Leitsatz (amtlich)
1. Ob einer Ehefrau trotz eigener Erwerbstätigkeit ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Mann zusteht und sie dementsprechend bei der Berechnung des pfändbaren Teiles des Arbeitseinkommens ihres Ehemannes als unterhaltsberechtigte Person im Sinne des § 850 c Abs. 1 Unterabs. 2 ZPO zu berücksichtigen ist, richtet sich nach den Verhältnissen der Ehegatten.
2. Ein weit hinter den Einkünften des Ehemannes zurückbleibender, aus eigener Erwerbstätigkeit geleisteter finanzieller Beitrag der Ehefrau zum Familienunterhalt, der lediglich die Lebensgrundlage der Familie erweitert, nicht aber zu einer Vermögensbildung ausreicht, ist nicht geeignet, den Ehemann von den ihn sonst treffenden Lasten für den Familienunterhalt zu befreien, insbesondere den hiervon auf die Ehefrau entfallenden Anteil zu mindern.
3. Eine Berücksichtigung der Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person i.S. von § 850 c Abs. 1 Unterabs. 2 ZPO scheidet nicht schon deshalb aus weil sie aus ihrer Erwerbstätigkeit Einkünfte hat, die den pfändungsfreien Grundbetrag nach § 850 c Abs. 1 Unterabs. 1 ZPO übersteigen.
4. Grundsätzlich können beide Ehegatten im Falle einer gegen beide gerichteten Zwangsvollstreckung den erhöhten pfändungsfreien Betrag des § 850 c Abs. 1 Unterabs. 2 ZPO in Anspruch nehmen, wenn beide gemeinschaftlichen ehelichen Kindern Unter halt gewähren.
Normenkette
ZPO §§ 850c, 766; BGB §§ 1360, 1360a
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 27.03.1974; Aktenzeichen 12 Sa 562/73) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. März 1974 – 12 Sa 562/73 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Klägerin, eine Teilzahlungsbank, hat dem Schulhausmeister B. B. und dessen Ehefrau W. B. ein Darlehen im Betrag von über 8.000,– DM gewährt, für dessen Rückzahlung beide Darlehensempfänger als Gesamtschuldner haften.
Der Ehemann B. ist bei der Stadtverwaltung der Beklagten als Schulhausmeister, seine Ehefrau als Reinemachefrau beschäftigt. Beide sind mit der Darlehensrückzahlung in Verzug geraten. Die Klägerin hat daher der Beklagten gegenüber Ende Juni 1972 die im Darlehensvertrag enthaltene Lohnabtretung offengelegt und später gegen die Eheleute einen vollstreckbaren Titel über 8.426,24 DM nebst 0,5 % Zinsen pro Tag seit dem 1. August 1972 erwirkt. Auf Grund dieses Titels hat die Klägerin die Lohnansprüche der Eheleute mit dem am 13. Dezember 1972 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.
Der Ehemann B. hatte ab August 1972 folgenden Lohn:
August bis Oktober 1972 |
1.588,96 DM brutto |
= 1.166,42 DM netto |
November 1972 |
2.567,68 DM '' |
= 1.871,94 DM '' |
Dezember 1972 |
2.899,75 DM '' |
= 2.141,96 DM '' |
Januar 1973 |
1.698,12 DM '' |
= 1.221,36 DM '' |
Februar 1973 |
2.464,24 DM '' |
= 1.730,39 DM '' |
März 1973 |
2.196,18 DM '' |
= 1.546,18 DM '' |
April 1973 |
2.659,26 DM '' |
= 1.865,98 DM '' |
Mai bis Juli 1973 |
1.962,36 DM '' |
= 1.396,35 DM '' |
Aus dem Arbeitseinkommen des Ehemannes hat die Beklagte für die Zeit von Juli 1972 bis Juli 1973 insgesamt 2.050,85 DM abgeführt. Dieser Betrag verteilt sich auf die einzelnen Monate wie folgt:
136,50 DM |
für Juli 1972 |
136,50 DM |
für August 1972 |
–,– DM |
für September 1972 |
81,35 DM |
für Oktober 1972 |
178,50 DM |
für November 1972 |
244,50 DM |
für Dezember 1972 |
159,– DM |
für Januar 1973 |
244,50 DM |
für Februar 1973 |
174,– DM |
für März 1973 |
174,– DM |
für April 1973 |
174,– DM |
für Mai 1973 |
174,– DM |
für Juni 1973 |
174,– DM |
für Juli 1973 |
Aus dem Arbeitseinkommen der Ehefrau B. hat die Beklagte nichts an die Klägerin abgeführt. Die Ehefrau B hatte in der Zeit von Juli 1972 bis Mai 1973 folgende Einkünfte:
Juli 1972 |
708,33 DM brutto |
= 433,49 DM netto |
August 1972 |
705,90 DM '' |
= 431,42 DM '' |
September 1972 |
705,90 DM '' |
= 431,42 DM '' |
Oktober 1972 |
1.000,47 DM '' |
= 656,81 DM '' |
November 1972 |
718,74 DM '' |
= 436,95 DM '' |
Dezember 1972 |
718,74 DM '' |
= 436,95 DM '' |
Januar 1973 |
783,43 DM '' |
= 471,85 DM '' |
Februar 1973 |
783,43 DM '' |
= 471,85 DM '' |
März 1973 |
828,84 DM '' |
= 500,85 DM '' |
April 1973 |
798,64 DM '' |
= 481,43 DM '' |
Mai 1973 |
798,64 DM '' |
= 481,43 DM '' |
Bei der Berechnung des pfändungsfreien Anteils der Lohnbezüge hat die Beklagte bei beiden Ehegatten die beiden gemeinsamen ehelichen Kinder als unterhaltsberechtigte Personen berücksichtigt. Bei dem Ehemann hat die Beklagte ferner die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt.
Im vorliegenden Verfahren fordert die Klägerin von der Beklagten die Abführung weiterer Lohnbeträge. Sie hält es zunächst für unzulässig, daß die Beklagte bei der Bemessung des pfändungsfreien Anteils der Lohnbezüge des Ehemanns auch die Ehefrau als Unterhaltsberechtigte berücksichtigt habe. Aus einem Nettoeinkommen zwischen 400,– bis 500,– DM monatlich könne sich die Ehefrau B. ausreichend selbst unterhalten und habe daher infolge fehlender Bedürftigkeit keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann. Nach der Ansicht der Klägerin ist es weiterhin nicht gerechtfertigt, bei der Bemessung des pfändungsfreien Anteils der Ehefrau B. die beiden Kinder als Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen. Es gehe nicht an, den erhöhten pfändungsfreien Betrag, den das Gesetz im Falle der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern gewähre, beiden erwerbstätigen Ehegatten zugute kommen zu lassen. Außerdem sei die Ehefrau B. angesichts der Höhe ihres Einkommens überhaupt nicht zu Unterhaltszahlungen an die Kinder verpflichtet. Die Unterhaltspflicht treffe allein den Ehemann B.
Die Klägerin hat beiden Darlehnsempfängern den Streit verkündet; diese sind dem Rechtsstreit nicht beigetreten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus dem Arbeitseinkommen des Streitverkündeten zu 1) B. B. für die Zeit von Juli 1972 bis einschließlich Juli 1973 monatlich 367,40 DM abzüglich der in dieser Zeit bereits abgeführten Beträge zu zahlen und diesen Betrag mit 10 % seit dem 23. Oktober 1973 zu verzinsen,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus dem Arbeitseinkommen der Streitverkündeten zu 2) W. B. für die Zeit von Juli 1972 bis einschließlich Mai 1973 monatlich 43,60 DM zu zahlen und diesen Betrag mit 10 % seit dem 23. Oktober 1973 zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil ist im wesentlichen erfolglos geblieben. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin nur einen weiteren Betrag von 266,15 DM für die Zeit von Juli 1972 bis einschließlich Juli 1973 zugesprochen. Diese Erhöhung ergibt sich aus einem in der Revisionsinstanz nicht mehr interessierenden weiteren Streitpunkt der Parteien über die Höhe des pfändbaren Arbeitseinkommens des Streitverkündeten zu 1).
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel in vollem Umfang weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsirrtum bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens des Streitverkündeten zu 1) (B. B.) dessen Ehefrau, die Streitverkündete zu 2), als unterhaltsberechtigte Person i.S. des § 850 c Abs. 1 ZPO berücksichtigt.
1. Der Senat läßt unentschieden, ob die Beklagte allein schor deshalb die Ehefrau B. als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigen durfte, weil ihr das Bestehen der Ehe – nicht nur aus den Lohnunterlagen, sondern auch auf Grund der Beschäftigung der Ehefrau in ihren Diensten – bekannt war. Es ließe sich die Ansicht vertreten, in diesem Falle könne der Drittschuldner solange von einer bestehenden Unterhaltspflicht ausgehen, bis der pfändende Gläubiger eine entgegengesetzte Entscheidung des Vollstreckungsgerichts im Wege der Erinnerung gemäß § 766 ZPO herbeigeführt habe. Diese Frage bedarf keiner abschließenden Antwort, weil die Klage auch aus anderen Gründen keinen Erfolg hat.
2. Der pfändungsfreie Teil des Arbeitseinkommens erhöht sich nach § 850 c Abs. 1 Unterabs. 2 ZPO, wenn der Schuldner seinem Ehegatten kraft Gesetzes unterhaltspflichtig ist und tatsächlich Unterhalt gewährt. Nach den von der Revision nicht angegriffene Feststellungen ist davon auszugehen, daß der Ehemann B. seiner Ehefrau tatsächlich Unterhalt leistete, wie es ohnehin regelmäßig der Fall ist, wenn die Eheleute in einer Hausgemeinschaft leben.
3. Ob die Beklagte die Ehefrau B. als unterhaltsberechtigte Person zugunsten ihres Ehemannes berücksichtigen durfte, hängt folglich nur noch davon ab, ob dieser seiner Frau nach dem Gesetz unterhaltspflichtig war. Dies hat das Landesarbeitsgericht bejaht. Dem stimmt der Senat im Ergebnis zu. Die Begründung des angefochtenen Urteils, wonach eine mitverdienende Ehefrau unabhängig von ihrer Erwerbstätigkeit stets den Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann behält, bedarf allerdings bestimmter Einschränkungen.
a) Die Frage, ob der Ehefrau B. für die streitbefangene Zeit trotz eigenen Einkommens ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann zugestanden hat, ist nach § 1360 BGB zu beurteilen. Hiernach sind die Ehegatten verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. An sich erfüllt die Frau ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Familienunterhalt beizutragen, in der Hegel durch die Führung des Haushalts. Ist sie darüber hinaus erwerbstätig, so muß auch sie grundsätzlich ebenso wie der Ehemann mit ihrem Einkommen zum gemeinsamen Familienunterhalt beitragen (vgl. BGH FamRZ 1967, 380).
b) Der angemessene Unterhalt der Familie umfaßt nach § 1360 a Abs. 1 BGB alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um den Familienunterhalt zu bestreiten. Die Verhältnisse der Ehegatten sind demnach entscheidend auch für die Frage, ob und inwieweit bei Erwerbstätigkeit beider Ehegatten der vom Ehemann zu leistende Beitrag noch einen Anteil für die Ehefrau enthält. Der Senat hat im Urteil vom 9. Dezember 1965 (AP Nr. 2 zu § 850 c ZPO = FamRZ 1966, 233) ausgesprochen, es könne davon abgesehen werden, aus den beiderseitigen Verhältnissen das genaue Ausmaß des auf jeden der erwerbstätigen Ehegatten entfallenden Anteils zum Familienunterhalt zu errechnen. Er hat es für die Frage, ob im Rahmen des § 850 c Abs. 1 Unterabs. 2 ZPO eine mitverdienende Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person gegenüber ihrem Ehegatten anzusehen sei, genügen lassen, daß der Ehemann sich neben der Ehefrau auf Grund beiderseitiger Verständigung angemessen an den Kosten des Familienunterhalts beteiligt.
c) Es kann hier offen bleiben, ob an den Grundsätzen dieses Urteils gegenüber der Kritik (vgl. Gernhuber, Anm. zu AP Nr. 2 zu § 850 c ZPO; Fenn, SAE 1966, 153 ff.) festzuhalten ist oder ob bei erheblicher Höhe der Einkünfte des mitverdienenden Ehegatten Einschränkungen zu machen sind. Bei Verhältnissen, wie sie im Streitfall gegeben und in der Lebenswirklichkeit oft anzutreffen sind, muß die mitverdienende Ehefrau als Unterhaltsberechtigte gegenüber ihrem Ehegatten im Rahmen des § 850 c Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden.
Diese Verhältnisse sind dadurch gekennzeichnet, daß der Ehemann ein Einkommen mittlerer Höhe erzielt; die Höhe wird nach den vorliegenden Lohnunterlagen wesentlich dadurch mitbestimmt, daß er in erheblichem Umfang Überstunden leistet. Er mag allein soviel verdienen, daß dadurch auf einer im ganzen bescheidenen Basis der angemessene Familienunterhalt gemäß §§ 1360, 1360 a BGB gedeckt wird und die Ehefrau nicht zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet wäre, sondern sich auf die Haushaltsführung beschränken dürfte. Die von ihr gleichwohl übernommene Erwerbstätigkeit ist jedoch nicht derart ergiebig, daß sie die finanziellen Verhältnisse der Familie entscheidend beeinflußt. Durch den Ertrag ihrer Erwerbstätigkeit, der weit unter dem aus der Tätigkeit ihres Mannes liegt, wird es vielmehr beiden Ehegatten ermöglicht, die gesamte Lebens- und Haushaltsführung zu erleichtern und deren Kosten im Rahmen des § 1360 a Abs. 1 BGB auf einer höheren Stufe zu decken. Die Einkünfte beider Ehegatten sind – das kann nach Erfahrungsgrundsätzen angenommen werden – der Art, daß beide keine wesentlichen Beträge nach Abzug der für den Familienunterhalt erforderlichen Beträge zurückbehalten.
Ein weit hinter den Einkünften des Ehemannes zurückbleibender, aus eigener Erwerbstätigkeit geleisteter finanzieller Beitrag der Ehefrau zum Familienunterhalt, der lediglich die Lebensgrundlage der Familie erweitert, nicht aber zu einer Vermögensbildung ausreicht, ist nicht geeignet, den Ehemann von den ihn sonst treffenden Lasten für den Familienunterhalt zu befreien, insbesondere den hiervon auf die Ehefrau entfallenden Anteil zu vermindern. Der entgegengesetzte – nicht näher begründete – Standpunkt der Revision erscheint nicht gerechtfertigt.
d) Die Rechtslage wird nicht dadurch verändert, daß die Ehefrau hier aus ihrer Erwerbstätigkeit Einkünfte hat, die den pfändungsfreien Grundbetrag nach § 850 c Abs. 1 Unterabs. 1 ZPO übersteigen. Die pfändungsfreien Grundbeträge sind vom Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität starr festgelegt. Der Gesetzgeber hat jedoch nirgends angeordnet, daß der vom Schuldner seinen im Gesetz genannten unterhaltsberechtigten Angehörigen gewährte Unterhalt nur im Rahmen dieser Beträge berücksichtigt werden dürfte. Nach dem Gesetz kommt es vielmehr nur auf die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung an. Der pfändungsfreie Grundbetrag von 338,– DM monatlich z.B. ist aber nicht der Maßstab, nach dem im Rahmen der §§ 1360, 1360 a BGB der angemessene Lebensbedarf eines Ehegatten – einschließlich seiner persönlichen Bedürfnisse – zu bemessen ist.
e) Der Senat hat bei der Prüfung der Frage, ob die Ehefrau B. unterhaltsberechtigt ist, unberücksichtigt gelassen, daß sie neben der Erwerbstätigkeit auch noch den Haushalt führt. Der Umstand, daß die Ehefrau zum Familienunterhalt nicht nur durch ihren Arbeitsverdienst, sondern auch durch die Haushaltsführung beiträgt, kann die geldliche Unterhaltsverpflichtung des Ehemannes nicht verringern, sondern allenfalls erhöhen, wenn man davon ausgeht, daß nach § 1360 Satz 1 BGB beide Ehegatten gleichermaßen durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen zum Familienunterhalt beitragen müssen (vgl. BGH FamRZ 1957, 92 = NJW 1957, 537 u. FamRZ 1967, 380 [zu 5 der Gründe]).
f) Nach allem hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt, daß der Ehemann B. seiner Ehefrau kraft Gesetzes Unterhalt schuldet, so daß diese nach § 850 c Abs. 1 ZPO für die Ermittlung des pfändungsfreien Betrages zu berücksichtigen ist. Dieses Ergebnis ist auch billig, wurde nämlich der Ehemann das – allein für den Familienunterhalt aufgebrauchte –Gesamteinkommen beider Ehegatten allein erzielen, so wäre die Ehefrau ohne Zweifel als unterhaltsberechtigt anzuerkennen.
Es ist nicht gerechtfertigt, das Familieneinkommen dann ohne Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für einen unterhaltsberechtigten Ehegatten dem Zugriff pfändender Gläubiger freizugeben, wenn es von beiden Ehegatten gemeinsam erzielt wird. Ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn das Einkommen beider mitverdienender Ehegatten erheblich über das hinausgeht, was für den Familienunterhalt benötigt wird, steht nicht zur Entscheidung.
II.
1. Dem Landesarbeitsgericht ist weiter darin zu folgen, daß der pfändungsfreie Betrag des Arbeitseinkommens der Ehefrau B. unter Berücksichtigung der Unterhaltspflicht für zwei Kinder zu bestimmen ist. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß Arbeitseinkommen und Hausarbeit in erster Linie dem Unterhalt der beiden minderjährigen Kinder dienten. Die Ehefrau sei ihnen gegenüber nicht nur unterhaltspflichtig, sondern gewähre auch den Unterhalt.
a) Diese Begründung trägt das angefochtene Urteil. Die Revision hält – ohne an sich die Unterhaltspflicht selbst und die Gewährung von Unterhalt durch die Ehefrau in Frage zu stellen – dem Standpunkt des Landesarbeitsgerichts entgegen, die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern sei schon bei der Berechnung des pfändungsfreien Einkommens des Ehemannes berücksichtigt; eine doppelte Berücksichtigung sei unzulässig. Dieser Revisionsangriff geht jedoch fehl.
Grundsätzlich können beide Ehegatten im Falle einer gegen beide gerichteten Zwangsvollstreckung den erhöhten pfändungsfreien Betrag des § 850 c Abs. 1 Unterabs. 2 ZPO in Anspruch nehmen, wenn beide gemeinschaftlichen ehelichen Kindern Unterhalt gewähren (Bischoff-Rochlitz, Die Lohnpfändung, 3. Aufl., 1965, § 850 c Handziffer 6; Stöber, Forderungspfändung, S. 275; Gernhuber in der Anmerkung zu AP Nr. 2 zu § 850 c ZPO [zu III 1]). Dies folgt aus der nach Art. 6 Abs. 1 GG gebotenen familienfreundlichen Auslegung des § 850 c Abs. 1 ZPO, und zwar nicht nur, wie Gernhuber a.a.O. meint, ausnahmsweise, sondern in der Regel. Dürften unterhaltsberechtigte Blinder in einem solchen Fall nur bei einem Ehegatten berücksichtigt werden, so wären geschiedene Ehegatten oder sonst frei zusammenlebende Personen mit gemeinschaftlichen Kindern in einer besseren Lage gegenüber den ihre Arbeitseinkünfte pfändenden Gläubigern als Eheleute in ungestörter Ehe. Jeder von diesen könnte – Unterhaltspflicht und Unterhaltsgewährung vorausgesetzt – für gemeinschaftliche Kinder die Erhöhung des pfändungsfreien Grundbetrages beanspruchen. Es bedeutete einen minderen Pfändungsschutz von in nicht gestörter Ehe lebenden Ehegatten, wenn bei sonst gleichen Verhältnissen der erhöhte pfändungsfreie Betrag für unterhaltspflichtige Kinder nur einmal gewährt würde.
Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ist denselben wirtschaftlichen Belastungen ausgesetzt wie die Gemeinschaft zweier frei zusammenlebender Menschen. Es bedürfte aber einleuchtender Sachgründe, um eine Regelung gutzuheißen, die unter den verschiedenen Formen der menschlichen Lebensgemeinschaft gerade die Ehe benachteiligt (vgl. BVerfGE 24., 104 [110] = AP Nr. 15 zu Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie [Bl. 2 R, 3]). § 850 c Abs. 1 ZPO kann daher – im Falle einer gegen beide Ehegatten gerichteten Zwangsvollstreckung – nicht dahin ausgelegt werden, daß bei bestehender Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind der Unterhaltsfreibetrag zugunsten eines Ehegatten allein deshalb nicht anzusetzen wäre, weil er auch dem mitverdienenden Ehegatten zugute kommt. Das Gewicht des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG ist höher zu stellen als die Belange der Gläubiger der Ehegatten.
b) Daß die Ehefrau B. gegenüber ihren Kindern auf Grund der Höhe ihrer Einkünfte unterhaltspflichtig ist, wird von der Revision nicht mehr in Abrede gestellt. Ein Rechtsirrtum des Landesarbeitsgerichts läßt sich bei der allgemeinen rechtlichen Überprüfung des Berufungsurteils in diesem Punkte nicht erkennen. Die Berücksichtigung von Unterhaltsberechtigten im Rahmen des § 850 c Abs. 1 ZPO hängt – wenigstens wenn der Unterhaltsverpflichtete und die Unterhaltsberechtigten in einer Hausgemeinschaft leben – nicht von der Höhe des gewährten Unterhalts ab; diese Höhe braucht nicht dem dem Schuldner gewährten unpfändbaren Zuschlag zu entsprechen (Bischoff-Rochlitz, Die Lohnpfändung, 3. Aufl., § 850 c Randziff. 6).
2. Abgesehen davon brauchte die Beklagte als Drittschuldnerin etwaigen Zweifeln an der bestehenden Unterhaltspflicht und der Gewährung von Unterhalt nicht von sich aus nachzugehen. Jedenfalls soweit es auf die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern ankommt, kann der Drittschuldner sich im allgemeinen auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte oder sonstige Lohnunterlagen verlassen (Bischoff-Rochlitz, aaO).
3. Die Berechnung der pfändbaren Beträge für den streitbefangenen Zeitraum durch das Landesarbeitsgericht ist von der Revision nicht beanstandet worden.
Damit war die Revision zurückzuweisen.
Unterschriften
gez. Dr. Hilger, Siara, Dr. Thomas, Röglin, Dr. Sohler
Fundstellen
BAGE, 27, 4-13 (LT1-4) |
BAGE, 4 |
DB 1975, 1370 (LT1-4) |
FamRZ 1975, 488-490 (LT1-4) |
WM IV 1975, 468-870 (LT1-4) |
MDR 1975, 695-696 (LT1) |
Rpfleger 1975, 298-300 (LT1-4) |