Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitlehrer auf Klassenreisen
Leitsatz (amtlich)
- Bei Lehrern an allgemeinbildenden Schulen beschreibt die vereinbarte Unterrichtsstundenzahl den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung nur zum Teil.
- Außerhalb der Unterrichtserteilung geschuldete, jedoch zum Berufsbild des Lehrers gehörende Arbeitsleistungen entziehen sich einer exakten zeitlichen Bemessung. Eine feste Relation zur Zahl der Unterrichtsstunden ist insoweit nicht möglich. Die zeitliche Inanspruchnahme des Lehrers für solche Arbeitsleistungen darf aber nicht unverhältnismäßig sein. Die Anordnung zusätzlich zum Unterricht zu erbringender Dienste hat billigem Ermessen zu genügen.
- Diese Maßstäbe gelten auch, wenn zu prüfen ist, ob durch Inanspruchnahme eines teilzeitbeschäftigten Lehrers für Tätigkeiten außerhalb der Unterrichtserteilung eine Ungleichbehandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 BeschFG vorliegt.
- Es liegt keine Ungleichbehandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 BeschFG vor, wenn ein mit 20 von 26 Wochenstunden Unterricht teilzeitbeschäftigter Lehrer einmal im Jahr eine einwöchige Klassenfahrt durchführt.
Normenkette
BeschFG § 2 Abs. 1; BGB § 611; BAT § 17; GG Art. 3; EGVtr Art. 119
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die als teilzeitbeschäftigte Lehrerin angestellte Klägerin will für die Dauer der von ihr durchgeführten Klassenreise wie eine vollzeitig beschäftigte Lehrerin bezahlt werden.
Die Klägerin ist seit dem 15. Mai 1975 bei der Beklagten als Lehrerin beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Februar 1989 haben die Parteien eine Arbeitszeit von 20/26 der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten vereinbart. Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT), insbesondere auch den Sonderregelungen für Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen (SR 2 l). Die Klägerin ist in die VergGr. IIa BAT eingruppiert.
In der Zeit vom 6. bis zum 10. September 1993 führte die Klägerin als verantwortliche Klassenlehrerin eine Klassenreise durch. Vorgerichtlich hat sie deshalb vergeblich Freizeitausgleich im Umfang von sechs Unterrichtsstunden begehrt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Freizeitausgleich, hilfsweise Bezahlung für sechs Unterrichtsstunden verlangt. Sie hat geltend gemacht, sie werde gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrkräften schlechter behandelt. Die Durchführung von Klassenreisen zähle zum herkömmlichen Berufsbild des Lehrers. Faktisch bestehe eine Verpflichtung zur Durchführung von Klassenreisen schon aus pädagogischen Gründen. An der Gesamtschule, an der sie tätig sei, müßten Lehrkräfte sich zur Durchführung von Klassenreisen bereitfinden, wenn sie – wie die Klägerin – als Tutorin eingesetzt werden wollten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, sie für die Zeit vom 6. bis 10. September 1993 als vollzeitbeschäftigte Angestellte in der Tätigkeit einer Lehrerin der VergGr. IIa BAT zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet: Die Handhabung der Teilnahme von Teilzeitkräften bei Klassenfahrten stelle keine unzulässige unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern dar. Früher habe sie (wie auch das Bundesland Bremen) in entsprechenden Fällen freiwillig für die Teilnahme an Klassenfahrten als verantwortliche Lehrkraft Vollzeitbezahlung gewährt. Ab 1. Januar 1984 sei ihr dies wegen der angespannten Haushaltslage nicht mehr möglich gewesen. Seither verlange sie auch von den teilzeitbeschäftigten Lehrkräften nicht mehr, an Klassenfahrten teilzunehmen oder sie verantwortlich durchzuführen. Auch im Streitfall habe das zuständige Amt für Schule die Klägerin nicht zur Durchführung der Klassenreise angewiesen. Überdies stehe auch den vollzeitbeschäftigten Lehrkräften keine zusätzliche Vergütung für die Durchführung von Klassenfahrten zu. Es handle sich nicht um eine eventuell vergütungspflichtige Mehrarbeit. Es bestehe für teilzeitbeschäftigte Lehrer auch kein faktischer Zwang zur Durchführung von Klassenfahrten. Lehnten teilzeitbeschäftigte Lehrer es ab, eine Klassenreise durchzuführen oder daran teilzunehmen, so habe dies für sie keinerlei negative Folgen.
Das Arbeitsgericht hat den auf Freizeitausgleich gerichteten Hauptantrag abgewiesen und dem auf Vergütung gerichteten Antrag stattgegeben. Dagegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihr will die Beklagte die Abweisung auch des Zahlungsantrags erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, für die Zeit der von ihr als Tutorin verantwortlich durchgeführten Klassenreise vom 6. bis zum 10. September 1993 anstelle der vereinbarten zeiteinteiligen Bezahlung Vergütung wie eine gleich eingruppierte Vollzeitarbeitnehmerin zu erhalten.
I. Der Klageantrag bedarf der Auslegung. Nach seinem Wortlaut möchte die Klägerin für die Zeit vom 6. bis zum 10. September 1993 ohne Rücksicht darauf, welches Arbeitsentgelt sie bereits für diesen Zeitraum erhalten hat, die Bezahlung als Vollzeitkraft durchsetzen. Nach dem Klagevortrag wie auch der Einlassung der Beklagten ist jedoch davon auszugehen, daß die Klägerin anstelle einer Bezahlung für 20/26 Wochenstunden eine solche für 26 Wochenstunden begehrt.
II. Die Klage ist nicht begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstoßen, indem sie die teilzeitbeschäftigte Klägerin hinsichtlich der Bezahlung für die Zeit der Durchführung der Klassenreise wegen der Teilzeit ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt habe. Bei Lehrkräften trete die Arbeit zur Vorbereitung und während der verantwortlich durchgeführten Klassenreise an die Stelle ihrer Unterrichtsleistung. Eine solche Arbeitsleistung werde von teilzeitbeschäftigten Lehrkräften gleichermaßen erbracht wie von vollzeitbeschäftigten. Die unterschiedliche Behandlung liege darin, daß bei vergleichbaren Vollzeitkräften die Arbeit für eine und auf einer einwöchigen Klassenreise an die Stelle von 26 Unterrichtsstunden trete, bei einer Teilzeitkraft dagegen nur an die Stelle entsprechend weniger – hier 20 – Unterrichtsstunden. Die unterschiedliche Behandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt.
2. Dies hält der Revision nicht stand.
a) Nach § 2 Abs. 1 BeschFG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Dieses Gebot der Gleichbehandlung erstreckt sich sowohl auf vertragliche Vereinbarungen als auch auf einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers (BAG in ständiger Rechtsprechung; statt vieler: Urteile vom 25. Januar 1989 – 5 AZR 161/88 – BAGE 61, 43, 46 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985; vom 26. Mai 1993 – 5 AZR 184/92 – BAGE 73, 166, 177 = AP Nr. 42 zu Art. 119 EWG-Vertrag; vom 23. Juni 1993 – 10 AZR 127/92 – BAGE 73, 307, 311 = AP Nr. 1 zu § 34 BAT; vom 25. Oktober 1994 – 3 AZR 149/94 – AP Nr. 40 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 3b der Gründe, jeweils m.w.N.).
§ 2 Abs. 1 BeschFG konkretisiert für das Gebiet der Teilzeitarbeit den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, der seine Grundlage in Art. 3 Abs. 1 GG hat (statt vieler: BAG Urteile vom 28. Juli 1992 – 3 AZR 173/92 – BAGE 71, 29, 36 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; vom 16. März 1993 – 3 AZR 389/92 – BAGE 72, 345, 347 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Teilzeit). Beide Normen schützen den einzelnen Arbeitnehmer davor, durch den Arbeitgeber ohne sachliche Rechtfertigung zu Unrecht ungleich behandelt zu werden. Mit welchen Mitteln und Methoden und aufgrund welcher einzelgesetzlichen oder tarifvertraglichen Rechtsgrundlage der Arbeitgeber eine solche Behandlung vornimmt, ist unerheblich. Umgekehrt hindern weder Art. 3 Abs. 1 GG noch § 2 Abs. 1 BeschFG den einzelnen Arbeitnehmer, – bezogen auf sein Teilzeitarbeitsverhältnis – freiwillig überobligationsmäßige Leistungen zu erbringen oder ihm zustehende Leistungen nicht in Anspruch zu nehmen. Die Pflicht zur Gleichbehandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dient der Abwehr einer überobligatorischen Inanspruchnahme. Ihrer Konzeption nach haben beide Normen Abwehrcharakter. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer muß es z.B. nicht hinnehmen, ohne sachlichen Grund für vertraglich geschuldete und erbrachte Arbeitsleistung eine geringere Gegenleistung zu erhalten, nur weil er nicht vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ist. Dem Arbeitgeber ist die unterschiedliche Behandlung i.S. dieser Bestimmung untersagt. Dagegen greift § 2 Abs. 1 BeschFG nicht ein, wenn sich der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer durch freiwillige, vom Arbeitgeber nicht verlangte Betätigungen gegenüber vergleichbaren Vollzeitarbeitnehmern selbst ungleich “behandelt”.
b) Diesen rechtlichen Gesichtspunkt hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Es hat nicht festgestellt, worin die “Behandlung” der Klägerin durch die Beklagte liegen soll; es hat bereits darin eine unterschiedliche Behandlung durch die Beklagte gesehen, daß die volle Inanspruchnahme der Klägerin während der Dauer der Klassenreise an die Stelle von 20 Unterrichtsstunden pro Woche getreten ist, während sie bei vollzeitbeschäftigten vergleichbaren Lehrkräften an die Stelle von 26 Unterrichtsstunden pro Woche tritt. Allein darin, daß Vorbereitung und verantwortliche Durchführung der Klassenreise an die Stelle des sonst im selben Zeitraum geschuldeten Unterrichts treten und die Unterrichtsmenge der teilzeitbeschäftigten Lehrkräfte geringer ist als bei vollzeitbeschäftigten Lehrkräften, liegt noch keine Behandlung durch die Arbeitgeberin. Das bloße “Ansinnen” der Beklagten an Teilzeitkräfte, sie ohne zusätzliche Bezahlung wie Vollzeitkräfte an der Veranstaltung von Klassenreisen zu beteiligen und dafür eine geringere Bezahlung für die Dauer der Reise in Kauf zu nehmen, reicht jedenfalls so lange für die Annahme einer sachlich ungerechtfertigen ungleichen Behandlung nicht aus, wie die Teilzeitkraft, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, ihre Beteiligung an der Klassenfahrt ablehnen kann. Dies war hier, auch nach dem Vortrag der Klägerin, der Fall.
III. Dieser Rechtsfehler hat die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zur Folge (§ 564 Abs. 1 ZPO). Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Klage ist nicht begründet.
1. Eine Vereinbarung, nach der die Klägerin den Unterschiedsbetrag zwischen ihrer Vergütung und der Vergütung für Vollzeittätigkeit für die Zeit der Klassenreise zu erhalten habe (§ 611 Abs. 1 BGB), liegt nicht vor.
Die Klägerin kann sich nicht auf die Regelungen des (kraft Vereinbarung) anwendbaren Bundes-Angestelltentarifvertrages über die Bezahlung von Überstunden stützen. Ein solcher Anspruch ist vielmehr ausgeschlossen worden.
a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmt sich grundsätzlich nach den Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags hinsichtlich der Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (SR 2 l BAT). In Nr. 3 der SR 2 l BAT ist bestimmt, daß die §§ 15 – 17, 34 Abs. 1 Satz 2 und 3, 35 BAT keine Anwendung finden, sondern insoweit die “Bestimmungen für die entsprechenden Beamten” gelten. Zu diesen Lehrkräften gehört die Klägerin. Wegen der Verweisung auf die diesbezüglichen beamtenrechtlichen Bestimmungen findet auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin die Überstundenregelung des § 17 BAT keine Anwendung. Nr. 3 SR 2 l BAT nimmt nicht nur auf Gesetze und Rechtsverordnungen, die für Beamte gelten, Bezug, sondern auch auf die einschlägigen Verwaltungsanordnungen und -erlasse (BAG Urteil vom 15. November 1985 – 7 AZR 334/83 – AP Nr. 14 zu § 17 BAT, zu I 2a der Gründe, m.w.N.).
b) Nach § 76 Abs. 1 des Hamburgischen Beamtengesetzes (HmbBG) i.d.F. vom 29. November 1977 (GVBl. S. 367), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 1. Juli 1986 (GVBl. S. 174), wird die Arbeitszeit des Beamten durch den Senat geregelt. In Nr. 2.1 der hierauf beruhenden Hamburgischen Richtlinie über Mehrarbeit von Lehrern im Schuldienst ist bestimmt, daß “Tätigkeiten, die ein Lehrer im Zusammenhang mit seinem Hauptamt neben der Erteilung von Unterricht und Tutorenbetreuung im Rahmen der Tutorenstunden ausübt, nicht die Pflichtstundenzahl verändern – z.B. die Teilnahme an Konferenzen oder Dienstbesprechungen, an Klassenreisen oder am Bereitschaftsdienst”. Diese Regelung steht dem Anspruch auf Bezahlung der “zusätzlichen” sechs Unterrichtsstunden entgegen.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Bezahlung der Zeitdifferenz zwischen 20 und 26 Wochenstunden Unterrichtstätigkeit für die Dauer der Durchführung der Klassenfahrt kann auch nicht auf § 612 Abs. 1 BGB gestützt werden. Hiernach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Bestimmung wäre nur anwendbar, wenn die dem Zahlungsanspruch der Klägerin entgegenstehenden Regelungen nach § 134 BGB unwirksam wären. Das ist aber nicht der Fall.
a) Eine Ungleichbehandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 BeschFG liegt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht schon darin, daß sie während der Teilnahme an der einwöchigen Klassenreise nur 20 Unterrichtsstunden nicht zu leisten hatte, während für eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft 26 Stunden Unterricht ausgefallen wären. Durch die einwöchige Klassenreise fällt für die Teilzeitlehrkraft wie für die Vollzeitlehrkraft insoweit der in der ganzen Woche zu leistende Unterricht insgesamt aus. Darin liegt vorliegend keine unterschiedliche “Behandlung” durch die Beklagte wegen der Teilzeit, sondern nur die aufgrund der vertraglichen Regelungen unbeeinflußbare Folge der unterschiedlich geschuldeten Unterrichtsmengen, wenn die Lehrkraft an einer einwöchigen Klassenreise teilnimmt.
b) Mit der Teilnahme an der Klassenreise hat die Klägerin keine Leistungen erbracht, deren Nichtbezahlung gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstieße. Es fehlt, wie bereits oben dargestellt, an einer unterschiedlichen Behandlung. Im einzelnen gilt:
aa) Die vertraglich vereinbarte Unterrichtsstundenzahl beschreibt den zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung nur zum Teil, nämlich nur hinsichtlich der Unterrichtserteilung. Nur an diesem Teilbereich der geschuldeten Leistung orientiert sich auch die vereinbarte Vergütung. Sie wird nach der vereinbarten Zahl der Unterrichtsstunden bemessen. Alle anderen arbeitsvertraglich ebenfalls geschuldeten, zum Berufsbild des Lehrers an allgemeinbildenden Schulen gehörenden Arbeitsleistungen entziehen sich ihrer Art nach einer exakten zeitlichen Bemessung. Dies betrifft die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, das Entwerfen, die Vorbereitung sowie die Korrektur von Klausuren und Hausarbeiten, die Teilnahme an Konferenzen, Sprechstunden und Klassenabenden, das nötige Selbststudium und die ständig erforderliche Selbstfortbildung. Je nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach Fächerkombination, Unterrichtsstundenzahl, Schulart, Schulleitung und Kollegium, Schulkonferenzen, Stufe und Zusammensetzung der Klassen, aber auch nach persönlicher Arbeitsweise und persönlichen Intentionen wenden Lehrer für diese Verpflichtungen außerhalb der Unterrichtserteilung höchst unterschiedliche Arbeitszeiten auf. Auch die soziale Struktur einer Klasse kann einen ganz unterschiedlichen (zeitlichen, intellektuellen und mentalen) Aufwand fordern. In den Bereich der zeitlich nicht feststehenden Arbeiten fallen aber auch die Vorbereitung von und die Teilnahme an Exkursionen, Schulausflügen und Klassenreisen. Ein festes Verhältnis zwischen der Zahl der Unterrichtsstunden und dem Zeitmaß für die den Unterricht begleitende Lehrertätigkeit gibt es insgesamt nicht. Der einzelne Lehrer muß seinen zeitlichen Aufwand weitgehend selbst bestimmen und verantworten. Greift der Arbeitgeber in diesen Bereich ein, indem er Anordnungen trifft, so muß er seine Anordnungen nach billigem Ermessen treffen (§ 315 Abs. 1 BGB). Bei den Anforderungen an sich selbst hat der Lehrer ebenfalls billiges Ermessen auszuüben. Insoweit ist es unerheblich, ob der Lehrer sich selbst Anforderungen stellt oder ob der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechts handelt.
bb) Hieran gemessen liegt eine i.S.d. § 2 Abs. 1 BeschFG unterschiedliche Behandlung von vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Lehrern erst vor, wenn der Arbeitgeber von einem teilzeitbeschäftigten Lehrer in einem Umfang Tätigkeiten außerhalb der Unterrichtserteilung verlangt, der nicht mehr in hinnehmbarer Relation zur vertraglich geschuldeten Zahl der Unterrichtsstunden steht und aus diesem Grunde nicht mehr billigem Ermessen entspricht.
Für die Prüfung, ob die Grenzen des billigen Ermessens eingehalten sind, kommt es vor allem darauf an, in welchem Umfang Tätigkeiten außerhalb der Unterrichtserteilung von vollzeitbeschäftigten Lehrern zu leisten sind und in welchem Umfang sie teilzeitbeschäftigte Lehrer zu leisten haben. Dabei steht im Vordergrund, welchen Umfang die Teilzeitarbeit gemessen an der Vollzeit hat. So wird etwa bei einem Lehrer, der 25/26 Unterrichtsstunden erbringt, kaum noch von einer Ungleichbehandlung die Rede sein können. Andererseits wird bei einer Teilzeitkraft, die nur ganz wenige Stunden Unterricht erteilt, ein gravierender, mit § 315 BGB nicht mehr vereinbarer Unterschied vorliegen, wenn sie ohne entsprechenden Ausgleich an einer einwöchigen Klassenreise teilzunehmen hat. Je kleiner der Unterschied der Unterrichtsstundenzahl der teilzeitbeschäftigten Lehrkraft zu der eines Vollzeitlehrers ist, desto eher ist eine im rechtlichen Sinne relevante unterschiedliche Behandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 BeschFG zu verneinen.
cc) Die Klägerin hat 20 Unterrichtsstunden, eine entsprechende Vollzeitkraft hat 26 pro Woche zu unterrichten. Die relative Mehrbelastung der Klägerin gegenüber der Vollzeitkraft wiegt für die Dauer der Teilnahme an der einwöchigen Klassenreise nicht so schwer, daß darin eine Ungleichheit i.S.d. § 2 Abs. 1 BeschFG zu sehen wäre. Diese relative Mehrbeanspruchung überschreitet den Rahmen des § 315 Abs. 1 BGB nicht, denn sie hält sich für die Dauer einer Woche im Bereich um die 25 vom Hundert und ist auf das gesamte Schuljahr bezogen kaum meßbar.
3. Ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG liegt auch dann nicht vor, wenn man annehmen wollte, die Klägerin habe mit der Durchführung der einwöchigen Klassenreise eine überobligationsmäßige Arbeitsleistung erbracht.
a) Leistet ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer überobligationsmäßig Arbeit, ohne daß der Arbeitgeber nach den für den Arbeitsvertrag geltenden Regelungen zur Bezahlung oder zum Ausgleich solcher zusätzlicher Arbeit verpflichtet ist, so verstößt eine vertragliche Vereinbarung, die für die überobligationsmäßige Leistung eine Bezahlung ausschließt, nur dann gegen § 2 Abs. 1 BeschFG, wenn die unterschiedliche Behandlung dem Arbeitgeber in der Weise zuzurechnen ist, daß er die überobligationsmäßige Leistung verlangt und er den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer deshalb gegenüber Vollzeitbeschäftigten ungleich behandelt hat.
b) Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, auf Klassenlehrern und Tutoren in den Schulen der Beklagten laste ein entsprechender “Erwartungsdruck” für die verantwortliche Durchführung von Klassenfahrten. Sie hat hierzu auch eine entsprechende Äußerung der Leitung ihrer Schule vorgelegt. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß die Beklagte von ihr oder – generell – von teilzeitbeschäftigten Lehrkräften verlangt habe, als verantwortliche Lehrkräfte Klassenfahrten durchzuführen oder auch nur daran teilzunehmen. Der von der Klägerin hierzu angeführte Beschluß der Schulkonferenz stellt ein solches Verlangen nicht dar. Darin wurde nur beschlossen, was die Klägerin von sich aus selbst angeboten hatte. Auch wenn die Durchführung von Klassenreisen zum herkömmlichen Berufsbild eines Lehrers zählt – insoweit gilt für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte nichts anderes (BAG Urteil vom 26. April 1985 – 7 AZR 432/82 – BAGE 48, 327, 332 = AP Nr. 48 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten = EzA § 611 BGB Nr. 27) – hätte zwar die Beklagte die Möglichkeit gehabt, von der Klägerin die Durchführung von Klassenreisen zu verlangen. Indessen hat das Landesarbeitsgericht gerade nicht festgestellt, daß die Beklagte dies von der Klägerin oder anderen teilzeitbeschäftigten Lehrern verlangt hätte. Die Klägerin hat das auch nicht behauptet.
4. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts, insbesondere nicht auf einen Verstoß gegen das Gebot der Lohngleichheit von Mann und Frau in Gestalt der mittelbaren Diskriminierung (Art. 119 EWG-Vertrag, Art. 3 Abs. 2 und 3 GG) stützen. Hierzu hat sie substantiiert nichts vortragen. Ihre pauschale Behauptung, es liege eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung vor, genügt nicht. Die Klägerin ist im Laufe des Rechtsstreits auf diesen – in der Klageschrift nur kurz erwähnten – rechtlichen Gesichtspunkt auch nicht wieder zurückgekommen.
5. Auch aus sonstigen Umständen ergibt sich nicht, daß die Vorbereitung und verantwortliche Durchführung der Klassenfahrt vom 6. bis 10. September 1993 nur gegen eine (zusätzliche) Vergütung der Klägerin zu erwarten gewesen wäre. Eine entsprechende Übung hat im beklagten Bundesland zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) bestanden. Eine vorherige Übung hatte das beklagte Bundesland zum 31. Dezember 1983 eingestellt und dies auch hinreichend publik gemacht, nämlich im Mitteilungsblatt der Behörde für Schule und Berufsbildung Juli/August 1983, S. 24.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Mikosch, Anthes, Kessel
Fundstellen
Haufe-Index 885451 |
BAGE, 335 |
NZA 1997, 885 |
MDR 1997, 749 |