Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit und Dienstplan
Leitsatz (amtlich)
Die Anzahl der „lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertage” nach § 8 Abs. 2 der Anlage 1 zum Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe richtet sich nach der Anzahl der Wochenfeiertage, die für die nicht im Schichtdienst tätigen Arbeiter des betreffenden Nahverkehrsbetriebs lohnzahlungspflichtig sind. Diese hängt ab von der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
Normenkette
Anlage 1 zum BMT-G II § 8 Abs. 2; BMT-G 2 § 15 Abs. 2 Unterabs. 2; BGB § 280 Abs. 1, §§ 249, 242; EFZG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin und der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. Oktober 1998 – 9 Sa 863/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger zu 2 bis 19 haben die Kosten der Revision zu je 1/18 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung eines bezahlten freien Tages.
Die Kläger und die Klägerin (künftig: die Kläger) sind bei der Beklagten als Busfahrer(in) beschäftigt. Auf ihre Arbeitsverträge findet der Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) nebst Anlagen Anwendung. Die Anlage 1 (Sondervereinbarung für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben) enthält in § 8 folgende Regelungen:
„(1) In jedem Kalenderjahr werden so viele unbezahlte freie Tage gewährt wie Sonntage in dieses Jahr fallen. Im Jahresdurchschnitt müssen mindestens 10 Sonntage dienstplanmäßig freie Tage sein.
(2) Ferner werden in jedem Kalenderjahr so viele freie Tage gewährt, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen. Für diese freien Tage werden der Monatsgrundlohn und etwaige für den Kalendermonat zustehende ständige (ggf. pauschalierte) Lohnzuschläge weitergezahlt.
(3) Zusätzliche freie Tage, die sich dienstplanmäßig wegen einer anderweitigen Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit ergeben, bleiben bei der Berechnung der Zahl der freien Tage nach Absatz 1 unberücksichtigt.
…
(5) Die freien Tage nach den Absätzen 1 und 2 sind im Dienstplan auszuweisen.”
Die Busse der Beklagten fahren an jedem Tag der Woche. Die Fahrer werden nach Maßgabe vierteljährlicher Dienstpläne nach einem individuell unterschiedlichen, aber gleichbleibenden Schema in rollierenden Schichten eingesetzt. Die Beschäftigten in der Verwaltung und den Werkstätten und die Schulbusfahrer der Beklagten arbeiten regelmäßig von Montag bis Freitag, die Fahrkartenausgabe und der Tankdienst haben zudem am Sonnabend geöffnet.
Plangemäß hatten die Kläger zu 2 bis 9 und die Kläger zu 11 bis 19 am 28. März 1997 – am Karfreitag –, der Kläger zu 10 am 1. Mai des Jahres 1997 – einem Donnerstag – dienstfrei. Einen Ausgleichstag gemäß § 8 Abs. 2 der Anlage 1 zum BMT-G II gewährte ihnen die Beklagte nicht.
Mit Schreiben vom 15. September 1997 machten die Kläger einen solchen Ausgleich vergeblich geltend. Im März 1998 erhoben sie die vorliegenden Klagen. Sie haben unwidersprochen behauptet, über 40 Jahre lang habe die Beklagte ihren Fahrern in vergleichbaren Fällen einen Ausgleichstag gewährt. Sie haben die Ansicht vertreten, ihre Ansprüche folgten zumindest aus einer entsprechenden betrieblichen Übung. Unabhängig davon ergäben sie sich aus der einschlägigen Tarifregelung selbst.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihnen einen freien Tag (Ersatzfeiertag) unter Fortzahlung des Lohnes nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 der Anlage 1 zum BMT-G II für den 28. März 1997 bzw. den 1. Mai 1997 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein tariflicher Ausgleichsanspruch stehe ihren Fahrern nur für solche Wochenfeiertage zu, an denen sie eingesetzt worden seien. Falle dagegen die Arbeit an einem Wochenfeiertag für den einzelnen Fahrer entsprechend dem Dienstplan aus, entstehe dieser Anspruch nicht. Andernfalls würden Fahrer besser gestellt als Mitarbeiter, die regelmäßig von Montag bis Freitag oder Sonnabend arbeiteten.
Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Ausgleichsansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zwar trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung das angefochtene Urteil nicht. Die Entscheidung selbst erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
A. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Er gibt zu erkennen, für welche Feiertage – Karfreitag und 1. Mai des Jahres 1997 – die Kläger einen bezahlten Ausgleichstag begehren. Damit ist deutlich, daß sie einen Ausgleichstag über die regulären „Ersatzfeiertage” des laufenden Jahres hinaus verlangen.
B. Die Klage ist nicht begründet. Den Klägern steht ein weiterer bezahlter Ausgleichstag für das Jahr 1997 nicht zu.
I. Ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG scheidet aus. Zwar hat nach dieser Vorschrift der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das dieser ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Die Kläger verlangen jedoch nicht nur Arbeitsentgelt für die wegen eines Feiertags ausgefallene Arbeitszeit, sondern auch Freizeit; ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung läßt sich auf § 2 Abs. 1 EFZG nicht stützen. Außerdem ist die Arbeitszeit am Karfreitag und am 1. Mai 1997 nicht „infolge eines Feiertags” ausgefallen. Dies ist nur der Fall, wenn der Feiertag die alleinige Ursache dafür ist, daß der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat(ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 9. Oktober 1996 – 5 AZR 345/95 – BAGE 84, 216 mwN). Für die Frage, ob ein feiertagsbedingter Arbeitsausfall vorliegt, kommt es allein darauf an, welche Arbeitsverpflichtung für den Arbeitnehmer gegolten hätte, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre(BAG aaO mwN). War der Arbeitnehmer an diesem Tag aufgrund des für ihn geltenden Dienstplans ohnehin von der Arbeit freigestellt, schließt das den Anspruch auf Feiertagsvergütung aus. Eine solche Freistellung kraft Dienstplans ist anzunehmen, wenn sich die Arbeitsbefreiung aus einem Dienstplanschema ergibt, das von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig ist(BAG 27. September 1983 – 3 AZR 159/81 – BAGE 44, 160, 162). Daß die Arbeitsbefreiung für die Kläger an den beiden Feiertagen auf einem solchen Dienstplanschema beruhte, ist zwischen den Parteien unstreitig.
II. Auch ein tariflicher Erfüllungsanspruch aus § 8 Abs. 2 der Anlage 1 zum BMT-G II (künftig: Anl. 1) scheidet aus. Nach dieser Vorschrift werden den von ihr erfaßten Arbeitnehmern „in jedem Kalenderjahr” bestimmte entgeltpflichtige freie Tage gewährt. Nach dem Wortlaut der Bestimmung erfolgt die Gewährung nicht „für” jedes, sondern „in” jedem Kalenderjahr. Eine Erfüllung wird unmöglich, wenn das Kalenderjahr zu Ende gegangen ist, ohne daß die betreffenden Tage tatsächlich gewährt worden sind. Ein Übertragungszeitraum ist tariflich nicht vorgesehen. Ein im laufenden Kalenderjahr nicht realisierter Anspruch aus § 8 Abs. 2 Anl. 1 geht – vergleichbar einem nicht rechtzeitig durchgesetzten Urlaubsanspruch – unter.
III. Als Grundlage für die Klageforderung kommt statt dessen § 280 Abs. 1 iVm. § 249 Satz 1 BGB in Betracht. Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB sind jedoch nicht erfüllt.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber hinsichtlich seines Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat, anstelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs als Schadensersatz Urlaub (Ersatzurlaub) in gleicher Höhe verlangen, wenn die Urlaubsgewährung während des Verzugs des Arbeitgebers aufgrund der gesetzlichen oder tariflichen Befristung des Urlaubsanspruchs unmöglich wird(BAG 16. März 1999 – 9 AZR 428/98 – AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 25 mwN). Die Rechtslage ist hinsichtlich der Gewährung freier Tage nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 die gleiche. Stand deshalb den Klägern für das Jahr 1997 ein weiterer freier Tag als Ersatz für einen Wochenfeiertag zu und haben sie ihren Anspruch rechtzeitig geltend gemacht, so ist die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 iVm. § 249 Satz 1 BGB verpflichtet, ihnen einen weiteren bezahlten freien Tag im Wege des Schadensersatzes zu gewähren.
2. Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch der Kläger konnte sich nur aus § 8 Abs. 2 Anl. 1 ergeben. Danach haben die Arbeiter in Nahverkehrsbetrieben außer dem Anspruch auf so viele unbezahlte freie Tage, wie Sonntage in das Kalenderjahr fallen (§ 8 Abs. 1 Anl. 1), einen weiteren Anspruch auf so viele bezahlte freie Tage wie „lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage” in das Kalenderjahr fallen. Nach der Begriffsbestimmung in § 67 Nr. 48 BMT-G II sind Wochenfeiertage „Werktage, die … zu gesetzlichen Feiertagen erklärt sind und für die Arbeitsruhe angeordnet ist”. Danach waren sowohl Karfreitag als auch der 1. Mai 1997 – ein Donnerstag – Wochenfeiertage. Ob sie für die Kläger im Rahmen des § 8 Abs. 2 Anl. 1 zu berücksichtigen waren, hängt davon ab, ob sie „lohnzahlungspflichtig” waren.
a) Das Landesarbeitsgericht hat dies mit der Begründung verneint, daß dafür von den Gegebenheiten des jeweiligen, im voraus festzulegenden Dienstplans auszugehen sei. Falle ein nach dem Dienstplan ohnehin freier Tag auf einen Feiertag, sei dieser nicht lohnzahlungspflichtig, da dann nicht der Feiertag, sondern der Dienstplan die Ursache für den Arbeitsausfall darstelle. Für die Maßgeblichkeit des individuellen Dienstplans spreche der tarifliche Zusammenhang. Die Regelungen in Ziff. I der Anl. 1 (das sind die §§ 1 – 18) beträfen ausschließlich Mitarbeiter des Fahrdienstes, für die regelmäßig Dienstpläne erforderlich seien. § 8 Abs. 2 Anl. 1 gelte deshalb speziell für solche Mitarbeiter, für die die Wochenenden nicht regelmäßig arbeitsfrei seien. Auch Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Anl. 1 sprächen für die Maßgeblichkeit des individuellen Dienstplans. Die Regelung wolle für das Fahrpersonal einen Ausgleich schaffen gegenüber Arbeitern, die an Wochenfeiertagen im allgemeinen nicht zur Arbeit herangezogen würden. Auch diese erhielten aber für einen Feiertag, der auf einen ohnehin freien Sonnabend oder Sonntag falle, nach § 30 Abs. 1 BMT-G II iVm. § 2 EFZG keinen Ausgleichsanspruch und keinen Lohn.
b) Dem folgt der Senat nur im Ergebnis, nicht in der Begründung.
aa) Richtig ist der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, daß dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Anl. 1 ein eindeutiger Sinn nicht zu entnehmen ist. Ob „lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage” alle nicht auf einen Sonntag fallenden Feiertage des Kalenderjahres und damit für jeden im Fahrdienst Beschäftigten gleich viele sind oder ob ein „lohnzahlungspflichtiger Wochenfeiertag” nur vorliegt, wenn ein bestimmter Beschäftigter nach dem für ihn geltenden Dienstplan an einem nicht auf einen Sonntag fallenden Feiertag zur Arbeit eingeteilt ist, läßt sich nach dem Tarifwortlaut nicht entscheiden.
bb) Aus dem tariflichen Zusammenhang läßt sich für ein bestimmtes Verständnis der Regelung nichts herleiten. Der Umstand, daß § 8 Abs. 2 Anl. 1 nur für Mitarbeiter des Fahrdienstes gilt und diese regelmäßig im Schichtdienst eingesetzt sind, ist lediglich Anlaß und Ausgangspunkt für die Auslegung; inhaltlich führt er sie nicht weiter.
cc) Das richtige Verständnis der Vorschrift ergibt sich aus ihrem Sinn und Zweck. § 8 Abs. 2 Anl. 1 ist eine die Regelung des § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 BMT-G II verdrängende Spezialvorschrift für Nahverkehrsbetriebe(so auch der VKA-Gruppenausschuß für Nahverkehr, zitiert nach Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G II Kommentar Anl. I Nahverkehrsbetriebe § 8 Rn. 2). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ihren Zweck darin gesehen, den Beschäftigten im Fahrdienst einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß sie an Feiertagen eingesetzt werden, die für andere Beschäftigte unter Fortzahlung der Vergütung in der Regel arbeitsfrei sind.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts wird das Ziel einer Gleichstellung der beiden Beschäftigtengruppen aber nicht erreicht, wenn sich die Anzahl der „lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertage” nach dem individuellen Dienstplan der Schichtarbeiter richtet. Dann kann es – wie im Streitfall – vorkommen, daß ein Wochenfeiertag für die nicht im Schichtdienst Beschäftigten zur Arbeitsbefreiung bei Entgeltfortzahlung führt, dagegen für die im Schichtdienst Tätigen, weil nach Dienstplan ohnehin arbeitsfrei, weder mit zusätzlicher Freizeit noch mit zusätzlicher Vergütung verbunden ist. Es würde zudem nicht nur eine Gleichstellung mit den nicht im Schichtdienst Tätigen verfehlt, vielmehr würden Schichtarbeiter, die unter die Anl. 1 fallen, auch schlechter gestellt als Schichtarbeiter, für die stattdessen § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 BMT-G II gilt. Nach der zuletzt genannten Bestimmung wird dienstplanmäßige Sonntagsarbeit durch entsprechende Kürzung der Arbeitszeit an einem Wochentag der nächsten oder übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen. Dem entspricht die Regelung in § 8 Abs. 1 Anl. 1. Erfolgt der Ausgleich an einem Wochenfeiertag, so wird nach § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 BMT-G II für die betreffenden Arbeitsstunden der Urlaubslohn gezahlt. Der Zahlungsanspruch besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch dann, wenn an diesem Wochenfeiertag dienstplanmäßig ohnehin arbeitsfrei war(BAG 11. Juni 1992 – 6 AZR 122/91 – ZTR 1993, 28 für die vergleichbare Vorschrift des § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 3 BAT). Die dienstplanmäßige Arbeit an einem Wochenfeiertag soll nach § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 4 BMT-G II auf Antrag des Arbeiters durch entsprechende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung des Monatsgrundlohns und ggf. ständiger Lohnzuschläge ausgeglichen werden. Der Ausgleich an einem anderen Wochenfeiertag scheidet aus. Regelungen, die denen in § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 3 und 4 BMT-G II entsprechen, fehlen in § 8 Abs. 2 Anl. 1. Demzufolge wird eine Schlechterstellung der Schichtarbeiter in Nahverkehrsbetrieben nur vermieden, wenn nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 die Lohnzahlungspflicht für einen Wochenfeiertag unabhängig vom individuellen Dienstplan festzustellen ist. Nur unter dieser Voraussetzung ist gewährleistet, daß sich ein Wochenfeiertag auf Freizeit- und Vergütungsansprüche aller Beschäftigtengruppen in gleicher Weise auswirkt.
Im übrigen ist es erforderlich, um den Dienstplan überhaupt aufstellen und die freien Tage nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 ausweisen zu können, wie § 8 Abs. 5 Anl. 1 dies verlangt, die Anzahl der „lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertage” bereits vor der Aufstellung zu kennen. Andernfalls können die Ersatztage nicht von vornherein eingeplant werden.
dd) Damit nur die Gleichstellung der Schichtdienstarbeiter und nicht deren Besserstellung bewirkt wird, kann die Ermittlung der Anzahl der „lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertage” nicht in der Weise erfolgen, wie die Kläger dies für richtig halten. Würden sämtliche Wochenfeiertage eines Kalenderjahres, dh. würden alle auf die Wochentage von Montag bis Sonnabend fallenden Feiertage für den Ersatzanspruch nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 berücksichtigt, bliebe außer Betracht, daß für die nicht im Schichtdienst Tätigen unter Umständen nicht alle Wochenfeiertage lohnzahlungspflichtig sind. Die Lohnzahlungspflicht hängt vielmehr ab von der Verteilung der tariflichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Die nicht im Schichtdienst Tätigen arbeiten häufig nicht an allen Werktagen. In gemeindlichen Betrieben ist vielfach der Sonnabend regulär arbeitsfrei. Auch eine Dienstvereinbarung über eine Vier-Tage-Woche ist denkbar. Fällt bei einer solchen Arbeitszeitverteilung ein Feiertag auf einen Sonnabend bzw. einen Sonnabend oder einen Freitag, so ist er auch für die nicht im Schichtdienst Tätigen nicht lohnzahlungspflichtig. Die Arbeit fällt dann nicht infolge des Feiertags, sondern infolge der jeweiligen Arbeitszeitverteilung aus. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht wegen § 30 Abs. 1 BMT-G II, § 2 EFZG nicht.
Dies ist für die Auslegung des § 8 Abs. 2 Anl. 1 zu berücksichtigen. Lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage sind für die Schichtdienstarbeiter allein diejenigen Feiertage, die auch für die nicht im Schichtdienst tätigen Betriebsangehörigen lohnzahlungspflichtig sind. Wenn deshalb in anderen Abteilungen eines Nahverkehrsbetriebs die Arbeitszeit nur auf bestimmte Wochentage verteilt ist, ist die Anzahl der für die dortigen Mitarbeiter lohnzahlungspfichtigen Wochenfeiertage des betreffenden Kalenderjahres zu ermitteln und als Maßstab für die Anzahl der Ersatzfeiertage nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 heranzuziehen.
ee) Im Betrieb der Beklagten arbeiten die nicht im Schichtdienst Tätigen überwiegend von Montag bis Freitag. Damit entspricht die Anzahl der lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertage nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 der Anzahl der auf diese Wochentage fallenden Feiertage des betreffenden Kalenderjahres; die auf einen Sonnabend fallenden Feiertage bleiben unberücksichtigt. Im Jahr 1997 fiel in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag auf einen Sonnabend. Es handelte sich um Allerheiligen am 1. November. Von den in Nordrhein-Westfalen insgesamt elf Wochenfeiertagen des Jahres 1997 war demnach einer für die nicht im Schichtdienst tätigen Mitarbeiter der Beklagten nicht lohnzahlungspflichtig. Die Kläger hatten deshalb im Jahr 1997 Anspruch auf insgesamt zehn freie Ersatztage nach § 8 Abs. 2 Anl. 1. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt: Unstreitig erhielten die Kläger für alle Wochenfeiertage außer Karfreitag bzw. 1. Mai ersatzweise einen bezahlten freien Tag, also auch für Allerheiligen. Damit erweist sich das auf § 280 Abs. 1, § 249 BGB iVm. § 8 Abs. 2 Anl. 1 gestützte Klagebegehren im Ergebnis als unbegründet.
IV. Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf eine betriebliche Übung bei der Beklagten berufen. Zwar hat die Beklagte unstreitig 40 Jahre lang jeden einzelnen Wochenfeiertag iSd. § 67 Nr. 48 BMT-G II als „lohnzahlungspflichtig” iSd. § 8 Abs. 2 Anl. 1 behandelt. Ein Anspruch der Kläger auf Beibehaltung dieser Praxis besteht jedoch nicht. Der Arbeitgeber kann auch eine langjährig gewährte übertarifliche oder außertarifliche Leistung wieder einstellen, wenn er sie in falscher Anwendung von Vorschriften erbracht hat, die einen solchen Anspruch in Wirklichkeit nicht vorsehen(BAG 26. August 1987 – 4 AZR 155/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Brotindustrie Nr. 1 mwN). Im Zweifel wollte sich der Arbeitgeber in diesem Fall lediglich normgemäß verhalten und keine über- oder außertariflichen Leistungen erbringen(BAG 15. Mai 1997 – 6 AZR 135/96 – ZTR 1998, 174 mwN; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 9. Aufl. § 111 Rn. 9 mwN). Der Arbeitnehmer kann auf die Weitergewährung nur vertrauen, wenn er dafür besondere Anhaltspunkte hat. Dies gilt insbesondere bei einem Arbeitgeber, der ausschließlich die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anwendet. Die Beklagte ist deshalb dadurch, daß sie in den Jahren vor 1997 jeden auf einen Wochentag fallenden Feiertag des Jahres als „lohnzahlungspflichtig” nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 angesehen hat, nicht gehindert, nunmehr anders und tarifgerecht zu verfahren.
Unterschriften
Müller-Glöge, Kreft, Mikosch, Sappa, Anthes
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.09.2000 durch Metze, Urkunsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584719 |
BB 2001, 996 |
DB 2001, 1510 |
EBE/BAG 2001, 62 |
FA 2001, 92 |
NZA 2001, 735 |
ZTR 2001, 220 |
AP, 0 |
PersR 2001, 177 |
ZfPR 2001, 308 |