Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs
Orientierungssatz
- Klauseln in Prozessvergleichen sind in der Regel nichttypische Erklärungen.
- Die Auslegung nichttypischer Vertragserklärungen durch die Tatsachengerichte ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist.
- Hält die Auslegung eines Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, kann das Revisionsgericht den Vergleich selbst auslegen, wenn der Sachverhalt durch das Landesarbeitsgericht vollständig festgestellt und weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien nach einer Zurückverweisung nicht zu erwarten ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 611 Abs. 1, § 779 Abs. 1; ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
Thüringer LAG (Urteil vom 30.06.2005; Aktenzeichen 1/7 Sa 280/04) |
ArbG Erfurt (Urteil vom 05.02.2004; Aktenzeichen 1 Ca 4004/02) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 30. Juni 2005 – 1/7 Sa 280/04 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 5. Februar 2004 – 1 Ca 4004/02 – insoweit abgeändert, als es die Klage abgewiesen hat.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 3.675,49 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2003 zu zahlen.
- Der Beklagte hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die zutreffende Eingruppierung des Klägers ab Juli 2001.
Der Beklagte ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Der Kläger war ab Februar 1992 beim Bundesvorstand des Beklagten als stellvertretender Leiter der Bundesrechtsstelle in Kassel angestellt. Im schriftlichen Anstellungsvertrag vom 1. Februar 1992 ist ua. vereinbart, dass der Kläger Gehalt der Gruppe 10, Stufe 6, der Gehaltstabelle des DGB erhält und die Allgemeinen Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten des DGB (AAB) in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. In § 5 Nr. 1 der ab Januar 1998 gültigen AAB heißt es:
“Die Eingruppierung und die Höhe des Arbeitsentgelts ergeben sich aus dem Tätigkeitskatalog und der Gehaltstabelle in der jeweils gültigen Fassung sowie aus den diese Regelungsbereiche ergänzenden Betriebsvereinbarungen.”
Die Bundesrechtsstelle des Beklagten in Kassel nahm Aufgaben im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts wahr. Ihr Leiter ist nach dem ab Oktober 1974 gültigen Tätigkeitskatalog in die Gehaltsgruppe 11 und ihr stellvertretender Leiter in die Gehaltsgruppe 10 eingruppiert. Die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten, die mit der Führung von Prozessen vor dem Bundessozialgericht betraut waren, wurden mit Wirkung zum 1. Januar 1999 auf die DGB-Rechtsschutz GmbH übertragen. Davon betroffen war auch das Arbeitsverhältnis des Leiters der Bundesrechtsstelle. Beim Beklagten verblieben die Arbeitsverhältnisse der für den arbeitsrechtlichen Teil des Aufgabenbereichs zuständigen Mitarbeiter, zu denen der Kläger gehörte. Dieser verlangte in einem Schreiben vom 27. November 2000, ihn rückwirkend ab Januar 1999 nach der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs zu vergüten. Als Begründung führte er an, er leite seit diesem Zeitpunkt die Bundesrechtsstelle. Dem widersprach der Bundesvorstand des Beklagten im Antwortschreiben vom 6. Dezember 2000 mit der Behauptung, die Bundesrechtsstelle werde nicht vom Kläger, sondern von der Kollegin N… geleitet. Diese war Abteilungsleiterin beim Bundesvorstand des Beklagten in Berlin. Daraufhin machte der Kläger einen Nachzahlungsanspruch in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Vergütungen nach der Gehaltsgruppe 10 und 11 für die Monate Januar bis Juli 1999 beim Arbeitsgericht Kassel (– 4 Ca 147/01 –) geltend und beantragte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 5.000,00 DM (2.556,46 Euro) brutto.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis während des Rechtsstreits der Parteien vor dem Arbeitsgericht Kassel mit einem Schreiben vom 26. Februar 2001 ordentlich zum 30. Juni 2001 und bot dem Kläger zugleich ab Juli 2001 eine Tätigkeit als Referatsleiter in der Abteilung ASM mit Sitz in Erfurt an. Im Übrigen sollten die bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen gelten. Nachdem der Kläger wegen dieser Änderungskündigung seine Klage erweitert hatte, machte der Beklagte ihm mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27. Juni 2001 zur Beilegung des Änderungskündigungsrechtsstreits ein Vergleichsangebot. In diesem heißt es:
“1. Der Kläger nimmt die Funktion eines Referatsleiters in der Verbindungsstelle beim BAG mit folgenden Arbeitsschwerpunkten wahr:
…
– Zusammenarbeit mit den Richtern der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, insbesondere des BAG, des EuGH sowie der Aufgabe der Vermittlung dieser Inhalte in den gewerkschaftlichen Bereich hinein.
2. Der Arbeitsort ist ab dem 01.07.2001 Erfurt. In dem Zeitraum 01.07.2001 bis 30.09.2001 erbringt der Kläger seine Arbeitsleistung zeitlich und örtlich flexibel entsprechend den redaktionellen Bedürfnissen bei der Erstellung der Zeitung und der Wahrnehmung der Arbeitsaufgaben beim BAG in Erfurt. Der Kläger verpflichtet sich, entsprechende Wochenarbeitspläne zu erstellen und diese der Abteilungsleiterin N… rechtzeitig vorzulegen.
…
6. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit diesem Vergleich der anhängige Änderungskündigungsrechtsstreit beim Arbeitsgericht Kassel erledigt ist.
7. Die geltend gemachten Vergütungsansprüche mit Wirkung ab 01.01.1999 (teilweise beim Arbeitsgericht Kassel rechtshängig) bleiben von dieser Vereinbarung unberührt.”
In das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2001 vor dem Arbeitsgericht Kassel wurde folgende vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten nach einer Unterbrechung der Verhandlung abgegebene Erklärung aufgenommen:
“Der Beklagtenvertreter erklärt, für den Beklagten wird verbindlich erklärt, dass mit der streitgegenständlichen Änderungskündigung und dem nachfolgenden Vergleich sich die Arbeitsinhalte und die sonstigen Arbeitsbedingungen nicht ändern, außer dem Arbeitsort.”
Danach schlossen die Parteien folgenden Teilvergleich:
“Der Kläger akzeptiert den von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 27. Juni 2001 angebotenen Vergleich mit der Maßgabe, dass es in Ziffer 7) heißt, die geltend gemachten Eingruppierungs- und Vergütungsansprüche mit Wirkung ab 01. Januar 1999 (teilweise beim Arbeitsgericht Kassel rechtshängig) bleiben von dieser Vereinbarung unberührt.”
Das Arbeitsgericht Kassel wies mit Urteil vom 28. Juni 2001 (– 4 Ca 147/01 –) die Zahlungsklage des Klägers ab. Dieser nahm am 1. Juli 2001 die im Teilvergleich vom 28. Juni 2001 vereinbarte Tätigkeit in Erfurt auf. Das Hessische Landesarbeitsgericht (– 9 Sa 1543/01 –) änderte auf die Berufung des Klägers am 18. Juli 2002 das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. Juni 2001 (– 4 Ca 147/01 –) ab und gab der Zahlungsklage des Klägers statt. Als Begründung führte es an, der Beklagte habe dem Kläger konkludent die Tätigkeit des Leiters der Bundesrechtsstelle übertragen, so dass dieser ab Januar 1999 Anspruch auf Vergütung nach der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs habe.
Der Beklagte teilte in einem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19. Dezember 2002 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass er dem Kläger den diesem vom Hessischen Landesarbeitsgericht für die Monate Januar bis Juli 1999 zugesprochenen Betrag nebst Zinsen zahlen werde. Weitere Nachzahlungen für das Jahr 1999 lehnte er mit der Begründung ab, die Vergütungsansprüche des Klägers seien insoweit verjährt. Für die Monate Januar bis November 2000 kündigte der Beklagte im Schreiben vom 19. Dezember 2002 Nachzahlungen iHv. insgesamt 5.075,00 Euro an und wies darauf hin, dass für die Zeit ab Dezember 2000 keine Gehaltsdifferenz mehr gezahlt werde, weil dem Kläger mit Schreiben vom 6. Dezember 2000 eindeutig mitgeteilt worden sei, dass die Kollegin N… die Bundesrechtsstelle leite und der Kläger sich ab Zugang dieses Schreibens nicht mehr auf eine konkludente Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit stützen könnte. Entsprechend dieser Ankündigung vergütete der Beklagte den Kläger bis November 2000 nach der Gehaltsgruppe 11 und in der Folgezeit nach der Gehaltsgruppe 10 des Tätigkeitskatalogs.
Der Kläger hat gemeint, ihm stünde für die Monate Dezember 2000 bis Dezember 2001 Vergütung der Gehaltsgruppe 11 zu. Er habe seine arbeitsrechtliche Stellung und seinen Status als Leiter der DGB-Bundesrechtsstelle weder auf Grund der Mitteilung des Bundesvorstandes des Beklagten vom 6. Dezember 2000 noch in Folge des Umzuges der Bundesrechtsstelle nach Erfurt verloren. Es habe sich nur der Arbeitsort geändert. Dies habe der Beklagte ausdrücklich vor dem Abschluss des Teilvergleichs am 28. Juni 2001 erklärt. Für den Klagezeitraum errechne sich einschließlich des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes sowie der Trennungsentschädigung eine Vergütungsdifferenz iHv. insgesamt 6.770,08 Euro.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.770,08 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger habe sich nach dem Erhalt des Schreibens seines Bundesvorstandes vom 6. Dezember 2000 nicht mehr auf eine konkludente Übertragung der Position des Leiters der Bundesrechtsstelle berufen können. Als Referatsleiter in der Verbindungsstelle beim Bundesarbeitsgericht sei der Kläger nach Gehaltsgruppe 10 des Tätigkeitskatalogs zu vergüten. Der Anspruch des Klägers folge nicht aus dem Teilvergleich vom 28. Juni 2001. In diesem hätten sich die Parteien nicht über die Eingruppierung des Klägers geeinigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der vom Kläger für die Monate Dezember 2000 bis Juni 2001 beanspruchten Differenzbeträge stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 3.094,59 Euro verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den für die Monate Juli bis Dezember 2001 geltend gemachten Vergütungsanspruch iHv. insgesamt 3.675,49 Euro weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger für die Monate Juli bis Dezember 2001 Vergütung der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs beansprucht hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, der Kläger habe ab Juli 2001 keinen Anspruch mehr auf Vergütung der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs. Die Tätigkeiten des Referatsleiters in der Verbindungsstelle beim Bundesarbeitsgericht und des Leiters der Bundesrechtsstelle unterschieden sich. Ziff. 1 des Teilvergleichs spreche dem Wortlaut nach zwar für eine deklaratorische Zustandsbeschreibung. Es heiße dort nicht, dass dem Kläger die Funktion eines Referatsleiters übertragen werde oder dass dieser die Funktion eines Referatsleiters übernehme. Für die Annahme einer Zustandsbeschreibung ohne weitergehende Erklärungsabsicht spreche ferner, dass ein Datum für den Beginn der Aufgabenwahrnehmung in Ziff. 1 des Teilvergleichs fehle. Der Auslegung, die Regelung habe keine konstitutive Bedeutung, begegneten jedoch sprachliche Bedenken. Mit dem Wort “Referatsleiter” hätten die Parteien einen Begriff aus dem Gehaltsgruppenverzeichnis des Tätigkeitskatalogs verwendet, der sich bei den Gehaltsgruppen des Bundesvorstandes nur bei der Gehaltsgruppe 10 finde. Der Leiter der Verbindungsstelle als ehemaliger Leiter der Bundesrechtsstelle sei kein Referatsleiter. Es hätte folglich zumindest einer Klarstellung bedurft, dass mit dem Begriff “Referatsleiter” in Ziff. 1 des Teilvergleichs nicht auf den Begriff des Referatsleiters iSd. Tätigkeitskatalogs abgestellt werde. Gegenstand der Änderungskündigung des Beklagten sei nicht nur der Arbeitsort gewesen, sondern auch der Tätigkeitsbereich des Klägers. Dem Kläger sei seine Einstellung als Referatsleiter in der Abteilung ASM mit Sitz in Erfurt angeboten worden. Insofern habe das Vertragsangebot des Beklagten eine Tätigkeit in der Gehaltsgruppe 10 vorgesehen. Ziff. 7 des Teilvergleichs habe Eingruppierungs- und Vergütungsansprüche des Klägers nur für die Zeit bis zum Abschluss des Vergleichs ausgenommen. Auch die in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2001 vor dem Abschluss des Teilvergleichs zu Protokoll gegebene Erklärung des Beklagten führe zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Damit habe der Beklagte nur eine Position bekräftigt, die er schon vorher eingenommen habe und die sogar teilweise zwischen den Parteien unstreitig gewesen sei.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Dem Kläger steht nach § 611 Abs. 1 BGB für die Monate Juli bis Dezember 2001 Vergütung nach der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs zu. Über die Höhe des vom Kläger beanspruchten Differenzbetrages von insgesamt 3.675,49 Euro besteht kein Streit.
1. Der Kläger hatte bis Juni 2001 Anspruch auf Vergütung nach der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs. Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der vom Kläger für die Monate Dezember 2000 bis Juni 2001 beanspruchten Vergütung nach der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs stattgegeben. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist insoweit rechtskräftig geworden. Die Parteien sind in ihrem in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2001 vor dem Arbeitsgericht Kassel geschlossenen Teilvergleich übereinstimmend davon ausgegangen, dass sich die Tätigkeit und die Eingruppierung des Klägers auf Grund des Umzuges von Kassel nach Erfurt nicht ändern. Deshalb steht dem Kläger auch für den Klagezeitraum Juli bis Dezember 2001 Vergütung nach der Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs zu.
2. Bei den Abreden der Parteien im Teilvergleich handelt es sich um nichttypische Erklärungen. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 8. März 2006 (– 10 AZR 349/05 – AP HGB § 74 Nr. 79 = EzA HGB § 74 Nr. 67, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) nicht mehr daran festgehalten, dass Prozessvergleiche generell typische Erklärungen sind und demnach ihre Auslegung unabhängig von ihrem Charakter revisionsrechtlich voll überprüfbar ist. Er hat angenommen, ob eine Aufhebungsvereinbarung außergerichtlich oder gerichtlich geschlossen werde, sei für die Reichweite ihres materiellen Inhalts ohne Bedeutung. Die prozessbeendende Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs habe Auswirkungen lediglich auf das Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen worden sei. Diese Wirkung bleibe voll überprüfbar. Die materielle Reichweite der Erklärungen sei in beiden Fällen auf gleiche Weise zu ermitteln und müsse revisionsrechtlich gleich behandelt werden. Spätestens seit der Einführung des § 278 Abs. 6 ZPO, wonach Zustandekommen und Inhalt gerichtlicher Vergleiche durch Beschluss festgestellt werden könnten, nachdem die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet oder durch einen Schriftsatz einen Vorschlag des Gerichts angenommen hätten, bestehe kein Grund mehr, hinsichtlich der materiellen Wirkungen zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen zu unterscheiden. Daran hält der Senat fest.
3. Die Auslegung nichttypischer Vertragserklärungen durch die Tatsachengerichte ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist (st. Rspr. vgl. BAG 3. Mai 2006 – 10 AZR 310/05 – DB 2006, 1499; 16. November 2005 – 10 AZR 108/05 – ZTR 2006, 313; 13. März 2003 – 6 AZR 585/01 – BAGE 105, 205, 208; 5. Juni 2002 – 7 AZR 241/01 – BAGE 101, 262; 15. November 2000 – 5 AZR 296/99 – BAGE 96, 237, 241 mwN). Die Auslegung des Teilvergleichs durch das Landesarbeitsgericht hält selbst dieser eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Auslegung der Erklärungen im Teilvergleich gegen anerkannte Auslegungsregeln verstoßen und wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen. Das führt hier nicht zur Zurückverweisung. Der Senat kann ausnahmsweise die Vereinbarungen der Parteien im Teilvergleich selbst auslegen. Der in den wesentlichen Tatsachen unstreitige Sachverhalt ist durch das Landesarbeitsgericht vollständig festgestellt und weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien nach einer Zurückverweisung nicht zu erwarten (BAG 24. November 2005 – 2 AZR 614/04 – AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 19 = EzA KSchG § 1 Nr. 59, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 17. Mai 1984 – 2 AZR 161/83 – AP BAT § 55 Nr. 3).
4. Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 3. Mai 2006 – 10 AZR 310/05 – DB 2006, 1499; 26. September 2002 – 6 AZR 434/00 – AP BBiG § 10 Nr. 10 = EzA BBiG § 10 Nr. 6, zu I 3 der Gründe; 12. Juni 2002 – 10 AZR 323/01 – EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 110, zu II 1b der Gründe). Danach war mit dem Umzug von Kassel nach Erfurt keine Verminderung der Vergütung des Klägers verbunden.
5. Bei der Auslegung des Teilvergleichs ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Parteien diesen zur Erledigung des Änderungskündigungsrechtsstreits geschlossen haben. Für die Frage, ob sich mit dem Umzug von Kassel nach Erfurt die Tätigkeit des Klägers geändert und dies zu einer Umgruppierung des Klägers in eine andere Gehaltsgruppe des Tätigkeitskatalogs geführt hat, ist deshalb der Inhalt des Vertragsangebots des Beklagten im Änderungskündigungsschreiben vom 26. Februar 2001 von Bedeutung. Dieses betraf die Eingruppierung des Klägers nicht. Das besagt schon der Wortlaut, wonach dem Kläger die Stelle des Referatsleiters in der Abteilung ASM mit Sitz in Erfurt angeboten wurde und im Übrigen die bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen gelten sollten. Die Formulierung “Im Übrigen gelten die bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen” zwingt zu der Annahme, dass der Umzug nach Erfurt nicht zu einer Herabgruppierung des Klägers führen sollte. Das hat auch der Beklagte selbst so gesehen. Sein Prozessbevollmächtigter hat in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2001 vor dem Arbeitsgericht Kassel ua. zu Protokoll erklärt, dass sich mit der streitgegenständlichen Änderungskündigung außer dem Arbeitsort die Arbeitsinhalte und die sonstigen Arbeitsbedingungen nicht änderten. Dies schließt die Auslegung des Landesarbeitsgerichts aus, Gegenstand der Änderungskündigung sei nicht nur der Arbeitsort, sondern auch der Tätigkeitsbereich des Klägers gewesen. Unerheblich ist, dass die Parteien über die zutreffende Eingruppierung des Klägers gestritten haben. Allein maßgebend ist, dass die Änderungskündigung die Arbeitsinhalte nicht betroffen hat und damit auch nicht die Eingruppierung des Klägers.
6. Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, Ziff. 1 des Teilvergleichs spreche dem Wortlaut nach für eine “deklaratorische Zustandsbeschreibung”. Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, mit dem Wort “Referatsleiter” hätten die Parteien einen Begriff aus dem Gehaltsgruppenverzeichnis des Tätigkeitskatalogs verwendet, der sich bei den Gehaltsgruppen des Bundesvorstands nur bei der Gehaltsgruppe 10 finde, trifft zu. Jedoch hat das Landesarbeitsgericht aus der Verwendung des Begriffs “Referatsleiter” zu Unrecht gefolgert, dass die Parteien damit mittelbar vereinbart hätten, dass der Kläger ab Juli 2001 nach der Gehaltsgruppe 10 des Tätigkeitskatalogs zu vergüten ist.
a) Das Landesarbeitsgericht hat bei der Auslegung der Ziff. 1 des Teilvergleichs verkannt, dass mit dem Änderungsangebot des Beklagten keine Herabgruppierung des Klägers verbunden war. Deshalb hätte es nicht, wie dies das Landesarbeitsgericht angenommen hat, im Teilvergleich einer Klarstellung bedurft, dass mit der Verwendung des Wortes “Referatsleiter” in Ziff. 1 des Teilvergleichs nicht auf den Begriff des Referatsleiters iSd. Tätigkeitskatalogs abgestellt wird. Vielmehr hätten die Parteien im Teilvergleich klarstellen müssen, dass der Kläger jedenfalls ab dem 1. Juli 2001 nach Aufnahme seiner Tätigkeit in Erfurt in die Gehaltsgruppe 10 des Tätigkeitskatalogs eingruppiert ist, wenn sie sich so hätten einigen wollen.
b) Ein Vergleich ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779 Abs. 1 BGB). Ein solches gegenseitiges Nachgeben fehlt, wenn in einem gerichtlichen Vergleich zur Beilegung eines Änderungskündigungsrechtsstreits für den Arbeitnehmer gegenüber dem Änderungsangebot des Arbeitgebers ausschließlich ungünstigere Arbeitsbedingungen vereinbart werden. Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände kann deshalb nicht angenommen werden, dass in einem Vergleich zur Beilegung eines Änderungskündigungsrechtsstreits abweichend vom Änderungsangebot des Arbeitgebers ausschließlich zu Ungunsten des Arbeitnehmers Abreden getroffen werden, wenn dies im Wortlaut nicht deutlich zum Ausdruck kommt. Die Parteien haben in ihrem Teilvergleich weder ausdrücklich noch – entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts mittelbar – durch die Verwendung des Wortes “Referatsleiter” geregelt, in welche Gehaltsgruppe des Tätigkeitskatalogs der Kläger ab dem 1. Juli 2001 eingruppiert ist. Sie haben sowohl bei Ausspruch der Änderungskündigung vom 26. Februar 2001 als auch bei Abschluss des Teilvergleichs am 28. Juni 2001 darüber gestritten, ob der Kläger ab Januar 1999 nach wie vor als stellvertretender Leiter der Bundesrechtsstelle nach Gehaltsgruppe 10 oder als Leiter der Bundesrechtsstelle nach Gehaltsgruppe 11 des Tätigkeitskatalogs zu vergüten ist. Diesen Streit über die zutreffende Eingruppierung des Klägers haben die Parteien mit dem Abschluss des Teilvergleichs nicht beigelegt. In Ziff. 7 des Teilvergleichs haben sie ausdrücklich vereinbart, dass die vom Kläger geltend gemachten Eingruppierungs- und Vergütungsansprüche von dieser Vereinbarung unberührt bleiben. Damit blieb die Frage der Eingruppierung des Klägers offen. Das hat das Landesarbeitsgericht nicht erkannt, obwohl dies nicht nur der Kläger, sondern auch der Beklagte so gesehen hat. Dieser hatte in der Berufungserwiderung vom 27. September 2004 ausdrücklich vorgetragen, die Parteien hätten sich mit dem geschlossenen Vergleich nicht über die Eingruppierung des Klägers geeinigt. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht deshalb angenommen, die in Ziff. 7 des Teilvergleichs getroffene Regelung, wonach die vom Kläger geltend gemachten Eingruppierungs- und Vergütungsansprüche unberührt blieben, habe Eingruppierungs- und Vergütungsansprüche des Klägers nur bis Juni 2001 ausgenommen. Ungeachtet des übereinstimmenden Vortrags der Parteien, im Teilvergleich hätten sie sich nicht über die Eingruppierung des Klägers geeinigt, steht der Auslegung des Landesarbeitsgerichts auch der Wortlaut der Vergleichsabrede entgegen. Diese enthält keine zeitliche Einschränkung oder Begrenzung auf rechtshängige Ansprüche.
c) Für die Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien ist von erheblicher Bedeutung, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nach einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2001 unmittelbar vor dem Zustandekommen des Teilvergleichs für den Beklagten verbindlich zu Protokoll erklärt hat, dass sich durch den nachfolgenden Vergleich außer dem Arbeitsort die Arbeitsinhalte und die sonstigen Arbeitsbedingungen des Klägers nicht ändern. Die gebotene Berücksichtigung dieses wesentlichen tatsächlichen Begleitumstandes schließt nicht nur eine Auslegung der in Ziff. 7 des Teilvergleichs getroffenen Regelung aus, wonach die vom Kläger geltend gemachten Eingruppierungs- und Vergütungsansprüche nur bis Juni 2001 ausgenommen waren, sondern zwingt zu der Annahme, dass der Umzug von Kassel nach Erfurt für die Arbeitsinhalte und für die Eingruppierung des Klägers ohne jede Bedeutung war. Gegen die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, mit dieser ins Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2001 aufgenommenen Erklärung habe der Beklagte nur eine Position bekräftigt, die er schon vorher eingenommen habe, sprechen entscheidend die Formulierung “wird für den Beklagten verbindlich erklärt” und die Aufnahme dieser Erklärung ins Protokoll. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht berücksichtigt, dass es bei der Auslegung der Protokollerklärung des Beklagten darauf ankommt, wie diese vom Kläger als Erklärungsempfänger zu verstehen war. Danach musste der Kläger davon ausgehen, dass sich mit dem Umzug von Kassel nach Erfurt nur der Arbeitsort ändert.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Lindemann, Petri
Fundstellen
Haufe-Index 1682979 |
DB 2007, 809 |