Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstliche Beurteilung eines weitgehend freigestellten Personalratsmitglieds. Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot gegenüber Personalratsmitgliedern. Erfordernis einer fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs. Personalvertretungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Das Benachteiligungsverbot nach § 8, § 46 Abs. 5 SächsPersVG kann den Arbeitgeber verpflichten, bei einer für eine Höhergruppierung maßgeblichen Beurteilung eines teilweise freigestellten Personalratsmitglieds auch dessen Werdegang ohne Freistellung fiktiv nachzuzeichnen und die Ergebnisse der Nachzeichnung neben der Bewertung der dienstlichen Leistungen zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
- Das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot gemäß § 8, § 46 Abs. 5 SächsPersVG begründet einen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch eines freigestellten Personalratsmitglieds auf Zahlung der Differenz zwischen seiner derzeitigen und einer höheren Vergütungsgruppe, wenn es ohne seine Freistellung höhergruppiert worden wäre. Wird der Anspruch auf höhere Vergütung darauf gestützt, daß ein Personalratsmitglied ohne eine Freistellung die Merkmale der angestrebten Vergütungsgruppe erfüllen würde, ist sein beruflicher Werdegang fiktiv nachzuzeichnen. Es ist so zu behandeln wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer ohne Personalratsamt.
- Handelt es sich bei dem Personalratsmitglied um eine Lehrkraft, die in Höhe von 85 % ihrer Arbeitszeit freigestellt ist, kann der Arbeitgeber sich nicht mit einer Bewertung der verbliebenen Unterrichtstätigkeit begnügen. Er hat auch den beruflichen Werdegang ohne Freistellung fiktiv nachzuzeichnen.
- Unterläßt der Arbeitgeber eine erforderliche Nachzeichnung, so begründet das nur dann einen Anspruch auf die höhere Vergütung, wenn jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre. Andernfalls ist die unterbliebene Nachzeichnung nachzuholen und es sind deren Ergebnisse bei der Entscheidung über ein Höhergruppierungsbegehren mitzuberücksichtigen.
Normenkette
SächsPersVG §§ 8, 46 Abs. 5; GG Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 18.12.2001; Aktenzeichen 7 Sa 761/00) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 03.08.2000; Aktenzeichen 6 Ca 1045/00) |
Tenor
Auf die Revision der Parteien wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Dezember 2001 – 7 Sa 761/00 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als teilweise freigestelltes Personalratsmitglied Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O anstelle der gezahlten Vergütung aus der VergGr. III BAT-O verlangen kann.
Die im Juli 1963 geborene Klägerin schloß im Jahr 1986 eine Hochschulausbildung als Diplom-Lehrerin mit der Lehrbefähigung für die Fächer Biologie und Chemie für die Klassen 5 bis 12 ab. Seit dem 1. August 1986 ist sie als Lehrerin, zuletzt an der A-Mittelschule in D…, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der BAT-O einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Richtlinien des beklagten Freistaats zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 in der jeweiligen Fassung Anwendung. Nach § 2 Nr. 3 BAT-O ist die Anlage 1a zum BAT-O, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die als Lehrkräfte beschäftigt sind, auch wenn sie nicht unter die SR 2 l I fallen. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Die Richtlinien des beklagten Landes zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 in der Fassung der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen (Amtsblatt des SMF vom 30. Mai 1996 S. 142 ff.) enthalten folgende, auch in der seit dem 1. Juli 1999 anzuwendenden Fassung (SächsMBL. SMF vom 30. Juni 1999 S. 148 ff.) weitgehend unverändert gebliebene Bestimmungen:
“Vorbemerkungen
…
6. Die vorgesehenen Höhergruppierungsmöglichkeiten entsprechen den Beförderungen bei verbeamteten Lehrern. Die Beförderungen der verbeamteten Lehrer sind abhängig von den zur Verfügung stehenden Planstellen. Deshalb können Höhergruppierungen nur insoweit erfolgen, als der Haushaltsgesetzgeber Stellen ausgebracht hat. Die Auswahl erfolgt auf der Grundlage von Beurteilungskriterien.
…
A. Allgemeinbildende Schulen
…
II. Mittelschulen
…
Vergütungsgruppe II a
Lehrer
…
– mit abgeschlossener pädagogischer Hochschulausbildung als Diplomlehrer für die allgemeinbildende polytechnische Oberschule bzw. als Lehrer/Fachlehrer/Diplom-lehrer für die Oberstufe der allgemeinbildenden Schulen/für die Erweiterte Oberschule/mit postgradualer Qualifizierung für die Abiturstufe jeweils mit einer Lehrbefähigung für zwei Fächer (Klassen fünf bis 12)
…
”
Die Klägerin war als Personalratsmitglied von März 1997 bis Februar 1999 im Umfang von 23 Unterrichtsstunden und seit März 1999 im Umfang von 25 Unterrichtsstunden freigestellt. Bis Februar 1999 erteilte sie vier Stunden Unterricht pro Woche und seit März 1999 zwei Stunden pro Woche. Am 2. Oktober 1997 machte die Klägerin ihre Höhergruppierung in die VergGr. IIa BAT-O zum 1. August 1997 geltend. Der beklagte Freistaat erstellte für den Zeitraum vom 9. Oktober 1997 bis zum 9. Oktober 1998 für die Klägerin eine Grundbeurteilung, die mit der Gesamtnote 2,5 endete und die ihr am 11. Dezember 1998 eröffnet wurde. Ihrem Antrag auf Höhergruppierung wurde nicht entsprochen. Auf Grund der begrenzten Anzahl von Planstellen der VergGr. IIa BAT-O, die der beklagte Freistaat im Haushaltsjahr 1998 ausgebracht hatte, nahm er nur bei den Mittelschullehrern Höhergruppierungen vor, die mit einer Gesamtnote von 2,3 und besser beurteilt wurden.
Mit der am 3. Februar 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin ihre Höhergruppierung und hilfsweise die Entfernung der Grundbeurteilung aus der Personalakte verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Höhergruppierung sei nicht von der Grundbeurteilung abhängig, weil diese wegen der Freistellung kein vollständiges Bild ihres Leistungsstandes gebe.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 1. Januar 1998 Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O nebst 4 % Zinsen auf die rückständigen Bruttodifferenzbeträge seit Rechtshängigkeit bis zum 30. April 2000 und ab 1. Mai 2000 5 % über den Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes zu zahlen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, die Grundbeurteilung für den Beurteilungszeitraum 9. Oktober 1997 bis 9. Oktober 1998 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Der beklagte Freistaat hat Klageabweisung beantragt und gemeint, auch ein Unterrichtsumfang von vier Wochenstunden lasse eine Leistungsbeurteilung der Klägerin zu.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten verurteilt, die Grundbeurteilung aus der Personalakte zu entfernen, und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Mit den Revisionen verfolgen die Klägerin ihr Feststellungsbegehren und der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Parteien sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß eine Höhergruppierung der Klägerin nicht allein deswegen ausscheidet, weil sie die erforderliche Beurteilungsnote von 2,3 nicht erreicht hat. Der beklagte Freistaat kann nämlich verpflichtet sein, dem Höhergruppierungsverlangen der Klägerin nach einer fiktiven Nachzeichnung ihres beruflichen Werdegangs zu entsprechen. Eine Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung der Klägerin ist erforderlich, weil sie in dem Beurteilungszeitraum für 23 von insgesamt 27 Unterrichtsstunden von der Dienstpflicht freigestellt war. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, daß “es hinsichtlich einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung an verwertbarem Sachvortrag der Klägerin fehle”. Insoweit bedarf der Sachverhalt einer weiteren tatrichterlichen Würdigung in einem erneuten Berufungsverfahren. Auch die Entscheidung über den Hilfsantrag der Klägerin kann keinen Bestand haben. Über ihn kann erst entschieden werden, wenn rechtskräftig feststeht, daß der mit dem Hauptantrag erfolgte Anspruch auf Höhergruppierung nicht besteht.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Höhergruppierung nach den Richtlinien des beklagten Freistaats zur Eingruppierung von angestellten Lehrern (Vorbemerkung 6; Abschnitt A II; Fußnoten 2 und 3). Sie erfüllte 1998 nicht die dort vorgesehenen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die VergGr. IIa BAT-O. Sie verfügt zwar über eine abgeschlossene Hochschulausbildung als Diplom-Lehrerin mit einer Lehrbefähigung für zwei Fächer der Klassen 5 bis 12. Sie hat ferner seit dem 1. August 1991 eine sechsjährige Lehrtätigkeit absolviert. Sie hat sich auch in diesem Zeitraum bewährt, da ihre Arbeitsleistungen unstreitig nicht beanstandet worden sind. Der beklagte Freistaat hat im Haushaltsjahr 1998 entsprechende Stellen für Lehrer an Mittelschulen ausgebracht. Die Klägerin hat allerdings die nach den Beurteilungskriterien des beklagten Freistaates erforderliche Note von 2,3 oder besser bei der Grundbeurteilung von 1998 nicht erreicht. Für die Folgezeit fehlt es an jeglichem Vorbringen der Klägerin.
II. Der Klägerin kann jedoch bereits seit Anfang 1998 ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O nach § 8, § 46 Abs. 5 SächsPersVG zustehen. Der beklagte Freistaat hat nämlich bei der Höhergruppierung von Mittelschullehrern seine Auswahl zu Unrecht allein nach Nr. 6 Satz 4 der Vorbemerkungen zu den Eingruppierungsrichtlinien getroffen. Er mußte das gesetzliche Benachteiligungsverbot beachten und bei den freigestellten Personalratsmitgliedern eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs vornehmen und deren Ergebnisse bei der Beurteilung einbeziehen. Das gilt auch für teilweise freigestellte Personalratsmitglieder wie die Klägerin. Der beklagte Freistaat durfte seiner Auswahlentscheidung nicht allein die Gesamtnote 2,5 aus der Grundbeurteilung der Klägerin vom 11. Dezember 1998 zugrunde legen. Vielmehr mußte er anhand einer fiktiven Nachzeichnung prüfen, ob die Klägerin ohne Freistellung die Note 2,3 oder besser erreicht hätte. Da er das versäumt hat, war die Auswahlentscheidung des beklagten Freistaates bereits deswegen fehlerhaft. Das allein rechtfertigt allerdings den Anspruch auf Höhergruppierung nicht. Die fiktive Nachzeichnung des Werdegangs ist vielmehr nachzuholen.
1. Nach § 8 SächsPersVG dürfen Personalratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung weder benachteiligt noch begünstigt werden. Ferner darf nach § 46 Abs. 5 SächsPersVG die Freistellung eines Personalratsmitglieds nicht zur Beeinträchtigung seines beruflichen Werdegangs führen. Diese Vorschriften entsprechen wortgleich den Regelungen in § 8 und § 46 Abs. 3 letzter Satz BPersVG. Sie enthalten nach der Rechtsprechung des Senats über das darin geregelte Benachteiligungsverbot hinaus zugleich ein an den Arbeitgeber gerichtetes Gebot, dem Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre. Darauf hat das Personalratsmitglied einen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch. Deshalb kann ein Personalratsmitglied, das ohne seine Freistellung höhergruppiert worden wäre, den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der Differenz zwischen seiner derzeitigen und einer höheren Vergütungsgruppe in Anspruch nehmen (BAG 26. September 1990 – 7 AZR 208/89 – BAGE 66, 85 = AP BPersVG § 8 Nr. 4, zu II 3 der Gründe). Wird der Anspruch auf höhere Vergütung darauf gestützt, daß ein Personalratsmitglied ohne seine Freistellung die Merkmale der angestrebten Vergütungsgruppe erfüllt, ist der berufliche Werdegang des Personalratsmitglieds fiktiv nachzuzeichnen. Das Personalratsmitglied ist so zu behandeln wie ein vergleichbarer Kollege ohne Personalratsamt. Dabei ist auch darauf zu achten, daß das freigestellte Personalratsmitglied im Verhältnis zu den übrigen Beschäftigten nicht bevorzugt wird. Denn zur Wahrung der inneren Unabhängigkeit der Personalratsmitglieder ist sowohl eine Begünstigung als auch eine Benachteiligung des freigestellten Personalratsmitglieds verboten (BAG 27. Juni 2001 – 7 AZR 496/99 – BAGE 98, 164 = AP BPersVG § 46 Nr. 23 = EzA BPersVG § 46 Nr. 1, zu B II 1a der Gründe).
2. Der beklagte Freistaat hat bei seiner Entscheidung über die Höhergruppierung von Mittelschullehrern das Benachteiligungsverbot von § 8, § 46 Abs. 5 SächsPersVG mißachtet. Auf Grund der Freistellung der Klägerin als Personalratsmitglied durfte er sich nicht mit dem Ergebnis der Grundbeurteilung vom 11. Dezember 1998 begnügen. Vielmehr mußte der beklagte Freistaat anhand einer fiktiven Nachzeichnung des Werdegangs prüfen, ob die Klägerin ohne Freistellung besser zu beurteilen gewesen wäre.
a) Bewirbt sich ein Arbeitnehmer um eine Beförderungsstelle im öffentlichen Dienst oder wird er in das Stellenbesetzungsverfahren von Amts wegen einbezogen, hat der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Diese Vorschrift ist auch bei Beförderungen zu beachten. Deshalb kann jeder Bewerber verlangen, bei seiner Bewerbung um ein öffentliches Amt nach den in Art. 33 Abs. 2 GG aufgestellten Merkmalen beurteilt zu werden. Bei der Feststellung der Qualifikation eines Bewerbers nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung steht dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung einer Befähigungsbeurteilung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eingeschränkt, weil sie eine vorausschauende Bewertung der Persönlichkeit des Bewerbers verlangt, die auf einer Vielzahl von Elementen und deren Gewichtung beruht und schließlich auch vom persönlichen Eindruck abhängt. Daher ist die Befähigungsbeurteilung des öffentlichen Arbeitgebers von den Gerichten nur daraufhin zu kontrollieren, ob bei der Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, allgemeine Beurteilungsmaßstäbe beachtet und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten worden sind (BAG 29. Oktober 1998 – 7 AZR 676/96 – BAGE 90, 106 = AP BPersVG § 46 Nr. 22, zu II 1 und 2 der Gründe). Diese Grundsätze gelten auch bei teilweise freigestellten Personalratsmitgliedern.
b) Der beklagte Freistaat hat bei der Beurteilung der Klägerin allgemeine Beurteilungsmaßstäbe im vorgenannten Sinn außer Acht gelassen. Zwar ist die Beurteilung vom 11. Dezember 1998 auch geeignet, ein Bild des Leistungsstandes der Klägerin abzugeben. Es handelt sich bei der auf Grund ihrer Freistellung verbleibenden dienstlichen Leistung nicht um eine unrepräsentative und deshalb nicht berücksichtigungsfähige Teilleistung. Angesichts des zeitlich hohen Anteils der Freistellung von der Arbeit kann sie jedoch nicht allein Grundlage für eine Beurteilung der Auswahlentscheidung sein. Der beklagte Freistaat hätte zusätzlich eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs vornehmen müssen, die als sogenanntes Beurteilungssurrogat zu den allgemeinen Bewertungsmaßstäben gehört.
aa) Dienstliche Beurteilungen sollen ein möglichst objektives und vollständiges Bild der Person, der Tätigkeit und der Leistung des Beurteilten abgeben und sich auf die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten beziehen. Das gilt auch für die Beurteilung von Personalratsmitgliedern. Das Recht des Arbeitgebers, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Personalratsmitglieds zu beurteilen und die Beurteilung in den Personalakten festzuhalten, ist begrenzt, wenn der Zeitaufwand für die Ausübung des personalvertretungsrechtlichen Ehrenamtes eine zutreffende dienstliche Beurteilung der Arbeitsleistung nicht (mehr) zuläßt. Das ist nicht nur bei einer vollständigen Freistellung des Personalratsmitglieds, sondern auch dann anzunehmen, wenn die Teilfreistellung zur Folge hat, daß die geschuldete Arbeit nur an wenigen Tagen geleistet wird und deshalb für eine zutreffende dienstliche Beurteilung keine hinreichende Beurteilungsgrundlage (mehr) besteht. Eine Beurteilung auf Grund von nicht mehr repräsentativen Teilleistungen ist ausgeschlossen, weil die dienstliche Beurteilung ein objektives und möglichst vollständiges Bild der Person, der nach dem Arbeitsvertrag oder Dienststellung geschuldeten Tätigkeit und der Leistung des Beurteilten geben soll (BAG 19. August 1992 – 7 AZR 262/91 – BAGE 71, 110 = AP BPersVG § 8 Nr. 5 = EzA BGB § 630 Nr. 14, zu III 3 f der Gründe).
bb) Die Leistung der Klägerin von vier Unterrichtsstunden pro Woche konnte noch Beurteilungsgrundlage sein. Anhand dieser Unterrichtstätigkeit konnte der beklagte Freistaat eine konkrete Leistungsbewertung nach Maßgabe seiner Richtlinien vornehmen. Dieser Umfang der bewerteten Unterrichtstätigkeit ist in der Beurteilung auch zutreffend angegeben. Diese konnte sich dabei auch auf die Merkmale der Zusammenarbeit der Klägerin mit Erziehungsberechtigten der Schüler und ihres Einsatzes bei außerunterrichtlichen Veranstaltungen erstrecken. Soweit die Klägerin keine weiteren Aufgaben als Tutor, Oberstufenberater, Klassenleiter, Tätigkeiten im Rahmen der Fachkonferenzen oder als Mentor in der Lehrerausbildung übernehmen konnte, hat der beklagte Freistaat dem Rechnung getragen, da diese Merkmale in der Beurteilung keine Bewertung ausweisen.
cc) Der beklagte Freistaat war wegen der Teilfreistellung der Klägerin aber verpflichtet, zusätzlich anhand einer fiktiven Nachzeichnung des Werdegangs zu prüfen, ob die Gesamtnote in der Beurteilung der Klägerin vom 11. Dezember 1998 besser ausgefallen wäre, wenn die Klägerin nicht weitgehend von der Arbeit freigestellt gewesen wäre. Der beklagte Freistaat durfte auf die Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs nicht verzichten, weil die Klägerin in einem bestimmten, beurteilungsfähigen Umfang Unterrichtstätigkeit erbracht hat. Jedenfalls bei der Freistellung einer Lehrkraft in Höhe von etwa 85 % ihrer Arbeitszeit ist eine Nachzeichnung des Werdegangs neben der Beurteilung der tatsächlich geleisteten Arbeit geboten. Das folgt aus dem Zweck des Benachteiligungs- und Begünstigungsverbots in den §§ 8, 46 SächsPersVG. Einem freigestellten Personalratsmitglied darf nicht zum Nachteil gereichen, daß es auf Grund seiner Freistellung für die Arbeit im Personalrat sein Fachwissen und seine spezifische Berufserfahrung nicht in einem Maße weiterentwickeln kann wie vergleichbare Arbeitnehmer. Das gilt nicht nur bei einer vollständigen Freistellung des Personalratsmitglieds, sondern auch bei einer teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung in erheblichem Umfang. Ein Personalratsmitglied, dessen Arbeitszeit auf Grund der Freistellung weitgehend reduziert ist, kann in die Lage kommen, nicht immer die gleichen qualifizierten Leistungen erbringen zu können wie ein dauernd in den Dienstbetrieb eingegliederter Arbeitnehmer. Bei gleich langer Beschäftigung kann so das angesammelte Erfahrungswissen eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers gegenüber einem teilweise freigestellten Arbeitnehmer wesentlich größer sein und sich auf die Qualität der Arbeitsleistungen auswirken. Deshalb kann es zu einer besseren Beurteilung eines Arbeitnehmers ohne Freistellung als bei einem teilweise von der Arbeit freigestellten Mitarbeiter kommen. Dem ist durch eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs zu begegnen, wenn die Tätigkeit des teilweise freigestellten Personalratsmitglieds zwar noch Grundlage für die Beurteilung sein kann, andererseits der Umfang der Freistellung so groß ist, daß zB Erfahrungswissen nicht im gleichen Maß erworben werden kann. Das ist bei der Klägerin nicht auszuschließen. Das folgt bereits aus ihrer Tätigkeit als Lehrkraft. Dabei handelt es sich um eine Arbeit, bei der das Erfahrungswissen eine erhebliche Rolle spielt und die Ansammlung des Erfahrungswissens vom zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung abhängt. Das zeigt bereits die Grundbeurteilung für die Klägerin vom 11. Dezember 1998. Dort weisen die unmittelbar auf die praktische Tätigkeit im Unterricht bezogenen Merkmale eine ungünstigere Bewertung auf als die Merkmale, die damit eher in einem nur mittelbaren Zusammenhang stehen und stärker theoretisch geprägt sind. Das gilt für die Planung des Unterrichts auf der Grundlage der im Lehrplan gestellten Bildungs- und Erziehungsziele, die fachliche Fundierung des Unterrichts, das allgemeine Interaktionsverhalten, die Wertevermittlung und das Wirken im Sinne der Erziehungsziele entsprechend dem Grundgesetz, der Verfassung des beklagten Freistaats und dem Schulgesetz. Außerdem konnte die Klägerin Aufgaben als Tutor, Oberstufenberater oder Klassenleiter auf Grund ihrer Engagements als Personalratsmitglied aus zeitlichen Gründen nicht wahrnehmen, so daß es an einer Bewertung dieser Tätigkeiten fehlt.
dd) Aus der unterlassenen Laufbahnnachzeichnung folgt jedoch nicht bereits ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O. Der Klägerin steht vielmehr lediglich ein Anspruch auf eine neue fehlerfreie Entscheidung nach Maßgabe der Beurteilungsrichtlinien unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer Nachzeichnung zu. Ein Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O bestände nur, wenn sich aus dem Vorbringen der Parteien ergäbe, daß aus der fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs der Klägerin die Höhergruppierung als die einzig erkennbare fehlerfreie Entscheidung folgt. Das ist nicht der Fall, weil die Parteien und das Landesarbeitsgericht es bisher versäumt haben, die für die fiktive Nachzeichnung erforderlichen Tatsachen vorzutragen und festzustellen. Insoweit ist der Hinweis des Landesarbeitsgerichts zutreffend, es fehle an verwertbarem Sachvortrag.
ee) Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O hängt davon ab, ob die Nachzeichnung zu einer höheren Gesamtnote als in der Beurteilung vom 11. Dezember 1998 von 2,3 oder besser geführt hätte. Da es an einer vorhergehenden dienstlichen Beurteilung der Klägerin fehlt, aus der sich ihr Leistungs- oder Befähigungsbild vor der Freistellung ablesen ließe, kommt im wesentlichen die Berücksichtigung des beruflichen Werdegangs der mit ihr vergleichbaren Arbeitnehmer in Betracht. Dabei ist eine durchschnittliche Betrachtung erforderlich. Denn das für freigestellte Personalratsmitglieder geltende Benachteiligungsverbot garantiert keinen optimalen Werdegang, wie er nur wenigen Arbeitnehmern auf Grund ihrer besonderen Leistungen gelingt. Das Verbot führt nicht dazu, daß freigestellte Arbeitnehmer bei einem notwendigerweise fiktiven Vergleich mit ihren nicht freigestellten Kollegen ohne weiteres in die Spitzengruppe einzuordnen sind. Vielmehr hat sich die Laufbahnnachzeichnung an dem Durchschnitt der Mittelschullehrer zu orientieren, die wie die Klägerin über eine Lehrbefähigung für zwei Fächer der Klassen fünf bis zwölf auf Grund einer vor dem 3. Oktober 1990 abgeschlossenen Hochschulausbildung verfügen und diese Ausbildung mit dem Prädikat “gut” abgeschlossen haben. Dabei hat der beklagte Freistaat den Kreis der vergleichbaren Mittelschullehrer auf diejenigen zu erstrecken, die er bei der Besetzung der Planstellen im Jahr 1998 bewertet hat. Die dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen wird das Landesarbeitsgericht nach entsprechend ergänztem Vortrag der Parteien nachzuholen haben.
III. Die vorstehend beschriebene Rechtslage bezieht sich auf das Jahr 1998. Da die Klägerin jedoch einen Anspruch auch für die Folgezeit geltend macht, ist die Sach- und Rechtslage für die Zeit bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz nach denselben Maßstäben festzustellen und zu beurteilen. Neben gegebenenfalls weiteren Beurteilungen der tatsächlich erbrachten Leistungen ist die fiktive Nachzeichnung des Werdegangs laufend vorzunehmen.
- Die Revision des beklagten Freistaats führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils auch insoweit, als das Landesarbeitsgericht ihn verurteilt hat, die Grundbeurteilung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Diesen Anspruch hat die Klägerin im Wege eines echten Hilfsantrags lediglich für den Fall geltend gemacht, daß ihr auf eine Höhergruppierung gerichteter Hauptantrag erfolglos bleibt. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über diesen Hilfsantrag war ohne weitere Sachprüfung aufzuheben, weil noch nicht rechtskräftig feststeht, daß der Anspruch der Klägerin auf Höhergruppierung unbegründet ist.
- Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Pods, Günther Metzinger, Knapp
Fundstellen
Haufe-Index 975901 |
BAGE 2004, 329 |
BB 2003, 2296 |
ARST 2004, 109 |
ZTR 2004, 50 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 12 |
NJ 2003, 669 |
NZA-RR 2004, 53 |
PERSONAL 2004, 54 |
PersR 2004, 272 |
PersV 2004, 69 |
ZfPR 2004, 79 |
ArbRB 2003, 330 |