BAG, Urteil v. 20.10.2016, 2 AZR 395/15
Für das Erheben, Verarbeiten und Nutzen personenbezogener Daten von Beschäftigten gem. § 32 BDSG zur Aufdeckung von Straftaten reicht ein über Mutmaßungen und vagen Anhaltspunkten hinausgehender Anfangsverdacht aus.
Sachverhalt
Der Kläger ist als Kfz-Mechaniker bei der Beklagten, einer Kfz-Vertragshändlerin mit mehreren Verkaufshäusern und Werkstätten, beschäftigt. Zu dem Betrieb, bei welchem auch der Kläger eingesetzt war, gehörte ein Ersatzteillager, aus dem die Mechaniker Ersatzteile eigenhändig entnehmen durften. Als sich bei Inventuren Ende 2013 und Anfang 2014 Fehlbestände im Lager ergaben, untersagte die Beklagte allen Mitarbeitern mit Ausnahme der Lageristen den Zutritt zum Lagerraum. Da die Fehlbestände nicht aufgeklärt werden konnten, wurde im Lager mit Zustimmung der Lageristen eine Videokamera installiert. Die übrigen Mitarbeiter wurden darüber nicht informiert. Nachdem im Juli 2014 die Kamera den Kläger aufzeichnete, wie er das Lager betrat, ein Paket Bremsklötze entnahm und in seiner Hosentasche verstaute, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im August 2014 fristlos, hilfsweise ordentlich.
Hiergegen klagte der Kläger. Er vertrat die Auffassung, die Videoaufnahmen verstießen gegen datenschutzrechtliche Regelungen und seien deshalb prozessual nicht verwertbar.
Die Entscheidung
Während die Klage in den Vorinstanzen Erfolg hatte, hob das BAG das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Nach Auffassung des BAG konnte vorliegend eine Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG aufgrund der Videoaufzeichnung nicht abschließend beurteilt werden. Ein Beweisverwertungsverbot käme aber nur dann in Betracht, wenn dies auch tatsächlich vorgelegen habe.
Des Weiteren entschied das Gericht, dass die Aufzeichnung nicht gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG unzulässig sei; denn unaufklärbare Fehlbestände von leicht zu entfernenden Teilen im Ersatzteillager deuteten auf Straftaten der dort tätigen Mitarbeiter hin. Solch ein "einfacher" Verdacht i. S. eines Anfangsverdachts sei zur Erfüllung der Voraussetzungen der Norm ausreichend. Im vorliegenden Fall wurden auch nur Personen von der Videoaufzeichnung betroffen, die sich unerlaubt im Lager aufhielten. Schon durch das unerlaubte Betreten ergab sich der konkrete Verdacht, etwas aus dem Lager entwenden zu wollen, so das BAG.
Auch war die Videoaufzeichnung nach Auffassung des BAG nicht unverhältnismäßig, da mildere Mittel wie Gespräche oder eine offene Videoüberwachung nicht in gleichem Maße Erfolg versprechend gewesen seien. Im Vergleich zur Videoaufzeichnung sei eine Taschen- oder Kleidungskontrolle im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht kein milderes Mittel.
Aufgrund dessen unterlag die Aufzeichnung für die Frage der Kündigung keinem Beweisverwertungsverbot gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG.