Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Übergangsregelung
Leitsatz (redaktionell)
Vgl. Urteil des Senats vom 18. April 1989 – 3 AZR 442/87 – (n.v.)
Normenkette
BetrAVG § 1 Besitzstand
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 16.02.1990; Aktenzeichen 10 Sa 1460/89) |
ArbG Oberhausen (Urteil vom 11.10.1989; Aktenzeichen 3 Ca 646/89) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 1990 – 10 Sa 1460/89 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 11. Oktober 1989 – 3 Ca 646/89 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, für die Klägerin eine Vergleichsrechnung der bis zu ihrem Ausscheiden erdienten Rentenanwartschaft nach der Pensionssordnung 1972 sowie nach der Pensionsordnung 1976 (PO 20) durchzuführen und der Klägerin im Versorgungsfall die nach dieser Vergleichsrechnung höhere Betriebsrente zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechnung des betrieblichen Ruhegeldes. Die Klägerin möchte, daß für sie eine Übergangsregelung angewendet wird, die aus Anlaß der Neufassung der Pensionsordnung im Jahre 1979 von den Betriebsparteien vereinbart wurde.
Die am 16. Juni 1953 geborene Klägerin war vom 1. September 1969 bis zum 31. Dezember 1988 bei der Beklagten, einem zum T -Konzern gehörenden Unternehmen, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Kündigung der Klägerin.
Die betriebliche Altersversorgung bei der Beklagten war durch Betriebsvereinbarungen geregelt. Für die Klägerin galt zunächst die Pensionsordnung vom 1. Januar 1972. Nachdem im T -Konzern die unterschiedlichen Versorgungsordnungen durch Einführung der Pensionsordnung vom 1. Oktober 1976 (sog. PO 20) vereinheitlicht wurden, übernahmen auch die Beklagte und der für den Betrieb der Klägerin zuständige Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung Nr. 27/79 vom 27. Juni 1979 die neue Pensionsordnung mit Wirkung vom 1. Juli 1979. Die Pensionsordnung vom 1. Januar 1972 wurde zum selben Zeitpunkt außer Kraft gesetzt. In der Betriebsvereinbarung vom 27. Juni 1979 wurde jedoch folgende Übergangsregelung vereinbart:
„In Ergänzung zu § 1 Abs. 1 sowie zu § 23 dieser ab 01.07.1979 gültigen Pensionsordnung wird folgendes vereinbart:
Während des Übergangszeitraumes vom 01.07.1979 bis zum 30.06.1989 wird nach Einführung der neuen Pensionsordnung vom 01.07.1979 für die Belegschaftsmitglieder, für die bisher die Bestimmungen der Pensionsordnung vom 01.01.1972 galten, eine Vergleichsrechnung zwischen der sich aus der betreffenden obengenannten alten Pensionsordnung und der Pensionsordnung vom 01.07.1979 ergebenden Betriebsrente durchgeführt und diejenige Pensionssordnung angewandt, aus der sich der jeweils höhere Betrag ergibt.”
Die Beklagte erteilte der Klägerin bei deren Ausscheiden am 20. Dezember 1988 Auskunft über die unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung. Sie berechnete den zeitanteiligen unverfallbaren Versorgungsanspruch nach der PO 20.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß für sie die Übergangsregelung anzuwenden sei und daß die Beklagte deshalb eine Vergleichsberechnung zwischen der alten und neuen Versorgungsordnung durchzuführen habe und die Werkspension nach der günstigeren Pensionsordnung zu berechnen sei. Sie hat zuletzt beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, für die Klägerin eine Vergleichsrechnung der bis zu ihrem Ausscheiden erdienten Rentenanwartschaft nach der Pensionsordnung 1972 sowie nach der Pensionsordnung 1976 (PO 20) durchzuführen und der Klägerin im Versorgungsfall die nach dieser Vergleichsrechnung höhere Betriebsrente zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Übergangsregelung erfasse die Klägerin nicht, weil sie nur für Mitarbeiter rentennaher Jahrgänge abgeschlossen worden sei, um bei diesem Personenkreis eine etwaige Schlechterstellung bei Anwendung der neuen Pensionsordnung gegenüber der bis dahin geltenden Pensionsordnung zu vermeiden. Bei der Klägerin sei im Übergangszeitraum kein Rentenfall eingetreten. Sie sei lediglich mit einem unverfallbaren Rentenanspruch ausgeschieden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Die Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte hat für die Klägerin eine Vergleichsrechnung der bis zu ihrem Ausscheiden erdienten Rentenanwartschaft nach der Pensionsordnung 1972 sowie nach der Pensionsordnung 1976 (PO 20) durchzuführen. Im Versorgungsfall hat die Klägerin Anspruch auf die nach der Vergleichsordnung höhere Betriebsrente. Dies folgt aus der zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat vereinbarten Übergangsregelung vom 27. Juni 1979.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Klägerin falle nicht unter die Übergangsregelung. Es hat angenommen, daß Arbeitgeber und Betriebsrat nur diejenigen Belegschaftsmitglieder durch die Übergangsregelung begünstigen wollten, die im Übergangszeitraum aus dem Arbeitsverhältnis als Betriebsrentner ausscheiden oder bei denen jedenfalls im Übergangszeitraum der Rentenfall eintritt, nachdem sie zuvor eine unverfallbare Anwartschaft erworben hatten. Der Versorgungsfall der Klägerin hätte mithin, um ihrer Klage zum Erfolg zu verhelfen, während der Übergangszeit bis zum 30. Juni 1989 eintreten müssen. Da dies bei der Klägerin nicht der Fall gewesen sei, könne sie keine Vergleichsrechnung verlangen. Ihre Versorgung richte sich ausschließlich nach der neuen Pensionsordnung.
II. Der Auslegung der Übergangsregelung durch das Landesarbeitsgericht stehen Wortlaut und Zweck der Übergangsregelung entgegen.
1. Nach ihrem Wortlaut gilt die Übergangsregelung für alle Arbeitnehmer, die während des Übergangszeitraumes mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausscheiden. Nur für diese Arbeitnehmer werden Anwartschaften oder – bei Ausscheiden im Versorgungsfall -Betriebsrenten berechnet, kommen also „Vergleichsrechnungen” in Betracht. Für Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis über den Übergangszeitraum hinaus fortsetzen, braucht keine „Vergleichsrechnung durchgeführt” und „Pensionsordnung angewandt” zu werden.
2. Nach dem Wortlaut der Übergangsregelung gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß die Regelung nur für Arbeitnehmer gelten solle, für die während des Übergangszeitraumes der Versorgungsfall eintritt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bietet auch § 1 Abs. 1 PO 20, der durch die Übergangsregelung ergänzt werden soll (vgl. Eingangssatz der Übergangsregelung), keinen Anhaltspunkt für eine solche Einschränkung der Übergangsregelung. In dieser Vorschrift wird lediglich der Kreis der Rentenberechtigten definiert, dabei werden aber auch die mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer genannt.
3. Zumindest ist die Einschränkung des berechtigten Personenkreises in der Übergangsregelung nicht genügend klar und verständlich zum Ausdruck gekommen. Die Beklagte muß sich daher die „Unklarheitenregel” entgegenhalten lassen. Diese Regel geht davon aus, daß der Arbeitgeber bei der Abfassung von Versorgungszusagen große Sorgfalt verwenden muß. Entsprechendes gilt für eine Betriebsvereinbarung, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen wird. Die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung müssen eindeutig sein. Bei Zweifeln und Unklarheiten wird der Arbeitgeber im Interesse des Arbeitnehmerschutzes an einer für ihn ungünstigeren Auslegung festgehalten (vgl. BAG Urteil vom 25. Mai 1973 – 3 AZR 405/72 – AP Nr. 160 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
4. Schließlich steht auch der Zweck der Übergangsregelung einer einschränkenden Auslegung entgegen. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 18. April 1989 – 3 AZR 442/87 – (n.v.) hingewiesen, das eine inhaltlich gleiche Übergangsregelung in einem anderen Unternehmen des T -Konzerns betraf.
Die Übergangsregelung soll Arbeitnehmern, die im Übergangszeitraum ausscheiden, den Besitzstand wahren und deshalb die jeweils günstigere Anwartschaft erhalten. Auch Arbeitnehmer, die ohne Eintritt eines Versorgungsfalles im Übergangszeitraum aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, können einen weitgehenden Schutz ihrer Anwartschaften erwarten. Diese Arbeitnehmer, die bis zum Inkrafttreten der neuen Pensionsordnung eine relativ hohe Anwartschaft erworben hatten, würden diese Anwartschaft zum Teil verlieren, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang nach Inkrafttreten der Neuregelung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Die Übergangsregelung dient damit nicht nur dem Schutz der rentennahen Jahrgänge, sondern aller Arbeitnehmer, die unter der alten Pensionsordnung 1972 Anwartschaften bereits erdient hatten und unter der Geltung der neuen Versorgungsordnung keine weiteren Ansprüche erwerben konnten. Nur diese Auslegung wird, wie der Senat in seinem Urteil vom 18. April 1989 – 3 AZR 442/87 – ausgeführt hat, den zwingenden Bestandsschutzregeln des Betriebsrentengesetzes gerecht. Nur so wird den Arbeitnehmern der bis zum Ablösungszeitpunkt erdiente Teilbetrag nach § 2 Abs. 1 BetrAVG gesichert, in den nur ausnahmsweise aus zwingenden Gründen eingegriffen werden darf (BAGE 54, 261 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung).
5. Zu Unrecht stellt das Landesarbeitsgericht auch darauf ab, daß die Klägerin bei Inkrafttreten der PO 20 und der damit verbundenen Übergangsregelung am 1. Juli 1979 noch keine unverfallbare Anwartschaft auf Betriebsrente erworben hatte. Auf die Unverfallbarkeit in diesem Zeitpunkt kommt es nicht an. Auch in der Verfallbarkeitsphase ist erdienten Anwartschaften ein Bestandsschutz zuzuerkennen (vgl. Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl., ArbGr Rz 206 g). Der Senat hat deshalb in seinen Entscheidungen zum Bestandsschutz bei ablösenden Versorgungsanwartschaften nur darauf abgestellt, ob die Anwartschaften „erdient” waren, und nicht darauf, ob erdiente Anwartschaften bei ihrer Ablösung bereits unverfallbar geworden waren (vgl. BAGE 36, 327, 337 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 1 a der Gründe; BAGE 54, 261, 270 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 der Gründe).
Die Übergangsregelung vom 27. Juni 1979 sollte daher auch solche erdienten Anwartschaften schützen, die erst während der Übergangszeit bis zum Ausscheiden unverfallbar wurden. Dies war bei der Klägerin der Fall.
Unterschriften
Dr. Heither, Dr. Wittek, Kremhelmer, Dr. Hoppe, Mattes
Fundstellen