Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. verdeckte Videoüberwachung. Verdacht der Begehung von Straftaten unter Verletzung eines Zutrittsverbots. Beweis- bzw. Sachvortragsverwertungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten zur Aufdeckung von Straftaten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG setzt lediglich einen „einfachen” Verdacht im Sinne eines Anfangsverdachts voraus, der über vage Anhaltspunkte und bloße Mutmaßungen hinausreichen muss.
Orientierungssatz
1. Die Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten setzt nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG Verdachtsgründe im Sinne eines durch konkrete Tatsachen belegten „Anfangsverdachts” voraus.
2. Das Interesse von Beschäftigten, nicht von einer verdeckten Videoüberwachung erfasst zu werden, ist bei Arbeitnehmern, die sich unter Verletzung eines Zutrittsverbots in einem überwachten Bereich aufhalten, erheblich gemindert.
3. Der Schutzzweck von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gebietet es nicht, datenschutzrechtswidrig erlangte Beweismittel oder hierauf beruhenden – unstreitigen – Sachvortrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess mit einem Arbeitnehmer unverwertet zu lassen, wenn sich die Maßnahme nur wegen der Betroffenheit anderer (dritter) Arbeitnehmer als unzulässig darstellt.
Normenkette
BDSG § 32 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6, § 102 Abs. 1; BGB § 626; GG Art. 1 Abs. 1, 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 138, 286
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Mai 2015 – 4 Sa 1198/14 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte betreibt als Kfz-Vertragshändler an mehreren Standorten Verkaufshäuser und Servicebetriebe. Der Kläger war bei ihr seit August 1979 als Kraftfahrzeugmechaniker im Betrieb L, für den ein Betriebsrat gewählt ist, tätig. Dort beschäftigte die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter – den Kläger eingerechnet – fünf Werkstattmitarbeiter.
Zum Betrieb L gehört ein Ersatzteillager, das von zwei Mitarbeitern betreut wird. Bis Herbst 2013 war es den Werkstattmitarbeitern grundsätzlich erlaubt, Ersatzteile, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit benötigten, eigenhändig aus dem Lager zu entnehmen. Wurden solche Teile nicht einzeln verkauft oder in Fahrzeugen verbaut, wurden sie später auf einer vor den Regalen des Lagers eingerichteten Theke abgelegt und danach durch die Lageristen wieder in den Bestand einsortiert.
Bei Inventuren im November 2013 und Mitte Februar 2014 verzeichnete die Beklagte jeweils einen Fehlbestand von Ersatzteilen. Mit Aushang vom 27. Februar 2014 machte sie die Differenzen betriebsöffentlich. Zugleich untersagte sie – mit Ausnahme der beiden Lageristen – allen Mitarbeitern für die Zukunft den Zutritt zum Lager und verbot ihnen, Teile aus den Regalen zu nehmen. Der Kläger nahm dies zur Kenntnis.
Nachdem anschließende Gespräche mit den Lagermitarbeitern keinen Aufschluss über die Fehlbestände erbracht hatten und – wie im angefochtenen Urteil als unstreitig festgestellt – „auch die Mitteilung vom Februar 2014 nicht [geholfen hatte]”, ließ die Beklagte am 22. März 2014 im Betrieb L eine Videokamera installieren, mittels derer die Vorgänge im Ersatzteillager fortan aufgezeichnet wurden. Von dieser Maßnahme hatten nur die Lageristen und der vor Ort eingesetzte Betriebsleiter Kenntnis. Auch den Betriebsrat beteiligte die Beklagte nicht.
Der Betriebsleiter wertete am Abend des 6. August 2014 die Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 aus. Auf diesen ist zu sehen, dass der Kläger das Ersatzteillager betrat, aus einem Regal ein Paket Bremsklötze entnahm und es sodann in seiner Hosentasche verstaute. Der weitere Inhalt der Videoaufnahme ist zwischen den Parteien umstritten.
In einem Personalgespräch am 14. August 2014 spielte die Beklagte dem Kläger die Aufzeichnung vom 15. Juli 2014 vor und lastete ihm an, er habe sich das aus dem Lager entnommene Paket rechtswidrig zugeeignet. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Der Kläger äußerte, er habe keine Erklärung für den Vorgang. „Natürlich” wolle er „wegen eines solchen Teils” nicht seinen Arbeitsplatz „riskieren”. Auf weiteren Vorhalt gab er an, aus Sicht der Beklagten würde er sein Verhalten ebenso wie diese bewerten.
Mit Schreiben vom 19. August 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und mit weiterem Schreiben vom 25. August 2014 vorsorglich ordentlich zum 31. März 2015. Der zuvor mit Schreiben vom 15. August 2014 angehörte Betriebsrat hatte sich zu der ihm mitgeteilten Kündigungsabsicht nicht geäußert.
Der Kläger hat mit der rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Das auf dem Videomitschnitt vom 15. Juli 2014 dokumentierte Verhalten indiziere nicht einmal den Verdacht einer rechtswidrigen Wegnahme der Bremsklötze. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Teile aus dem Betrieb der Beklagten entfernt habe. Ebenso gut könne es sein, dass eine dienstliche Verwendung der Bremsklötze fälschlich nicht dokumentiert worden sei. Unabhängig davon habe die Beklagte die Videoaufzeichnungen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats erlangt. Beides führe dazu, dass die Mitschnitte als Beweismittel und das hierauf gestützte Vorbringen der Beklagten, auch soweit es unstreitig geblieben sei, prozessual nicht verwertbar seien. Entsprechendes gelte für seine Einlassung im Personalgespräch, die auf das Vorspielen der Videoaufnahme zurückzuführen sei.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 nicht aufgelöst worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 25. August 2014 aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1. zu den derzeit geltenden Arbeitsbedingungen als Kfz-Mechaniker in der Filiale bzw. Niederlassung L weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger habe am Morgen des 15. Juli 2014 das Lager im Abstand von wenigen Minuten dreimal betreten und jeweils zügig wieder verlassen. Die beiden ersten Male habe sich der Kläger in dem Bereich umgesehen und sich dabei der Abwesenheit der Lageristen vergewissert. Beim dritten Zutritt sei er unmittelbar auf das Regal mit den Bremsklötzen zugesteuert und habe die unstreitige Entnahme vorgenommen. Das Verhalten indiziere eine Zueignungsabsicht. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht. Dafür spreche schon die Missachtung des Zutrittsverbots. Soweit der Kläger vorgebracht habe, der Leiter des Lagers habe ihm nach der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 für dringende Ausnahmefälle das Betreten des Lagers und die Entnahme von Ersatzteilen erlaubt, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Jedenfalls entsprächen die Ausführungen nicht der Wahrheit. Ein freier Verkauf der Bremsklötze oder deren Einbau in ein passendes Fahrzeug sei ebenso auszuschließen wie eine Rückführung der Teile ins Lager. Es sei ihr – der Beklagten – auch nicht prozessual verwehrt, sich auf unstreitige Tatsachen zu berufen, von denen sie unmittelbar oder mittelbar durch die Videoaufzeichnungen Kenntnis erlangt habe. Entsprechendes gelte für eine beweisrechtliche Verwertung der Mitschnitte. Im Zeitpunkt der Aufzeichnungen habe der begründete Verdacht rechtswidriger Entwendungen von Ersatzteilen durch Mitarbeiter bestanden. Die Lageristen hätten, um sich selbst zu entlasten, einer zeitlich begrenzten Überwachung ihres Arbeitsbereichs zugestimmt. Erfolgversprechende Möglichkeiten, den Kreis der Verdächtigen weiter einzugrenzen, hätten nicht bestanden. Demgegenüber sei der Kläger nur deshalb von der Aufzeichnung erfasst worden, weil er sich über das Zutrittsverbot hinweggesetzt habe. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen den Vortrag der Beklagten über den Vorfall vom 15. Juli 2014 nicht unberücksichtigt lassen und der Klage stattgeben (I.). Der Senat vermag die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19. August 2014 nicht abschließend zu beurteilen (II.). Dies führt insgesamt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es sei wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG, der nicht durch überwiegende schutzwürdige Interessen der Beklagten gerechtfertigt sei, daran gehindert, seiner Entscheidung den im Verfahren unstreitigen Sachvortrag der Beklagten über das in den Videoaufzeichnungen vom 15. Juli 2014 zutage getretene Verhalten des Klägers zugrunde zu legen.
1. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben.
a) Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften zur prozessualen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Erkenntnisse oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 ua. – zu C II 4 a aa der Gründe, BVerfGE 106, 28). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Dies gilt nicht anders für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 21).
b) Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung begrenzen nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen und seine Verwertung im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Dessen Normen konkretisieren und aktualisieren zwar den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild (§ 1 Abs. 1 BDSG). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 BDSG in diese Rechtspositionen zulässig sind (BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 45, BAGE 146, 303; für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 – 6 AZR 339/11 – Rn. 16, BAGE 143, 343), sehen Informations- und Auskunftsansprüche der Betroffenen (§§ 19, 19a, 33, 34 BDSG) sowie Ansprüche auf Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten (§§ 20, 35 BDSG) vor und normieren Tatbestände, in denen Verstöße eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat darstellen (§§ 43, 44 BDSG). Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 22).
c) Ein Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist. Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet (BVerfG 13. Februar 2007 – 1 BvR 421/05 – Rn. 93, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (so auch BGH 15. Mai 2013 – XII ZB 107/08 – Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 ua. – BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 23; BGH 15. Mai 2013 – XII ZB 107/08 – Rn. 14).
d) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 – 1 BvR 421/05 – Rn. 94, BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 ua. – zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 24). Ein Beweisverwertungsverbot wegen eines ungerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dabei nicht nur das unrechtmäßig erlangte Beweismittel selbst, hier ggf. eine In-Augenscheinnahme der Videoaufzeichnungen, sondern auch dessen mittelbare Verwertung wie etwa die Vernehmung eines Zeugen über den Inhalt des Bildmaterials (BVerfG 31. Juli 2001 – 1 BvR 304/01 – zu II 1 b bb der Gründe).
e) Der Schutzzweck der bei der Informationsgewinnung verletzten Norm kann auch einer gerichtlichen Verwertung unstreitigen Sachvortrags entgegenstehen (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 25 mwN, auch zur gegenteiligen Auffassung). Das setzt voraus, dass es dem Schutzzweck etwa des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuwiderliefe, selbst den inhaltlichen Gehalt eines Beweismittels in Form von Sachvortrag zB infolge von § 138 Abs. 3 ZPO oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Entscheidungsgrundlage zu machen (Weber ZZP 2016, 57, 81). Unstreitiger Sachvortrag ist nicht allein deshalb stets uneingeschränkt verwertbar, weil die durch diesen belastete Partei die Möglichkeit des Bestreitens hätte. Eine Partei im zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren unterliegt vielmehr der Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Sie kann daher nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren (im Einzelnen BAG 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – Rn. 32). Ein mögliches Verwertungsverbot ist dabei Ausfluss der Grundrechtsbindung der Gerichte, deren Beachtung ihnen grundsätzlich unabhängig davon obliegt, ob sich eine Partei darauf beruft (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – aaO).
2. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob durch die Herstellung der Videoaufzeichnungen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung sowie sein Recht am eigenen Bild als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt wurden. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung. Es ist nicht auszuschließen, dass der Einsatz der verdeckten Videoaufzeichnung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG zulässig war.
a) Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 – 2 AZR 51/02 – zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 28). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang (EGMR 5. Oktober 2010 – 420/07 – EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten” normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 52, BAGE 146, 303).
b) Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, die Informationsgewinnung mittels Videoaufzeichnung sei unzulässig, weil bei Beginn der Aufzeichnungen ein konkreter Verdacht einer im Beschäftigungsverhältnis begangenen strafbaren Handlung oder einer ähnlich schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers nicht bestanden habe, nicht sämtliche fallrelevanten Umstände in Betracht gezogen.
aa) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass vor Einrichtung der Videoüberwachung Inventurdifferenzen aufgetreten waren. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ermöglicht eine Videoüberwachung auch dann, wenn nur ein Teil der Differenzen ihre Ursache in Straftaten von Arbeitnehmern gegen das Vermögen der Beklagten haben. Es gibt keinen Rechtssatz, nach dem ausschließlich dem Volumen nach „erhebliche” Defizite einen Anhaltspunkt für strafbares Mitarbeiterverhalten bieten können. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu den im November 2013 und Februar 2014 aufgetretenen Inventurdifferenzen keinen substantiierten Vortrag gehalten hat. Es durfte aber nicht ohne darauf bezogenen Sachvortrag annehmen, dass sämtliche Differenzbestände durch Fehler in der elektronischen Dokumentation ihres Betriebs verursacht sein konnten. Insbesondere wenn in kurzen zeitlichen Abständen Fehlbestände aufgetreten waren, die leicht zu entfernende Teile betrafen, kann dies nach der Lebenserfahrung auf Straftaten der sich in den Lagerräumen aufhaltenden Mitarbeiter hindeuten. Ähnliches gilt für das als unstreitig festgestellte Vorbringen der Beklagten, der Aushang vom 27. Februar 2014 habe nicht „geholfen”. Mit dem Sinngehalt dieser Behauptung hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass darin der – verkürzte – Vortrag liegt, nach dem Zutrittsverbot seien weitere Differenzen aufgetreten. Bejahendenfalls machte dies Vermögensdelikte zum Nachteil der Beklagten zumindest im Sinne eines „Anfangsverdachts” aber umso wahrscheinlicher. Ein solcher, durch konkrete Tatsachen belegter „einfacher” Verdacht ist im Rahmen von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ausreichend (vgl. BeckOK DatenSR/Riesenhuber BDSG 17. Edition § 32 Rn. 118; im Ergebnis ebenso Simitis/Seifert BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 104; zum Erfordernis eines „einfachen Tatverdachts” als Voraussetzung für Maßnahmen nach § 100a StPO vgl. BGH 11. August 2016 – StB 12/16 – Rn. 9). Ein „dringender” Tatverdacht, der einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten voraussetzte (BAG 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – Rn. 30), ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Diesem Verständnis entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Es geht darum, schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten aufgrund vager Anhaltspunkte oder bloßer Mutmaßungen auszuschließen.
cc) Die Beklagte hat die Fehlbestände betriebsöffentlich gemacht und durch das im Februar 2014 ausgesprochene – nach ihrem unter Beweis gestellten Vortrag ausnahmslose – Zutrittsverbot sichergestellt, dass Ersatzteile nur von den im Lager beschäftigten Mitarbeitern ausgehändigt werden. Die Videoaufzeichnung richtete sich damit nur noch gegen die beiden Lagermitarbeiter, die sich nach dem Vorbringen der Beklagten mit einer solchen Maßnahme grundsätzlich einverstanden erklärt hatten, und gegen solche Mitarbeiter, die sich möglicherweise vertragswidrig im Bereich des Lagers aufhielten. Bei diesen Personen bestand aber ein konkreter, über bloße Mutmaßungen hinausgehender Verdacht, dass sie sich unberechtigt Ersatzteile aneignen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht in Betracht gezogen.
c) Die Videoüberwachung erweist sich nicht aus anderen Gründen als unverhältnismäßig. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass andere Mittel zur Aufklärung des Verdachts und zur Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises zur Verfügung gestanden hätten, die weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen hätten und mittels derer der Zweck der Überwachung mit vergleichbarer Erfolgsaussicht hätte erreicht werden können.
aa) Die Beklagte hat im Anschluss an den Aushang vom Februar 2014 mit ihren Lageristen Gespräche geführt, die zur Aufklärung der Ursachen für die Inventurdifferenzen nichts beitrugen. Sie hat insoweit diejenigen Arbeitnehmer angesprochen, die für die Verwaltung des Lagerbestands verantwortlich zeichneten und ggf. über den Verbleib von Ersatzteilen hätten Auskunft geben können. Gespräche mit den Werkstattmitarbeitern musste sie nicht in gleicher Weise als erfolgversprechend ansehen. Aufgrund ihrer innerbetrieblichen Bekanntmachungen konnte sie vielmehr davon ausgehen, diese würden ggf. von sich aus Mitteilung machen, falls sie Aufschluss über mögliche Fehlerquellen hätten geben können und wollen.
bb) Eine effektive Überwachung durch Vorgesetzte oder Kollegen war nicht denkbar. Ebenso wenig lag in der offenen Videoüberwachung eine „mildere” Alternative. Sie hätte sich vor dem angestrebten Zweck der Aufdeckung von Straftaten nicht als gleichermaßen wirksam wie die – zumindest aus Sicht der meisten Mitarbeiter – verdeckte Beobachtung erwiesen. Das in Rede stehende strafbare Verhalten war seiner Natur nach auf Heimlichkeit angelegt. Zur Aufdeckung solcher Verhaltensweisen können offene Überwachungen regelmäßig nichts beitragen (BAG 27. März 2003 – 2 AZR 51/02 – zu B I 3 b dd (2) der Gründe, BAGE 105, 356; ebenso Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Grimm/ Schiefer RdA 2009, 329, 331, 335). Soweit der Kläger bemängelt, die initiierte Überwachung habe nicht zur Aufklärung in der Vergangenheit liegender Straftaten führen können, übersieht er zum einen die mögliche indizielle Wirkung, die der Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen für die Beurteilung bereits abgeschlossener Sachverhalte zukommen kann. Zum anderen bezieht sich § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG allgemein auf die „Aufdeckung von Straftaten”, was die Gewinnung von Erkenntnissen über – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – vermutete künftige strafbare Handlungen im Beschäftigungsverhältnis einschließt.
cc) Der Beklagten kann nicht entgegen gehalten werden, sie habe vorrangig eine Aufklärung durch Taschenkontrollen oder gar die Visitation von Kleidung versuchen müssen. Im Rahmen solcher Maßnahmen wäre der Beklagten eine vergleichbare Eingrenzung des verdächtigen Personenkreises wie bei der lediglich auf das Lager ausgerichteten Videoüberwachung schwerlich möglich gewesen. Unabhängig davon griff die initiierte Beobachtung nicht stärker in das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffener Arbeitnehmer ein als dies bei der Vornahme von Tor- bzw. Taschenkontrollen der Fall gewesen wäre. Solche Kontrollen berühren typischerweise die Privatsphäre der hiervon erfassten Arbeitnehmer (BAG 15. April 2014 – 1 ABR 2/13 (B) – Rn. 43, BAGE 148, 26). Die Zulässigkeit entsprechender Maßnahmen unterstellt wären ihnen auch Beschäftigte ausgesetzt gewesen, die das Zutrittsverbot ausnahmslos beachteten und von denen jedenfalls eine Gefährdung des Eigentums oder der Besitzrechte der Beklagten an den Ersatzteilen nicht (mehr) ausging. Demgegenüber traf die Videoüberwachung den Kläger weder in seiner Intim- noch in der Privatsphäre. Zwar kann sich eine besonders hohe Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auch aus der Dauer der Beobachtung ergeben, wie dies bei heimlichen Beobachtungen der Fall ist, denen Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsbereich während der gesamten Dauer ihrer Arbeitszeit ausgesetzt sind. Von einer solch massiven Beobachtung waren der Kläger und andere Mitarbeiter, denen der Zutritt zum Lager verwehrt worden war, aber nicht betroffen. Soweit dies im Fall der Lageristen anders zu beurteilen ist, handelte es sich um Personen, die gleichfalls zum Kreis der Verdächtigen rechneten. Überdies hatten sie der Überwachung zugestimmt.
dd) Der mit der verdeckten Videoüberwachung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers war insgesamt nicht unangemessen. Die Überwachung betraf ausgehend von dem Vorbringen der Beklagten allein das Lager und damit den räumlichen Bereich, auf den sich der Verdacht bezog. Gegenteiliges ist weder festgestellt, noch hat der Kläger substantiierten Gegenvortrag gehalten. Im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die sich ohne Erlaubnis im Lager aufhielten, war die Eingriffsintensität selbst unter Berücksichtigung der Dauer des Kameraeinsatzes gering. Dieser Bewertung steht nicht die Behauptung des Klägers entgegen, der Laufweg zu einem Raum, in dem sich Ersatzwerkzeug für die Werkstattmitarbeiter befunden habe, führe durch bestimmte Bereiche des Lagers. Daraus folgt nicht, dass das Zutrittsverbot lediglich eine eingeschränkte Gültigkeit gehabt hätte. Der wegen des permanenten Überwachungsdrucks ungleich schwerere Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Lageristen war grundsätzlich durch deren Einwilligung gedeckt.
ee) Es spricht viel dafür, dass Letzteres auch vor dem Hintergrund gilt, dass die Lageristen gemäß eigenem Vorbringen der Beklagten der Überwachung lediglich „zeitlich begrenzt” zugestimmt hatten. Damit wollten sie erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Einwilligung jedenfalls nach der Aufdeckung von Straftaten anderer Arbeitnehmer, die zugleich ihrer eigenen Entlastung dienen würde, keine Wirkung mehr entfalten sollte.
3. Selbst unterstellt, eine durchgängige Beobachtung bis Mitte Juli 2014 wäre von der fraglichen Zustimmung der Lageristen nicht mehr gedeckt gewesen und die Videoüberwachung erwiese sich unter diesem Gesichtspunkt als unverhältnismäßig, führte dies nicht zu einem Verbot der Verwertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 und des hierauf gestützten unstreitigen Sachvortrags der Beklagten im Kündigungsschutzprozess mit dem Kläger. Der Schutzzweck des BDSG gebietet es nicht, dem Arbeitgeber aus generalpräventiven Gründen eine prozessuale Verwertung datenschutzrechtswidrig erlangter Informationen zu verwehren. Ein Verbot kommt nur in Betracht, wenn mit der Verwertung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anderen Prozesspartei einhergeht. Ein solcher Eingriff scheidet aber aus, wenn die Unzulässigkeit der Videoüberwachung allein aus der (Dritt-)Betroffenheit anderer Beschäftigter resultiert (Bergwitz NZA 2012, 353, 357; Dzida/Grau NZA 2010, 1201, 1202 f.; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 341; wohl aA Bayreuther NZA 2005, 1038, 1042; Otto Anm. AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 36). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber seinen Dokumentationspflichten gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, die grundsätzlich vor der Datenerhebung zu erfüllen sind, nur unvollständig nachgekommen ist. Die Vorgabe verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern (Tinnefeld/Petri/Brink MMR 2010, 727, 732). Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauern kann und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist (ähnlich Alter NJW 2015, 2375, 2380).
4. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hindert die Verwertung der Videoaufzeichnungen ebenso wenig.
a) Allerdings hat der Betriebsrat bei der Videoüberwachung von Betriebsräumen der Arbeitgeberin nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen. Eine Videoüberwachungsanlage ist im Sinne dieser Norm eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (BAG 11. Dezember 2012 – 1 ABR 78/11 – Rn. 16 ff., BAGE 144, 109).
b) Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Betriebsrat bei der Installation der Videoüberwachung oder jedenfalls der Auswertung des Mitschnitts vom 15. Juli 2014 beteiligt gewesen wäre. Dies führt für sich genommen aber nicht dazu, dass die Aufzeichnung als Beweismittel oder Sachvortrag, der sich auf daraus erlangte Erkenntnisse stützt, prozessual unverwertbar wäre. Der Schutzzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwendung und Verwertung eines Beweismittels und/oder daraus gewonnener, unstreitiger Informationen nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist. Der Sinn von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht ua. darin, Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer durch bestimmte Verhaltenskontrollen des Arbeitgebers nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen. Soweit die Norm – wenngleich kollektivrechtlich vermittelt – dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer dient, sind die Schutzzwecke von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und die zivilprozessualen Grundsätze über ein mögliches (Beweis-)Verwertungsverbot identisch. Ist demnach eine Informations- bzw. Beweisverwertung nach allgemeinen Grundsätzen zulässig, besteht grundsätzlich auch kein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot bei Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats oder bei einer nicht ausreichenden Einhaltung eines betriebsverfassungsrechtlichen Verfahrens (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 44).
II. Danach hat das Landesarbeitsgericht wesentliche Teile des zur Begründung der ausgesprochenen Kündigungen gehaltenen Vortrags der Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt. Dies führt zur Aufhebung seiner Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
1. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen der Beklagten zu Inventurdifferenzen und zur Entwicklung nach dem Aushang vom 27. Februar 2014 nur unvollständig gewürdigt. Soweit das betreffende Vorbringen einer weiteren Klarstellung bedarf, wird es die Beklagte dazu anzuhalten haben. Ist danach wahrscheinlich, dass die Fehlbestände auch auf unberechtigten Entnahmen beruht haben, wird das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ausspruch des Zutrittsverbots von einem konkreten, durch Tatsachen belegten Anfangsverdacht einer Straftat jedenfalls durch Arbeitnehmer auszugehen haben, die das Lager vertragswidrig betreten haben.
2. Danach würde die weitere Verarbeitung und Nutzung der den Kläger betreffenden Videoaufzeichnungen nicht dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen. Die Verarbeitung – dh. hier insbesondere die Aufbewahrung der Mitschnitte zum Zwecke weiterer Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG) – und deren weitere Verwendung im vorliegenden Verfahren war gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.
a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
b) Dies wäre hier der Fall. Die Aufzeichnungen vom 15. Juli 2014 begründeten zumindest den Verdacht, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten eine Straftat begangen hat. Dies konnte einen Kündigungsgrund darstellen. Überwiegende Interessen des Klägers standen der Verarbeitung und Nutzung nicht entgegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beklagte – was hier nicht auszuschließen ist – die Daten nicht unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers erlangt hat.
3. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19. August 2014 aufgelöst worden ist.
a) Das bisherige Vorbringen der Beklagten kann – seine Verwertbarkeit unterstellt und unbeschadet der grundsätzlich dem Landesarbeitsgericht vorbehaltenen abschließenden Interessenabwägung – gem. § 626 Abs. 1 BGB sowohl eine außerordentliche Tat- als auch Verdachtskündigung rechtfertigen.
aa) Welche Beweiskraft den von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau mit der unstreitigen Wegnahmehandlung im Hinblick auf die Beurteilung zukommt, ob sich der Kläger eines Diebstahls oder einer Unterschlagung zulasten der Beklagten schuldig gemacht hat oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, die dem Revisionsgericht entzogen ist (BAG 18. Juni 2015 – 2 AZR 480/14 – Rn. 35, BAGE 152, 47; zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13 – Rn. 43, BAGE 149, 355).
bb) Anhaltspunkte für eine Rechtfertigungslage hat der Kläger, den insoweit eine abgestufte Darlegungslast trifft (zuletzt BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 40), bisher nicht schlüssig aufgezeigt. Zwar mag es in der Vergangenheit üblich gewesen sein, dass Mitarbeiter der Beklagten Ersatzteile für den Transport aus dem Lager in die Werkstatt in ihrer Kleidung verstauten. Darauf kann sich der Kläger aber nicht stützen, weil sich die Weisungslage mit dem Ende Februar 2014 angeordneten Zutrittsverbot verändert hatte. Sein Vorbringen, er habe mit dem für das Lager zuständigen Leiter abweichende Vereinbarungen getroffen, ist in zeitlicher und räumlicher Hinsicht bisher vollkommen unsubstantiiert. Zudem hat die Beklagte ihren betreffenden Gegenvortrag unter Beweis gestellt. Unabhängig davon lässt das Vorbringen des Klägers nicht erkennen, dass er sich im Zusammenhang mit der eigenhändigen Entnahme des Pakets Bremsklötze an die behauptete individuelle Absprache mit dem Lagerleiter gehalten und dementsprechend die Lageristen zumindest nachträglich über die Mitnahme von Ersatzteilen in deren Abwesenheit unterrichtet hat. Auch dies spricht nicht für ein redliches Vorgehen, sondern gibt einen Hinweis darauf, dass sein Verhalten insgesamt auf Heimlichkeit angelegt war. Soweit der Kläger überdies geltend gemacht hat, es sei nicht auszuschließen, dass die Bremsklötze in einem Fahrzeug der entsprechenden Typenklasse eingebaut worden seien oder er alternativ – wie in der Vergangenheit üblich – das Paket auf der Theke vor dem Lager abgelegt habe, hat er nicht etwa einen konkreten, ihn entlastenden Geschehensablauf dargestellt, sondern rein hypothetische Sachverhaltsvarianten präsentiert. Ob sich dies unter Berücksichtigung seiner Einlassung im Personalgespräch vom 14. August 2014 mit Erinnerungslücken hinreichend erklären lässt, wird ggf. vom Landesarbeitsgericht zu bewerten sein.
cc) Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer sog. „Tatkündigung” hängt materiell-rechtlich nicht davon ab, ob die Beklagte im Kündigungszeitpunkt alles ihr Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts – auch in Richtung einer denkbaren Entlastung des Klägers – unternommen hatte (BAG 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 38). Sollte es auf ihre Wirksamkeit als Verdachtskündigung ankommen, wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Beklagte ihrer diesbezüglich bestehenden Aufklärungspflicht nachgekommen ist, was allerdings nicht fernliegt. Dem sie dabei treffenden Erfordernis einer Anhörung des Klägers ist – soweit ersichtlich – Genüge getan.
b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Ihr Vorbringen ist schlüssig. Nach ihrem – offenbar unstreitig gebliebenen – Vortrag hat ihr allein kündigungsberechtigter Geschäftsführer von den maßgeblichen Tatsachen erst am 7. August 2014 Kenntnis erlangt. Ausgehend vom Zugang der fristlosen Kündigung am 19. August 2014 wäre die Zweiwochenfrist eingehalten. Das gilt allemal gerechnet ab dem Zeitpunkt des Personalgesprächs vom 14. August 2014. Ob ihr Betriebsleiter aufgrund des Ergebnisses einer am 16. Juli 2014 durchgeführten Bestandsaufnahme, bei der nach dem Vorbringen der Beklagten bereits das Fehlen eines Pakets Bremsklötze verzeichnet worden sein soll, gehalten war, eine Sichtung der Videobänder bereits vor dem 6. August 2014 vorzunehmen, kann dahinstehen. Daraus ergibt sich nach dem bisherigen Streitstand keine Verzögerung, die der Beklagten im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB anzulasten wäre. Kenntnisse nicht kündigungsberechtigter Personen muss sich der Arbeitgeber nur ausnahmsweise nach § 242 BGB zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung für eine Zurechnung ist weiter, dass die Verspätung, mit der der Kündigungsberechtigte in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs beruht (BAG 21. Februar 2013 – 2 AZR 433/12 – Rn. 28). Dafür fehlt es derzeit an Anhaltspunkten.
c) Der Kläger hat seine zunächst „vorsorglich” erhobene Rüge, es fehle an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs. 1 BetrVG), in erster Instanz ausdrücklich fallen gelassen. Unabhängig davon sind Mängel im Anhörungsverfahren auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht zu erkennen.
4. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegen auch die weiteren Klageanträge. Über den Kündigungsschutzantrag betreffend die ordentliche Kündigung vom 25. August 2014 ist abhängig vom Ausgang des Streits über die außerordentliche Kündigung zu erkennen. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, beide Kündigungen seien unwirksam, wird es zu berücksichtigen haben, dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag dem Wortlaut nach auf ein Obsiegen mit dem Kündigungsschutzantrag zu 1. bezieht, der sich gegen die außerordentliche Kündigung vom 19. August 2014 richtet. Diesem Begehren durfte es nicht stattgeben, ohne der Frage nachzugehen, ob der Antrag überhaupt auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nach Ablauf des Termins der ordentlichen Kündigung vom 25. August 2014 gerichtet ist und – bejahendenfalls – ob er ein entsprechendes Verlangen hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zum Ausdruck bringt.
5. Von weiteren Hinweisen sieht der Senat ab.
Unterschriften
Koch, Rachor, Niemann, Söller, F. Löllgen
Fundstellen
Haufe-Index 10449122 |
BAGE 2017, 69 |
BB 2017, 691 |
DStR 2017, 16 |