Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Urlaubsanspruchs im Geltungsbereich des TVöD-V aF bei zwei Kalendertage überlappender Schichtarbeit. Auslegung des Worts „unbeschadet” in der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF
Orientierungssatz
1. Als Arbeitstage sind bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs in Ermangelung einer entsprechenden Regelung im TVöD-V aF nicht nur die Kalendertage zu berücksichtigen, an denen die Schicht begonnen hat, sondern alle Kalendertage, an denen eine Arbeitspflicht bestand.
2. Nach der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF findet § 27 TVöD-V aF für Beschäftigte, die hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst beschäftigt sind, Anwendung. Für den Anspruch auf Zusatzurlaub ist es unerheblich, dass den Beschäftigten wegen der Regelung in der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 TVöD-V aF kein Anspruch auf Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD-V aF zusteht. Entscheidend ist, dass ohne die Sonderregelung ein Anspruch auf eine Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD-V aF bestanden hätte.
Normenkette
Durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V aF) § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 5, §§ 26-27; Durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V aF) Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 1. August 2014 – 7 Sa 109/14 – teilweise aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 19. Dezember 2013 – 1 Ca 884/13 – wird insgesamt zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu 3/14 zu tragen, der Kläger zu 11/14. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu 1/5 zu tragen, der Kläger zu 4/5.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe tariflicher Urlaubsansprüche.
Der über 40 Jahre alte Kläger ist bei der Beklagten im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. In der durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 7. Februar 2006 (TVöD-V aF) war im streitgegenständlichen Zeitraum auszugsweise Folgendes geregelt:
(1) |
Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr nach dem vollendeten |
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40. Lebensjahr |
30 Arbeitstage. |
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… Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ausmacht, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. … |
(
1) |
Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten |
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a) |
bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate |
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… |
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einen Arbeitstag Zusatzurlaub. |
…” |
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Die Anlage D zum TVöD-V aF lautet auszugsweise:
„D.2 Beschäftigte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst |
Zu Abschnitt I Allgemeine Vorschriften |
Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Beschäftigte, die hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst beschäftigt sind.
Zu Abschnitt II Arbeitszeit und zu Abschnitt III Eingruppierung, Entgelt und sonstige Leistungen |
Nr. 2 |
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(1) |
Die §§ 6 bis 9 und 19 finden keine Anwendung. Es gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. § 27 findet unbeschadet der Sätze 1 und 2 Anwendung. |
…” |
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Gemäß der Dienstvereinbarung über den Dienstplan des Einsatzdienstes der Berufsfeuerwehr P vom 18. Dezember 2009, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 (Rahmendienstplan), wurden im operativen Einsatzdienst zwei Dienstschichten zu je zwölf Stunden an sieben Tagen in der Woche geleistet, eine Tagschicht von 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr und eine Nachtschicht von 18:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Im Jahr 2011 zog die Beklagte den Kläger, den sie regelmäßig in beiden Schichten nach einem Dienstplan einsetzte, längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht heran.
Im Jahr 2011 bestand an 244 Tagen Arbeitspflicht. Der Kläger erhielt 2011 einen Tag Sonderurlaub aufgrund seines 25-jährigen Betriebsjubiläums. Die Beklagte gewährte ihm im Jahr 2011 zur Erfüllung der in diesem Jahr entstandenen Urlaubsansprüche an 36 Tagen Urlaub. An sechs dieser Tage bestand für den Kläger nur in den Morgenstunden vor dem Nachtschichtende eine Arbeitspflicht.
In der Dienstvereinbarung zur Neuordnung der Dienstdurchführung im operativen Dienst der Berufsfeuerwehr vom 21. Dezember 2011, die am 1. Januar 2012 in Kraft trat, wurden ua. Wochenarbeitszeit und Schichtfolgen wie folgt neu geregelt:
ݤ 2 |
Wochenarbeitszeit und Schichtfolgen |
(1) |
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt pro Woche 48 Stunden. Pro 7-Tage-Zeitraum ist eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden zu gewährleisten. |
(2) |
Die zeitliche Verteilung von Bereitschafts- und Dienstzeiten sowie der Pausen ist im Rahmendienstplan festgelegt (Anlage). |
(3) |
Der operative Einsatzdienst wird von 3 Wachabteilungen geleistet. Von Montag bis Donnerstag gilt ein 12-Stunden-Dienstsystem (Tagschicht oder Nachtschicht – jeweils 12 Stunden – T/N) und von Freitag bis Sonntag sowie feiertags ein Kombinationsdienst aus Tag- und Nachtschicht (2 mal 12 Stunden – T + N). |
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Die Tagschicht des operativen Einsatzdienstes beginnt um 06:00 Uhr und endet um 18:00 Uhr. Die Nachtschicht des operativen Einsatzdienstes beginnt um 18:00 Uhr und endet um 06:00 Uhr. |
(4) |
Die Schicht der Besetzung Rettungswagen beginnt um 05:45 Uhr und endet um 18:00 Uhr. |
(5) |
Die Besetzung des Notarzteinsatzfahrzeugs (NEF) erfolgt von Montag bis Donnerstag im 12-Stunden-Schichtsystem. Die Tagschicht beginnt um 05:45 Uhr und endet um 18:00 Uhr. Die Nachtschicht beginnt um 17:45 Uhr und endet um 06:00 Uhr. Freitag – Sonntag und feiertags erfolgt die Besetzung im Kombinationsdienst (T + N). Sollte von Montag – Donnerstag eine Besetzung im 12-Stunden-Schichtsystem nicht möglich sein, kann die Besetzung ausnahmsweise im 24-Stunden-Dienst erfolgen; Dienstbeginn ist hier 05:45 Uhr. |
(6) |
Bei der Einteilung der Schichten sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Die Verteilung von Tag- und Nachtschichten soll für alle Mitarbeiter über das Jahr im gleichen Verhältnis erfolgen.
- Wochenend- bzw. Feiertagsschichten sind im Jahresdurchschnitt gleichmäßig auf die Mitarbeiter zu verteilen.
- Kann eine Schicht wegen urlaubsbedingter, krankheitsbedingter und/oder sonstiger Abwesenheit nicht aus einer Wachabteilung besetzt werden, ist zur Besetzung der Schicht auf Mitarbeiter aus den anderen Wachabteilungen zurückzugreifen. Jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, im Bedarfsfall auch in den anderen beiden Wachabteilungen Dienst zu tun.”
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Im Jahr 2012 wurde der Kläger entsprechend der „Dienstleistungsübersicht” sowie dem „Dienstplan der Wachabteilungen” eingesetzt. An 248 Tagen bestand Arbeitspflicht. Dabei fiel beim Kläger in jedem Kalendermonat mindestens eine Nachtschicht an. Die Beklagte gewährte ihm 2012 an 32 Tagen Urlaub. An zwölf von diesen Tagen bestand für den Kläger nur in den Morgenstunden vor dem Nachtschichtende eine Arbeitspflicht.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 machte der Kläger weitere sechs Tage Urlaub für 2011 geltend und wiederholte seine Forderung mit Schreiben vom 25. Januar 2012. Unter dem 17. Dezember 2012 verlangte der Kläger zwei weitere Tage Erholungsurlaub sowie sechs Tage Zusatzurlaub.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, aufgrund des Schichtsystems habe er im Jahr 2011 Anspruch auf aufgerundet 28 Tage Erholungsurlaub gehabt, von denen 24 Tage gewährt worden seien. Da er im gesamten Jahr 2011 ständig Wechselschichtarbeit geleistet und die Beklagte lediglich vier Tage Zusatzurlaub gewährt habe, verbleibe ein Restanspruch von zwei Tagen Zusatzurlaub. Auch nach Änderung des Dienstplansystems im Jahr 2012 sei weiterhin Wechselschichtarbeit geleistet worden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2011 noch sechs Tage Urlaub zu gewähren;
- hilfsweise zum Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2011 noch sechs Dienstschichten Urlaub zu gewähren;
- die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2012 noch sechs Tage Urlaub zu gewähren;
- hilfsweise zum Antrag zu 3. die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2012 noch sechs Dienstschichten Urlaub zu gewähren.
Zu ihrem Klageabweisungsantrag hat die Beklagte die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zusatzurlaub.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für das Kalenderjahr 2012 noch drei Urlaubstage zu gewähren, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für das Kalenderjahr 2011 fünf Tage Urlaub und für das Kalenderjahr 2012 sechs weitere Tage Urlaub zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers ebenso zurückgewiesen wie die Berufung der Beklagten. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Der Kläger hat gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Nachgewährung von Tarifurlaub im Umfang von drei Tagen aus dem Jahr 2012. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger nach § 26 Abs. 1 TVöD-V aF für das Jahr 2011 ein Urlaubsanspruch iHv. 28 Arbeitstagen und für das Jahr 2012 iHv. 29 Arbeitstagen zustand. Ebenso zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger in den Jahren 2011 und 2012 einen Anspruch auf jeweils sechs Arbeitstage Zusatzurlaub gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. a iVm. Anlage D.2 Nr. 2 TVöD-V aF hatte. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht jedoch bei der Prüfung des Erfüllungseinwands der Beklagten Tage nicht berücksichtigt, an denen der Kläger ohne Urlaub von 00:00 Uhr bis 06:00 Uhr hätte arbeiten müssen.
I. Grundsätzlich standen dem Kläger nach § 26 Abs. 1 TVöD-V aF für die Jahre 2011 und 2012 jeweils 30 Arbeitstage tariflicher Erholungsurlaub zu. Für Arbeitnehmer in Schichtarbeit sind die Urlaubstage in Tage mit Arbeitspflicht umzurechnen (vgl. BAG 15. März 2011 – 9 AZR 799/09 – Rn. 18 ff., BAGE 137, 221). Die hier anzuwendende Tarifvorschrift trifft keine besondere Umrechnungsbestimmung für Schichtarbeit. § 26 Abs. 1 Satz 4 TVöD-V aF bestimmt nur allgemein, dass bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche sich der Urlaubsanspruch entsprechend erhöht oder vermindert. Insofern ist nach allgemeinen Grundsätzen umzurechnen. Ist die regelmäßige Arbeitszeit nicht auf eine Kalenderwoche verteilt, muss für die Umrechnung eines nach Arbeitstagen bemessenen Urlaubs auf den Zeitabschnitt abgestellt werden, in dem die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erreicht wird. Die danach maßgebliche Umrechnungsformel lautet: Urlaubstage im Jahr × Arbeitstage im Jahr bei abweichender Verteilung Arbeitstage im Jahr bei einer Fünftagewoche (261 Arbeitstage)
In diese Formel sind als Dividend die im Tarifvertrag festgelegte Anzahl von 30 Urlaubstagen einzusetzen. Diese sind mit der vom Kläger im Schichtsystem im Kalenderjahr zu leistenden Anzahl von 244 Arbeitstagen (2011) bzw. 248 Arbeitstagen (2012) zu multiplizieren. Als Arbeitstage sind dabei in Ermangelung einer entsprechenden Regelung im TVöD-V aF nicht nur die Kalendertage zu berücksichtigen, an denen die Schicht begonnen hat, sondern alle Kalendertage, an denen eine Arbeitspflicht bestand (vgl. BAG 15. März 2011 – 9 AZR 799/09 – Rn. 21 und 28, BAGE 137, 221; vgl. zu einem ähnlichen Tarifvertrag BAG 21. Juli 2015 – 9 AZR 145/14 – Rn. 11). Dies wird von der Beklagten mit der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.
Als Divisor sind im Hinblick auf § 21 TVöD-V aF die in der Fünftagewoche möglichen 261 Arbeitstage einzusetzen (vgl. BAG 15. März 2011 – 9 AZR 799/09 – Rn. 25 und 29, BAGE 137, 221). Daraus errechnet sich für den Kläger aufgrund der 244 Arbeitstage im Jahr 2011 und der 248 Arbeitstage im Jahr 2012 ein Anspruch auf gerundet 28 Arbeitstage für 2011 und gerundet 29 Arbeitstage für 2012 (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 5 TVöD-V aF).
II. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger für die Jahre 2011 und 2012 jeweils sechs Tage Zusatzurlaub nach § 27 Abs. 1 Buchst. a iVm. Anlage D.2 Nr. 2 TVöD-V aF für geleistete Wechselschichtarbeit zuerkannt. Nach der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 TVöD-V aF finden die §§ 6 bis 9 und 19 TVöD-V aF für Beschäftigte wie den Kläger, die hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst beschäftigt sind, keine Anwendung. Es gelten gemäß der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V aF die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Allerdings findet nach der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF § 27 TVöD-V aF „unbeschadet” der Sätze 1 und 2 Anwendung. Nach § 27 Abs. 1 TVöD-V aF erhalten „Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht”, bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate einen Arbeitstag Zusatzurlaub.
1. Für den Anspruch des Klägers ist es entgegen der Ansicht der Revision unerheblich, dass ihm wegen der Regelung in der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 TVöD-V aF kein Anspruch auf Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD-V aF zusteht.
a) Entscheidend ist, dass dem Kläger ohne die Sonderregelung eine Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD-V aF zugestanden hätte (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Januar 2016 Teil B 4.1 TVöD-V Anlage D Rn. 14; vgl. auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Januar 2016 BT-V § 46 (VKA) Rn. 16 zu Nr. 2). Die Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 erklärt § 27 TVöD-V aF ausdrücklich für anwendbar. Dabei kann es letztlich offenbleiben, ob die Tarifvertragsparteien die Formulierung „unbeschadet der Sätze” in einem zutreffenden Wortsinn benutzt haben (zum möglichen Wortverständnis BAG 27. April 2004 – 9 AZR 18/03 – zu A II 2 b (2) der Gründe, BAGE 110, 208; Wolff JZ 2012, 31 unter Hinweis auf das Handbuch der Rechtsförmlichkeit 3. Aufl. Rn. 87). Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien die Anwendbarkeit des § 27 TVöD-V aF anordnen wollten, ohne dass die Geltung dieser Vorschrift durch die Regelungen „der Sätze 1 und 2” beeinträchtigt wird. Es ist anerkannt, dass bei der Auslegung von Tarifverträgen eine Bindung an den möglichen Wortsinn eines Begriffs dann nicht besteht, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang das Vorliegen eines Redaktionsversehens ergibt (vgl. BAG 31. Oktober 1990 – 4 AZR 114/90 – BAGE 66, 177; JKOS/Krause 2. Aufl. § 4 Rn. 177; Thüsing/Braun/ Wißmann Tarifrecht Kap. 4 Rn. 157; vgl. zu Gesetzen ebenso Wolff JZ 2012, 31, 33). Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelung in der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF weitgehend leerliefe, wenn man die tatsächliche Zahlung einer Wechselschichtzulage bei hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst Beschäftigten als Tatbestandsmerkmal ansähe.
b) Soweit die Revision geltend macht, es verbleibe als Anwendungsbereich noch die Gewährung von zusätzlichen Urlaubstagen durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung iSd. § 27 Abs. 3 TVöD-V aF, so muss davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien nicht den gesamten § 27 TVöD-V aF für anwendbar erklärt hätten, wenn Sie im Ergebnis allein die Geltung des Absatzes 3 der Tarifnorm hätten anordnen wollen. Vielmehr bestand zwischen den Tarifvertragsparteien stets Einvernehmen, dass für Wechselschicht- und Schichtarbeit Zusatzurlaub wie zu Zeiten des BAT/BAT-O gewährt werden sollte. Durch Satz 3 der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 TVöD-V aF, der durch Änderungsvereinbarung vom 31. März 2008 rückwirkend zum 1. Oktober 2005 eingefügt wurde, ist dies nur klargestellt worden (Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck aaO; vgl. auch RdSchr. der VKA vom 18. Dezember 2006 – R 414/06 – berichtigt durch RdSchr. vom 5. Januar 2007 (zu 2.4), abgedruckt bei Sponer/ Steinherr TVöD Stand Januar 2016 TVöD-V Anlage D.2 Nr. 2 Vorbem.).
2. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend unter Rückgriff auf die Definition in § 7 Abs. 1 TVöD-V aF angenommen, dass der Kläger in den beiden streitgegenständlichen Jahren ständig Wechselschichtarbeit geleistet hat. Wechselschichtarbeit ist nach § 7 Abs. 1 TVöD-V aF die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Zu Unrecht meint die Revision, es sei im Rahmen des § 27 TVöD-V aF nicht auf das Vorliegen von Wechselschichten iSd. § 7 Abs. 1 TVöD-V aF, sondern auf das Vorliegen von Wechseldiensten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SächsAZVO abzustellen. Zwar findet § 7 Abs. 1 TVöD-V aF an sich auf den hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst beschäftigten Kläger nach der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TVöD-V aF keine Anwendung. Vielmehr gelten die entsprechenden beamtenrechtlichen Regelungen. Das gilt aber nach der Anlage D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 TVöD-V aF gerade nicht für die Frage des Zusatzurlaubs nach § 27 TVöD-V aF. Diese Vorschrift des TVöD-V aF soll auf die im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst Beschäftigten Anwendung finden. § 27 TVöD-V aF stellt aber nicht auf die entsprechenden beamtenrechtlichen Regelungen zu Wechseldiensten, sondern auf das Vorliegen von Wechselschichten ab. Hierzu enthält der TVöD-V aF eine eigene Definition, die im Rahmen des § 27 TVöD-V aF heranzuziehen ist.
III. Die Beklagte rügt mit ihrer Revision zu Recht, dass weder der TVöD-V aF noch das BUrlG eine rechtliche Grundlage dafür enthalten, dass die Tage, an denen der Kläger ohne Urlaub von 00:00 Uhr bis 06:00 Uhr hätte arbeiten müssen, zwar bei der Berechnung der Urlaubstage, nicht aber bei der Erfüllung des Urlaubsanspruchs zu berücksichtigen sind.
1. Es besteht ein Gleichlauf zwischen dem Bezugspunkt bei der Berechnung des Urlaubsumfangs und dem Bezugspunkt bei der Erfüllung des Urlaubsanspruchs. Setzt man in die Formel für die Berechnung als Arbeitstage nicht nur die Kalendertage ein, an denen die Schicht begonnen hat, sondern alle Kalendertage, an denen eine Arbeitspflicht bestand, so wird auch mit jedem Tag der bezahlten Freistellung der Urlaubsanspruch erfüllt.
2. Die Beklagte erteilte dem Kläger zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2011 an 36 Tagen mit Arbeitspflicht Urlaub. Der Urlaubsanspruch von insgesamt 34 Tagen ist damit auch unter Berücksichtigung des Sonderurlaubs aufgrund des 25-jährigen Betriebsjubiläums durch Erfüllung erloschen.
Die Beklagte gewährte dem Kläger zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs aus dem Jahr 2012 (insgesamt 35 Tage) an 32 Tagen mit Arbeitspflicht Urlaub. Damit verblieb noch ein Urlaubsanspruch im Umfang von drei Arbeitstagen aus dem Jahr 2012. Als Anspruchsgrundlage für die verlangte Nachgewährung von Tarifurlaub aus dem Jahr 2012 kommen § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. BAG 15. März 2011 – 9 AZR 799/09 – Rn. 16, BAGE 137, 221).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der TVöD-V aF als der den BAT-O ersetzender Tarifvertrag Anwendung. Ein möglicher Erfüllungsanspruch ist mit dem 31. Dezember 2012 grundsätzlich erloschen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger die Gewährung des weiteren Urlaubs von der Beklagten bereits erfolglos verlangt, sodass diese sich in Verzug befand.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Brühler, Suckow, Klose, Pielenz, Kranzusch
Fundstellen
Haufe-Index 9454442 |
BB 2016, 1459 |