Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Parallelverfahren zu 8 AZR 127/94 (Urteil vom 18. Juli 1996 – zur Veröffentlichung vorgesehen)
Normenkette
BGB §§ 134, 613a Abs. 1, 4; KSchG §§ 1, 13 Abs. 3; BetrVG § 102; AGB-DDR § 55 i.d.F. vom 22. Juni 1990 (GBl. DDRI S. 371)
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 16.12.1993; Aktenzeichen 7 Sa 109/93) |
ArbG Berlin (Urteil vom 07.06.1993; Aktenzeichen 28 Ca 4331/93) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. Dezember 1993 – 7 Sa 109/93 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 26. Januar 1993, die die Beklagte auf dringende betriebliche Erfordernisse stützt.
Der Kläger wurde am 1. August 1987 vom V., dem Rechtsvorgänger der Beklagten, eingestellt und zuletzt als Abteilungsleiter Instandhaltung, Tabakaufbereitung und Anlagenbetreibung beschäftigt. Infolge des Zusammenbruchs der Zigarettenproduktion war die Betriebstätigkeit ab dem 1. Januar 1991 vollständig eingestellt. Die damals mehr als 300 Beschäftigten fielen unter die Regelung „Kurzarbeit Null”.
Ab 1991 versuchte die Treuhandanstalt als die Alleingesellschafterin der Beklagten, den Betrieb zu veräußern. Sie verhandelte zunächst mit der T. AG. Deren Übernahmekonzept sah die Weiterbeschäftigung aller zur Kurzarbeit gemeldeten Arbeitnehmer und die Wiederaufnahme einer jährlichen Zigarettenproduktion von – wie früher – 5 Mrd. Stück vor. Nach dem Scheitern der Verhandlungen im Februar 1992 meldeten sich auf eine weltweite Ausschreibung drei Interessenten. Diese wollten allenfalls noch 2,2 Mrd. Zigaretten pro Jahr herstellen und nur einen Teil der Belegschaft übernehmen. Die Firma R. wollte lediglich 80 Arbeitnehmer, die Gruppe van E. höchstens 125 Arbeitnehmer und die Gruppe U. nur 150 Arbeitnehmer übernehmen.
Daraufhin nutzte die Treuhandanstalt die staatlichen Möglichkeiten zum vorzeitigen Ausscheiden älterer Mitarbeiter. Um den Fortbestand des Betriebs durch Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und ihn verkäuflich zu machen, erstellte die Beklagte einen Plan zur künftigen Struktur des Betriebes, der nur noch die Beschäftigung von insgesamt 150 Arbeitnehmern vorsah. Die Stelle eines Abteilungsleiters Instandhaltung, Tabakaufbereitung und Anlagenbetreibung war nicht mehr vorgesehen, sondern nur noch ein Produktionsleiter und zwei Schichtführer in der Tabakaufbereitung. Mit Schreiben vom 17. November 1992 teilte die Beklagte dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat mit, es sei eine Personalreduzierung von 216 auf 150 Arbeitnehmer beabsichtigt. Am 30. November 1992 schlossen die Betriebspartner auf der Basis des Strukturplans einen Interessenausgleich, der die Rückführung des Personalbestands auf 150 Mitarbeiter vorsah. Am 20. Januar 1993 kam ein Sozialplan zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile zustande.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. Januar 1993, dem Kläger am selben Tage zugegangen, ordentlich zum 30. Juni 1993.
Mit der am 12. Februar 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung verstoße gegen § 613 a Abs. 4 BGB. Sie sei wegen des Übergangs eines Betriebs erfolgt, weil die Beklagte den späteren Betriebsübergang zur Zeit der Kündigung bereits geplant habe, dieser schon greifbare Formen angenommen habe und die Kündigung aus der Sicht der Beklagten ausgesprochen worden sei, um den geplanten Betriebsübergang vorzubereiten und zu ermöglichen. Unerheblich sei, daß dann die Übertragung des Betriebs auf einen der drei ursprünglichen Interessenten nicht gelungen sei, sondern ein weiterer Interessent den Zuschlag erhalten habe. Ein späteres Scheitern des erwarteten und eingeleiteten Betriebsübergangs wirke sich auf den Kündigungsgrund nicht aus. Es komme hinzu, daß die eingeleitete Personalreduzierung offensichtlich auch den Interessen des Übernehmers entsprochen habe. Die Kündigung sei ferner sozialwidrig, da dringende betriebliche Erfordernisse nicht vorlägen. Mit dem Strukturplan hätte eine unternehmerische Entscheidung nur dann getroffen werden können, wenn eine Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit gerade durch den Betriebsinhaber beabsichtigt gewesen wäre. Die Beklagte sei auch ihrer Verpflichtung zur Sozialauswahl nicht nachgekommen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Januar 1993 nicht aufgelöst worden sei.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei nicht wegen des Betriebsübergangs, sondern aus dringenden betrieblichen Erfordernissen ausgesprochen worden. Die Durchführung des Strukturplans habe eine notwendige Rationalisierungsmaßnahme dargestellt, um den Betrieb zu erhalten. Der Strukturplan habe der zukünftigen Produktionsaufnahme gedient, die anderenfalls nicht möglich, bei Ausspruch der Kündigung allerdings noch nicht absehbar gewesen sei. Zur Zeit der Kündigung habe sich die Firmengruppe van E. als Bewerberin völlig zurückgezogen. Die Verhandlungen mit ihr seien erst ab Mai/Juni 1993 in die entscheidende Abschlußphase getreten und hätten dann zur Übernahme des Betriebs nebst Wiederaufnahme der Zigarettenproduktion am 1. Juli 1993 geführt. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger sei nicht vorhanden. Es habe auch keine mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer gegeben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, daß die Kündigung vom 26. Januar 1993 wirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 30. Juni 1993 aufgelöst hat.
I. Die Kündigung ist nicht gemäß § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam.
1. Nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils unwirksam. Die Vorschrift enthält ein eigenständiges Kündigungsverbot im Sinne der §§ 13 Abs. 3 KSchG, 134 BGB und stellt nicht nur die Sozialwidrigkeit der Kündigung klar (BAG Urteile vom 31. Januar 1985 – 2 AZR 530/82 – BAGE 48, 40 = AP Nr. 40 zu § 613 a BGB, zu II der Gründe; vom 5. Dezember 1985 – 2 AZR 3/85 – AP Nr. 47 zu § 613 a BGB, zu B I der Gründe; BGH Urteil vom 4. Juli 1985 – IX ZR 172/84 – AP Nr. 50 zu § 613 a BGB). Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt nach § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB unberührt. Im Beitrittsgebiet gilt § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB bis zum 31. Dezember 1998 in folgender Fassung: „Satz 1 läßt das Recht zur Kündigung aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, unberührt.”
2. Eine Kündigung erfolgt wegen des Betriebsübergangs, wenn dieser der tragende Grund, nicht nur der äußere Anlaß für die Kündigung ist. § 613 a Abs. 4 BGB hat gegenüber § 613 a Abs. 1 BGB Komplementärfunktion. Die Norm soll als spezialgesetzliche Regelung des allgemeinen Umgehungsverbots verhindern, daß der in § 613 a Abs. 1 BGB angeordnete Bestandsschutz durch eine Kündigung unterlaufen wird. Das Kündigungsverbot ist dann nicht einschlägig, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gibt, der „aus sich heraus” die Kündigung zu rechtfertigen vermag (BAG Urteile vom 26. Mai 1983 – 2 AZR 477/81 – BAGE 43, 13, 21 f. = AP Nr. 34 zu § 613 a BGB, zu B III der Gründe; vom 27. September 1984 – 2 AZR 309/83 – BAGE 47, 13, 21 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 1 der Gründe; vom 5. Dezember 1985, a.a.O., zu B II 2 der Gründe; vom 19. Mai 1988 – 2 AZR 596/87 – BAGE 59, 12 = AP Nr. 75 zu § 613 a BGB, zu B V 2 b der Gründe). Es schützt nicht vor Risiken, die sich jederzeit unabhängig vom Betriebsübergang aktualisieren können (Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 613 a Rz 122; Willemsen, ZIP 1983, 411, 413) und führt insbesondere nicht zur Lähmung der als notwendig erachteten unternehmerischen Maßnahmen (Ascheid, NZA 1991, 873, 878 f.). Zwar ergibt sich ein Kündigungsgrund nicht schon daraus, daß ein Interessent den Erwerb des Betriebs von der Kündigung abhängig macht. Doch ist der Betriebsinhaber durch § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht gehindert, auch im Zusammenhang mit einer Veräußerung des Betriebs Rationalisierungen zur Verbesserung des Betriebs durchzuführen und zu diesem Zweck betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen (BAG Urteil vom 26. Mai 1983, a.a.O., zu B IV, V der Gründe).
3. Tragender Grund für die Kündigung des Klägers war nicht der angestrebte und später auch vollzogene Betriebsübergang.
a) Nicht tragfähig ist insoweit die Begründung des Landesarbeitsgerichts, ein Betriebsübergang sei zur Zeit der Kündigung (nur) erhofft worden, konkrete Aussichten, einen Erwerber zur Übernahme des Betriebs zu bewegen, hätten aber nicht bestanden. Immerhin unternahm die Treuhandanstalt weiterhin alle Anstrengungen, den Betrieb zu veräußern. Dem diente gerade auch die Durchführung des Strukturplans. Hierdurch wurden die Chancen eines Verkaufs nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlungen deutlich erhöht. Der angestrebte Betriebsübergang erschien wieder realistisch, auch wenn sich der ernsthafteste Interessent zeitweise zurückgezogen hatte. Insofern war der am 1. Juli 1993 vollzogene Betriebsübergang für die Kündigung des Klägers ursächlich.
b) Zu Recht stellt das Landesarbeitsgericht dann freilich darauf ab, entscheidend für die Kündigung sei die Rationalisierung des Betriebs zur Verbesserung der Verkaufschancen gewesen. Daß es gerade darum ging, ergibt sich aus folgendem: Die Treuhandanstalt hätte den Betrieb keinesfalls selbst auf Dauer weitergeführt. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben (vgl. §§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 8 Abs. 1 TreuhandG vom 17. Juni 1990 – GBl. I S. 300) und ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Fortführung des Betriebs setzte daher einen Betriebsübergang voraus. Anderenfalls hätte der Betrieb endgültig stillgelegt werden müssen. Ein Ruhen der Produktion mit Kurzarbeit Null war auf Dauer weder sinnvoll noch rechtlich möglich. Es kam daher entscheidend darauf an, die Wiederaufnahme der Produktion zu ermöglichen, um den Betrieb zu erhalten. Dafür sollte der Strukturplan durchgeführt und der Betrieb verkleinert werden. Diesem Zweck diente auch die Kündigung. Der Betriebsübergang war nur eine zusätzliche notwendige Voraussetzung für den Erhalt des Betriebes. Der Zweckzusammenhang zwischen Kündigung und Betriebsübergang erscheint demnach zweitrangig. Für die Anwendung von § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB genügt das nicht.
II. Die Kündigung ist nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam. Sie ist vielmehr durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstehen, bedingt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Berücksichtigung von sozialen Gesichtspunkten bei der Auswahl des Klägers (§ 1 Abs. 3 KSchG) sind nicht zu beanstanden.
1. Der für die Kündigung maßgebliche Grund stellt ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG dar. Aufgrund der Verhandlungen mit möglichen Betriebserwerbern stand Ende 1992 fest, daß die Durchführung des Strukturplans als Mindestmaßnahme nötig war, um die angestrebte Wiederaufnahme der Produktion und damit die Rettung des Betriebs zu ermöglichen. Der Kläger hat die Darstellung der Beklagten, der Betrieb werde überhaupt nur dann überlebensfähig sein (d.h. eine Wiederaufnahme der Produktion werde nur dann möglich sein), wenn das Konzept des Strukturplans verwirklicht werde, niemals bestritten. Das reicht im Grundsatz für eine betriebsbedingte Kündigung aus. Nicht erforderlich ist die Prognose einer Rettung des Betriebs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon aufgrund dieses Konzepts. Die Beklagte durfte nach den bei den Übernahmeverhandlungen gewonnenen Erfahrungen ein Konzept zur Halbierung der Produktion, Rationalisierung und Umstrukturierung verwirklichen, das jedenfalls gute Chancen eröffnete, den Betrieb, der anderenfalls unstreitig nicht zu retten war, doch noch zu erhalten.
2. Daraus ergibt sich zugleich, daß ein eigenes betriebliches Erfordernis der Beklagten vorlag.
a) Der Betriebsinhaber kann, auch wenn er seinen Betrieb veräußern will, zuvor ein eigenes Sanierungskonzept verwirklichen (vgl. nur BAG Urteil vom 26. Mai 1983, a.a.O., zu B IV, V der Gründe). Genau darum ging es im Streitfall. Die Beklagte hatte erkannt, daß eine Lebensfähigkeit des Betriebs nur mit bestimmten Änderungen gegeben sein konnte. Deswegen hat sie den Strukturplan aufgestellt und durchgeführt. Es handelte sich keineswegs um fremde Vorgaben, sondern um selbst gewonnene wirtschaftliche Erkenntnisse. Daher war nicht etwa zu verlangen, daß zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits rechtsverbindliche Vereinbarungen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber über Betriebsübergang und/oder Betriebsänderung vorlagen (vgl. dazu KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 534; RGRK-Ascheid, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 258; Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 613 a Rz 126; Willemsen, ZIP 1983, 411, 416; Hillebrecht, ZIP 1985, 257, 263). Die Beklagte wollte und mußte vor der Realisierung des erstrebten Betriebsübergangs unabhängig von der Person des Erwerbers eine Sanierung durchführen.
b) Eine solche Betriebsänderung ist auch während einer Betriebspause zulässig. Solange der Betrieb nicht endgültig stillgelegt ist, besteht ein Beschäftigungsbedarf, der durch konkrete Maßnahmen verändert werden kann. Dem steht nicht entgegen, daß – vorübergehend – ohnehin nicht gearbeitet wird, wenn mit der angestrebten Fortsetzung der Betriebstätigkeit die Änderung bereits greifen soll. Der Inhaber des Betriebs muß entgegen der Auffassung der Revision nicht die Absicht haben, den Betrieb selbst mit der geänderten Konzeption fortzuführen. Entscheidend ist, daß die Konzeption unter Überwindung des vorübergehenden Produktionsstillstands zur Aufnahme der aktiven Betriebstätigkeit führen soll. Daran hat der Inhaber des Betriebs ein eigenes erhebliches Interesse.
c) Demnach kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen der Betriebsveräußerer kündigen darf, weil der etwaige Erwerber zugleich mit der Betriebsübernahme die Belegschaft aus dringenden betrieblichen Erfordernissen verringern will (sog. Veräußererkündigung mit Erwerberkonzept; vgl. dazu BAG Urteil vom 26. Mai 1983, a.a.O., zu B V 3 der Gründe und die Anm. von Grunsky hierzu; Erman/Hanau, a.a.O.; RGRK-Ascheid, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 258; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 613 a Rz 49; Vossen, BB 1984, 1557, 1560; Willemsen, ZIP 1983, 411, 416; Steffan, Arbeitsrecht und Unternehmenssanierung in den neuen Bundesländern, Diss. Köln 1995, S. 96 f.; Wickler, Die Arbeitgeberkündigung beim rechtsgeschäftlichen Betriebsinhaberwechsel, S. 97; KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 534; Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 215; Ascheid, NZA 1991, 873, 879; Hillebrecht, NZA 1989, Beil. 4, S. 10, 14; KR-Pfeiffer, 4. Aufl., § 613 a BGB Rz 113; Hanau, ZIP 1984, 141, 143).
3. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse stehen der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegen.
a) Durch die Verwirklichung des Strukturplans ist gerade die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger endgültig weggefallen. Sein bisheriger Arbeitsplatz ist in dem neu zugeschnittenen Betrieb nicht mehr vorgesehen. Zum Zeitpunkt der Kündigung war davon auszugehen, bei der künftigen Wiederaufnahme der Produktion werde ein Abteilungsleiter Instandhaltung, Tabakaufbereitung und Anlagenbetreibung nicht mehr benötigt. Das hat das Landesarbeitsgericht unangefochten festgestellt.
b) Der Strukturplan stellte somit eine ausreichend tragfähige Grundlage für die Kündigung des Klägers dar. Es handelte sich um ein konkretes und plausibles Sanierungskonzept. Die beabsichtigte Maßnahme hatte zum Kündigungszeitpunkt bereits „greifbare Formen” angenommen. Der Kläger hat nicht bestritten, daß die Beklagte die geplanten Änderungen ins Werk gesetzt und durchgeführt hat. Das konnte sie, wie ausgeführt, auch während der Betriebspause. Unerheblich ist, daß die Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang erfolgen sollte. Die Wiederaufnahme der Produktion war aufgrund der Rationalisierung (Verkleinerung) des Betriebs auch zumindest wahrscheinlich.
c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, allein das Bemühen, die Anzahl der Arbeitnehmer in bestimmtem Umfang zu senken, könne eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Auch seine Annahme, der Strukturplan beruhe auf dem Bemühen, die Mitarbeiterzahl auf 150 zu senken, ist nicht zu beanstanden. Jedoch ging es dabei nicht nur um die Verminderung der Arbeitnehmerzahl; vielmehr ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gerade auch der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen. Auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur fehlenden „detaillierten Verifizierung der im Strukturplan genannten Zahlen” kommt es daher jedenfalls für die Kündigung des Klägers nicht an.
d) Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt.
4. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 3 KSchG sozialwidrig. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
III. Da die Kündigung nicht wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurde, sondern aus Gründen, die sie im Sinne von § 1 KSchG sozialrechtfertigen, kommt es auf § 613 a Abs. 4 Satz 2 BGB in der im Beitrittsgebiet geltenden Fassung nicht an. Ob diese Norm nur die ohnehin bestehende Befugnis des Arbeitgebers konkretisiert, betriebsbedingt zu kündigen (vgl. u.a. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 118 V 3 c = S. 913 m.w.N.), oder ob sie – entgegen ihrem Wortlaut – die Kündigungsmöglichkeiten erweitert (vgl. u.a. KR-Pfeiffer, 4. Aufl., § 613 a BGB Rz 133 m.w.N.), bedarf keiner Entscheidung.
IV. Das Landesarbeitsgericht hat die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG zutreffend bejaht. Dem Betriebsrat sind die Gründe für die Kündigung einschließlich der sozialen Daten aller Beschäftigten vor Ausspruch der Kündigung mitgeteilt worden, wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend (§ 561 ZPO) festgestellt hat. Die Revision erhebt hierzu auch keine Rügen.
V. Da weitere Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung weder geltend gemacht werden noch ersichtlich sind, hat das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1993 geendet. Nach der Anl. I Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. I und Abschn. III Nr. 1 zum Einigungsvertrag waren § 622 BGB und das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten nicht anzuwenden. Vielmehr galt im Beitrittsgebiet § 55 AGB-DDR in der Fassung vom 22. Juni 1990 (GBl. I S. 371) fort (Anl. II Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 a zum Einigungsvertrag). Diese Vorschrift ist erst durch Art. 5 des KündFG vom 7. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1668) aufgehoben worden.
Gegen die Anwendung der längsten in § 55 Abs. 2 AGB-DDR geregelten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende des Kalendervierteljahres durch die Beklagte bestehen keine Bedenken.
VI. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Mache, Umfug
Fundstellen