Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Weitergewährung einer Funktionszulage nach Protokollnotiz Nr. 6 des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nach einem Bewährungsaufstieg
Leitsatz (amtlich)
Nach einem Bewährungsaufstieg von VergGr. VIII des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT in die VergGr. VII Fallgruppe 2 des Teils I der Anlage 1a zum BAT hat ein Angestellter keinen Anspruch auf Weitergewährung einer ihm bisher nach Protokollnotiz Nr. 6 des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT zustehenden Funktionszulage für Tätigkeiten mit Magnetbandschreibmaschinen oder anderen Textverarbeitungsautomaten.
Normenkette
BAT, Teil I - VergGr. VII, Fallgruppe 2 der Anlage 1a; Teil II Abschn. N Unterabschnitt I – VergGr. VIII, Fallgruppe 4 der Anlage 1a, Protokollnotiz Nr. 6
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 1981 bei der Beklagten, die eine orthopädische Klinik betreibt, als Schreibkraft beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung. Zunächst war die Klägerin in die Vergütungsgruppe VIII, Fallgruppe 4 des Teils II Abschn. N Unterabschn. I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Die für diese Vergütungsgruppe in der Protokollnotiz Nr. 6 vorgesehene monatliche Funktionszulage erhielt die Klägerin nicht, obwohl die Anspruchsvoraussetzungen für deren Bezug eigentlich vorgelegen hätten.
Diese Protokollnotiz (im folgenden: Protokollnotiz Nr. 6) lautet wie folgt:
“Vollbeschäftigte Angestellte, die mit mindestens 1/3 der regelmäßigen Arbeitszeit i. S. des § 15 Abs. 1 Magnetbandschreibmaschinen oder andere Textverarbeitungsautomaten bedienen und hierbei vollwertige Leistungen erbringen, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 8 v. H. der Anfangsgrundvergütung der Vergütungsgruppe VIII. Bei der Berechnung sich ergebende Bruchteile eines Pfennigs unter 0,5 sind aufzurunden, Bruchteile von 0,5 und mehr sind aufzurunden. Die Funktionszulage gilt bei der Bemessung des Sterbegeldes (§ 41), und des Übergangsgeldes (§ 63) als Bestandteil der Grundvergütung und wird nur neben der Vergütung nach Vergütungsgruppe VIII gezahlt. Sie ist nur für Zeiträume zu zahlen, für die Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge zustehen; § 36 Abs. 2 gilt entsprechend.”
Mit Wirkung zum 1. Oktober 1989 wurde die Klägerin im Rahmen des Bewährungsaufstieges in die Vergütungsgruppe VII, Fallgruppe 2 des Teils I der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert.
Diese Vergütungsgruppe des BAT enthält keinen Hinweis auf die Protokollnotiz Nr. 6.
Die Klägerin macht geltend, ihr stehe auch nach dieser Höhergruppierung eine Funktionszulage nach der Protokollnotiz Nr. 6 zu.
Sie meint, durch ihren Bewährungsaufstieg sei die ihr nach der Protokollnotiz Nr. 6 zustehende Funktionszulage nicht weggefallen. Nach der Entstehungsgeschichte und dem Ziel des Bewährungsaufstieges werde dem Angestellten auf diese Weise eine dem Beamtenrecht vergleichbare Förderungsmöglichkeit gegeben. Bei der im Streit befindlichen Zulage handele es sich um eine solche, die an die Ausübung bestimmter Tätigkeiten geknüpft sei und keinen Leistungscharakter habe. Deshalb könne die Beförderung im Rahmen des Bewährungsaufstieges nicht zum Wegfall dieser tätigkeitsbezogenen Funktionszulage führen, solange keine Veränderung dieser Tätigkeit eintrete. Die Lücke im BAT müsse durch eine Interpretation geschlossen werden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an sie ab April 1990 eine Zulage in Höhe von 8 % der Anfangsvergütung der Vergütungsgruppe BAT VIII zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie beruft sich darauf, die Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 2 des Teils I der Anlage 1a zum BAT, in die die Klägerin eingruppiert sei, sehe eine Zulage gemäß der Protokollnotiz Nr. 6 nicht vor. Für eine ergänzende Auslegung des BAT dergestalt, daß der Klägerin trotz des Bewährungsaufstieges die Zulage gewährt werden müsse, bestehe mangels einer Regelungslücke kein Raum.
Das Arbeitsgericht hat dem ursprünglich nur hilfsweise gestellten Klageantrag stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage auf Zahlung einer Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 6 weiter. Die Beklagte hat Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Zulage in Höhe von 8 % zur Anfangsgrundvergütung nach Vergütungsgruppe VIII der Anlage 1a zum BAT.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stehe eine Funktionszulage nach der Protokollnotiz Nr. 6 nicht zu, weil eine solche Zulage für die Vergütungsgruppe VII, Fallgruppe 2 des Teils I der Anlage 1a zum BAT nicht vorgesehen sei. Zwar könnten für eine “(Weiter-) gewährung” der Funktionszulage nach dem Bewährungsaufstieg der Klägerin Sinn und Zweck der Funktionszulage sprechen, jedoch stehe der unzweideutige Wortlaut des Satzes 3 der fraglichen Protokollnotiz einem Anspruch der Klägerin entgegen. Über die klare tarifliche Regelung könne sich das Gericht nicht hinwegsetzen.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.
Die Protokollnotiz Nr. 6 bestimmt in ihrem Satz 3 :
“Die Funktionszulage gilt bei der Bemessung des Sterbegeldes (§ 41) und des Übergangsgeldes (§ 63) als Bestandteil der Grundvergütung und wird nur neben der Vergütung nach Vergütungsgruppe VIII gezahlt.”
Nach diesem Wortlaut haben Angestellte der Vergütungsgruppe VII der Anlage 1a zum BAT keinen Anspruch auf die Funktionszulage. Eine über diesen Wortlaut hinausgehende Auslegung der Protokollnotiz ist nicht möglich.
Die Auslegung einer Tarifnorm unterliegt der selbständigen Beurteilung durch das Revisionsgericht (BAG Urteil vom 30. September 1971 – 5 AZR 123/71 – AP Nr. 121 zu § 1 TVG Auslegung).
Die Auslegung selbst hat zunächst nach dem Wortlaut der tariflichen Regelungen zu erfolgen (BAG Urteil vom 12. September 1984, BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung und Urteil vom 9. Februar 1983, BAGE 41, 350 = AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Der Wortlaut der Protokollnotiz Nr. 6 ist eindeutig. Nach diesem soll die Funktionszulage nur neben der Vergütung nach Vergütungsgruppe VIII gezahlt werden. Damit ist eine Zahlung der Funktionszulage neben einer Vergütung nach einer anderen Vergütungsgruppe nicht vorgesehen, also auch nicht neben dem von der Klägerin nach ihrem Bewährungsaufstieg ab dem 1. Oktober 1989 bezogenen Gehalt nach Vergütungsgruppe VII des Teils I der Anlage 1a zum BAT.
Eine Auslegung des Tarifvertrages gegen seinen Wortlaut wäre möglich, wenn die Tarifbestimmung durch die Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht überholt worden wäre (BAG Urteil vom 9. Oktober 1956, BAGE 3, 159 = AP Nr. 2 zu § 1 TVG Auslegung). Daß solches vorliegend der Fall sei, ist weder von den Parteien vorgetragen noch erkennbar.
Allerdings ist bei der Auslegung einer Tarifnorm über den reinen Tarifwortlaut hinaus auch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit auch der Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen. Dafür ist es aber erforderlich, daß dieser in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; vgl. Urteile vom 12. September 1984 und 9. Februar 1983, aaO).
Die Revision meint, bei der im Streit befindlichen Zulage handele es sich um eine Funktionszulage, welche an die Ausübung bestimmter Tätigkeiten geknüpft sei und keinen Leistungscharakter habe. Deshalb könne die “Beförderung” der Klägerin im Rahmen des Bewährungsaufstieges nicht zum Wegfall dieser tätigkeitsbezogenen Funktionszulage führen, solange keine Veränderung dieser Tätigkeit eintrete. Dieser Rechtsansicht kann der Senat nicht folgen, weil dieser von der Klägerin behauptete Sinn und Zweck der Zulage in den tariflichen Regelungen keinen Niederschlag gefunden hat.
Dafür, daß die Tarifvertragsparteien bei Abschluß der Regelungen des Teils II Abschn. N Unterabschn. I der Anlage 1a zum BAT und der Regelungen über den Bewährungsaufstieg in Vergütungsgruppe VII des Teils I zur Anlage 1a zum BAT davon ausgegangen sind, einem Angestellten, der von Vergütungsgruppe VIII (Fallgruppe 4 des Teils II Abschn. N Unterabschn. I der Anlage 1a zum BAT) im Rahmen des Bewährungsaufstieges in Vergütungsgruppe VII (Fallgruppe 2 des Teils I der Anlage 1a zum BAT) höhergruppiert werde, solle seine ihm bisher nach Protokollnotiz Nr. 6 zustehende Zulage weiterhin gezahlt werden, finden sich im Tarifvertrag keine Anhaltspunkte.
Vielmehr spricht der Umstand, daß in den Protokollnotizen zu Teil I der Anlage 1a zum BAT keinerlei Zulagen vorgesehen sind, dafür, daß die Tarifvertragsparteien für Angestellte, welche nach Teil I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert sind, Funktionszulagen der in den Protokollnotizen zum Teil II Abschn. N Unterabschn. I geregelten Art nicht gewähren wollen.
Ob diese von den Tarifvertragsparteien gewählte Regelung sinn- und zweckvoll ist, kann von den Gerichten nicht überprüft werden. Diese dürfen Tarifnormen nur auf ihre Rechtmäßigkeit, nicht aber auf ihre Zweckmäßigkeit nachprüfen (BAG Urteil vom 19. Dezember 1958 – 1 AZR 109/58 – BAGE 7, 153 = AP Nr. 3 zu § 2 TVG und Urteil vom 30. September 1971, aaO).
Demnach war die Revision zurückzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Staedtler, Tirre
Fundstellen
Haufe-Index 845945 |
BB 1994, 292 |
NZA 1995, 45 |