, 169). Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden Verpflichtungswillen des Beklagten lassen sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Sie ergeben sich schon wegen des Rückforderungsschreibens vom 8. März 1994 auch nicht aus der bis September 1994 fortgesetzten Zahlung von Vergütung nach der VergGr. III BAT-O.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Böck, Brose, J. Wingefeld
Fundstellen