Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifrecht. Gleichbehandlung. Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte. Massenentlassung. teilweise Parallelsache zu BAG 18. September 2003 – 2 AZR 79/02
Orientierungssatz
Tarifwerke verschiedener Tarifvertragsparteien unterliegen nicht der Beurteilung anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; KSchG § 17 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. August 2002 – 7 Sa 11/02 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. September 2001 – 5 Ca 31/01 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Dezember 2000 nicht zum 31. Januar 2001 aufgelöst worden ist.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2001 erst zum 31. Juli 2001 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 4/7 und die Beklagte zu 3/7.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier betriebsbedingter Kündigungen und einen Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers.
Der 1949 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit April 1979 als Hafenarbeiter zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt durchschnittlich 3.153,14 Euro beschäftigt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag fand der Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Die Beklagte ist als Tochterunternehmen der B AG & Co. ein Unternehmen der B-Gruppe, zu der auch die Unternehmen B GmbH (im Folgenden: B), W GmbH (im Folgenden: W), G GmbH & Co. KG, G B GmbH sowie S G mbH gehören. Geschäftsführer der Beklagten waren die Herren R und G (bis Februar 2000 Herr D). Herr K war als Prokurist und Leiter des Controlling tätig. Geschäftsführer der W war ebenfalls Herr R. Herr K war kaufmännischer Leiter.
Die Beklagte unterhielt am K Terminal im Hamburger Freihafen einen Umschlagbetrieb mit zuletzt ca. 100 Arbeitnehmern, davon ca. 60 Hafenarbeitern. Zum Kerngeschäft der Beklagten gehörte der Umschlag und die Lagerung von Containern, massenhaftem Stückgut, Stahl, Projektladungen, Kakao. Die Be- und Entladevorgänge wurden von Mitarbeitern der Beklagten, zum Teil ergänzt durch Mitarbeiter anderer B-Unternehmen und Gesamthafenarbeiter, unter Einsatz von Kränen, die zum größten Teil geleast worden waren, durchgeführt. Die Kaianlagen hat die Beklagte von der Freien und Hansestadt Hamburg gepachtet. Im Auftrag der N AG betrieb die Beklagte auch den Greiferumschlag von Kupfererz, für den sie bis zu drei Kräne einsetzte. Bei der Beklagten war ein Betriebsrat gebildet.
Die W führt als Quartiermannsbetrieb Kakaoumschlags- und Lagerbetriebstätigkeiten durch. Sie hat von der Beklagten zwei Lagerschuppen auf dem K Terminal gemietet, die sie für eigene Zwecke nutzt. Dort beschäftigt sie ca. 30 Arbeitnehmer. Daneben unterhält sie an ihrem Betriebssitz am Rweg ein Lager. Bei ihr ist ebenfalls ein Betriebsrat gebildet.
In der Betriebsvereinbarung „Personaltausch” vom 1. November 1996 von fünf Konzernunternehmen der B-Gruppe war vorgesehen, dass alle Mitarbeiter der Beklagten bei Bedarf in den anderen Betrieben der vertragsschließenden Unternehmen eingesetzt werden können. Diese Abrede wurde durch die „Vereinbarung Personaleinsatz” ersetzt. In dieser Betriebsvereinbarung wurde die gesetzliche Nachwirkung (§ 77 Abs. 6 BetrVG) ausgeschlossen. Der Betriebsrat der Beklagten kündigte diese Vereinbarung am 30. August 2000 außerordentlich sowie am 28. September 2000 ordentlich zum 31. Dezember 2000. Anfang April 2001 wurde die Betriebsvereinbarung „Personaltausch” wieder in Kraft gesetzt, weil gekündigte Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung verlangt und sie zum Teil gerichtlich durchgesetzt hatten.
Im August 2000 hatte die Beklagte die Einstellung der Hafenumschlagsarbeiten zu Ende Januar 2001 beschlossen. Der Greiferumschlag sollte von der B als Subunternehmerin erledigt werden. Die Betätigung der Beklagten selbst sollte sich auf Vermietung und Verpachtung vorliegender Gebäude und Flächen beschränken. Seither erledigt die B den Greiferumschlag mit den Geräten der Beklagten. Sie hat mehrere Arbeitnehmer der Beklagten eingestellt, darunter vor allem Kranführer.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 2000 informierte die Beklagte den Betriebsrat gemäß § 17 KSchG über ihre Absicht, 90 Arbeitnehmer zu entlassen. Das Schreiben nahm auf die seit dem 15. August 2000 geführten Beratungsgespräche und das laufende Einigungsstellenverfahren Bezug und enthielt nähere Angaben zu den Kündigungsgründen, den zu entlassenden Arbeitnehmern, den anwendbaren Kündigungsfristen und zur Sozialauswahl. Hinsichtlich der Kriterien für die Berechnung der Abfindungen heißt es in dem Schreiben lediglich, diese ergäben sich erst aus dem noch abzuschließenden Sozialplan, so dass diesbezüglich noch keine Angaben gemacht werden könnten. Am 18. Dezember 2000 wurde vor der Einigungsstelle ein Interessenausgleich geschlossen, der ua. die Regelung enthielt, die Beklagte werde sich dafür einsetzen, dass im einzelnen aufgeführte Arbeitsplätze bei anderen Unternehmen der Gruppe bevorzugt mit Arbeitnehmern der Beklagten besetzt würden.
Mit Schreiben ebenfalls vom 18. Dezember 2000 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur Kündigung von 90 Arbeitnehmern – darunter der Kläger – an. Unter dem 19. Dezember 2000 nahm der Betriebsrat gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt zu den Kündigungen Stellung, nachdem die Beklagte zuvor eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG erstattet hatte. Mit Bescheid vom 22. Januar 2001 genehmigte das Arbeitsamt die Entlassungen.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst zum 31. Januar 2001. Die Parteien sind sich einig, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 30. Juni 2001 aufgelöst hat.
Am 27. April 2001 wurde im Einigungsstellenverfahren ein Sozialplan beschlossen, dessen Wirksamkeit der Betriebsrat gerichtlich angefochten hat.
Nach erneuter Beteiligung des Betriebsrats und des Arbeitsamtes kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 30. Mai 2000, das dem Kläger am 1. Juni 2000 zuging, zum 30. Juni 2001. Die Parteien sind sich einig, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31. Juli 2001 aufgelöst hat. Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 genehmigte das Arbeitsamt die Entlassungen.
Zu den Kündigungsfristen bestimmt der zwischen dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr abgeschlossene Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe (RTV; gültig ab 1. April 1992):
„§ 19
Kündigung
1. Zwischen dem Hafeneinzelbetriebsarbeiter und dem Hafeneinzelbetrieb sowie zwischen dem Gesamthafenarbeiter und dem zuständigen Verwaltungsträger des Gesamthafenbetriebes beträgt die Kündigungsfrist für beide Seiten 4 Wochen.
Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit bei demselben Arbeitgeber 5 Jahre bestanden, so erhöht sich diese Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende.
Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit bei demselben Arbeitgeber 10 Jahre bestanden, so erhöht sich diese Kündigungsfrist auf 3 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.
Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber bestanden, so erhöht sich diese Kündigungsfrist auf 6 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres; hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber bestanden und hat der Hafenarbeiter das 50. Lebensjahr vollendet, beträgt diese Kündigungsfrist 9 Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres.
Bei Anwendung von Sozialplänen regeln sich die Kündigungsfristen nach Abs. 2 dieser Ziffer.”
In einem Urteil vom 10. Januar 1997 hat das Landesarbeitsgericht Hamburg (6 Sa 48/95; rechtskräftig) angenommen, § 19 Abs. 1 Satz 5 RTV verstoße „in mehrfacher Hinsicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG”. Dies gelte sowohl für das Verhältnis der von einem Sozialplan erfassten Arbeiter zu gleichfalls unter einen Sozialplan fallende Angestellte als auch im Verhältnis von Arbeitern, denen betriebsbedingt gekündigt werde und die unter einen Sozialplan fielen, zu denjenigen, denen aus sonstigen Gründen sozial gerechtfertigte Kündigungen ausgesprochen würden.
Als Reaktion auf diese Entscheidung verständigten sich der Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – Bezirksverwaltung Hamburg in einer Protokollnotiz vom 22. Juni 1998 für die technischen Angestellten auf folgende Regelung:
„…wird zu § 15 – Kündigung – des Tarifvertrages für die technischen Angestellten des Hamburger Hafens, gültig ab 1. Mai 1992, folgende Ziffer vereinbart:
5. Bei Anwendung von Sozialplänen beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Monatsende.
Diese Protokollnotiz tritt am 1. Juni 1998 in Kraft. Sie kann erstmalig mit einer 14tägigen Frist zum 30.09.1998 gekündigt werden. Im Falle einer Kündigung entfaltet sie keine Nachwirkung.”
Mit Schreiben vom 20. September 2000 kündigte die ÖTV diese Protokollnotiz.
Die gleichen Tarifvertragsparteien bestimmten in der 4. Protokollnotiz vom 15. Juli 1999 zu dem Manteltarifvertrag für kaufmännische Angestellte in den Hamburger Hafenbetrieben:
„…wird zu § 12 – Kündigung – des Manteltarifvertrages für kaufmännische Angestellte in den Hamburger Hafenbetrieben, gültig ab 01.10.1992, folgende neue Ziffer vereinbart:
7. Bei Anwendung von Sozialplänen beträgt die Kündigungsfrist einen Monat zum Monatsende.
Diese Protokollnotiz tritt am 01.07.1999 in Kraft. Sie ist Bestandteil des Manteltarifvertrages für kaufmännische Angestellte in den Hamburger Hafenbetrieben, gültig ab 01.10.1992.”
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Es liege ein Betriebsübergang auf die B vor. Fast alle Kunden der Beklagten seien zur B gewechselt. Da die wirtschaftliche Identität des Betriebes nahezu ausschließlich durch die Kundenbeziehungen zu den Reedern repräsentiert werde, stehe einem Betriebsübergang nicht entgegen, dass die meisten Gerätschaften und das Gelände nicht von der B übernommen worden seien. Jedenfalls sei in Bezug auf den Greiferumschlag ein Teilbetriebsübergang gegeben. Mit den Kranführern habe die B wesentliche „know-how-Träger” übernommen. Die Kündigungen seien auch deshalb unwirksam, weil er auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Konzern weiterbeschäftigt werden könne. Zwar sei im Arbeitsvertrag keine konzernweite Versetzungsmöglichkeit vereinbart worden. Aus dem Umstand, dass die Muttergesellschaft die Verlagerung von Aktivitäten von dem einen auf das andere Konzernunternehmen geplant habe, ergebe sich jedoch eine Verpflichtung der Beklagten, ihn konzernweit zu beschäftigen. Diese lasse sich auch aus der Betriebsvereinbarung „Personaltausch” und § 2 Abs. 3 des Interessenausgleichs entnehmen. Darüber hinaus habe die Beklagte eine Sozialauswahl mit den vergleichbaren Arbeitnehmern der W unterlassen. Eine solche sei erforderlich gewesen, weil die Beklagte und die W einen gemeinsamen Betrieb gebildet hätten. Dies ergebe sich nicht nur aus der Personenidentität der Firmenleitung, sondern auch aus dem gemeinsam organisierten Personaleinsatz beider Firmen und der gemeinsamen Nutzung der Kantine, von Umkleideräumen und des Werksarztes. Schließlich seien die Kündigungen unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht vor Durchführung der Entlassungen über die Kriterien etwaiger Abfindungen unterrichtet und mit ihm darüber beraten habe. Sollten sich die Kündigungen entgegen seiner Auffassung als wirksam erweisen, habe das Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 2001 geendet. Die Regelung des RTV, wonach bei der Anwendung eines Sozialplanes kürzere Kündigungsfristen zur Anwendung kommen sollten, verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 28. Dezember 2000 zum 31. Januar 2001 beendet worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2001 zum 31. Juli 2001 aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31. Dezember 2001 hinaus zu im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen als Hafenarbeiter in der Lohngruppe VII weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, die Kündigungen seien wirksam, weil sie sich entschlossen habe, den Umschlagbereich stillzulegen und sich künftig auf die Vermietung von Schuppen und Freiflächen zu beschränken. Ein Betriebsübergang auf die B sei nicht gegeben. Es könne nicht einmal im Ansatz davon die Rede sein, dass sie eine organisatorische bzw. betriebliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität auf die B übertragen habe. Es liege auch kein Teilbetriebsübergang vor. Der Bereich „Greiferumschlag” stelle keinen Betriebsteil dar. Kein Mitarbeiter sei ganz oder überwiegend in diesem Bereich eingesetzt worden. Selbst wenn ein Teilbetriebsübergang vorliege, sei der Kläger hiervon nicht betroffen. Denn er sei – was unstreitig ist – nie im Greiferumschlag eingesetzt worden. Eine konzernweite Beschäftigungspflicht bestehe nicht. Sie habe keine Möglichkeit, anderen Konzernunternehmen Weisungen zu erteilen. Der Kläger habe zudem keinen freien Arbeitsplatz im Konzern benannt. Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen, weil sie keine mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer weiterbeschäftige. Mit der W habe zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsamer Betrieb bestanden. Die Zusammenarbeit mit der W habe sich auf den Verwaltungsbereich beschränkt. Die vom Kläger angesprochene Kantine sei öffentlich zugänglich. Die Umkleideräume würden von Arbeitnehmern anderer Arbeitgeber ebenfalls genutzt. Der Werksarzt sei auch für andere Unternehmen zuständig. In ihrem Betrieb seien zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter der W tätig gewesen. In einem sehr geringen Umfang habe sie Arbeitnehmer bei der W eingesetzt. Herr R sei im Wesentlichen für die W tätig, während die personellen und sozialen Angelegenheiten in ihrem Betrieb von Herrn D bearbeitet worden seien. Für alltägliche Fragen seien personenverschiedene Betriebsleiter zuständig gewesen. Gegen einen gemeinsamen Betrieb spreche auch die Bildung zweier Betriebsräte. Ein etwaiger gemeinsamer Betrieb sei jedenfalls zum Kündigungszeitpunkt aufgelöst worden. Die tarifvertragliche Regelung, die eine Verkürzung der Kündigungsfristen bei Anwendbarkeit eines Sozialplans vorsehe, sei wirksam. Es stelle keinen Gleichheitsverstoß dar, wenn unterschiedliche Tarifvertragsparteien Unterschiedliches aushandelten, auch wenn dies in ein und demselben Betrieb zu Ungleichbehandlungen führe. Zudem sei die Kündigung der Protokollnotiz durch die Gewerkschaft unwirksam.
Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass das Arbeitsverhältnis durch die erste Kündigung vom 28. Dezember 2000 zum 31. Dezember 2001 aufgelöst worden ist. Den Weiterbeschäftigungsantrag hat es abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung beider Parteien zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgen der Kläger seine ursprünglichen Klageanträge und die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet, im Übrigen ebenso wie die Revision des Klägers unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2001 hat das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Auch die tarifliche Regelung, die eine Verkürzung der Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende bei der Anwendung eines Sozialplans vorsieht, ist wirksam. Da die Kündigung vom 30. Mai 2001 dem Kläger jedoch erst am 1. Juni 2001 zugegangen ist, hat das Arbeitsverhältnis erst am 31. Juli 2001 sein Ende gefunden. Auf die zu einem späteren Zeitpunkt wirkende Kündigung vom 28. Dezember 2000 kam es daher nicht mehr an.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigungen vom 28. Dezember 2000 und 30. Mai 2001 seien sozial gerechtfertigt, weil die Beklagte den Entschluss gefasst habe, den Betrieb weitgehend stillzulegen, und dadurch das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung des Klägers entfallen sei. Ein Betriebsübergang, der der weitgehenden Betriebsstilllegung entgegenstehen könne, sei nicht gegeben. Dabei könne es dahin stehen, ob hinsichtlich des Greiferumschlags ein Teilbetrieb auf die B übergegangen sei. Jedenfalls sei der Kläger einem derart verstandenen Betriebsteil nicht zugeordnet gewesen, weil er nicht in diesem Bereich gearbeitet habe. Ein Übergang des gesamten Betriebes auf die B liege nicht vor. Ein solcher ergebe sich nicht aus dem Umstand, dass fast alle Kundenbeziehungen der Beklagten an die B gelangt seien. Die für einen Kaiumschlagbetrieb zwingend erforderlichen sächlichen Mittel der Beklagten habe die B nicht erworben. Der Kläger könne nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen der Beklagten weiterbeschäftigt werden. Eine konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht bestehe nicht. Der Kläger sei nicht von vornherein für den Konzernbereich eingestellt worden. Er habe sich auch nicht arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb der Unternehmensgruppe einverstanden erklärt. Die Beklagte habe keine fehlerhafte Sozialauswahl vorgenommen. Arbeitnehmer der W seien nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen. Dies gelte selbst dann, wenn die Beklagte und die W einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet hätten. Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen, weil ein möglicher Gemeinschaftsbetrieb mit dem im Kündigungsschreiben genannten Kündigungstermin aufgelöst gewesen sei. Die Kündigungen seien auch nicht wegen Verletzung der §§ 17 ff. KSchG unwirksam. Die Kündigung vom 28. Dezember 2000 habe das Arbeitsverhältnis aber erst zum 31. Dezember 2001 aufgelöst. Durch die zweite Kündigung vom 30. Mai 2001 sei das Arbeitsverhältnis nicht früher beendet worden. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass bei Ausspruch der zweiten Kündigung ein Sozialplan vorgelegen habe. Die verkürzte tarifliche Kündigungsfrist bei Anwendung eines Sozialplans komme nicht zur Anwendung, weil eine solche Verkürzung nur für gewerbliche Arbeitnehmer vorgesehen sei und hierin ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege.
B. Dem folgt der Senat nur in Teilen des Ergebnisses und der Begründung.
I. Die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2001 ist nicht sozialwidrig und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 2, § 1 Abs. 1 KSchG).
1. Bei der Frage, ob eine Kündigung sozialwidrig, insbesondere durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. ua. BAG 10. Oktober 2002 – 2 AZR 598/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122; 7. November 1996 – 2 AZR 811/95 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 82 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 88). Diesem Prüfungsmaßstab wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts gerecht.
2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2001 durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt war, die der Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstanden.
a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen, können sich aus der unternehmerischen Entscheidung ergeben, den gesamten Betrieb stillzulegen. Eine solche Unternehmerentscheidung ist nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Erforderlich ist der ernstliche und endgültige Entschluss des Unternehmers, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern für einen seiner Dauer nach unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum aufzuheben. Eine aus diesem Grund erklärte ordentliche Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (BAG 18. Januar 2001 – 2 AZR 514/99 – BAGE 97, 10; 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22).
b) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht diese Voraussetzungen als erfüllt angesehen hat. Die Beklagte hat unstreitig die unternehmerische Entscheidung getroffen, ihren Betrieb insoweit stillzulegen, als er sich auf Hafenumschlagsarbeiten bezog. Diese unternehmerische Entscheidung, deren Zweckmäßigkeit nicht zu überprüfen ist, hatte bis zum Ausspruch der Kündigungen am 28. Dezember 2000, erst recht bis zur Kündigung am 30. Mai 2001, durch zahlreiche Maßnahmen, etwa die Verhandlungen über den Interessenausgleich, bereits greifbare Formen angenommen.
3. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zielte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht in Wahrheit auf einen Betriebsübergang auf die B.
a) Ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit „Betrieb” bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfür zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit (ständige Rechtsprechung des BAG im Anschluss an EuGH 11. März 1997 – C –13/95 – Ayse-Süzen – EuGHE I 1997, 1259; vgl. nur 8. August 2002 – 8 AZR 583/01 – EzA BGB § 613a Nr. 209; 16. Mai 2002 – 8 AZR 320/01 – AP InsO § 113 Nr. 9; 18. April 2002 – 8 AZR 346/01 – AP BGB § 613a Nr. 232 = EzA BGB § 613a Nr. 207; 25. Mai 2000 – 8 AZR 416/99 – BAGE 95, 1; 26. August 1999 – 8 AZR 827/98 – BAGE 92, 251). In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. nur 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – BAGE 87, 303; 18. März 1999 – 8 AZR 196/98 – AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178; 26. August 1999 – 8 AZR 827/98 – BAGE 92, 251).
b) Ein Übergang des gesamten Hafenumschlagbetriebs der Beklagten auf die B ist danach nicht gegeben. Es liegt allenfalls ein Fall der Funktionsnachfolge vor, der nicht mit der Übernahme der bestehenden Betriebs- oder Arbeitsorganisation verbunden war. Auch wenn man berücksichtigt, dass die B in die meisten Kundenbeziehungen der Beklagten eingetreten ist, so ändert dies nichts daran, dass dieses Unternehmen nach der Stilllegung der Hafenumschlagstätigkeit durch die Beklagte deren Kunden geworben und ohne Übernahme der bisherigen Betriebs- oder Arbeitsorganisation nur die bisherige unternehmerische Haupttätigkeit der Beklagten im Wesentlichen mit ihren eigenen materiellen Betriebsmitteln und ihrer Belegschaft fortgeführt hat.
c) Auch die Annahme eines Teilbetriebsübergangs hinsichtlich des Greiferumschlags führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Es ist schon äußerst zweifelhaft, ob der Greiferumschlag im Betrieb der Beklagten als eigenständiger Betriebsteil anzusehen war. Jedenfalls war der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts einem solchen Betriebsteil nicht zuzuordnen und ein eventueller Teilbetriebsübergang des Greiferumschlags hätte deshalb sein Arbeitsverhältnis nicht berührt.
4. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, unter den Arbeitnehmern der Beklagten und der W eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG durchzuführen. Da die Beklagte im Rahmen der geplanten und durchgeführten Betriebsstilllegung alle vergleichbaren Hafenarbeiter entlassen hat, war für die Durchführung einer Sozialauswahl kein Raum. Dem steht auch nicht der Sachvortrag des Klägers entgegen, zwischen der Beklagten und der W habe ein Gemeinschaftsbetrieb bestanden.
a) Von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ist auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Dazu müssen sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden (BAG 21. Februar 2001 – 7 ABR 9/00 – EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 11; 18. Oktober 2000 – 2 AZR 494/99 – BAGE 96, 78; 24. Januar 1996 – 7 ABR 10/95 – BAGE 82, 112; 13. Juni 1985 – 2 AZR 452/84 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Nr. 41). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn mehrere Unternehmen in einem Konzern verbunden sind. Aus der gesellschaftsrechtlichen Weisungsbefugnis der Konzernholding gegenüber Tochtergesellschaften in bestimmten Bereichen kann weder auf einen gemeinsamen Betrieb zwischen der Konzernholding und einer oder mehreren Tochtergesellschaften noch auf einen gemeinsamen Betrieb zwischen einzelnen Tochtergesellschaften geschlossen werden (BAG 13. Juni 2002 – 2 AZR 327/01 – AP KSchG 1969 § 23 Nr. 29 = EzA KSchG § 23 Nr. 24, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b) Es ist schon äußerst zweifelhaft, ob zwischen der Beklagten und der W ein gemeinsamer Betrieb bestanden hat. Wie das Landesarbeitsgericht Hamburg in einem der Parallelprozesse (Urteil vom 31. Oktober 2001 – 8 Sa 72/01 – = BAG 2 AZR 79/02) ausgeführt hat, ist nicht erkennbar, dass sich die beiden Unternehmen zu einer einheitlichen Leitung in Bezug auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten verbunden haben. Allein aus dem Umstand, dass hinsichtlich der Geschäftsleitung teilweise Personenidentität besteht, lässt sich die Annahme eines gemeinsamen Betriebs nicht ableiten. Gegen einen gemeinsamen Betrieb spricht schon der unterschiedliche Firmensitz, vor allem aber die Existenz zweier Betriebsräte. Dies zeigt, dass die Geschäftsleitung der beiden Unternehmen hinsichtlich der sozialen und personellen Angelegenheiten jeweils unterschiedliche Ansprechpartner hatte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Betriebsvereinbarung „Personaleinsatz”. Diese regelt die Verfahrensweise bezüglich des konzernweiten Personalaustauschs. Ihr ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Beklagte und die W über einen einheitlichen Leitungsapparat verfügt haben. Dies kann aber letztlich offen bleiben.
c) Eine Sozialauswahl zwischen den Arbeitnehmern der Beklagten und der W wäre selbst dann nicht vorzunehmen gewesen, wenn diese ursprünglich einen gemeinsamen Betrieb gebildet hätten. Ein etwaiger gemeinsamer Betrieb war zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der W in Frage stand, bereits aufgelöst.
aa) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung ist eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl nicht vorzunehmen, wenn der Gemeinschaftsbetrieb im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr besteht (13. September 1995 – 2 AZR 954/94 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 72 = EzA KSchG § 1 Nr. 48). Ist im Zeitpunkt der Kündigung einer der beiden Betriebe, die einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, stillgelegt, so sind damit die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten sowie die unternehmerischen Funktionen im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten dem vormals einheitlichen Leitungsapparat der beteiligten Unternehmen entzogen, der Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst und damit die „gemeinsame Klammer”, die eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl veranlasst hat, entfallen. Dies war bei Ausspruch der Kündigung vom 30. Mai 2001 der Fall.
bb) Gleiches muss im Übrigen gelten, wenn im Zeitpunkt der Kündigung der eine der beiden Betriebe, die zusammen einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben, zwar noch nicht stillgelegt ist, auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung, die bereits greifbare Formen angenommen hat, aber feststeht, dass er bei Ablauf der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers stillgelegt sein wird. Kündigungsgrund ist in einem solchen Fall das dringende betriebliche Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem stillzulegenden Betrieb nach Ablauf seiner Kündigungsfrist entgegensteht. Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem bis zur Stilllegung des einen Betriebs zwischen beiden Unternehmen gebildeten Gemeinschaftsbetrieb kommt damit aber nicht mehr in Betracht. Wird, wie dies regelmäßig geschieht und auch hier – wenn überhaupt ein Gemeinschaftsbetrieb vorlag – geschehen ist, mit der Stilllegung des einen Betriebs auch die gemeinsame Leitungsstruktur beseitigt, so besteht ab dem Stilllegungszeitpunkt nur noch ein Betrieb fort, in dessen Führung durch den Unternehmer, dessen Betrieb stillgelegt worden ist, nicht mehr eingegriffen werden kann. Der Inhaber des stillzulegenden Betriebs ist damit nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung seiner Arbeitnehmer, denen wegen der Stilllegung betriebsbedingt zu kündigen ist, in dem fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmers rechtlich durchzusetzen. Damit fehlt es schon im Kündigungszeitpunkt für eine Sozialauswahl zwischen den Arbeitnehmern des ursprünglichen Gemeinschaftsbetriebs zumindest an der Vergleichbarkeit.
II. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es habe auch keine Pflicht der Beklagten analog § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG bestanden, für eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz eines zur B-Gruppe gehörenden Konzernunternehmens zu sorgen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das Kündigungsschutzgesetz nicht konzernbezogen (14. Oktober 1982 – 2 AZR 568/80 – BAGE 41, 72; 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22; 27. November 1991 – 2 AZR 255/91 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 72; 10. Januar 1994 – 2 AZR 489/93 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 8 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 74; vgl. auch 21. Januar 1999 – 2 AZR 648/97 – BAGE 90, 353; 21. Februar 2002 – 2 AZR 749/00 – EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 7; 26. September 2002 – 2 AZR 636/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dem Wortlaut des Gesetzes ist zu entnehmen, dass der Kündigungsschutz grundsätzlich betriebsbezogen (§ 23 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 2 Satz 1, § 1 Abs. 3 KSchG) bzw. hinsichtlich der Wartezeit und der Weiterbeschäftigungspflicht (§ 1 Abs. 1 bis 3 KSchG) betriebs- und unternehmensbezogen ist. Im Gegensatz zum Betriebsverfassungsrecht, das etwa in Bezug auf die Wählbarkeit zum Betriebsrat einen Konzernbezug aufweist (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BetrVG), hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, den Kündigungsschutz konzernbezogen auszugestalten.
2. Ausgehend von der grundlegenden Entscheidung vom 14. Oktober 1982 (BAG – 2 AZR 568/80 – BAGE 41, 72) nimmt der Senat allerdings in ständiger Rechtsprechung an, auf Grund besonderer Sachverhaltsgestaltungen seien Ausnahmefälle denkbar, in denen eine konzernbezogene Betrachtung geboten sei. Davon sei nicht nur auszugehen, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt habe, sondern auch – und vor allem dann, wenn sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag oder einer sonstigen vertraglichen Absprache ergebe. Der Arbeitnehmer könne nach dem Arbeitsvertrag von vornherein für den Unternehmens- und den Konzernbereich eingestellt worden sein oder sich arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb der Unternehmens- bzw. Konzerngruppe einverstanden erklärt haben. Bei einer solchen Vertragsgestaltung müsse der Arbeitgeber als verpflichtet angesehen werden, zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb zu versuchen, bevor er dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen kündige. Gleiches müsse aber auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine diesbezügliche Zusage mache oder eine Übernahme durch einen anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb in Aussicht stelle. Dies sind aber keine Beispiele für eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes auf den Konzern. Vielmehr kann der Arbeitnehmer bei derartigen Fallgestaltungen einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Verschaffung eines Arbeitsvertrags haben. Insoweit hat der Senat die Anregungen von Konzen (Arbeitsrechtliche Drittbeziehungen ZfA 1982, 259) – und Martens (Das Arbeitsverhältnis im Konzern in FS 25 Jahre Bundesarbeitsgericht S. 367) aufgegriffen, bei einer durch die gegebenen Umstände konkretisierten Fürsorge- und Gleichbehandlungspflicht auch eine erweiterte „Versetzungspflicht” anzunehmen (in diesem Sinne BAG 14. Oktober 1982 – 2 AZR 568/80 – aaO; 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22; 27. November 1991 – 2 AZR 255/91 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 72).
In mehreren Entscheidungen hat der Senat darüber hinaus ausgeführt, eine derartige unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht bestehe nur, wenn dem Beschäftigungsbetrieb auf Grund einer Abstimmung mit dem herrschenden Unternehmen oder dem anderen Konzernbetrieb ein bestimmender Einfluss auf die „Versetzung” eingeräumt worden und die Entscheidung darüber nicht dem grundsätzlich zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten worden sei (BAG 14. Oktober 1982 – 2 AZR 568/80 – BAGE 41, 72; 22. Mai 1986 – 2 AZR 612/85 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 22; 21. Februar 2002 – 2 AZR 749/00 – EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 7; offen gelassen in 27. November 1991 – 2 AZR 255/91 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 72; kritisch demgegenüber Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 320 f.; derselbe in Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigungund Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 8. Aufl. Rn. 937 und 1014 f.; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern S. 157; dieselbe in SAE 1984, 145, 148; Wiedemann Anm. zu BAG AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 1; Fiebig DB 1993, 582, 583). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme auf Grund eindeutiger rechtlicher Regelungen (zB auf Grund eines Beherrschungsvertrags) oder eher nur faktisch besteht (BAG 21. Februar 2002 – 2 AZR 749/00 – aaO).
3. Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass ein ausreichender Konzernbezug des Arbeitsverhältnisses in diesem Sinne, der vorliegend zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger in einem anderen Konzernbetrieb hätte führen können, nicht ausreichend dargelegt ist. Ein Recht des Klägers oder eine entsprechende Pflicht der Beklagten, das Arbeitsverhältnis bei entsprechendem Beschäftigungsbedarf auf ein anderes Konzernunternehmen überzuleiten, bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung noch auf Grund sonstiger Rechtsvorschriften oder einer Selbstbindung der Beklagten. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nach dem Arbeitsvertrag und der Betriebsvereinbarung „Personaleinsatz” berechtigt war und hiervon auch Gebrauch gemacht hat, im Bedarfsfall auch einen Arbeitseinsatz des Klägers in einem anderen Konzernbetrieb anzuordnen. Vertragsarbeitgeber ist hierbei stets die Beklagte geblieben. Eine solche Handhabung reicht im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht aus, eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht zu begründen.
4. Es geht auch zu weit, einen „konzernbezogenen Kündigungsschutz” – wie dies die Kläger der verschiedenen Parallelsachen in unterschiedlicher Pointierung versucht haben – allein daran anzuknüpfen, dass in einem Konzern die unternehmerische Entscheidung getroffen worden ist, den einen Betrieb stillzulegen und den Betrieb eines anderen Konzernunternehmens mit im Wesentlichen gleichen Tätigkeitsfeld weiterzuführen. Der Senat hat zwar bisher ausdrücklich offen gelassen, ob und in welchem Umfang sich ein „konzernbezogener Kündigungsschutz” auch aus Vertrauensgesichtspunkten im Fall der Selbstbindung des Arbeitgebers ergeben kann (BAG 26. September 2002 – 2 AZR 636/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 21. Februar 2002 – 2 AZR 749/00 – EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 7). Erörtert worden ist dies jedoch, wie die Ausgangssachverhalte der vom Senat entschiedenen Fälle zeigen, nur für Fallgestaltungen, in denen konzerninterne Entscheidungen (etwa Verlagerung von Tätigkeiten auf andere Konzernunternehmen, Stilllegung eines Konzernunternehmens oder einer Abteilung bei gleichzeitiger Neugründung eines Konzernunternehmens mit identischen arbeitstechnischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen) den Beschäftigungsbedarf für den betreffenden Arbeitnehmer bei konzernbezogener Betrachtungsweise nicht wegfallen lassen. Es kann hier dahinstehen, ob in derartigen Fallgestaltungen der Literaturmeinung zu folgen ist, das andere Konzernunternehmen dürfe für die Erledigung der bisherigen Arbeiten nicht auf dem freien Arbeitsmarkt neue Arbeitnehmer einstellen, sondern der bisherige Arbeitgeber müsse für eine Weiterbeschäftigung der bisher mit diesen Arbeiten beschäftigten Arbeitnehmer sorgen. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls keine Sachverhaltsgestaltung gegeben, die eine Ausdehnung des Kündigungsschutzgesetzes auf derartige Konzernsachverhalte unter Vertrauensschutzgesichtspunkten rechtfertigen würde. Betreiben zwei Unternehmen eines Konzerns Betriebe mit identischem oder gleichartigem Tätigkeitsfeld, so kann es unter kündigungsschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht als unzulässig angesehen werden, dass bei sich verschlechternder Auftrags- und Wirtschaftslage einer der beiden Konzernbetriebe stillgelegt wird und in Zukunft nur noch der andere Konzernbetrieb in dem fraglichen Tätigkeitsfeld ohne erhebliche Aufstockung seiner Belegschaft weiterhin am Markt auftritt.
5. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob der Kläger, was bei der Geltendmachung einer konzernweiten Beschäftigungspflicht erforderlich ist, überhaupt ausreichend dargelegt hat, wie er sich seine Weiterbeschäftigung im Konzern vorstellt (vgl. hierzu BAG 20. Januar 1994 – 2 AZR 489/93 – AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 8 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 74).
III. Die Kündigung der Beklagten ist auch nicht wegen Verstoßes gegen §§ 17 ff. KSchG in Verbindung mit der Richtlinie des Rates 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen vom 20. Juli 1998 (ABl. Nr. L 225/16 Massenentlassungsrichtlinie) unwirksam.
1. Es ist schon fraglich, ob die Beklagte – wie die Revision meint – überhaupt gegen ihre Auskunfts- und Beratungspflichten aus § 17 KSchG und der Richtlinie 98/59/EG verstoßen hat.
Die geplante Entlassung von 90 Arbeitnehmern zum 31. Januar 2001 war nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzeigepflichtig. Die Beklagte hatte deshalb nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG den Betriebsrat schriftlich über die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien zu unterrichten und mit ihm insbesondere über die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Es sprechen gewichtige Argumente dafür, dass die Beklagte diese Auskunfts- und Beratungspflicht schon vor Ausspruch der Kündigung vom 28. Dezember 2000 erfüllt hat.
a) Zumindest aus der Sicht des deutschen Gesetzgebers reichte es als Unterrichtung über die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG) aus, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 13. Dezember 2000 an den Betriebsrat darauf hingewiesen hat, die Kriterien für die Berechnung von Abfindungen ergäben sich erst aus dem noch abzuschließenden Sozialplan (vgl. BT-Drucks. 13/668 S. 13 f.). Damit hat die Beklagte auf § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG Bezug genommen. Diese Regelung sieht vor, dass die über die Aufstellung eines Sozialplans entscheidende Einigungsstelle sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten hat. Solange kein Sozialplan vorliegt, kann der Arbeitgeber nur auf § 112 Abs. 5 BetrVG hinweisen. Es ist kaum anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Arbeitgeber zu Auskünften verpflichten wollte, deren Erteilung ihm unmöglich ist. Eine weitergehende Information kann der Arbeitgeber dem Betriebsrat schon deshalb nicht geben, weil er die Kriterien für die Abfindung nicht einseitig bestimmen kann. Vielmehr ist der Einigungsstelle die Kompetenz zur letztverbindlichen Entscheidung zugewiesen. Ihr Spruch ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 112 Abs. 4 BetrVG). § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG ist nur deswegen in das Gesetz aufgenommen worden, weil nicht jede Massenentlassung iSd. § 17 Abs. 1 KSchG zugleich einen die Sozialplanpflicht auslösenden Personalabbau zur Folge haben muss (BT-Drucks. 13/668 S. 14; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 17 Rn. 47f). Wie insbesondere die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, soll § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG nur dann eine eigenständige Bedeutung haben, wenn keine sozialplanpflichtige Betriebsänderung iSv. §§ 111 ff. BetrVG vorliegt. Liegt hingegen eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung vor, bedarf der Betriebsrat nicht der Information durch den Arbeitgeber über die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Die Kriterien werden vielmehr nach den Grundsätzen des § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG im Einigungsstellenverfahren beraten und festgelegt.
b) Auch die Pflicht des Arbeitgebers, nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG mit dem Betriebsrat insbesondere über die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern, ist zumindest nach bisherigem Verständnis erfüllt, wenn der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung iSv. §§ 111 ff. BetrVG – vorliegend sogar unter Einschaltung der Einigungsstelle – einen Interessenausgleich abschließt und dann erst kündigt (vgl. BAG 20. November 2001 – 1 AZR 97/01 – BAGE 99, 377). Nach der gesetzlichen Definition ist der Sozialplan die „Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen” (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Eine Definition des Interessenausgleichs enthält das Gesetz nicht. Gegenstand eines Interessenausgleichs sind Regelungen darüber, „ob, wann und in welcher Form die vom Unternehmen geplante Betriebsänderung durchgeführt werden soll” (Neef NZA 97, 65; ErfK/Hanau/Kania 3. Aufl. §§ 112, 112a BetrVG Rn. 1). Mit Abschluss des Interessenausgleichs, ohne dass bereits ein Sozialplan vorliegt, sind zwischen den Betriebspartnern zwar noch nicht alle Maßnahmen, die die Folgen der auszusprechenden Kündigungen mildern sollen, endgültig festgelegt. Immerhin haben die Beratungen über die Massenentlassung einen gesetzlich vorgesehenen ersten Abschluss gefunden und das weitere Verfahren ist gesetzlich geregelt.
c) Wenn die Revision demgegenüber im Wesentlichen geltend macht, Kündigungen dürften bei einer derartigen Massenentlassung erst nach Abschluss des Sozialplans erfolgen, so ist äußerst fraglich, ob sich ein solches Ergebnis aus § 17 Abs. 2 KSchG direkt oder in richtlinienkonformer Auslegung ergeben könnte. Eine gesetzliche Regelung, die vor der Massenentlassung und sogar vor Ausspruch der betreffenden Kündigungen nicht nur die Information und Konsultation, sondern bereits den Abschluss dieser Information und Konsultation voraussetzt, würde nach deutschem Recht wegen des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens über den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans und die zusätzlich erforderliche Anhörung des Betriebsrats zu jeder einzelnen Kündigung nach § 102 BetrVG zu einer ganz erheblichen Verzögerung sozialplanpflichtiger Betriebsänderungen führen. Der Senat braucht diese Frage aber nicht abschließend zu entscheiden.
d) Abgesehen davon war bei Ausspruch der Kündigung vom 30. Mai 2001 der Sozialplan bereits abgeschlossen.
2. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, die Beklagte habe ihre Pflichten aus § 17 Abs. 2 KSchG in Verbindung mit der Richtlinie 98/59/EG verletzt, würde ein solcher Verstoß nicht zu der im vorliegenden Verfahren durch den Antrag nach § 4 KSchG allein geltend gemachten Rechtsfolge führen, dass die Kündigung der Beklagten unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.
a) Es ist schon umstritten, kann aber hier offen bleiben, ob die Erfüllung von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 und § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG überhaupt Voraussetzung für eine wirksame Massenentlassungsanzeige ist und ein Verstoß gegen die Auskunfts- und Beratungspflicht zur Unwirksamkeit der Anzeige und der Entlassungssperre nach § 18 KSchG führt (vgl. einerseits APS/Moll § 17 KSchG Rn. 76 ff.; andererseits KR-Weigand 6. Aufl. § 17 KSchG Rn. 63; Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 145 ff.). Immerhin nimmt § 17 Abs. 3 KSchG bei der Aufzählung der Voraussetzungen für eine wirksame Massenentlassungsanzeige nur auf § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 KSchG, nicht auf § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KSchG Bezug. Hinsichtlich der Unterrichtung des Betriebsrats wird nur verlangt, dass der Arbeitgeber den „Stand der Beratungen” darlegt.
b) Abgesehen davon ist mit Rücksicht darauf, dass im vorliegenden Fall eine bestandskräftige Zustimmung der Arbeitsbehörde vorliegt, nach der bisherigen Senatsrechtsprechung problematisch, ob die Arbeitsgerichte überhaupt noch Formfehler des Arbeitgebers bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige nachprüfen können und ob nicht zumindest mögliche Fehler, wie die im vorliegenden Fall gerügten Mängel der Information und Konsultation des Betriebsrats, die dieser im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat, als geheilt anzusehen sind (BAG 24. Oktober 1996 – 2 AZR 895/95 – BAGE 84, 267).
c) Jedenfalls führt nach der gefestigten Senatsrechtsprechung ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Anzeigepflicht nach § 17 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (24. Oktober 1996 – 2 AZR 895/95 – BAGE 84, 267; 11. März 1999 – 2 AZR 461/98 – BAGE 91, 107 und 13. April 2000 – 2 AZR 215/99 – AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9). § 18 Abs. 1 KSchG betrifft nach seinem klaren Wortlaut nur die Wirksamkeit der anzeigepflichtigen Entlassung, nicht die Wirksamkeit der Kündigung. Liegt im vorgesehenen Entlassungszeitpunkt nicht die erforderliche Zustimmung der Arbeitsverwaltung vor, so tritt unabhängig von der privatrechtlichen Wirksamkeit der Kündigung eine Entlassungssperre ein. Ob die Kündigung als privatrechtliches Rechtsgeschäft wirksam oder unwirksam ist, regelt sich nach anderen Vorschriften, etwa § 1 KSchG. Die §§ 17 ff. KSchG bestimmen nur, dass die Kündigungsfrist auch einer sonst privatrechtlich wirksamen Kündigung durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt der Arbeitsverwaltung festgelegt wird. Die gesetzliche Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Wirksamkeit der Kündigung nach dem Sachverhalt zur Zeit ihres Ausspruchs richtet. Bei Ausspruch der Kündigung steht aber oft nicht einmal fest, ob eine Massenentlassungsanzeige überhaupt erforderlich ist. Jedenfalls kann der Arbeitgeber auch nach Ausspruch der Kündigung bis zur Entlassung die Massenentlassungsanzeige nachholen. Geschieht dies – etwa bei einer längeren Kündigungsfrist – rechtzeitig, so kann die Entlassung zum vorgesehenen Termin erfolgen. Selbst nach der Entlassung kann sich nach der Rechtsprechung im Extremfall noch ergeben, dass durch spätere Entlassungen innerhalb von 30 Kalendertagen die Quote des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht wird. Dann wird nachträglich die bereits vollzogene Entlassung unwirksam. Diese Besonderheiten lassen sich mit der Frage nach der Wirksamkeit einer Kündigung als einseitiger Willenserklärung, die vom Empfängerhorizont her schon bei ihrem Ausspruch klar und unbedingt erkennen lassen muss, in welcher Weise sie das Arbeitsverhältnis gestaltet, kaum vereinbaren (Senat 13. April 2000 – 2 AZR 215/99 – aaO).
3. Auch soweit die Revision geltend macht, die Richtlinie 98/59/EG verlange als Sanktion für einen Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Auskunfts- und Beratungspflichten die Unwirksamkeit der Kündigung, die bloße Entlassungssperre stelle keine hinreichend wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion für einen derartigen Verstoß dar, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg.
Es leuchtet schon nicht ein, wenn die Revision davon ausgeht, die bloße Entlassungssperre reiche als Sanktion nicht aus. Art. 6 der Richtlinie 98/59/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich, dafür zu sorgen, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Eine besondere Sanktion ist nicht vorgeschrieben. Kann der Arbeitgeber nach § 18 Abs. 1 KSchG den Arbeitnehmer trotz privatrechtlich wirksamer Kündigung nicht entlassen, so bedeutet dies nach der Senatsrechtsprechung, dass der Arbeitgeber während der Dauer der Entlassungssperre verpflichtet bleibt, den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen und ihm aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 BGB) seinen Lohn weiterzuzahlen. Bis zu dem Tag der möglichen Entlassung sind deshalb die Rechtsfolgen für den Arbeitgeber im Fall einer Entlassungssperre keine anderen als im Fall der Unwirksamkeit der Kündigung (anders Hinrichs Kündigungsschutz und Arbeitnehmerbeteiligung bei Massenentlassungen S. 130 unter Hinweis auf „erhebliche rechtliche Unsicherheiten”; siehe auch ArbG Berlin 30. April 2003 – 36 Ca 19726/02 – ZiP 2003, 1265). Die Rechtsfolgen unterscheiden sich nur darin, dass bei einer bloßen Entlassungssperre der Arbeitgeber nachbessern, also die nicht erteilte Auskunft und die unterlassene Beratung nachholen kann, während bei der Unwirksamkeit der Kündigung er erneut kündigen muss, nachdem alle Voraussetzungen des § 17 KSchG nachgeholt worden sind. Dass die bloße Obliegenheit des Arbeitgebers, bei möglichen Mängeln der Massenentlassungsanzeige nach deren Behebung vorsorglich erneut zu kündigen, die Abschreckungswirkung entscheidend verstärken kann, vermag nicht zu überzeugen. Es sprechen vielmehr gewichtige Argumente dafür, dass die durch den deutschen Gesetzgeber vorgesehene Sanktion hinreichend wirksam, verhältnismäßig und abschreckend und damit geeignet ist, den Arbeitgeber zu einer Einhaltung der Rechtsvorschriften über die Massenentlassung anzuhalten (vgl. zu einer mehrjährigen Entlassungssperre mit entsprechenden finanziellen Folgen für den Arbeitgeber etwa Senat 13. April 2000 – 2 AZR 215/99 – AP KSchG 1969 § 17 Nr. 13 = EzA KSchG § 17 Nr. 9).
4. Selbst wenn man auch in diesem Punkt der Revision folgen und annehmen würde, lediglich die Unwirksamkeit der Kündigung wäre eine hinreichend wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion (vgl. EuGH 8. Juni 1994 – C-383/92 – Kommission/Vereinigtes Königreich EuGHE I 1994, 2479, 2494), und andere Sanktionen (Nachteilsausgleich entsprechend § 113 BetrVG bzw. Unterlassungsanspruch des Betriebsrats; siehe dazu Wißmann RdA 1998, 221, 225) kämen nicht in Betracht, wäre die Klage abzuweisen.
a) Die Richtlinie 98/59/EG findet im nationalen Recht keine unmittelbare Anwendung. Gemäß Art. 249 Abs. 3 EG ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Soweit der Europäische Gerichtshof unter bestimmten Voraussetzungen die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien annimmt (EuGH 19. Januar 1982 – Rs. 8/81 – Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt – EuGHE I 1982, 53), beschränkt sich dies auf das Verhältnis Staat/Bürger („vertikale unmittelbare Wirkung”). Soweit es um das Verhältnis zweier Privatrechtssubjekte geht, lehnt der Europäische Gerichtshof (vgl. nur 14. Juli 1994 – C-91/92 – Paola Faccini Dori – EuGHE I 1994, 3325; 7. März 1996 – C-192/94 – El Corte Ingles SA – EuGHE I 1996, 1281; ebenso BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02 – AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12 = EzA ArbZG § 7 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) in ständiger Rechtsprechung eine unmittelbare Anwendbarkeit ab (keine „horizontale unmittelbare Wirkung”).
b) Der Inhalt der Richtlinie gewinnt allerdings insoweit besondere Bedeutung, als das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen ist (EuGH 5. Mai 1994 – C-421/92 – Gabriele Habermann-Beltermann/Arbeiterwohlfahrt – EuGHE I 1994, 1657; BAG 15. Oktober 1992 – 2 AZR 227/92 – BAGE 71, 252; vgl. auch BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 – BVerfGE 85, 191; ebenso BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02 – AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12 = EzA ArbZG § 7 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
aa) Unter welchen Voraussetzungen eine richtlinienkonforme Auslegung möglich ist und welchen Gesetzen sie unterliegt, ergibt sich aus nationalem Recht. Das europäische Recht verlangt allerdings, dass das innerstaatliche Gericht das nationale Gesetz „unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt” bzw. „soweit wie möglich” richtlinienkonform auszulegen hat (EuGH 27. Juni 2000 – C-240/98 –, – C-244/98 – Oceano Grupo Editoral und Salvat Editores EuGHE I 2000, 4941 Rn. 30; 10. April 1984 – Rs. 14/83 – von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen EuGHE I 1984, 1891 Rn. 26).
bb) Danach werden die Grenzen einer gemeinschaftskonformen Auslegung durch die allgemeinen Auslegungsregeln bestimmt. Insoweit gilt nichts anderes als für die verfassungskonforme Auslegung. Die Auslegung hat nicht am Wortlaut einer Vorschrift Halt zu machen. Lassen Sinn und Zweck des Gesetzes erkennen, dass der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der gewählten Gesetzesfassung bedacht hat, muss eine auslegungsfähige Regelung einschränkend oder ergänzend in dem Sinne verstanden werden, den der Gesetzgeber bei voller Kenntnis der Probleme normiert hätte. Die Auslegung darf jedoch den erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht verändern (BVerfG 11. April 2000 – 1 BvL 2/00 – AP ArbGG 1979 § 26 Nr. 2; BAG 6. November 2002 – 5 AZR 617/01 (A) – AP AEntG § 1a Nr. 1 = EzA AEntG § 1a Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; 5. März 1996 – 1 AZR 590/92 (A) – BAGE 82, 211 unter Bezugnahme auf BVerfG 24. Mai 1995 – 2 BvF 1/92 – BVerfGE 93, 37, 79 f.; vgl. zu den Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung Kerwer NZA 2002, 1316, 1320 f.; Piepenbrock/Schulze WM 2002, 521; Hochleitner/Wolf/Großerichter WM 2002, 529).
c) Eine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 17 ff. KSchG in dem Sinne, dass die Kündigung des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 bzw. Abs. 2 Satz 2 KSchG unwirksam ist und nicht nur eine Entlassungssperre begründet, ist jedoch nicht möglich. Das Kündigungsschutzgesetz unterscheidet zwischen der Kündigung als einseitiger privatrechtlicher Willenserklärung, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungszeitpunkt gerichtet ist und der tatsächlichen Entlassung im Kündigungszeitpunkt, die nach § 18 Abs. 1 KSchG „gesperrt” ist, bis das öffentlich-rechtliche Zustimmungsverfahren vor dem Arbeitsamt durch entsprechenden Verwaltungsakt abgeschlossen ist. Selbst wenn man Verstöße des Arbeitgebers gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 bzw. Abs. 2 Satz 2 KSchG unter die Fälle einordnet, in denen keine wirksame Zustimmung der Arbeitsbehörde vorliegt, kann die Rechtsfolge eines solchen mindergewichtigen Verstoßes nicht über das hinausgehen, was der Arbeitgeber als Sanktion zu befürchten hat, wenn er nicht einmal eine Massenentlassungsanzeige erstattet. Die Fälle, in denen der Gesetzgeber als Rechtsfolge eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers die Unwirksamkeit der Kündigung vorsieht, sind ausdrücklich gesetzlich geregelt. Eine analoge Anwendung etwa des § 102 BetrVG, wie sie teilweise vorgeschlagen wird, ist nicht möglich, da § 18 KSchG als Rechtsfolge eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen die Anzeigepflicht ausdrücklich nur eine Entlassungssperre festlegt.
5. Gilt nach alledem die Richtlinie 98/59/EG zwischen den Parteien als Privatpersonen nicht unmittelbar und ist auch eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts dahin, dass Verstöße gegen die Richtlinie die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben, nicht möglich, so kommt eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs ebenfalls nicht in Betracht. Zwar ist das Bundesarbeitsgericht als letztinstanzliches Gericht nach Art. 234 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 EG verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, soweit in einem anhängigen Verfahren über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht zu befinden ist. Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor. Die vom Kläger geltend gemachte Rechtsfolge – Unwirksamkeit der Kündigung – soll eine Sanktion für eine der Richtlinie nicht entsprechende Information und Konsultation des Betriebsrats darstellen. Eine solche Sanktion kann sich aber nur aus dem nationalen Recht ergeben. Selbst wenn eine Auslegung der Richtlinie ergäbe, die vom nationalen Gesetzgeber gewählte Sanktion – Entlassungssperre – sei nicht hinreichend wirksam, verhältnismäßig und abschreckend (EuGH 8. Juni 1994 – C-383/92 – Kommission/Vereinigtes Königreich EuGHE I 1994, 2479, 2494), so würde dies nur bedeuten, dass der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Es wäre dann aber – gegebenenfalls nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission gemäß Art. 226 EG – Aufgabe des nationalen Gesetzgebers, die Richtlinie durch eine Änderung des § 17 KSchG ordnungsgemäß umzusetzen. Da die Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung überschritten sind, ist das Bundesarbeitsgericht dazu nicht in der Lage.
IV. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat mit dem 31. Juli 2001 sein Ende gefunden. Dies ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 5 RTV, der bei der Anwendung eines Sozialplans eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vorsieht. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstößt diese tarifliche Bestimmung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung an die Grundrechte und damit an den Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (vgl. nur 18. Oktober 2000 – 10 AZR 503/99 – BAGE 96, 72; 27. Januar 2000 – 6 AZR 471/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 33 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 22; 19. Oktober 2000 – 6 AZR 244/99 – ZTR 2001, 362). Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund nicht finden lässt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vgl. BVerfG 19. Juli 1972 – 2 BvL 7/71 – BVerfGE 33, 367, 384; 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 58). Der Gleichheitssatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt (BVerfG 17. Dezember 1953 – 1 BvR 147/52 – BVerfGE 3, 58, 135; 12. April 1972 – 2 BvR 704/70 – BVerfGE 33, 44, 51; 26. März 1980 – 1 BvR 121, 122/76 – BVerfGE 54, 11, 25 f.; 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – aaO; 8. April 1987 – 2 BvR 909/82 – ua. – BVerfGE 75, 108, 157; BAG 1. Juni 1983 – 4 AZR 566/80 – AP BGB § 611 Deputat Nr. 5; 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210; 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfG 2. Dezember 1992 – 1 BvR 296/88 – BVerfGE 88, 5, 12; 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – BVerfGE 92, 53, 68 f.; BAG 31. Januar 2002 – 6 AZR 36/01 – EzA GG Art. 3 Nr. 95).
2. Auch soweit die Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte in Frage gestellt wird (vgl. BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118; 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277; offen gelassen von BVerfG 21. Mai 1999 – 1 BvR 726/98 – NZA 1999, 878; BAG 5. Oktober 1999 – 4 AZR 668/98 – BAGE 92, 303; 26. April 2000 – 4 AZR 177/99 – BAGE 94, 273; 24. April 2001 – 3 AZR 329/00 – BAGE 97, 301), wird der allgemeine Gleichheitssatz als ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie verstanden. Differenzierungen der Tarifvertragsparteien sind auch nach dieser Auffassung unzulässig, wenn ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst wie einleuchtender Grund für die Differenzierung nicht erkennbar ist, die Regelung also das Willkürverbot verletzt (vgl. BAG 4. April 2000 – 3 AZR 729/98 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 19; Dieterich FS Schaub 1998, 117, 123 und 128 ff.; ErfK/Dieterich 3. Aufl. Einleitung GG Rn. 46 ff. und Art. 3 GG Rn. 26 ff.).
3. Allerdings unterliegen Tarifwerke verschiedener Tarifvertragsparteien nicht der Beurteilung anhand Art. 3 Abs. 1 GG. Ein verschiedene Tarifvertragsparteien erfassendes Gleichbehandlungsgebot gibt es nicht. Vielmehr stellen sich abweichende Regelungen in Tarifverträgen unterschiedlicher Tarifvertragsparteien als selbstverständliche Folge der verfassungsrechtlich geschützten (Art. 9 Abs. 3 GG) Tarifautonomie dar (BVerfG – 12. Dezember 1990 – 1 BvR 633/89 – ZTR 1991, 159; BAG 8. September 1999 – 5 AZR 451/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 15 = EzA EntgeltfortzG § 4 Tarifverträge Nr. 37; 26. März 1998 – 6 AZR 550/96 – BAGE 88, 239; 29. Oktober 1998 – 6 AZR 241/97 – AP BAT-O § 27 Nr. 3; Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 434).
4. Danach verstößt § 19 Abs. 1 Satz 5 RTV entgegen der vom Landesarbeitsgericht Hamburg (LAG Hamburg 10. Januar 1997 – 6 Sa 48/95 –; 6. September 2001 – 2 Sa 37/01 –) geäußerten Auffassung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Für Angestellte und Arbeiter von Hafenbetrieben können sich bei der Anwendung von Sozialplänen unterschiedliche Kündigungsfristen ergeben. Für Arbeiter sieht § 19 Abs. 1 Satz 5 RTV unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vor. Für technische Angestellte mit langer Betriebszugehörigkeit kann im Hinblick auf die Kündigung der Protokollnotiz zu § 15 des Tarifvertrages für die technischen Angestellten des Hamburger Hafens eine erheblich längere Kündigungsfrist gelten.
Die genannten tariflichen Regelungen zur Kündigungsfrist unterliegen jedoch nicht der Beurteilung anhand Art. 3 Abs. 1 GG. Es handelt sich um die Tarifwerke unterschiedlicher Tarifvertragsparteien. Der RTV ist zwischen dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e.V. und der Gewerkschaft ÖTV – Hauptvorstand – abgeschlossen worden, während der Rahmentarifvertrag für die technischen Angestellten in den Stückgut-Kaibetrieben zwischen dem Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. und der Gewerkschaft ÖTV – Bezirksverwaltung Hamburg – vereinbart worden ist.
b) Für die vom RTV erfassten Arbeiter folgt eine Ungleichbehandlung aus dem Umstand, dass sich für Arbeiter mit langen Betriebszugehörigkeiten unterschiedlich lange Kündigungsfristen ergeben können. Während für einen 50-jährigen Arbeiter bei einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren die Kündigungsfrist ohne Anwendung eines Sozialplans neun Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres beträgt, ist sie bei Anwendung eines Sozialplans auf einen Monat zum Monatsende begrenzt.
Diese Ungleichbehandlung ist allerdings unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt. Nach der gesetzlichen Definition in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG stellt ein Sozialplan eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, dar. Die Tarifvertragsparteien sind somit offensichtlich davon ausgegangen, dass der Schutz älterer Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit, der außerhalb der Anwendung eines Sozialplans (ua.) durch lange Kündigungsfristen erreicht wird, von den Betriebspartnern bei den Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplans berücksichtigt wird. Dabei haben sie einerseits das Interesse des Arbeitgebers berücksichtigt, bei anstehenden Betriebsänderungen schnell handeln zu können und die geplante Umstrukturierung vorzunehmen, ohne Arbeitnehmer über mehrere Monate weiterbeschäftigen oder zumindest vergüten zu müssen, obwohl der Bedarf an der Arbeitsleistung längst entfallen ist. Andererseits kann für Arbeitnehmer eine Verkürzung der Kündigungsfrist, die bei einer derartigen tariflichen Regelung nicht zu Nachteilen im Hinblick auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld führt, von Vorteil sein. Ein Vorteil ergibt sich insbesondere dann, wenn die Betriebspartner die Ersparnis des Arbeitgebers durch die Verkürzung der Kündigungsfristen bei ihren Verhandlungen über die Höhe der Abfindung in ihre Überlegungen einstellen.
V. Da die Kündigung vom 30. Mai 2001 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Juli 2001 aufgelöst hat, war über die Wirksamkeit der Kündigung vom 28. Dezember 2000 zu einem späteren Termin nicht mehr zu befinden.
VI. Auch über den Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur Erledigung des Rechtsstreits war nach der abschließenden Senatsentscheidung über den Feststellungsantrag nicht mehr zu entscheiden.
VII. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 und 2 ZPO.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Rosendahl, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 1125170 |
ZTR 2004, 535 |
ZInsO 2004, 1155 |
BAGReport 2004, 182 |