Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Übergangsregelung
Orientierungssatz
Zur Berechnung eines betrieblichen Ruhegeldes gemäß Übergangsregelung, die für Arbeitnehmer, die während des Übergangszeitraumes aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, Vergleichsrechnungen vorsehen.
Normenkette
BetrAVG § 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 24.03.1987; Aktenzeichen 6 Sa 895/86) |
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 27.02.1986; Aktenzeichen 6 Ca 1798/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wie das betriebliche Ruhegeld des Klägers zu berechnen ist.
Der Kläger wurde am 24. November 1929 geboren. Er war vom 1. März 1951 bis 30. September 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Er schied aufgrund eines Sozialplanes aus. Die Beklagte bestätigte ihm mit Schreiben vom 20. August 1985:
"Die Zahlung der Werksrente erfolgt nach den Bestimmungen der gültigen Pensionsordnung bei Gewährung des Altersruhegeldes bzw. des vorgezogenen Altersruhegeldes oder einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Den Rentenbescheid wollen Sie uns bitte unverzüglich vorlegen. Bei der Festsetzung der Werksrente werden wir den Zeitraum zwischen Ihrem jetzigen Ausscheiden und der Vollendung des 65. Lebensjahres rentensteigernd berücksichtigen. Dies gilt nicht, wenn eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt wird."
Die Versorgung war in Betriebsvereinbarungen geregelt. Für den Kläger galt zuletzt die Pensionsordnung vom 1. Januar 1972. Diese Betriebsvereinbarung wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1976 abgelöst. Über die Neuregelung hatten Arbeitgeber und Betriebsrat zwei Jahre verhandelt. Die bisherige Gesamtversorgung wurde als ungerecht empfunden, weil Arbeitnehmer mit hohem Einkommen begünstigt und Arbeitnehmer mit langen Betriebszeiten und hohen gesetzlichen Versorgungsbezügen gegenüber Arbeitnehmern mit kurzen Dienstzeiten und geringen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung benachteiligt wurden. Der Umfang der Versorgungsaufwendungen wurde durch die Neuregelung nicht abgesenkt, sondern erhöht. Daneben verfolgte die Beklagte mit der Umgestaltung das Ziel, die unterschiedlichen Versorgungsordnungen im Konzern zu vereinheitlichen. Müßte das Ruhegeld nach der Pensionsordnung 1976 berechnet werden, müßte der Kläger erhebliche Nachteile hinnehmen.
Zur Pensionsordnung 1976 vereinbarten Arbeitgeber und Betriebsrat folgende Übergangsregelung:
"Während des Übergangszeitraumes vom 1.10.1976 bis zum 30.9.1981 wird nach Einführung der neuen Pensionsordnung vom 1.10.1976 für die Belegschaftsmitglieder, für die bisher die Bestimmungen der Pensionsordnung gemäß Betriebsvereinbarung 2/73 vom 25.1.1973 galten, eine Vergleichsrechnung zwischen der sich aus der betreffenden obengenannten alten Pensionsordnung und der Pensionsordnung vom 1.10.1976 ergebenden Betriebsrente durchgeführt und diejenige Pensionsordnung angewandt, aus der sich der jeweils höhere Betrag ergibt."
Diese Vereinbarung wurde durch eine weitere Vereinbarung vom 3. Februar 1982 ergänzt:
"Für den Kreis der Rentenberechtigten gemäß § 1 Abs. 1 der Pensionsordnung vom 1. Oktober 1976 gilt während des verlängerten Übergangszeitraumes vom 1. Oktober 1981 bis zum 30. September 1986 folgendes:
Für die Belegschaftsmitglieder, für die bisher die Bestimmungen der Pensionsordnung vom 25. Januar 1973 galten, wird eine Vergleichsrechnung bezüglich der Bemessung der Renten nach den §§ 6 und 12 der Pensionsordnung vom 25. Januar 1973 und den §§ 6 und 12 der Pensionsordnung vom 1. Oktober 1976 durchgeführt.
Die jeweils höhere Betriebsrente kommt zur Auszahlung."
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bis zum 30. September 1986 sei die Betriebsrente wegen der Übergangsregelungen nach der Versorgungsordnung 1972 zu berechnen. Im übrigen sei die Neuregelung unwirksam, da sie ohne sachlichen Grund in seine Versorgungsanwartschaft eingegriffen habe.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß ihm bis zum 30. September 1986 die Werkspension nach der Pensionsordnung für die Belegschaftsmitglieder der R GmbH gemäß den Betriebsvereinbarungen vom 25. Januar 1973 Nr. 2/73, vom 15. September 1977 Nr. 7/77 und gemäß 3. Dezember 1982 (Nachtrag zur betrieblichen Vereinbarung 7/77) zu gewähren sei."
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Übergangsregelung erfasse den Kläger nicht. Die Neuregelung sei angemessen. Sie begünstige etwa 75 % der weniger gut verdienenden Arbeitnehmer und taste die erdienten Besitzstände der höher verdienenden Arbeitnehmer nicht an.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, daß dem Kläger bis zum 30. September 1986 die Werkspension nach der Pensionsordnung für die Belegschaftsmitglieder der R GmbH gemäß der Betriebsvereinbarung vom 25. Januar 1973 anteilig zu gewähren sei. Im übrigen hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter; mit der unselbständigen Anschlußrevision will der Kläger erreichen, daß der Klage in vollem Umfang stattgegeben wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Dagegen ist die Anschlußrevision des Klägers begründet. Die Beklagte hat die Werkspension nach der Pensionsordnung 1972 (Pensionsordnung für die Belegschaftsmitglieder der R GmbH - Betriebsvereinbarung vom 25. Januar 1973 Nr. 2/73 -) zu berechnen. Diese Berechnung ist für die gesamte Dauer des Bezugs dieser Rente maßgebend.
I. Der Antrag des Klägers ist mißverständlich; er muß ausgelegt werden.
Der Antrag läßt nicht erkennen, welche Bedeutung das Datum "30. September 1986" hat. Zum einen könnte der 30. September 1986 darüber entscheiden, welche Pensionsordnung - 1972 oder 1976 - für die Berechnung der Werkspension maßgebend ist. Es käme dann auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis an. Zum anderen könnte der Kläger von der Vorstellung ausgegangen sein, seine im Versorgungsfall zu zahlende Rente bestehe aus zwei Teilrenten. Die erste Teilrente betreffe die Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 1986, der zweite Teil der Werksrente müsse ab 1. Oktober 1986 nach einer anderen Pensionsordnung berechnet werden. So scheint das Landesarbeitsgericht den Antrag des Klägers verstanden zu haben.
Die Zweifelsfragen sind durch die tatsächliche Entwicklung geklärt worden. Der Kläger ist nach Erhebung der Klage am 30. September 1986 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Für ihn kam, selbst wenn er sich das zunächst anders vorgestellt hatte, die Berechnung einer Teilrente nicht mehr in Betracht. Deshalb hat er nach seinem Ausscheiden am 30. September 1986 geltend gemacht, seine Werkspension sei nach der Pensionsordnung 1972 zu berechnen, da er innerhalb der Übergangszeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, daß sein Antrag spätestens nach seinem Ausscheiden zum 30. September 1986 in dem zuerst genannten Sinne zu verstehen sei. Er hat deshalb auf die mißverständliche Erwähnung des Datums "30. September 1986" in seinem Antrag verzichtet. Damit hat er den Antrag entgegen der Auffassung der Beklagten nicht geändert, sondern nur klargestellt. Das war auch für die Beklagte erkennbar. Der Kläger hat nach seinem Ausscheiden immer wieder auf die Übergangsregelung hingewiesen, die in seinem Fall zur Anwendung der Pensionsordnung 1972 führen müsse.
II. Die Werkspension des Klägers ist nach der Pensionsordnung 1972 zu berechnen (das ist die im Antrag genannte Pensionsordnung für die Belegschaftsmitglieder der R GmbH vom 25. Januar 1973 Nr. 2/73, die rückwirkend zum 1. Januar 1972 in Kraft gesetzt wurde). Das folgt aus den beiden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Übergangsregelungen.
1. Die Übergangsregelungen beziehen sich auf Arbeitnehmer, die während des Übergangszeitraumes aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Nur für diese Arbeitnehmer kommen Vergleichsrechnungen in Betracht. Für Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis über den Übergangszeitraum hinaus fortsetzen, braucht keine "Vergleichsrechnung .. durchgeführt" und keine "Pensionsordnung angewandt" zu werden.
Der engeren Auffassung der Beklagten, auf die Übergangsregelungen könnten sich nur die Arbeitnehmer berufen, die während des Übergangszeitraumes als Betriebsrentner aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, bei denen also der Versorgungsfall bis zum 30. September 1986 eintrat, kann der Senat nicht folgen. Für diese einschränkende Auslegung gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Übergangsregelungen wollen den Arbeitnehmern, die im Übergangszeitraum ausscheiden, die jeweils günstigere Anwartschaft erhalten. Daß die Anwartschaften nur bei Eintritt eines Versorgungsfalles in der Übergangsfrist aufrechterhalten werden sollen, läßt sich der Regelung dagegen nicht entnehmen. Auch Arbeitnehmer, die ohne Eintritt eines Versorgungsfalles im Übergangszeitraum aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, können einen weitergehenden Schutz ihrer Anwartschaften erwarten. Diese Arbeitnehmer, die bis zum Inkrafttreten der neuen Pensionsordnung eine relativ hohe Anwartschaft erworben hatten, würden diese Anwartschaft zum Teil verlieren, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang nach Inkrafttreten der Neuregelung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden oder - wie im Fall des Klägers - ausscheiden müssen. Die Übergangsregelung dient damit nicht nur dem Schutz der rentennahen Jahrgänge, sondern aller Arbeitnehmer, die unter der Geltung der alten Pensionsordnung 1972 Anwartschaften bereits erdient hatten und unter der Geltung der neuen Versorgungsregelung keine weiteren Ansprüche erwerben konnten. Nur diese Auslegung wird den zwingenden Bestandsschutzregeln der Betriebsrentengesetze gerecht. Sie allein wahrt den Arbeitnehmern den bis zum Ende der Übergangsfrist erdienten Teilbetrag nach § 2 Abs. 1 BetrAVG, in den nur ausnahmsweise aus zwingenden Gründen eingegriffen werden dürfte.
2. Der Kläger ist während des Übergangszeitraumes aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Der Übergangszeitraum endete am 30. September 1986. Sein Arbeitsverhältnis endete zum gleichen Zeitpunkt, zu dem auch die Übergangsfrist endete.
3. Danach kommt es auf die Erörterungen des Berufungsgerichts darüber, ob die ablösende Betriebsvereinbarung von 1976 den Besitzstand des Klägers hinreichend wahrte, nicht mehr an.
4. Die Urteilsformel mußte entsprechend dem Antrag klargestellt werden. In ihr kommt auch zum Ausdruck, daß Rente nicht ab 1. Oktober 1986, sondern erst ab 1. Dezember 1989 zu zahlen ist.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Dr. Krems Schoden
Fundstellen