Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagsvergütung. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Vereinbarung über zusätzliche Arbeitsleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Erbringt ein Arbeitnehmer auf Grund einer besonderen Vereinbarung nach § 5 Nr. 3 Abs. 2 BRTV-Bau regelmäßig zusätzlich vergütete Arbeitsleistungen (hier Fahrleistungen), hat der Arbeitgeber nach § 2 EFZG das hierfür vereinbarte Arbeitsentgelt zu bezahlen, wenn die Arbeit infolge eines Feiertags ausfällt. Gleiches gilt nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG, wenn der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert ist.
2. Die Arbeitsvertragsparteien können den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers für regelmäßige zusätzliche Arbeitsleistungen nicht für Tage, an denen die Arbeit wegen eines Feiertags ausfällt oder an denen der Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung verhindert ist, ausschließen. Hierin läge eine nach § 12 EFZG unzulässige Abweichung von der Entgeltfortzahlungspflicht nach §§ 2 und 3 EFZG.
Orientierungssatz
1. Arbeitszeit iSv. § 2 EFZG ist die für die Arbeit vorgesehene oder festgelegte Zeitspanne.
2. Das Führen eines Kraftfahrzeugs zum Zwecke der Personenbeförderung im Auftrag eines Dritten ist Arbeit.
Normenkette
EFZG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 12; BRTV-Bau § 5 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Februar 2000 – 11 Sa 61/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Isolierer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung.
Der Kläger fährt an jedem Arbeitstag Arbeitskollegen mit einem Firmenwagen zur Baustelle und wieder zurück. Die Beklagte zahlt ihm dafür zusätzlich zu seinem tariflichen Arbeitsverdienst für 3,25 Arbeitsstunden täglich eine Vergütung in Höhe von 27,03 DM brutto je Stunde.
Der Kläger war am 29. und 30. September 1998 arbeitsunfähig krank. Für diese beiden Tage der Arbeitsunfähigkeit leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung im Umfang der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit. Die Fahrertätigkeit berücksichtigte sie jedoch nicht.
Mit seiner Klage fordert der Kläger für die zwei Tage der Arbeitsunfähigkeit zusätzliche Entgeltfortzahlung im Umfang von jeweils 3,25 Stunden zu 27,03 DM brutto. Weiterhin begehrt der Kläger in gleichem Umfang von der Beklagten Entgeltfortzahlung für die infolge der gesetzlichen Feiertage am 1. Mai 1998 (Freitag), 21. Mai 1998 (Donnerstag, Christi Himmelfahrt), 1. Juni 1998 (Pfingstmontag) und 11. Juni 1998 (Donnerstag, Fronleichnam) ausgefallene Fahrzeit sowie berichtigte Lohnabrechnungen für die Monate Mai, Juni und September 1998.
Der Kläger hat – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 527,09 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus einem Bruttobetrag von 351,39 DM ergebenden Nettobetrag seit 25. August 1998 und einem weiteren sich aus dem Bruttobetrag von 175,70 DM ergebenden Nettobetrag seit 27. November 1998 zu zahlen und für die Monate Mai, Juni und September 1998 eine berichtigte Lohnabrechnung zu erstellen, in der die erstrittenen Beträge berücksichtigt werden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Klage für unbegründet, weil Fahrertätigkeit keine Arbeitszeit iSd. BRTV-Bau sei und deshalb zur Ermittlung der Höhe der Entgeltfortzahlung nicht herangezogen werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision beantragt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
I. Die hinsichtlich der Zahlungsansprüche zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Entgeltfortzahlung verurteilt.
1. Gemäß § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
a) Arbeitszeit iSv. § 2 EFZG ist die für die Arbeit vorgesehene oder festgelegte Zeitspanne. Dem entspricht der arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeitbegriff in § 2 Abs. 1 ArbZG, wonach Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen ist. Arbeit wiederum ist jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (Senat 11. Oktober 2000 – 5 AZR 122/99 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 20 = EzA BGB § 611 Nr. 30, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Zur Arbeitszeit des Klägers gehörte nicht nur die tarifliche Arbeitszeit iSd. § 3 BRTV-Bau, sondern auch die Zeit, während der er Mitarbeiter mit dem firmeneigenen Fahrzeug zur Baustelle und zurück brachte. In dieser Zeit erbrachte der Kläger auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung für die Beklagte Arbeitsleistungen. Das Führen eines Kraftfahrzeugs zum Zwecke der Personenbeförderung im Auftrag eines Dritten ist Arbeit. Diese Arbeit entsprach zwar nicht seiner als Isolierer geschuldeten Tätigkeit. Das ist jedoch unerheblich, weil über diese Arbeitsleistung zwischen den Parteien nach Maßgabe von § 5 Nr. 3 Abs. 2 BRTV-Bau eine gesonderte vertragliche Vereinbarung getroffen wurde.
Der Kläger sollte nach den gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für die Beklagte mit einem Firmenfahrzeug Arbeitskollegen zur Baustelle und zurück fahren. Für diese Fahrtätigkeit war eine Stundenvergütung in Höhe von 27,03 DM brutto vereinbart. Die Arbeitszeit betrug arbeitstäglich 3,25 Stunden. Die Parteien konnten den Vergütungsanspruch des Klägers auch nicht für Tage, an denen die Arbeit wegen eines Feiertags ausfällt oder an denen der Kläger wegen Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung verhindert ist, ausschließen. Hierin läge eine nach § 12 EFZG unzulässige Abweichung von der Entgeltfortzahlungspflicht nach §§ 2 und 3 EFZG.
c) Gem. § 2 Abs. 1 EFZG kann der Kläger daher von der Beklagten die weitere Bezahlung von je 3,25 Arbeitsstunden an den vier Feiertagen unter Zugrundelegung eines Stundenlohns von 27,03 DM brutto verlangen. Dies ergibt einen Betrag von 351,39 DM brutto.
2. Die Beklagte hat dem Kläger gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG für den 29. und 30. September 1998 weitere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für je 3,25 Stunden zu zahlen.
Nach § 4 Abs. 1 EFZG in der 1998 geltenden Fassung hat der Arbeitgeber für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitnehmer 80 % des ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts fortzuzahlen. Dem entspricht § 4 Nr. 2 BRTV-Bau in der zur Zeit der Arbeitsunfähigkeit geltenden Fassung für die ersten drei krankheitsbedingten Ausfalltage eines Krankheitsfalles. Für die Höhe der Entgeltfortzahlung ist die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers maßgeblich. Die betriebsübliche oder tarifliche Arbeitszeit ist nur dann von Bedeutung, wenn die regelmäßige individuelle Arbeitszeit hiervon nicht abweicht(vgl. Senat 15. Februar 1978 – 5 AZR 739/76 – AP LohnFG § 2 Nr. 8 = EzA LohnFG § 2 Nr. 12 sowie 21. November 2001 – 5 AZR 296/00 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Zur regelmäßigen individuellen Arbeitszeit des Klägers gehörte die Zeit, in der er für die Beklagte Arbeitskollegen mit dem Firmenfahrzeug beförderte. Der Kläger hat diese Arbeiten nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in der Vergangenheit an jedem Arbeitstag und damit regelmäßig ausgeübt. Die Beklagte hat dem Kläger deshalb für jeweils 3,25 Arbeitsstunden an den beiden Tagen der Arbeitsunfähigkeit (29. und 30. September 1998) 80 % des Stundenlohns von 27,03 DM, dh. im Ergebnis 140,56 DM, zu zahlen.
II. Soweit die Beklagte sich mit ihrer Revision auch gegen die Verurteilung zur Erstellung berichtigter Lohnabrechnungen für die Monate Mai, Juni und September 1998 wendet, ist ihr Rechtsmittel gem. § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO unzulässig. Denn in der Revisionsbegründung finden sich hierzu keine Ausführungen.
III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Buschmann, Dombrowsky
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.01.2002 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 713496 |
BB 2002, 889 |
DB 2002, 950 |
NWB 2002, 1684 |
BuW 2002, 527 |
ARST 2002, 151 |
FA 2002, 221 |
JR 2003, 44 |
NZA 2002, 1163 |
SAE 2002, 300 |
AP, 0 |
AuA 2002, 379 |
EzA-SD 2002, 3 |
EzA |
PERSONAL 2002, 60 |
AUR 2002, 156 |
RdW 2002, 569 |
SPA 2002, 7 |