Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Geschäftsgrundlage. Beamtenrechtliche Grundsätze
Orientierungssatz
Im Rahmen der Anpassung von Versorgungsregelungen wegen Störung der Geschäftsgrundlage kann es erforderlich sein, dass der Arbeitgeber eine gestaltende Entscheidung trifft, weil die Anpassung ein Versorgungssystem insgesamt und nicht nur ein einzelnes Arbeits- oder Versorgungsverhältnis betrifft. Er hat darzulegen und zu beweisen, auf welchen Grundlagen die Entscheidung beruht und inwieweit sie angemessen ist.
Normenkette
GG Art. 7 Abs. 4 S. 4; BGB § 313
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. April 2006 – 10 Sa 1000/05 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine Versorgung zu gewähren hat, die der einer vergleichbaren Beamtin des Freistaats Bayern entspricht.
Die Klägerin ist am 27. Dezember 1941 geboren. Sie war seit dem 1. September 1989 an der Katholischen Realschule in L… als Lehrkraft für Deutsch, Geschichte sowie Erziehungskunde beschäftigt und trat zum 31. Dezember 2003 in den Ruhestand.
Dem Arbeitsverhältnis lag zunächst ein am 18. September 1989 mit dem U… als Träger der Schule geschlossener Arbeitsvertrag zugrunde, in dem es ua. heißt:
“…
§ 5
Das Dienstverhältnis regelt sich grundsätzlich nach dem Bundesangestelltentarif (Bund/Länder) in seiner jeweiligen Fassung, soweit im folgenden nicht besondere Regelungen getroffen sind.
§ 6
Die Vergütung richtet sich nach den Sätzen der Bayerischen Beamtenbesoldung (Besoldungsgruppe A 13) in ihrer jeweils gültigen Fassung.
…
§ 11
Frau S… wird als hauptamtliche Lehrkraft zur Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden bei der Bayer. Versicherungskammer angemeldet. Beitragsaufbrinung und Leistungen regeln sich nach der jeweiligen Satzung der Kasse. Durch Einbeziehung in die Zusatzversorgung der bayerischen Gemeinden (Bayerische Versicherungskammer) und Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge für Angestelltenversicherung und Zusatzversorgungskasse gewährleistet der Schulträger der Lehrkraft eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gemäß Art. 4 Abs. 2 des Privatschulleistungsgesetzes.
…”
Art. 4 des Bayerischen Privatschulleistungsgesetzes lautete auszugsweise:
“ (1) Den Schulträgern wird ein Versorgungszuschuß für diejenigen hauptberuflich beschäftigten Lehrkräfte gewährt, denen sie einen Rechtsanspruch auf lebenslängliche Altersversorgung und auf Hinterbliebenenversorgung nach den für die Beamten des Freistaates Bayern geltenden Vorschriften einräumen.
(2) Der Versorgungszuschuß wird auch für solche hauptberuflich beschäftigten Lehrkräfte gewährt, denen eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen mit der Maßgabe gewährleistet wird, daß darauf Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen angerechnet werden.”
Im Jahr 1992 ging die Trägerschaft der Schule auf die Beklagte über. Anlässlich des Wechsels der Trägerschaft schlossen die Parteien am 30. Juni 1992 einen weiteren “Dienstvertrag”, der auszugsweise wie folgt lautet:
“…
§ 5
Das Dienstverhältnis regelt sich grundsätzlich nach dem Bundesangestelltentarif (BAT) vom 23.02.1961 in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages für die Tarifgemeinschaft des Bundes und der Länder geltenden Fassung einschließlich künftiger Änderungen und Zusatzvereinbarungen, soweit nicht abweichende diözesane Regelungen bestehen oder getroffen werden. Ergänzende oder abweichende Regelungen zum BAT sind in der Beschäftigungsordnung für die Angestellten der Erzdiözese festgelegt. Die Beschäftigungsordnung ist Bestandteil dieses Vertrages. Jedoch dürfen Lehrkräfte an staatlich anerkannten Schulen durch die Beschäftigungsordnung nicht besser gestellt werden als vergleichbare Staatsbedienstete, weil der Schulträger an die Richtlinien des Staates und dessen ‘Allgemeine Bewirtschaftungsgrundsätze’ gebunden ist.
§ 6
Die Bezüge richten sich nach den Sätzen der Bayer. Beamtenbesoldung in ihrer jeweils gültigen Fassung.
Die Stelle ist nach Bes.Gr. A 13 bewertet.
Die Lehrkraft wird in Bes.Gr. A 13 eingestuft.
…
§ 11
Frau S… wird als hauptamtliche Lehrkraft zur Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden (Bayerische Versicherungskammer) angemeldet. Beitragsaufbringung und Leistungen regeln sich nach der jeweiligen Satzung der Kasse.
Mit Wirkung vom 01.09.1992 übernimmt die Erzdiözese die Arbeitnehmerbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Durch Einbeziehung in die Zusatzversorgung der bayerischen Gemeinden und die Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Zusatzversorgungskasse gewährleistet der Schulträger der Lehrkraft eine Versorgung gemäß Art. 33 Abs. 1, Halbsatz 2 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes.
…”
Art. 33 Abs. 1 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes lautete:
“(1) Die Schulträger erhalten einen Versorgungszuschuß für diejenigen hauptberuflichen Lehrer, denen sie einen Rechtsanspruch auf lebenslängliche Altersversorgung und auf Hinterbliebenenversorgung nach den für die Beamten des Freistaates Bayern geltenden Vorschriften einräumen; dies gilt auch, wenn eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen mit der Maßgabe gewährleistet wird, daß darauf Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen angerechnet werden.”
Später enthielt Art. 40 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 2000 eine wortgleiche Regelung, die erst mit Wirkung vom 1. Januar 2006 geändert wurde.
Der Hintergrund der vertraglichen Regelungen ist folgender: In den Jahren 1966 bis 1972 konnten die bei den kirchlichen Schulen angestellten Lehrkräfte zur Altersversorgung der bayerischen Diözesen (VbO) angemeldet werden. Die VbO stellte ein eigenes Versorgungswerk innerhalb dieser Diözesen dar. Gemäß ihrer Satzung wurden die dort angemeldeten angestellten Lehrkräfte bei Erreichen des Rentenalters hinsichtlich ihrer Altersversorgung beamteten Lehrkräften vollständig gleichgestellt. Das führte zu Belastungen, die diese Einrichtung überforderten.
Im Jahre 1972 wurde es kirchlichen Schulträgern durch eine Änderung der Satzung der Zusatzversorgungskasse der Gemeinden ermöglicht, ihre Angestellten zu dieser Kasse anzumelden. Davon machten die bayerischen Diözesen ab diesem Zeitpunkt Gebrauch. Die Lehrkräfte wurden nicht mehr zur VbO angemeldet. Die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden erbrachte die für Angestellte des öffentlichen Dienstes übliche Gesamtversorgung von seinerzeit im höchsten Fall 75 % der Bruttobezüge unter Berücksichtigung anderweitiger Versorgungsleistungen.
Die Beklagte und ihre Rechtsvorgänger sowie die anderen Arbeitgeber der Lehrkräfte an katholischen Schulen verwandten seit der Aufnahme der Lehrkräfte in die Zusatzversorgungskasse vertragliche Klauseln, die den hier streitbefangenen entsprachen. Das beruhte auf einem Rundschreiben des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 2. Dezember 1987, das der Umsetzung der Regelungen zur Schulfinanzierung diente. In dem Merkblatt war geregelt, wie die dem Versorgungszuschuss zugrunde liegenden Leistungen gegenüber dem Freistaat Bayern abzurechnen sind. In dem insoweit maßgeblichen Teil lautet es:
“Soweit die beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprechende Versorgung gem. Art. 33 Abs. 1 BaySchFG in der Weise gewährleistet wird, daß auf die spätere Altersversorgung und auf die Hinterbliebenenversorgung die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden, sind in Besoldungsübersicht C… die vom Schulträger gezahlten vollen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) einzutragen.
Hat der Schulträger eine Lehrkraft zur Erfüllung dieser Versorgungszusage bei einer öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskasse (ZVK), die ihren Versicherten eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährt, angemeldet und trägt er zu diesem Zweck neben der Umlage zur Zusatzversorgungskasse auch die vollen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (RV), so sind diese Beiträge ab dem Zeitpunkt der Übernahme durch den Schulträger in die Besoldungsübersicht C… – betragsmäßig aufgeteilt auf RV und ZVK – einzusetzen. Mit diesen Lehrkräften ist, sofern die Übernahme der vollen Beiträge bis jetzt nicht vereinbart war, ein Zusatzvertrag mit etwa folgendem Text abzuschließen und dem Verwendungsnachweis C… beizugeben:
‘Durch Einbeziehung in die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden (Bayerische Versicherungskammer) und Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte ab … und zur Zusatzversorgungskasse ab … gewährleistet der Schulträger der Lehrkraft eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gemäß Art. 33 Abs. 1 Halbsatz 2 Bayer. Schulfinanzierungsgesetz.’
…”
Dass mit der Übernahme der gesamten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Zusatzversorgungskasse bayerischer Gemeinden die vertraglichen Regelungen erfüllt waren, wurde seinerzeit von keiner Seite, auch nicht von den angestellten Lehrkräften, in Frage gestellt.
Durch Tarifvertrag über die zusätzliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 wurde das bisherige Gesamtversorgungssystem im öffentlichen Dienst – mit Übergangsregelungen – auf eine Betriebsrente nach einem Punktemodell umgestellt. Die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden setzte das um. Zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens (und weiteren Lehrkräften sowie ihren kirchlichen Arbeitgebern) bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob bei vertraglichen Vereinbarungen, wie sie hier vorliegen, diese Umstellung von den Lehrkräften hinzunehmen ist.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte schulde ihr auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen eine Gesamtversorgung, die der Höhe nach den Regelungen für bayerische Beamte entspricht. Sie errechnet eine monatliche Differenz von 976,92 Euro und macht diese rückwirkend für Januar bis November 2004 als Einmalbetrag sowie monatlich ab dem 1. Dezember 2004 geltend.
Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.746,12 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1. Dezember 2004 jeweils weitere 976,92 Euro monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, der Vertrag enthalte keine Verweisung auf beamtenrechtliche Grundsätze bei der Versorgung. Im Übrigen hat sie die Berechnung der Klägerin bestritten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Es handelt sich um eine Leistungsklage. Soweit künftige Leistungen betroffen sind, liegt eine Klage auf wiederkehrende Leistung nach § 258 ZPO vor. Nach seiner Begründung ist der Antrag dahingehend zu verstehen, dass die verlangte Leistung längstens für die Dauer des Lebens der Klägerin beantragt werden soll. Einer ausdrücklichen Aufnahme in den Klageantrag bedurfte es nicht.
II. Nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 ZPO).
1. Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf die von ihr verlangten Leistungen aus den Vereinbarungen vom 18. September 1989 und 30. Juni 1992.
Bei den dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden Regelungen handelt es sich um typische, von den Arbeitgebern wiederholt verwendete Formulare, die das Revisionsgericht deshalb selbständig auslegen kann (vgl. BAG 11. Dezember 2001 – 3 AZR 334/00 – AP BetrAVG § 1 Unverfallbarkeit Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 80, zu I 2a aa der Gründe). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält der Überprüfung im Ergebnis stand. Dahingestellt kann dabei bleiben, ob mit dem Landesarbeitsgericht allein auf den letzten Arbeitsvertrag abzustellen ist. Die in Betracht kommenden Dienstverträge vom 18. September 1989 und 30. Juni 1992 sind gleich auszulegen und tragen den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht.
Die Vereinbarungen regeln nur die Verpflichtung der Arbeitgeberseite, die Klägerin bei der bayerischen Versicherungskammer anzumelden, verweisen hinsichtlich von Beitragsaufwendungen und Leistungen auf die Satzung dieser Kasse und bestimmen ferner, dass “durch” Einbeziehung in die Zusatzversorgung und die Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge zur Zusatzversorgungskasse eine Zusatzversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen iSd. Schulfinanzierungsrechts gewährleistet wird. Nach dem Wortlaut der Vereinbarungen erstreckt sich also die Verpflichtung der Arbeitgeber, nunmehr der Beklagten, allein darauf, in der im Arbeitsvertrag beschriebenen Weise vorzugehen. Dagegen enthalten die Arbeitsverträge keine Regelungen dahingehend, dass die Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen iSd. Schulfinanzierungsgesetzes zu erfolgen hat. Aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern ergibt sich lediglich die dem Vertrag zugrunde liegende Annahme, dass die von der Beklagten übernommenen Verpflichtungen die schulfinanzierungsrechtlichen Voraussetzungen einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erfüllen.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen traf diese Einschätzung auch noch zu, da die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes durch die Zusage einer Gesamtversorgung im Ruhestand ein Versorgungsniveau garantiert bekamen, das nach beamtenrechtlichen Grundsätzen an ihrem letzten Einkommen orientiert war. Einer weitergehenden Verpflichtung zur Sicherstellung einer derartigen Versorgung in den abgeschlossenen Arbeitsverträgen bedurfte es deshalb nicht. Das gilt auch vor dem Hintergrund des von der Klägerin angeführten Umstandes, dass die Beklagte derartige Arbeitsbedingungen bieten musste, um Lehrkräfte zu gewinnen, die sonst in den öffentlichen Dienst eingetreten wären, oder um solche aus dem öffentlichen Dienst zu übernehmen.
Dieses Auslegungsergebnis ist auf Grund der allgemeinen Auslegungsregeln eindeutig, so dass für eine Anwendung der Unklarheitenregel (nunmehr kodifiziert in § 305c Abs. 2 BGB) kein Raum ist (vgl. BAG 24. Januar 2006 – 3 AZR 583/04 – AP BGB § 313 Nr. 1, zu II 1c bb der Gründe). Schon aus diesem Grunde ist die vertragliche Vereinbarung auch nicht wegen ihrer Unklarheit unangemessen im Sinne der nunmehr in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltenen Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, selbst wenn diese Bestimmung oder der in ihr enthaltene Grundsatz anwendbar wäre.
2. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht. Der Regelungsplan der Parteien – Begründung einer Verpflichtung der Arbeitgeberseite lediglich zur Übernahme von Beiträgen – ist nicht lückenhaft geworden, sondern kann ohne weiteres weiterhin durchgeführt werden (vgl. BAG 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36, zu A II 7 der Gründe; BGH 1. Februar 1984 – VIII ZR 54/83 – BGHZ 90, 69, zu II 3b aa der Gründe).
III. Auf Grund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich nicht klären, inwieweit der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage (nunmehr § 313 BGB) zustehen. Die Voraussetzungen dieser Regelung liegen vor, jedoch bedarf es weiteren Vortrags zur Bestimmung der dadurch notwendigen Vertragsanpassung.
1. Die Geschäftsgrundlage des Vertrages der Parteien ist gestört, so dass der Klägerin ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.
a) Geschäftsgrundlage ist die bei Abschluss des Vertrages zutage getretene, dem anderen Teil erkennbar gewordene und von ihm nicht beanstandete Vorstellung einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Wegfall gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien darauf aufgebaut war (vgl. BAG 30. Mai 2006 – 3 AZR 273/05 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 65 = EzA BetrAVG § 1 Zusatzversorgung Nr. 17, zu B I 2 der Gründe). Hier haben die Parteien als Grundlage der von ihnen vertraglich übernommenen Verpflichtungen übereinstimmend angenommen, deren Erfüllung gewährleiste der Klägerin eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen iSd. bayerischen Schulfinanzierungsrechts. Das wird durch das Merkblatt des bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 2. Dezember 1987 bestätigt. Dieses Merkblatt ging schon nach seinem Wortlaut davon aus, dass die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden “ihren Versicherten eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährt”. Im Hinblick auf die Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung ist dabei davon auszugehen, dass auch der Geschäftswille der Parteien auf dieser Grundlage aufbaute.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es allerdings nicht Grundlage der vertraglich seitens der Arbeitgeber übernommenen Verpflichtungen geworden, dass die Klägerin eine Versorgung unter Anwendung des Beamtenversorgungsrechts erhalten würde. Die zur Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen gewordenen Regelungen des Schulfinanzierungsrechts unterscheiden vielmehr zwischen einer Versorgung nach Beamtenrecht und einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Diese werden allerdings nach den seinerzeit einschlägigen Regelungen bezogen auf die vom Freistaat Bayern zu leistenden Versorgungszuschüsse gleichbehandelt, so dass nicht nur die strukturellen Prinzipien des Beamtenrechts – Gesamtversorgung anhand der zuletzt ausgeübten Tätigkeit (vgl. nunmehr § 14 BeamtVG) –, sondern auch das beamtenrechtliche Versorgungsniveau Geschäftsgrundlage geworden ist. Eine Versorgungsordnung entspricht daher beamtenrechtlichen Grundsätzen, wenn es sich um eine im Wesentlichen an der zuletzt bezogenen Vergütung orientierte Gesamtversorgung mit einem dem Beamtenversorgungsrecht vergleichbaren Versorgungsgrad handelt. Im Vertragswortlaut zum Ausdruck gekommene Geschäftsgrundlage war, dass die Leistungen der Zusatzversorgungskasse diesen Anforderungen genügten. Insoweit kommt es auf die bis zur Umstellung auf das Punktemodell geltende Satzung der Zusatzversorgungskasse an, die ihrerseits beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprach, ohne dem Beamtenrecht im Einzelnen zu entsprechen.
b) Die Geschäftsgrundlage des Vertrages wurde dadurch gestört, dass auf Grund der tarifvertraglichen Änderungen vom März 2002 und die daran anknüpfende Umsetzung in der Satzung der Zusatzversorgungskasse keine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen mehr gewährleistet ist, weil das Gesamtversorgungssystem durch ein Punktesystem ersetzt wurde. Damit sind beamtenrechtliche Grundsätze nicht mehr gewahrt. Es hat eine Systemänderung stattgefunden.
c) Auf Grund der Umstände und der vertraglichen Risikoverteilung kann der Klägerin das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zugemutet werden.
Die Verträge der Parteien legten zwar einerseits das für die kirchlichen und staatlichen Angestellten maßgebliche Regelungswerk – BAT und diözesane Regelungen – zugrunde. Hinsichtlich der Vergütung und der Altersversorgung wurden aber abweichende Regelungen vereinbart. Insoweit wurde an Beamtenrecht angeknüpft, indem vertragliche Regelungen vereinbart wurden, die beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprechen sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur – wie bei Angestellten im öffentlichen Dienst – eine Versicherung der Klägerin bei der Zusatzversorgungskasse vorgenommen wurde, sondern die Arbeitgeberin darüber hinaus sämtliche Beitragskosten zur Altersversorgung übernahm. Insoweit war die Klägerin vergleichbar einem Beamten abgesichert. Zu Recht verweist sie in diesem Zusammenhang darauf, dass die kirchlichen Schulträger hinsichtlich der Personalrekrutierung in Konkurrenz zum staatlichen Schulwesen stehen, in dem eine Verbeamtung von Lehrern möglich ist.
Mit der Übernahme dieser Verpflichtungen bei einem an sich an den für Angestellte geltenden Grundsätzen orientierten Vertrag haben die kirchlichen Arbeitgeber daher das Risiko übernommen, dass der von ihnen gewählte Versorgungsweg – Versicherung bei der Zusatzversorgungskasse – tatsächlich beamtenrechtlichen Grundsätzen entspricht. Daran ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil die kirchlichen Arbeitgeber schon 1972 von der Zusage abgegangen waren, über die VbO eine Versorgung nach Beamtenrecht vorzunehmen. Sie haben die Orientierung am Beamtenrecht insoweit lediglich abgemildert und statt einer Versorgung nach Beamtenrecht eine solche nach beamtenrechtlichen Grundsätzen über die Zusatzversorgungskasse vorgenommen. Die Orientierung am Beamtenrecht durch Wahrung beamtenrechtlicher Grundsätze blieb weiterhin Teil des von der Arbeitgeberseite, nunmehr der Beklagten, zu tragenden Risikos.
2. Die Klägerin hat demnach Anspruch auf Anpassung des Vertrages. Ausgangspunkt des Anpassungsanspruchs ist die Satzung der Zusatzversorgungskasse in der Fassung vor der Änderung nach den tariflichen Regelungen aus März 2002, nicht das Beamtenversorgungsrecht. Diese entsprach der dem Vertrag zugrunde liegenden Annahme, dass der Klägerin durch die vertraglichen Regelungen eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährleistet ist. Die Klägerin hat insofern zunächst einen Anspruch auf weitere Anwendung dieser früher in Bezug genommenen Regelungen. Dabei sind Entgeltsteigerungen zu berücksichtigen.
Ferner ist bei der Ausgestaltung des Anpassungsanspruchs zu beachten, dass die Bezugnahme auf beamtenrechtliche Grundsätze, die ihrerseits nach der Systematik der in Bezug genommenen seinerzeit geltenden Regelungen des bayerischen Schulfinanzierungsrechts der Beamtenversorgung gleichwertig waren, die Frage aufwirft, wie sich das Versorgungsniveau der Beamten entwickelt hat. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es im öffentlichen Dienst unterschiedliche Methoden der Anpassung der Belastungen durch die Altersversorgung gegeben hat: Während die Tarifvertragsparteien auf ein Punktesystem umgestiegen sind, hat der Gesetzgeber durch eine Herabsetzung des Versorgungsniveaus für Beamte reagiert (Versorgungsänderungsgesetz vom 20. Dezember 2001, BGBl. I S. 3926). Da Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen im Sinne einer Orientierung auch am Versorgungsniveau der Beamten war, kann die Senkung dieses Versorgungsniveaus – einschließlich der Übergangsregelungen – nicht unberücksichtigt bleiben.
Außerdem ist zu beachten, dass die Versorgungsregelung der Klägerin trotz einzelvertraglicher Grundlage Teil eines Versorgungssystems der katholischen Schulträger insofern war, als es eine allgemeine Praxis für Vereinbarungen wie die ihrem Vertrag zugrunde liegende gab. Die sich aus der Berücksichtigung von Änderungen im Beamtenversorgungsrecht gegenüber der letzten, noch der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien entsprechenden Fassung der Versorgungssatzung ergebenden Einschränkungen müssen in Bezug auf das gesamte Versorgungssystem der katholischen Schulträger in Bayern gesehen werden. Obwohl bei einer Störung der Geschäftsgrundlage an sich eine unmittelbare Vertragsänderung eintritt (vgl. BGH 1. Februar 2002 – V ZR 61/01 – WM 2002, 772, zu II 1 der Gründe; 8. Februar 2006 – VIII ZR 304/04 – BB 2006, 911, zu II 1c der Gründe), erfordert eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes daher eine gestaltende Entscheidung durch die kirchlichen Arbeitgeber, wenn daraus eine weitere Einschränkung hergeleitet werden soll. Nur diese können durch eine gestaltende Entscheidung eine insgesamt angemessene, uU auch pauschalierende Regelung herbeiführen.
3. Die Beklagte hat deshalb gegenüber dem grundsätzlichen Anspruch auf Beibehaltung der letzten den Grundlagen des Vertragsverhältnisses entsprechenden Fassung der Satzung der Zusatzversorgungskasse eine Entscheidung zu treffen, die diesen Gesichtspunkten in angemessener Weise Rechnung trägt. Die Zurückverweisung gibt ihr dazu Gelegenheit. Die Beklagte wird darzulegen und ggf. zu beweisen haben, ob und welche Entscheidung sie getroffen hat, auf welcher Grundlage sie beruht und ob sie angemessen ist. Trifft die Beklagte diese Entscheidung nicht in angemessener Zeit, ist weiterhin die Satzung der Zusatzversorgungskasse in der Fassung vor der Umstellung auf das Punktemodell maßgebend, wobei auch die Weiterentwicklung im Arbeitsverhältnis der Klägerin, insbesondere Entgeltsteigerungen, zu berücksichtigen sind.
IV. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits ist nicht aus anderen Gründen entbehrlich, insbesondere führt die Abweichung vom Versorgungsrecht der Beamten nicht zur Sittenwidrigkeit der Regelung, weil die Entgeltregelung etwa nicht den öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen der Lehrervergütung in privaten Ersatzschulen entspricht (vgl. dazu BAG 26. April 2006 – 5 AZR 549/05 – BAGE 118, 66). Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG, nach dem die Genehmigung für eine private Ersatzschule zu versagen ist, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist, wird durch Art. 97 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen umgesetzt. Nach Abs. 1 Nr. 3 dieser Regelung ist die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte ua. dann genügend gesichert, wenn für die Lehrkräfte eine Anwartschaft auf Versorgung erworben wird, die wenigstens den Bestimmungen der Angestelltenversicherung entspricht. Das ist hier eingehalten.
Unterschriften
Reinecke, Zwanziger, Schlewing, Schmidt, Lohre
Fundstellen
Haufe-Index 1959787 |
BB 2008, 889 |
DB 2008, 2842 |