Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Kraftfahrers
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Begriff des "schweren Spezialfahrzeuges" (Lohngruppe 6 TVAL II) bestimmt sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch. Danach ist darunter ein Kraftfahrzeug für einen besonderen Verwendungszweck mit entsprechenden Zusatzeinrichtungen zu verstehen. Diese müssen auch entsprechend genutzt werden.
2. Die Merkmale der Lohngruppe 7 TVAL II werden nur erfüllt, wenn der Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug der dort genannten Art führt und außerdem eine zehnjährige Berufserfahrung als Kraftfahrer in Tätigkeiten der Lohngruppe 6 nachweist.
Normenkette
TVG § 1; ALTV § 51; ALTV 2 § 51
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.02.1985; Aktenzeichen 6 Sa 1523/83) |
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 04.08.1983; Aktenzeichen 1 Ca 734/83) |
Tatbestand
Der Kläger, der der Gewerkschaft ÖTV angehört, ist bei den britischen Stationierungsstreitkräften als Kraftfahrer beschäftigt und führt einen Lastkraftwagen des Typs Foden, der 16 t Nutzlast hat. Er erhält Lohn nach Lohngruppe 5 des Abschnitts II der Sonderbestimmungen für Kraftfahrer des Anhangs F des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II). Die Lohngruppe 5 ist für Kraftfahrer von Lastkraftwagen mit mehr als 3,5 t Nutzlast vorgesehen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm Lohn nach Lohngruppe 6 zustehe. Dazu hat er vorgetragen, zum einen führe er ein schweres Spezialfahrzeug im Sinne der Lohngruppe 6 (4), da der von ihm gefahrene Lastkraftwagen eine Vorrichtung habe, die den Transport von Containern ermögliche. Zum anderen überschreite die Breite des Lastkraftwagens die nach § 32 Abs. 1 StVZO zulässige Breite von 2,50 m um 0,002 m. Es handele sich damit um ein überschweres Fahrzeug im Sinne der Lohngruppe 7 (3). Fahrern solcher Fahrzeuge stehe Lohn nach Lohngruppe 6 zu, solange sie noch nicht die in Lohngruppe 7 geforderte zehnjährige Berufserfahrung hätten. Überschwere Fahrzeuge im Sinne der Lohngruppe 7 (3) seien stets schwere Spezialfahrzeuge im Sinne der Lohngruppe 6 (4). Selbst wenn dies nicht zutreffe, so stehe ihm Lohn nach Lohngruppe 6 zu. Da die Lohngruppe 7 eine zehnjährige Bewährung in Tätigkeiten der Lohngruppe 6 erfordere, könne ein Kraftfahrer, der ein überschweres Fahrzeug im Sinne der Lohngruppe 7 (3) führe, auch nach zehnjähriger Bewährung keinen Lohn nach Lohngruppe 7 erhalten. Diese Tariflücke sei von den Gerichten für Arbeitssachen dahingehend zu schließen, daß einem solchen Kraftfahrer während der zehnjährigen Bewährungszeit Lohn nach Lohngruppe 6 zuzubilligen sei.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
an ihn ab dem 1. 5. 1983 Lohn nach Lohngruppe 6
aus der Gewerbegruppe A 5, Lohntabelle ZA 5 TVAL II
(Anhang F. Teil II) zu zahlen und die monatlichen
Unterschiedsbeträge zwischen dem Lohn nach Lohn-
gruppe 6 und dem Lohn nach Lohngruppe 5 ab dem
1. Kalendertag des jeweiligen Folgemonats mit 4 %
jährlich zu verzinsen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 786,--
brutto nebst 4 % Jahreszinsen von je DM 131,--
seit dem 1. 12. 1982 sowie seit dem 1. 1., 1. 2.,
1. 3., 1. 4. und 1. 5. 1983 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet werde. Der vom Kläger gefahrene Lastkraftwagen sei kein schweres Spezialfahrzeug. Er sei auch niemals zum Container-Transport benutzt worden. Es handele sich auch nicht um ein überschweres Fahrzeug im Sinne der Lohngruppe 7 (3). Zwar sei die vom Kläger angegebene Breite von 2,502 m in erster Instanz nicht bestritten worden. Nunmehr stehe aber fest, daß der Lastkraftwagen die Breite von 2,50 m nicht überschreite. Auch könne die Klage schon aus Rechtsgründen keinen Erfolg haben, weil sich aus den tariflichen Bestimmungen weder ergebe, daß überschwere Fahrzeuge im Sinne der Lohngruppe 7 (3) als schwere Spezialfahrzeuge im Sinne der Lohngruppe 6 (4) anzusehen seien noch daß Fahrern von Fahrzeugen der Lohngruppe 7 (3) ohne zehnjährige Berufserfahrung stets Lohn nach Lohngruppe 6 zustehen solle. Insoweit liege auch keine Tariflücke vor.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, daß dem Kläger Lohn nach Lohngruppe 6 nicht zusteht.
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Nach § 51 TVAL II bestimmt sich die Eingruppierung nach der überwiegenden Tätigkeit. Damit richtet sich die Eingruppierung des Klägers, der überwiegend als Kraftfahrer eingesetzt wird, nach Abschnitt II der Sonderbestimmungen für Kraftfahrer des Anhangs F des TVAL II. Danach sind zu vergüten:
Lohngruppe 5 TVAL II
--------------------
Kraftfahrer von Lkw mit mehr als 3,5 t Nutzlast,
Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 8 bis
zu 24 Fahrgastsitzen,
Lohngruppe 6 TVAL II
--------------------
(1) Kraftfahrer von Großtankwagen auf Flugplätzen
oder
von Großtankwagen mit mehr als
10 t Nutzlast,
(2) Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 24
Fahrgastsitzen,
(3) Kraftfahrer von schweren Traktoren und Sattel-
schleppern,
(4) Kraftfahrer von schweren Spezialfahrzeugen,
Lohngruppe 7 TVAL II
--------------------
(1) Kraftfahrer von Gelenkbussen
(2) Kraftfahrer von Fahrzeugen und Zügen
mit mehr als 38 t zulässigem Ge-
samtgewicht
(3) Kraftfahrer von überschweren Fahrzeugen und
Zügen, deren Abmessungen in Breite,
Höhe oder Länge über die im § 32
Abs. (1) StVZO (BGBl. I Nr. 128/74
S. 3221) genannten Maße hinausgehen
Voraussetzung für die Eingruppierung in diese Lohn-
gruppe ist außerdem eine mindestens zehnjährige
Berufserfahrung als Kraftfahrer in Tätigkeiten
gemäß Lohngruppe 6.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Tätigkeit des Klägers das Tätigkeitsmerkmal des ersten Absatzes der Lohngruppe 5 erfüllt, da er einen Lastkraftwagen mit mehr als 3,5 t Nutzlast führt. Es hat außerdem festgestellt, daß der Lastkraftwagen nicht als Container-Fahrzeug benutzt wurde, so daß er schon deshalb nicht als schweres Spezialfahrzeug im Sinne der Lohngruppe 6 (4) angesehen werden kann. Schwere Spezialfahrzeuge seien auch nicht stets solche der in Lohngruppe 7 (3) genannten Art. Außerdem stehe aufgrund eines Sachverständigengutachtens fest, daß der vom Kläger gefahrene Lastkraftwagen die nach § 32 Abs. 1 StVZO zulässige Breite von 2,50 m nicht überschreite, so daß er den Anforderungen der Lohngruppe 7 (3) nicht entspreche.
Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Der Kläger wird nicht als Kraftfahrer eines "schweren Spezialfahrzeuges" im Sinne der Lohngruppe 6 (4) eingesetzt. Da die Tarifvertragsparteien den Begriff des schweren Spezialfahrzeuges nicht selbst definiert haben und sich auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang nicht entnehmen läßt, welcher spezifische Fahrzeugtyp von diesem Begriff erfaßt werden soll, ist zur Begriffsbestimmung der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen (BAG Urteil vom 19. Juni 1963 - 4 AZR 125/62 -, AP Nr. 16 zu § 1 TVG Auslegung). Danach ist unter einem Spezialfahrzeug ein Fahrzeug für einen besonderen Verwendungszweck mit verschiedenen Zusatzeinrichtungen zu verstehen (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 5. Band, S. 835). Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht aus, daß der vom Kläger gefahrene Lastkraftwagen diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Der Lastkraftwagen wird ausschließlich zum Gütertransport benutzt und damit entsprechend seinem ursprünglichen und allgemeinen Verwendungszweck eingesetzt. Auch kommen bei seiner Benutzung keine besonderen Zusatzeinrichtungen zur Anwendung. Zwar beruft sich der Kläger darauf, daß der Lastkraftwagen mit einer Vorrichtung ausgestattet sei, die auch den Transport von Containern ermögliche, und leitet die Revision unter Bezugnahme auf einen Erlaß des Bundesministers für Verteidigung aus dem Monat August 1982 her, daß diese bauliche Eigenheit den Schluß rechtfertige, daß es sich um ein Spezialfahrzeug handele. Dem steht jedoch die tatsächliche Feststellung des Landesarbeitsgerichts entgegen, die von der Revision auch nicht angegriffen wurde, daß der vom Kläger gefahrene Lastkraftwagen noch nie zum Transport von Containern umgerüstet und benutzt wurde. Selbst wenn ein Lastwagen, der Container transportiert, als Spezialfahrzeug angesehen werden könnte, fehlt es damit vorliegend an einer entsprechenden Verwendung. Kraftfahrer eines "schweren Spezialfahrzeuges" im Sinne der Lohngruppe 6 (4) kann nur derjenige sein, der ein Fahrzeug im Rahmen seines besonderen, außergewöhnlichen Verwendungszweckes führt. Hingegen ist nicht maßgebend, daß das Fahrzeug aufgrund seiner baulichen Eigenart nur geeignet ist, für einen besonderen Verwendungszweck umgerüstet und benutzt zu werden.
Der Wortlaut und tarifliche Gesamtzusammenhang, die für die Tarifauslegung gleichermaßen maßgeblich sind (BAG 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), lassen entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien "schwere Spezialfahrzeuge" gleichsetzen wollten mit den in Lohngruppe 7 (3) genannten Fahrzeugen, d. h. mit "überschweren Fahrzeugen und Zügen", deren Abmessungen in Breite, Höhe oder Länge über die in § 32 Abs. 1 StVZO genannten Maße hinausgehen. Die Tarifvertragsparteien haben in der Lohngruppeneinteilung für Kraftfahrer die unterschiedlichsten Fahrzeugtypen aufgeführt und diese nach ihrem Verwendungszweck, ihrer Bauart, ihren Abmessungen oder ihrem zulässigen Gesamtgewicht gekennzeichnet (BAG Urteil vom 9. April 1986 - 4 AZR 132/85 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Unter keinem dieser Gesichtspunkte läßt sich jedoch ein Zusammenhang zwischen schweren Spezialfahrzeugen im Sinne der Lohngruppe 6 (4) und überschweren Fahrzeugen und Zügen im Sinne der Lohngruppe 7 (3) feststellen.
Der Kläger verkennt auch den tariflichen Gesamtzusammenhang, wenn er meint, daß ihm Lohn nach Lohngruppe 6 zustehe, weil er ein Fahrzeug im Sinne der Lohngruppe 7 (3) führe, ohne die in Lohngruppe 7 geforderte zehnjährige Berufserfahrung nachweisen zu können. Das Fahren eines Fahrzeugs der Lohngruppe 7 ist in Lohngruppe 6 nicht als Tätigkeitsmerkmal aufgeführt. Die Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe 7 bauen auch nicht in der Weise auf der Lohngruppe 6 auf, daß das Führen eines Fahrzeugs der Lohngruppe 6 nach zehnjähriger Berufserfahrung einen Lohnanspruch nach Lohngruppe 7 begründet. Die Tarifvertragsparteien haben nicht - wie der Kläger meint - einen Bewährungsaufstieg vorsehen wollen, sondern in Lohngruppe 7 kumulativ zwei Anforderungen normiert. Einmal muß der Kraftfahrer ein Fahrzeug der in der Lohngruppe 7 genannten Art führen und zum anderen muß er eine mindestens zehnjährige Berufserfahrung als Kraftfahrer in Tätigkeiten gemäß Lohngruppe 6 nachweisen. Nach dem Wortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist die persönliche Eingruppierungsvoraussetzung der zehnjährigen Berufserfahrung so zu verstehen, daß es sich um eine zehnjährige Berufserfahrung als Kraftfahrer mindestens in einer Tätigkeit nach Lohngruppe 6 handeln muß. Dies bedeutet, daß eine zehnjährige Berufserfahrung als Kraftfahrer in einer Tätigkeit der Lohngruppe 7 ebenfalls die persönliche Eingruppierungsvoraussetzung der Lohngruppe 7 erfüllt. Insoweit liegt auch entgegen der Auffassung des Klägers keine Tariflücke vor. Vielmehr lassen die tariflichen Bestimmungen nur nicht den Schluß zu, daß das Fahren eines Fahrzeuges der Lohngruppe 7 ohne eine zehnjährige Berufserfahrung einen Lohnanspruch nach Lohngruppe 6 begründet.
Diese Auslegung wird auch durch eine Interpretation der tariflichen Bestimmungen durch die Tarifvertragsparteien, die allerdings keinen Tarifcharakter hat, bestätigt. Danach kann die als persönliche Voraussetzung für die Eingruppierung in Lohngruppe 7 gemäß Anhang F Teil II geforderte Berufserfahrung als Kraftfahrer in Tätigkeiten gemäß Lohngruppe 6 auch als Kraftfahrer von Fahrzeugen der in der Lohngruppe 7 genannten Art erworben worden sein. Das Fahren solcher Fahrzeuge ist - solange die persönlichen Eingruppierungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind - eine "Tätigkeit gemäß Lohngruppe 6" (Rundschreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5. August 1982; abgedruckt bei Rechenberg, Arbeitsbedingungen bei den Stationierungsstreitkräften, Band 1, S. 112). Damit wollten die Tarifvertragsparteien deutlich machen, daß ein Kraftfahrer, der zehn Jahre lang ein in Lohngruppe 7 genanntes Fahrzeug geführt hat, die persönliche Eingruppierungsvoraussetzung einer zehnjährigen Berufserfahrung als "Kraftfahrer in Tätigkeiten gemäß Lohngruppe 6" ebenfalls erfüllt, nicht aber bestimmen, daß ein Kraftfahrer, der ein Fahrzeug der in Lohngruppe 7 genannten Art führt, stets Lohn nach Lohngruppe 6 erhält, auch wenn seine Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale dieser Lohngruppe nicht erfüllt.
Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt, daß der vom Kläger gefahrene Lastkraftwagen die nach § 32 Abs. 1 StVZO zulässige Breite von 2,50 m nicht überschreitet und somit den Anforderungen nach Lohngruppe 7 (3) nicht entspricht. Aufgrund dieser Feststellung hat das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht schon aus tatsächlichen Gründen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht war auch nicht durch ein Geständnis der Beklagten im Sinne § 288 ZPO an dieser Feststellung gehindert (§ 532 ZPO). Die Beklagte hat nämlich die vom Kläger in der ersten Instanz mit 2,502 m behauptete Breite des Lastkraftwagens nicht zugestanden, sondern sie lediglich nicht bestritten, weil sie die Klage zu Recht schon aus Rechtsgründen für unbegründet hielt. Unter diesen Umständen kann ein gerichtliches Geständnis nicht angenommen werden (BGH JZ 1962, 252; NJW 1983, 1496). Die Revision war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Feller Dr. Etzel Dr. Freitag
Gossen Wax
Fundstellen
RdA 1986, 407 |
AP § 51 TVAL II (LT1-2), Nr 4 |