Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer nichttypischen Willenserklärung. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Vertrag zugunsten Dritter
Orientierungssatz
- Der Rechtsstreit betrifft die Auslegung einer Vereinbarung zwischen dem früheren Arbeitgeber und der von ihm initiierten Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft, die auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung eine Vielzahl seiner Arbeitnehmer befristet eingestellt hat.
- Vereinbaren der frühere Arbeitgeber und die Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft als neue Arbeitgeberin, daß Arbeitnehmer, die das befristete Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden, nach näherer Maßgabe der Vereinbarung eine Abfindung erhalten können, so kommen insoweit Ansprüche der Arbeitnehmer nach den Vorschriften über den Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) in Betracht.
- Ein unmittelbarer Anspruch gegen einen der beiden Arbeitgeber ist regelmäßig dann auszuschließen, wenn in der Vereinbarung ausdrücklich festgelegt ist, es bestehe “kein Rechtsanspruch der Mitarbeiter”.
- In einem solchen Fall ergibt sich ein Anspruch der Arbeitnehmer auch nicht aus der weiteren Abrede, die Entscheidung über den Anspruch unterliege einer “Einzelfallprüfung” der beiden Arbeitgeber. Diese Formulierung kann zwar auf den ersten Blick für einen Anspruch des Arbeitnehmers sprechen, die Abfindung nach billigem Ermessen festzulegen (§ 315 BGB). Der Arbeitnehmer könnte dann jedoch mit Hilfe des Gerichts bei unterlassener oder unangemessener Ausübung des Ermessens den Anspruch auf Abfindung durchsetzen.
- In dem Rechtsstreit war nicht über Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Treuhänder zu entscheiden, an den der frühere Arbeitgeber die für die neue Arbeitgeberin (Beschäftigungsgesellschaft) bestimmten Zuschüsse zu leisten hatte.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 328
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 17. August 2000 – 4 Sa 97/00 und 99/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung.
Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten zu 2). Auf das Arbeitsverhältnis waren die Tarifverträge der Metallindustrie Unterweser anzuwenden. Die Beklagte zu 2) schloß unter dem 17. November 1997 mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat, der IG Metall und der DAG die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 23 (GBV) über einen Interessenausgleich und Sozialplan, “die gleichzeitig ein Tarifvertrag ist, soweit sie sich auf die Altersteilzeit bezieht”. In ihr ist ua. folgendes bestimmt:
Ҥ 1
Interessenausgleich
…
2. Kapazitätsabbau
Aufgrund der strukturbedingten Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hat ein Personalabbau von insgesamt 461 Arbeitnehmern/innen zu erfolgen.
2.1 Die Firma erklärt sich in diesem Zusammenhang bereit, für die zu kündigenden Arbeitnehmer … die Errichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu unterstützen und die Altersteilzeit zu ermöglichen, um die für diese Mitarbeiter/innen eintretenden Nachteile sozial abzufedern. …
2.2 Als Anlage 2a ist dieser Gesamtbetriebsvereinbarung die Liste der Mitarbeiter/innen beigefügt, denen im Rahmen der Errichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft ein 3-seitiger Vertrag (Anlage 5) mit der Beschäftigungsgesellschaft m … angeboten wird.
…
§ 2
Sozialplan
Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der Nachteile vereinbaren die Parteien hiermit den als Anlage 4 beigefügten Sozialplan. Auch dieser Sozialplan ist integraler Bestandteil dieser Vereinbarung.
§ 3
Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft
1. Sämtlichen aus der Anlage 2a hervorgehenden Mitarbeitern/innen der Firma wird angeboten, in die m… zum 01.12.1997 einzutreten und mit der m… ein befristetes Arbeitsverhältnis zu begründen, …
…
3. Die Laufzeit der befristeten Übernahme in die m… beträgt längstens 24 Monate; jeweils gerechnet ab dem 01.12.1997.
4. Zu diesem Zweck verpflichtet sich die Firma den zu kündigenden Mitarbeitern/innen (gemäß Anlage 2a), die zum Übertritt in die m… bereit sind, dem dieser Vereinbarung als Anlage 5 beigefügten 3-seitigen Vertrag anzubieten und mit ihnen abzuschließen. …
Dieser 3-seitige Vertrag hat eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zwischen der m… und der betroffenen Arbeitnehmer/innen vorzusehen und zwar für die Dauer von längstens 24 Monaten, jeweils gerechnet ab dem 01.12.1997.
§ 5
Zuschußgewährung
Die Firma gewährt für die Ermöglichung des Übertritts in die Beschäftigungsgesellschaft m… Herrn Rechtsanwalt S…, als Treuhänder für diese befristete Übernahme einen Zuschuß in Höhe von
DM 15.000.000,-- (in Worten: fünfzehn Millionen Deutsche Mark).
Dieses ist kein echter Vertrag zugunsten eines Dritten – also der m…, sondern anspruchsberechtigt ist allein der Treuhänder, Herr Rechtsanwalt J….
…
Da die entsprechenden Mitarbeiter/innen bei Eintritt in die m… weiterhin der Tarifbindung unterliegen, sind unter anderem Urlaubs-/Weihnachtsgeld etc. fällig. …
Der obengenannte Zuschuß errechnet sich auf der Basis des Tarifvertrages, den die m… abgeschlossen hat, als Zuschuß für die Remanenzkosten (also Sozialversicherungsbeiträge, Urlaubsgeld, Urlaubsentgelt, Lohnfortzahlung für die entstehenden Kosten im Krankheitsfall, Feiertagsbezahlung, vermögenswirksame Leistungen etc.), nämlich insbesondere als Zuschuß in Höhe der Differenz zwischen dem bisherigen Nettogehalt in Höhe von 80 % effektiv entsprechend den Tarifverträgen für die Tarifgebiete Unterweser, Hamburg/Schleswig-Holstein, daß dem Mitarbeiter bzw. den Mitarbeiterinnen zustehen würde, und dem Kurzarbeitergeld.
…
§ 13
Logistische Unterstützung
Die Firma wird der m… geeignete Räume und Ausrüstung zu angemessenen Konditionen zur Verfügung stellen sowie Unterstützung für aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.
Die Firma wird dem Treuhänder (für die Zwecke der m…) einen Lohnkostenbearbeitungszuschuß zur Verfügung stellen, der in dem in § 4 dieser Vereinbarung vorbenannten Betrag bereits enthalten ist und ebenfalls entsprechend den dort getroffenen Regelungen behandelt wird.
Die Parteien sind sich insoweit darüber einig, daß im Nichteinigungsfalle der Treuhänder das Leistungsbestimmungsrecht hat.
Dasselbe gilt für Maßnahmen, die dem Ersparen von Remanenzkosten dienen. Alle Maßnahmen, die zur Vermeidung von Remanenzkosten und zur aktiven Beschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer/innen führen, kann der Treuhänder (RA S…) ebenfalls aus den in § 5 angesprochenen Zuschußgewährungsmitteln bestreiten.”
Der Treuhänder und die m… traten dieser Gesamtbetriebsvereinbarung bei.
Der Kläger beendete daraufhin am 18. November 1998 “auf der Grundlage dieser Vereinbarungen” das Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2) aus betriebsbedingten Gründen einvernehmlich zum 30. November 1997 und begründete mit Wirkung zum 1. Dezember 1997 mit der Beklagten zu 1) ein befristetes Arbeitsverhältnis. Diese garantierte ihm eine “Verweildauer” bis 30. November 1999 und verpflichtete sich nach näherer vertraglicher Maßgabe zur Zahlung von monatlichen Aufzahlbeträgen (§ 2 des 3-seitigen Vertrags). Nach § 4 war der Kläger berechtigt, während des befristeten Arbeitsverhältnisses mit einer Kündigungsfrist von 10 Tagen auszuscheiden. Weiter heißt es dort:
“Zusätzliche Ansprüche gegen die m… entstehen dadurch nicht.”
In § 6 “Erledigungsklausel” ist ua. bestimmt:
“Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus meinem Arbeitsverhältnis bestehend bis 30.11.1997 mit der Firma und anläßlich dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt. Mit der Zustimmung zu diesem Vertrag nimmt die Firma diesen Verzicht an.”
Die Beklagte zu 2) zahlte dem Kläger die im Sozialplan vereinbarte Abfindung von 31.464,00 DM.
Am 18. Februar 1999 trafen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) eine “Vereinbarung über die Auszahlung einer Abfindungssumme bei früherem Ausscheiden von Mitarbeitern”. Diese lautet:
“ST… und m… sind sich einig, dass eine Abfindungssumme an Mitarbeiter ausgezahlt werden kann, wenn diese vor Ablauf des befristeten Arbeitsvertrags die m… verlassen.
Geltungsbereich
Es sind die Mitarbeiter des m… B… sowie der m… Se… betroffen, die am 1. 9. 1999 bzw. 1.11.1999 oder später in der m… beschäftigt waren.
Höhe der Abfindungssumme
Die Mitarbeiter können eine Abfindungssumme maximal in der Höhe der Hälfte der bei ST… für sie entstehenden Remanenzkosten erhalten. Es ist die Differenz zwischen Austritt und offizieller Beendigung des Arbeitsvertrages.
(Remanenzkosten bestehen aus den arbeitgeberseitig anfallenden Sozialversicherungsbeiträgen, Zuschuß zum Kurzarbeitergeld, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Urlaubsentgelt).
Die Höhe der Abfindungssumme wird berechnet bezogen auf den Tag des Austrittes aus der m….
Die Entscheidung über den Anspruch unterliegt einer Einzelfallprüfung der m… und ST….
Es besteht kein Rechtsanspruch der Mitarbeiter auf eine Abfindungssumme.
Bremen, den 18. Februar 1999
ST… |
Rechtsanwalt S… |
gez. Unterschrift |
gez. Unterschrift |
”
Der Kläger kündigte sein Beschäftigungsverhältnis zu der Beklagten zu 1) zum 31. März 1999 und schloß mit Wirkung zum 1. April 1999 einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit der H…, Bremen. Bei diesem Unternehmen war er bereits, vermittelt durch die Beklagte zu 1), seit dem 13. Juli 1998 zur Weiterbildung in Personalwesen und Buchhaltung beschäftigt.
Im Juni 1999 forderte der Kläger einen der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) vergeblich auf, an ihn die ersparten Remanenzkosten zu zahlen. Unter dem 19. Juli 1999 mahnte er seine vermeintliche Forderung bei der Beklagten zu 1) erfolglos schriftlich an.
Mit seiner im September 1999 bei dem Arbeitsgericht Bremen eingegangenen Klage hat der Kläger die Beklagten auf Zahlung in Anspruch genommen. Er hat im wesentlichen geltend gemacht, die Beklagten schuldeten auf Grund der Vereinbarung vom 18. Februar 1999 die unstreitig ersparten Remanenzkosten. Die Zahlung sei mehrfach mündlich durch den “örtlichen Leiter” der Beklagten zu 1) W.… zugesagt worden. W.… ist Mitglied des bei der Beklagten zu 2) gebildeten Betriebsrats; für seine Tätigkeit bei der Beklagten zu 1) erhält er Honorare.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 18.244,41 DM nebst 4 % Zinsen seit 28. September 1999 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben ua. geltend gemacht, die wirtschaftliche Situation der Beklagten zu 2) lasse die Zahlung von Abfindungen nicht zu.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu 2) verurteilt, an den Kläger 18.244,41 DM nebst Zinsen zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) hat es das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Abfindung. Die Beklagten beantragen deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Zahlung einer Abfindung besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) lassen sich nicht aus vertraglichen Vereinbarungen herleiten.
1. Die Beklagte zu 1) hat sich gegenüber dem Kläger nicht ausdrücklich verpflichtet, ihm wegen der zum 31. März 1999 erfolgten vorzeitigen Beendigung des auf den 30. November 1999 befristeten Arbeitsvertrags eine Abfindung zu zahlen. Nach § 4 des 3-seitigen Vertrags war der Kläger zwar berechtigt, das Arbeitsverhältnis während der Laufzeit des Vertrags mit einer Kündigungsfrist von zehn Tagen zu beenden. Zusätzliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) werden nach § 4 Satz 2 des Vertrags durch eine vorzeitige Kündigung aber nicht begründet.
2. Der von der Beklagten zu 1) mit der Beklagten zu 2) geschlossene Vertrag vom 18. Februar 1999 begründet kein Forderungsrecht des Klägers.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, wenn sich aus dem Vertrag ein Forderungsrecht ergeben sollte, so sei das allenfalls darauf gerichtet, die Beklagte zu 1) habe die dem Kläger zu erbringende Leistung nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) zu bestimmen. Danach mögliche Ansprüche habe der Kläger nicht innerhalb der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Ausschlußfrist des § 16 MTV geltend gemacht. Der Kläger hätte Ansprüche spätestens bis zum 1. Juli 1999 schriftlich geltend machen müssen. Nach seinem Vorbringen habe er die Abfindungssumme aber verspätet, nämlich erst mit Schreiben vom 19. Juli 1999 angemahnt. Inhalt oder Begleitumstände des Mahnschreibens habe er im Rechtsstreit nicht dargelegt.
b) Ob die hiergegen vom Kläger erhobene Rüge, mit der er die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht nach § 139 ZPO geltend macht, durchgreift, kann dahinstehen. Auch wenn zu seinen Gunsten von einer rechtzeitigen Zahlungsaufforderung ausgegangen wird, hat die Revision keinen Erfolg. Der Vereinbarung ist weder unmittelbar ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung zu entnehmen noch ergibt sich ein solcher mittelbar daraus, daß die “Entscheidung über den Anspruch einer Einzelfallprüfung” unterliegt. Der von dem Landesarbeitsgericht nicht näher ausgelegte Vertrag ist entgegen der Auffassung des Klägers kein Vertrag zu Gunsten Dritter iSv. § 328 BGB. Das kann der Senat selbst entscheiden, obgleich es sich bei der Vereinbarung vom 18. Februar 1999 um einen sog. nichttypischen Vertrag handelt, dessen Auslegung grundsätzlich dem Tatsachengericht obliegt. Die Parteien haben hier abschließend vorgetragen; neuer Sachvortrag ist nicht zu erwarten (vgl. BAG 28. Februar 1991 – 8 AZR 89/90 – BAGE 67, 279).
aa) Vertragliche Rechte und Pflichten entstehen regelmäßig nur zwischen den vertragschließenden Parteien. Der Gläubiger wird kraft des Schuldverhältnisses berechtigt, vom Schuldner die im Vertrag bestimmte Leistung zu fordern (§ 241 BGB). Ihnen ist unbenommen, am Vertragsschluß nicht beteiligten Dritten Rechte einzuräumen. Sie können nach § 328 Abs. 1 BGB vereinbaren, daß der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung vom Schuldner zu fordern. Ob ein unmittelbar drittbegünstigender Vertrag vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Fehlt es an einer besonderen Bestimmung, ist nach der Auslegungsregel des § 328 Abs. 2 BGB aus den Umständen, insbesondere aus dem Zweck des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob es sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.
bb) Danach haben die Beklagten dem Kläger keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch eingeräumt.
(1) In ihrem Eingangssatz haben die Vertragschließenden festgehalten, daß an Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis vor Ablauf der im Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu 1) vereinbarten Frist endet, Abfindungssummen ausgezahlt werden könnten. Angesprochen ist damit lediglich die Möglichkeit der Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer. Über einen unmittelbaren Zahlungsanspruch verhält sich der Eingangssatz nicht. Gegenstand der Vereinbarung ist danach nicht, ob die Beklagte zu 1) als Arbeitgeberin der ehemaligen Arbeitnehmer der Beklagten zu 2) diesen gegenüber rechtsgeschäftlich befähigt ist, entgegen § 4 Satz 2 des 3-seitigen Vertrags bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusätzliche Ansprüche auf eine Abfindung zu begründen. Betroffen ist vielmehr das Innenverhältnis der Beklagten. Für die Beklagte zu 1) wird im Verhältnis zur Beklagten zu 2) klargestellt, daß sie zur Förderung der erwünschten vorzeitigen Beendigung der befristeten Arbeitsverhältnisse Abfindungen vereinbaren und auszahlen kann.
(2) Dieses Verständnis erschließt sich aus der von der Beklagten zu 2) initiierten Einschaltung der Beklagten zu 1) als Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Üblicherweise dient der befristete Wechsel der aus betriebsbedingten Gründen von Entlassung bedrohten Arbeitnehmer von der bisherigen Arbeitgeberin auf eine Beschäftigungsgesellschaft nicht nur den Interessen der Arbeitnehmer, denen ermöglicht wird, die Zeit der Arbeitslosigkeit, wenn nicht zu vermeiden, so doch hinauszuschieben. Er fördert auch die unternehmerischen Interessen. Der mit Massenentlassung, Betriebsänderung oder -stillegung regelmäßig verbundene erhebliche Zeit- und Kostenaufwand soll gemindert und so ein Beitrag zur Sanierung geleistet werden. Die Beschäftigungsgesellschaft wird deshalb regelmäßig unter Inanspruchnahme von Leistungen der öffentlichen Hand durch die bisherige Arbeitgeberin finanziert und so in die Lage versetzt, Arbeitnehmer für eine dauerhafte Beschäftigung zu qualifizieren. Eine schnelle Vermittlung in eine neue Stelle bewirkt eine Verkürzung der Beschäftigungsdauer bei der Beschäftigungsgesellschaft und führt zu einem entsprechend geringeren Bedarf an Finanzmitteln. Das kommt der früheren Arbeitgeberin zu Gute, die nach § 5 der GBV durch die Bereitstellung eines Zuschusses den Übertritt der Arbeitnehmer zur Beklagten zu 1) ermöglichen soll.
(3) Dem in der Vereinbarung definierten Geltungsbereich ist nichts anderes zu entnehmen. Er bestimmt, wer von der Vereinbarung “betroffen” ist, nämlich die am 1. September 1998 oder später bei der Beklagten zu 1) in B… oder Se… beschäftigten Arbeitnehmer. Nur insoweit kommen Ansprüche der Beklagten zu 1) gegen die Beklagte zu 2) in Betracht.
(4) Zu Gunsten des Klägers kann auch nicht auf die im folgenden Absatz enthaltenen Bestimmungen zur Höhe der Abfindungssumme und deren Berechnung zurückgegriffen werden. Auch hier fehlt es an Anhalten, die Beklagte zu 1) werde gegenüber Arbeitnehmern zu derartigen Auszahlungen verpflichtet. Angegeben wird allein das Ergebnis, wonach die Mitarbeiter eine Abfindungssumme maximal in Höhe der Hälfte der bei der Beklagten zu 2) für sie entstehenden Remanenzkosten erhalten könnten.
(5) Vollends deutlich wird dieses Verständnis aus der den Vertragstext abschließenden Formulierung. Danach besteht kein Rechtsanspruch der Mitarbeiter auf eine Abfindungssumme. Mangels anderer Anhalte ist davon auszugehen, daß die Vertragschließenden den Begriff “Rechtsanspruch” im allgemein üblichen Sinn verwendet haben. Nach der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB ist “Anspruch” das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Ein solches Recht des Arbeitnehmers besteht indessen nach dem erklärten Willen der beiden Beklagten nicht, soll also gerade nicht begründet werden.
(6) Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, daß die Vertragschließenden außerdem vereinbart haben: “Die Entscheidung über den Anspruch unterliegt einer Einzelfallprüfung der m… und der S…”. Der vom Landesarbeitsgericht angestellten Überlegung, in Betracht komme ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) auf Festlegung der Abfindung nach Maßgabe des § 315 Abs. 1 BGB stimmt der Senat nicht zu.
(6 a) Die Vorschrift ist anzuwenden, wenn Parteien mit dem Willen, ein Schuldverhältnis zu begründen, den Vertrag fest geschlossen und lediglich die Bestimmung der Leistung oder Gegenleistung einer Vertragspartei oder einer (späteren) einvernehmlichen Einigung anheim gegeben haben (vgl. MüKo/Gottwaldt BGB 4. Aufl. § 315 Rn. 12, 13). Die Leistungsbestimmung ist im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen und erfolgt nach § 315 Abs. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Verbindlich ist die getroffene Bestimmung nur dann, wenn sie der Billigkeit entspricht. Ist das nicht gegeben, wird die Bestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB durch das Gericht getroffen.
Ergebnis des vom Landesarbeitsgericht als möglich angesehenen Anspruchs des Klägers auf eine Entscheidung der Beklagten zu 1) nach § 315 BGB wäre damit die abschließende Festlegung der zu zahlenden Abfindungssumme durch (Gestaltungs-) Urteil. Diese Rechtsfolge widerspricht indessen dem ausdrücklich bestimmten Ausschluß von Rechtsansprüchen der Arbeitnehmer. Mit Hilfe des § 315 BGB könnte die Auszahlung einer Abfindung durch den Arbeitnehmer durchgesetzt werden, obwohl die beiden Arbeitgeberinnen solche durchsetzbaren Rechtsansprüche in der nämlichen Vereinbarung ausgeschlossen haben.
(6 b) Anderes ergibt sich nicht daraus, daß die Vertragschließenden auch vereinbart haben, die “Entscheidung über den Anspruch” unterliege einer “Einzelfallprüfung”. Der Begriff “Einzelfallprüfung” wird zwar im Zusammenhang mit § 315 Abs. 1 BGB verwendet. Eine Entscheidung nach billigem Ermessen bedingt die Prüfung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen (vgl. Senat 12. Dezember 2000 – 9 AZR 706/99 – BAGE 96, 363). Aus dem Vertrag der Beklagten ergibt sich aber allein der Maßstab der Prüfung der Beklagten zu 2) als Mittelgeberin gegenüber der Beklagten zu 1), indessen kein eigenständiges Forderungsrecht des Klägers.
(7) Die von den Beklagten bestätigte Anreizfunktion der Vereinbarung, Arbeitnehmer zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu motivieren, hätte, wie der Kläger zutreffend geltend macht, nahe gelegt, ein eigenständiges Forderungsrecht der Arbeitnehmer zu begründen. In der Vereinbarung hat sich dieser Zweck indessen nicht nieder geschlagen.
3. Der Anspruch des Klägers läßt sich auch nicht im Zusammenhang mit Erklärungen des örtlichen Leiters der Beklagten zu 1) W.… herleiten.
a) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers als nicht hinreichend substantiiert beurteilt. Ihm sei nicht zu entnehmen, daß W.… andere “Zusagen” gemacht habe als diejenigen, die sich aus der zwischen den Beklagten getroffenen Vereinbarung vom 18. Februar 1999 ergäben.
b) Der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht im Einzelnen dargelegt, welche Tatsachen es seiner Entscheidung insoweit zugrunde gelegt hat. Sein Angriff bleibt gleichwohl auch dann ohne Erfolg, wenn seine in der Revisionsbegründung wiederholten Behauptungen als wahr unterstellt werden.
aa) Der von ihm angenommene vertragliche Anspruch setzt voraus, daß W.… ihm gegenüber Erklärungen abgegeben hat, denen der Kläger entnehmen mußte, die Beklagte zu 1) werde ihm unabhängig vom Inhalt der Vereinbarung vom 18. Februar 1999 wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe der Hälfte der ersparten Remanenzkosten zahlen. Die Erklärungen von W.… müßten nach § 133 BGB als Antrag iSv. § 145 BGB zu beurteilen sein, den der Kläger nach Maßgabe des § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB “sofort” angenommen haben müßte.
bb) Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt diesen Schluß auf ein rechtsgeschäftliches Handeln des W.… nicht. Auf die in der Revision angesprochenen Fragen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht kommt es nicht an.
Ohne Erklärungswert ist zunächst seine Behauptung, W.… habe ihn bereits Ende September 1998 von einer Vereinbarung der Beklagten zu 1) mit der Beklagten zu 2) über eine zusätzliche Abfindungssumme von 50 % der Remanenzkosten bei vorzeitigem Ausscheiden informiert und Anfang Oktober 1998 erste Zahlen genannt. Eine “Information” ist indessen nichts anderes als die Unterrichtung über einen näher bezeichneten Sachverhalt. Ihr konnte der Kläger nicht entnehmen, die Beklagte zu 1) werde unabhängig vom Inhalt der Vereinbarung in jedem Fall eine Abfindung zahlen. Gleiches gilt für seine Behauptung, W.… habe ihm anläßlich der Aushändigung des Kündigungsschreibens erklärt, er – der Kläger – brauche sich über Höhe und Auszahlungszeitpunkt der Abfindung keine Gedanken zu machen; es werde jetzt alles seinen geregelten Gang gehen. Diese – als wahr unterstellte – Äußerung von W.… läßt allenfalls dessen Auffassung erkennen, vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer wie der Kläger hätten Anspruch auf Abfindung. Der Hinweis auf den “geregelten” Gang mußte dem Kläger zugleich deutlich machen, daß sich Ansprüche nach eben dieser Regelung und nicht nach Erklärungen des W.… bestimmten. Bestätigt wird dieses Verständnis durch das weitere Vorbringen des Klägers. Danach hat W.… in diesem Zusammenhang zusätzlich erklärt, der Kläger werde “sicherlich” seine Abfindung entsprechend der Vereinbarung vom 18. Februar 1999 erhalten. Dem konnte und mußte der Kläger lediglich entnehmen, daß W.… auf der Grundlage der Vereinbarung eine reibungslose Zahlung der Abfindung erwartete. Die vom Kläger behauptete Aushändigung des Vertragstextes an ihn besagt nichts anderes.
4. Der Kläger hat zwar vorgetragen, durch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und den Wechsel zu seinem Ausbildungsbetrieb habe er finanzielle Nachteile erlitten. Er hat jedoch keine konkreten Angaben zu den Voraussetzungen eines möglichen Schadenersatzanspruchs vorgebracht.
- Scheiden danach Erfüllungs- und Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) als der letzten Arbeitgeberin des Klägers aus, so kommen auch Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) nicht in Betracht. Für die Auslegung der Vereinbarung vom 18. Februar 1999 gilt nichts anderes als für die Beklagte zu 1).
- Ansprüche auf Gleichbehandlung macht der Kläger gegen keine der Beklagten geltend.
- Ebensowenig beruft er sich auf § 13 Abs. 4 der GBV Nr. 23. Danach kann der Treuhänder die ihm von der Beklagten zu 2) nach § 5 GBV zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel für alle Maßnahme verwenden, die Remanenzkosten vermeiden und zur aktiven Beschäftigung von Arbeitnehmern führen. Er hat insoweit das Leistungsbestimmungsrecht. Daraus können sich jedoch allenfalls Ansprüche des möglicherweise nach § 328 Abs. 1 BGB insoweit begünstigten Klägers gegen den Treuhänder auf zweckentsprechende Verwendung der bereitgestellten Mittel ergeben.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Linsenmaier, Reinecke, Gosch, B. Lang
Fundstellen
Haufe-Index 905853 |
FA 2003, 154 |
NZA 2003, 576 |
AP, 0 |
NJOZ 2003, 1310 |