Entscheidungsstichwort (Thema)
Statusklage
Leitsatz (amtlich)
Die Klage auf Feststellung eines beendeten Arbeitsverhältnisses bedarf eines besonderen, vom Kläger darzulegenden Feststellungsinteresses, das nur gegeben ist, wenn sich gerade aus dieser Feststellung Folgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben. Die Feststellung des Arbeitsverhältnisses muß zur Folge haben, daß noch Ansprüche zumindest dem Grunde nach bestehen.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BGB §§ 138, 612 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. März 1998 – 12 Sa 78/97 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg vom 23. April 1997 – 8 Ca 668/96 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen in der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. November 1995 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Die Beklagte vermittelt gewerbsmäßig Verträge über Versicherungen, Vermögensanlagen und Finanzierungen aller Art. Der Kläger war ab dem 1. Juli 1993 für zwölf Monate als „Juniorberater” und dann bis zum 30. November 1995 als „Mitarbeiter” bei der Beklagten beschäftigt.
Vertragsgemäß erhielt der Kläger bis einschließlich Mai 1995 verrechenbare Provisionsvorschüsse in Höhe von 4.000,– DM monatlich. 1994 und 1995 beliefen sich seine Provisionseinnahmen auf jeweils weniger als 16.000,– DM. Unter Berücksichtigung der vom Kläger zu tragenden Kosten betrug der Saldo per 31. Dezember 1995 77.964,17 DM zugunsten der Beklagten. Die Beklagte hat die Rückzahlung dieses Betrages verlangt. Der Kläger hat dies mit der Begründung verweigert, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Die Provisionsvorschüsse, ob verdient oder nicht, seien unentziehbares Arbeitsentgelt.
Der Kläger hat am 2. Dezember 1996 Klage erhoben und beantragt
festzustellen, daß er in der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. November 1995 als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe noch mit Schreiben vom 16. September 1996 ein Schuldanerkenntnis angeboten und erst nach Bekanntwerden des Urteils des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 31. Juli 1996 seinen Status als selbständiger Handelsvertreter in Frage gestellt. Im übrigen könne sie die Rückzahlung nicht ins Verdienen gebrachter Provisionsvorschüsse auch dann beanspruchen, wenn ein Arbeitsverhältnis bestanden hätte. Der Kläger sei aber kein Arbeitnehmer gewesen. Er habe keinem umfassenden Weisungsrecht unterlegen. Der Kläger sei weder zeitlich noch quantitativ in der Anwerbung von Kunden begrenzt worden. Er habe seine Arbeitszeit selbständig bestimmen können und keinen Anwesenheitspflichten in der Geschäftsstelle unterlegen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben, denn die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist unbegründet. Die Klage ist unzulässig. Es fehlt an dem erforderlichen Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO.
I. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO ist als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Dabei hat das Gericht den Sachverhalt nicht von Amts wegen zu untersuchen, sondern der Kläger hat die erforderlichen Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (BAG 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – BAGE 74, 201, 203; BAG 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 – BAGE 85, 347).
1. Das Bundesarbeitsgericht hat Klagen von Beschäftigten auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, also gegenwartsbezogene Klagen, in ständiger Rechtsprechung als zulässig angesehen (BAG 20. Juli 1994 – 5 AZR 196/93 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 26). Das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung ergibt sich bei derartigen Klagen daraus, daß bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auf das Vertragsverhältnis der Parteien unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind, die ein Arbeitsverhältnis gestalten, und zwar sofort und nicht erst in Zukunft.
2. Auf Klagen, die auf Feststellung eines bereits beendeten Rechtsverhältnisses gerichtet sind, treffen die Erwägungen, mit denen das Rechtsschutzbedürfnis für gegenwartsbezogene Feststellungsklagen zu bejahen ist, nicht zu. Bei beendeten Vertragsverhältnissen ist in aller Regel klar erkennbar, welche Ansprüche noch im Raum sind. Das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bedarf daher einer besonderen Begründung. Es ist nur zu bejahen, wenn sich gerade hieraus Folgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben (BAG 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 – aaO; BAG 3. März 1999 – 5 AZR 275/98 – DB 1999, 1224 = NZA 1999, 669). Die Entscheidung muß für daraus abgeleitete Ansprüche vorgreiflich sein. Mit der Feststellung des Arbeitsverhältnisses muß zugleich feststehen, daß eigene Ansprüche zumindest dem Grunde nach noch bestehen oder gegnerische Ansprüche zumindest in bestimmtem Umfang nicht mehr gegeben sind.
II. Vorliegend fehlt es am notwendigen Feststellungsinteresse. Die bloße Behauptung des Klägers, daß sich aus der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft Folgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben könnten, reicht nicht aus. Der Kläger hat nicht darlegen können, daß ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten ausschließlich vom streitigen Arbeitnehmerstatus des Klägers abhängig ist. Der Kläger hat lediglich geäußert, im Falle der Feststellung seiner Arbeitnehmerstellung müsse er den aufgelaufenen Schuldsaldo nicht zurückzahlen, weil es sich bei den gewährten Provisionsvorschüssen um „unentziehbares” Arbeitsentgelt gehandelt habe.
Diese Begründung belegt kein Feststellungsinteresse des Klägers. Die Annahme, aus der Arbeitnehmereigenschaft folge unmittelbar das Nichtbestehen der Rückzahlungspflicht, ist unzutreffend. Die Nichtigkeit der getroffenen Vergütungsabrede nach § 138 BGB und damit die Möglichkeit ihrer Ersetzung durch § 612 Abs. 2 BGB mag zwar bei einem Angestellten eher anzunehmen sein als bei einem Handelsvertreter, doch hat der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit nicht dargelegt. Er hat lediglich pauschal behauptet, die gesamte Vertragsgestaltung, insbesondere diejenige des Juniorberatervertrages, und die tatsächliche Durchführung hätten zur Folge gehabt, daß er keine die Vorschußzahlungen deckenden oder sie übersteigenden Provisionen habe erzielen können. Konkreten Vortrag zum materiellen Inhalt der Vergütungsregelung hat er dagegen unterlassen. Darüber hinaus fehlen die im Hinblick auf § 612 Abs. 2 BGB notwendigen Ausführungen dazu, welche konkreten Tätigkeiten in welchem zeitlichen Umfang er für die Beklagte erbracht haben will, vollständig. Es besteht deshalb allenfalls die Möglichkeit, daß sich der Kläger bei Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft erfolgreich gegen die Ansprüche der Beklagten auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse zur Wehr setzen könnte.
III. Damit kann die Feststellungsklage weder dem Rechtsfrieden noch der Prozeßökonomie dienen. Das Feststellungsinteresse ist zu verneinen. Die Klage ist unzulässig.
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Winterfeld, Anthes
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.12.1999 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 2000, 1871 |
DStR 2000, 1448 |
NJW 2000, 1974 |
ARST 2000, 259 |
EWiR 2000, 987 |
FA 2000, 193 |
NZA 2000, 775 |
SAE 2000, 262 |
AP, 0 |
VersR 2001, 478 |