Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezahlter Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit
Orientierungssatz
“Lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage” iSv. § 8 Abs. 2 Anlage 1 zum BMT-G II sind nicht alle Feiertage eines Jahres, die auf die Wochentage Montag bis Samstag fallen, sondern die Wochenfeiertage, die für die nicht im Schichtdienst tätigen Arbeiter des betreffenden Nahverkehrsbetriebs lohnzahlungspflichtig sind. Maßgeblich ist das im jeweiligen Beschäftigungsbetrieb geltende Feiertagsrecht.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung bezahlten Freizeitausgleichs für Arbeit an Wochenfeiertagen in den Jahren 2003 und 2004.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1990 als Straßenbahnfahrerin beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) sowie der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung.
In der Anlage 1 zum BMT-G II (Sondervereinbarung für Arbeiter im Betriebsund Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben) ist in § 8 bestimmt:
“(1) In jedem Kalenderjahr werden so viele unbezahlte freie Tage gewährt, wie Sonntage in dieses Jahr fallen. Im Jahresdurchschnitt müssen mindestens zehn Sonntage dienstplanmäßig freie Tage sein.
(2) Ferner werden in jedem Kalenderjahr so viele freie Tage gewährt, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen. Für diese freien Tage werden der Monatsgrundlohn und etwaige für den Kalendermonat zustehende ständige (ggf. pauschalierte) Lohnzuschläge weitergezahlt.
(3) Zusätzliche freie Tage, die sich dienstplanmäßig wegen einer anderweitigen Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit ergeben, bleiben bei der Berechnung der Zahl der freien Tage nach Abs. 1 unberücksichtigt.
(4) Als freier Tag gilt in der Regel eine dienstfreie Zeit von 36 Stunden. Diese kann in Ausnahmefällen auf 32 Stunden ermäßigt werden, wenn die Betriebsverhältnisse es erfordern. Werden zwei zusammenhängende freie Tage gewährt, gilt in der Regel eine dienstfreie Zeit von 60 Stunden, die in Ausnahmefällen bis zu 56 Stunden ermäßigt werden kann, als zwei freie Tage. Für weitere freie Tage erhöhen sich diese Zeiten um jeweils 24 Stunden für einen Tag.
(5) Die freien Tage nach den Abs. 1 und 2 sind im Dienstplan auszuweisen.”
Die Beklagte setzt das von ihr beschäftigte Fahrpersonal nach einem Dienstplan in einem rollierenden System ein, das alle sieben Wochentage erfasst. Die Klägerin war am 1. November 2003 (Allerheiligen) und am 1. Mai 2004 (Maifeiertag), jeweils ein Samstag, dienstplanmäßig zur Arbeit eingeteilt. Hierfür erhielt sie einen Zuschlag zu ihrer Vergütung in Höhe von 35 %.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe nach § 8 Abs. 2 der Anlage 1 zum BMT-G II für die Arbeit an den beiden Feiertagen zusätzlich zu dem Vergütungszuschlag ein bezahlter freier Tag zu.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin jeweils einen vergüteten Ersatzwochentag für die Fahrtätigkeit am 1. November 2003 und 1. Mai 2004 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin für die Arbeit am 1. November 2003 und 1. Mai 2004 bezahlte freie Tage zu gewähren. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 249 Satz 1 BGB iVm. § 8 Abs. 2 Anl. 1 zum BMT-G II besteht nicht. Die Beklagte hat die Ansprüche der Klägerin auf bezahlte freie Tage für die Jahre 2003 und 2004 erfüllt.
1. Nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 haben die Arbeiter in Nahverkehrsbetrieben einen Anspruch auf so viele bezahlte freie Tage wie “lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage” in das Kalenderjahr fallen. Zweck dieser Regelung ist nach der Senatsrechtsprechung, den Beschäftigten im Fahrdienst einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass sie an Feiertagen eingesetzt werden, die für andere Beschäftigte des Betriebs unter Fortzahlung der Vergütung in der Regel arbeitsfrei sind (Senat 20. September 2000 – 5 AZR 20/99 – AP BMT-G II § 8 Nr. 1, zu B III 2b cc der Gründe). “Lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage” iSv. § 8 Abs. 2 Anl. 1 sind deshalb nicht alle Feiertage eines Jahres, die auf die Wochentage Montag bis Samstag fallen, sondern die Wochenfeiertage, die für die nicht im Schichtdienst tätigen Arbeiter des betreffenden Nahverkehrsbetriebs lohnzahlungspflichtig sind. Würden sämtliche Wochenfeiertage eines Kalenderjahres, dh. würden alle auf die Wochentage von Montag bis Samstag fallenden Feiertage für den Ersatzanspruch nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 berücksichtigt, bliebe außer Betracht, dass für die nicht im Schichtdienst Tätigen in der Regel nicht alle Wochenfeiertage lohnzahlungspflichtig sind. In gemeindlichen Betrieben ist vielfach der Samstag regulär arbeitsfrei (vgl. § 15 Abs. 3 BMT-G II). Fällt bei einer solchen Arbeitszeitverteilung ein Feiertag auf einen Samstag, ist er auch für die nicht im Schichtdienst Tätigen nicht lohnzahlungspflichtig. Die Arbeit fällt dann nicht infolge des Feiertags, sondern infolge der jeweiligen Arbeitszeitverteilung aus. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 30 Abs. 1 BMT-G II, § 2 EFZG besteht nicht (Senat 20. September 2000 – 5 AZR 20/99 – aaO, zu B III 2b dd der Gründe).
2. Maßgeblich ist das im jeweiligen Beschäftigungsbetrieb geltende Feiertagsrecht. Mit der Anknüpfung an den Betrieb wird der regional unterschiedlichen Ausgestaltung des Feiertagsrechts Rechung getragen und eine Gleichbehandlung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gewährleistet.
3. § 8 Abs. 2 Anl. 1 verlangt eine abstrakte Bestimmung der “lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertage” und nicht eine konkret-individuelle Betrachtung nach der Anzahl der Wochenfeiertage, an denen der einzelne im Fahrdienst Beschäftigte tatsächlich arbeitet. Die abstrakte Betrachtung schützt zum einen den Arbeitnehmer vor einer benachteiligenden Dienstplangestaltung und ermöglicht dem Arbeitgeber zum andern die Aufstellung des ordnungsgemäßen Dienstplans, weil er nach § 8 Abs. 5 Anl. 1 die freien Tage nach den Absätzen 1 und 2 im Dienstplan ausweisen muss. Andernfalls könnten die Ersatztage nicht von vornherein eingeplant werden (Senat 20. September 2000 – 5 AZR 20/99 – AP BMT-G II § 8 Nr. 1, zu B III 2b cc der Gründe).
4. Im Jahre 2003 gab es im Betrieb der Beklagten elf Wochenfeiertage, wovon einer auf einen Samstag fiel (1. November 2003). Die Beklagte gewährte der Klägerin zehn freie bezahlte Ersatzwochentage, obwohl die Klägerin nur an neun Wochenfeiertagen dienstplanmäßig zu arbeiten hatte. Im Jahre 2004 gab es neun Wochenfeiertage, wovon zwei auf einen Samstag fielen (1. Mai und 25. Dezember). Die Klägerin erhielt sieben freie bezahlte Ersatzwochentage, hatte aber nur an sechs Wochenfeiertagen Dienst. Dass die Beklagte einen Teil der Ersatzwochenfeiertage – entgegen der Tarifregelung – in das jeweils folgende Jahr übertrug, steht der von der Beklagten behaupteten Erfüllung der Ansprüche nicht entgegen. Die Klägerin hat nicht bestritten, im Folgejahr den ihr dann als Schadensersatz zustehenden Anspruch auf einen bezahlten Ersatzwochentag erhalten zu haben.
5. Weitergehende Ansprüche der Klägerin auf bezahlte freie Tage bestehen nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 nicht.
a) Entgegen der Auffassung der Revision führt die Senatsrechtsprechung zu § 8 Abs. 2 Anl. 1 (20. September 2000 – 5 AZR 20/99 – AP BMT-G II § 8 Nr. 1) nicht zu einer Schlechterstellung der im Fahrdienst Beschäftigten gegenüber den nicht im Schichtdienst Tätigen. Die von der Klägerin in der Revisionsbegründung gebildeten Beispiele sind schon deshalb nicht geeignet, eine Ungleichbehandlung zu begründen, weil dort die nicht im Schichtdienst tätigen Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt sind. Der Vergleich zwischen den nicht im Schichtdienst und den im Nahverkehr tätigen Arbeitern hat jedoch jeweils zwischen Vollzeitbeschäftigten zu erfolgen, weil dem Tarifwerk Vollzeitarbeitsverhältnisse zugrunde liegen.
b) Die Klägerin übersieht, dass bereits die Gewährung bezahlter freier Tage in dem Umfang, wie für die nicht im Schichtdienst tätigen Arbeiter des betreffenden Nahverkehrsbetriebs lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage anfallen, in der Regel zu einer Besserstellung der im Fahrdienst Beschäftigten führt. Angesichts der Zahl und der Verteilung der Feiertage eines Jahres ist es bei einer Fünf-Tage-Woche, in der die im Fahrdienst beschäftigten Arbeitnehmer tätig sind, praktisch ausgeschlossen, dass ein im Fahrdienst Beschäftigter an allen Wochenfeiertagen eines Jahres zum Dienst herangezogen wird. Damit bekommt er nach § 8 Abs. 2 Anl. 1 in der Regel mehr bezahlte freie Ersatzwochentage, als er an Wochenfeiertagen arbeiten muss. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat in den Jahren 2003 und 2004 jeweils einen bezahlten freien Tag mehr erhalten als Dienste auf die Feiertage an den Wochentagen Montag bis Freitag fielen. Auch die Klägerin stand deshalb besser als die nicht im Schichtdienst tätigen Arbeiter, die nur für die Wochenfeiertage, an denen sie zu arbeiten gehabt hätten, gem. § 30 Abs. 1 BMT-G II, § 2 EFZG Feiertagslohn erhielten.
c) Soweit ein im Schichtdienst beschäftigter Arbeiter, der nicht in den Anwendungsbereich der Anl. 1 fällt, an einem auf einen Samstag fallenden Feiertag arbeitet, hat er zwar neben dem Zuschlag für Feiertagsarbeit iHv. 35 % der Stundenvergütung gem. § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 4 BMT-G II Anspruch auf bezahlte Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche. Doch ist hier eine konkretindividuelle Betrachtung maßgeblich. Demzufolge erhält dieser Arbeiter nicht – wie die im Fahrdienst Tätigen – im Umfang der auf die Wochentage Montag bis Freitag fallenden Feiertage eines Jahres unabhängig von seiner tatsächlichen Arbeitsleistung bezahlte freie Tage. Dementsprechend ist jedenfalls keine Ungleichbehandlung zum Nachteil der im Fahrdienst Beschäftigten festzustellen.
II. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Heel, Zoller
Fundstellen
Haufe-Index 1558280 |
DB 2006, 2016 |