Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtszuwendung und Erziehungsurlaub
Normenkette
Tarifvertrag über Weihnachtszuwendungen für das Friseurhandwerk im Lande Niedersachsen vom 3. November 1986 §§ 2 und 3
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 17.03.1989; Aktenzeichen 12 Sa 748/88) |
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 25.03.1988; Aktenzeichen 1 Ca 959/87) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 17. März 1989 – 12 Sa 748/88 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 25. März 1988 – 1 Ca 959/87 – wird zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtszuwendung.
Die Klägerin ist seit mehr als sechs Jahren beim Beklagten als Friseurin in dessen Frisiersalon tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag über Weihnachtszuwendungen (TV-Weihnachtszuwendungen) für das Friseurhandwerk im Lande Niedersachsen vom 3. November 1986 Anwendung.
Darin ist u.a. bestimmt:
§ 2
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Arbeitnehmer erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er
- am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und
- seit dem 1. Januar ununterbrochen im Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber gestanden hat und
- nicht in der Zeit bis einschließlich 31. Dezember aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
Protokollerklärung zu § 2:
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuwendung erfüllt auch der Arbeitnehmer, der die Zuwendung nur deshalb nicht erhalten würde, weil sein Arbeitsverhältnis wegen Einberufung zum Grundwehrdienst oder zu einer Wehrübung oder zum zivilen Ersatzdienst ruht oder geruht hat. Dem Arbeitnehmer, der vom Grundwehrdienst oder von einer Wehrübung oder vom zivilen Ersatzdienst zurückkehrt, werden diese Dienstzeiten hinsichtlich der Höhe der Zuwendung gemäß § 3 so angerechnet, als wenn sie im Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden wären.
§ 3
Höhe der Zuwendung
(1) …
(2) Arbeitnehmer, die in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis stehen, erhalten von der Zuwendung gemäß Absatz 1 den Teil als Zuwendung, der dem Verhältnis ihrer Teil-Arbeitszeit zur tarifvertraglich festgelegten regelmäßigen Arbeitszeit entspricht.
Die Klägerin hat im Juni 1987 entbunden. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG nahm sie bis in das Jahr 1988 Erziehungsurlaub nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG).
Der Beklagte zahlte der Klägerin für 1987 keine Weihnachtszuwendung.
Die Klägerin hat gemeint, ihr stehe die tarifliche Weihnachtszuwendung zu. Der Erziehungsurlaub ändere nichts an der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Weihnachtsgeld.
Sie hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 436,83 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 14. Januar 1988 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Klägerin habe die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Sie habe am 1. Dezember 1987 nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden, weil das Arbeitsverhältnis wegen des Erziehungsurlaubs geruht habe. Die Voraussetzung „im Arbeitsverhältnis stehen” sei dahingehend zu interpretieren, daß tatsächlich auch Arbeit geleistet werde. An ruhende Arbeitsverhältnisse sei nicht gedacht, wie sich auch aus der Protokollerklärung ergebe, welche speziell und ausdrücklich für die Fälle der Einberufung zum Grundwehrdienst oder zu einer Wehrübung oder zum zivilen Ersatzdienst etwas anderes bestimme. Daraus sei abzuleiten, daß für alle anderen Fälle ruhender Arbeitsverhältnisse die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision, während der Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die geltend gemachte tarifliche Weihnachtszuwendung. Denn sie erfüllt die Voraussetzungen des § 2 TV-Weihnachtszuwendungen. Weder aus der Protokollerklärung zu § 2 noch aus § 3 Abs. 2 TV-Weihnachtszuwendungen folgt ein Anspruchsausschluß.
1. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die in § 2 Abs. 1 TV-Weihnachtszuwendungen normierten Voraussetzungen seien gegeben. Die Auffassung des Beklagten, am Stichtag 1. Dezember 1987 müsse auch tatsächlich Arbeit geleistet werden, finde im Tarifvertrag nicht die erforderliche Stütze. Der Wortlaut „im Arbeitsverhältnis steht” verlange nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses. Dieser werde jedoch durch Erziehungsurlaub grundsätzlich nicht berührt. Während des Erziehungsurlaubs ohne Teilzeitarbeit ruhten lediglich die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Protokollerklärung. Sie enthalte keinerlei ausdrückliche generelle Ausnahmebestimmung dahin, daß die Zuwendung etwa entfalle, wenn am 1. Dezember das Arbeitsverhältnis ruhe, abgesehen von den Fällen des Grundwehrdienstes, der Wehrübung oder des zivilen Ersatzdienstes. Dennoch könne die Klägerin nach Auffassung der Kammer die Zuwendung nicht beanspruchen, wie sich aus der Wertung von § 3 TV-Weihnachtszuwendungen in Verb. mit § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 sowie § 15 Abs. 5 BErzGG ergebe. § 3 Abs. 2 TV-Weihnachtszuwendungen sehe vor, daß Teilzeitarbeitnehmer nur einen Anspruch auf den verhältnismäßigen Anteil der Zuwendung hätten, welcher dem Verhältnis ihrer Teil-Arbeitszeit zur tarifvertraglich festgelegten regelmäßigen Arbeitszeit entspreche. Das BErzGG sehe im Gegensatz zum ArbPlSchG und der früher geltenden Regelung des § 8 b MuSchG die Möglichkeit vor, daß die Erziehungsurlauberin von ihrem Arbeitgeber während des Erziehungsurlaubs im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses beschäftigt werden dürfe. Wenn nun die Erziehungsurlauberin Teilzeitarbeit verrichte, stehe ihr nach § 3 TV-Weihnachtszuwendungen lediglich der Höhe nach eine anteilige Zuwendung zu. Hieraus müsse nach Auffassung der Kammer zwingend gefolgert werden, daß dann, wenn sie überhaupt nicht arbeite, auch der Zuwendungsanspruch sich auf Null reduziere. Denn es könne nicht Sinn und Zweck einer Zuwendungsregelung sein, daß bei Nichtarbeit die volle Zuwendung, bei Teilzeitarbeit jedoch nur eine anteilige Zuwendung gezahlt werden müsse.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.
2. Die Klägerin hat Anspruch auf die volle Jahresabschlußzahlung für das Jahr 1987.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, § 2 Abs. 1 Buchst. a TV-Weihnachtszuwendungen erfordere lediglich den Bestand des Arbeitsverhältnisses und keine aktualisierte Beschäftigung des Arbeitnehmers am Stichtag. Diese Bewertung folgt sowohl aus dem Wortlaut des Tarifvertrages als auch aus seinem Zweck. Die Betrachtung aller Normen des Tarifvertrages läßt nämlich erkennen, daß es sich bei der Zuwendung nicht nur um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern auch um eine Belohnung für erwiesene und fortdauernde Betriebstreue handelt (vgl. § 2 Abs. 1 Buchst. b und c, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 6). Da die Klägerin in der Vergangenheit und auch in der Zukunft betriebstreu gewesen und geblieben ist, erfüllt sie die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Tarifvertrages.
b) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß sich die gegenteilige Rechtsauffassung des Beklagten nicht aus der Protokollerklärung zu § 2 TV-Weihnachtszuwendungen ergibt. Seine Überlegungen, aus der Erwähnung des Grundwehrdienstes, der Wehrübung und des zivilen Ersatzdienstes in Satz 1 der Protokollerklärung sei abzuleiten, daß für alle anderen Fälle ruhender Arbeitsverhältnisse die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien, ist nicht zwingend. Die Protokollerklärung kann auch als deklaratorische Wiederholung der ohnehin bestehenden Rechtslage angesehen werden, nämlich daß das Ruhen des Arbeitsverhältnisses kein anspruchsausschließendes Tatbestandsmerkmal ist. Dann soll mit diesem Satz lediglich einer fehlerhaften Tarifauslegung vorgebeugt werden (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1989 – 6 AZR 322/88 –, zu B II 5 b der Gründe = NZA 1990, 494 = EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 66 = BB 1990, 1200 = DB 1990, 842). Aus Satz 2 der Protokollerklärung, der die Anrechnung der Dienstzeiten regelt, folgt für die Rechtsauffassung des Beklagten nichts.
3. Der Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages führt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu einem Anspruchsausschluß.
a) Die Bestimmungen über Teilzeitbeschäftigung des § 3 Abs. 2 TV-Weihnachtszuwendungen können mit der Vorschrift über den Anspruchsgrund in § 2 Abs. 1 TV-Weihnachtszuwendungen nicht verglichen werden. Denn bei der ersten Regelung handelt es sich um eine Vorschrift zur Berechnung der Höhe der Jahresabschlußzahlung, nicht aber um eine die Anspruchsnorm des § 2 Abs. 1 TV-Weihnachtszuwendungen einschränkende Vorschrift, nicht einmal um eine Quotelungsvorschrift (vgl. insoweit Senatsurteil vom 24. Oktober 1990 – 6 AZR 418/89 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). So liegen systematisch zwei Bestimmungen unterschiedlicher Punktion vor.
b) Auch wenn wegen der räumlichen Nähe der Bestimmungen eine Abstimmung der Vorschriften notwendig wäre, überzeugt die Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht. Die Erziehungsgeldberechtigte, die sich entscheidet, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen und neben dem Erziehungsgeld Arbeitsentgelt zu verdienen, mag eine geringere Jahresabschluß Zahlung erhalten als diejenige, die nur Erziehungsgeld bezieht. Die sich daran anschließende Bewertung des Landesarbeitsgerichts, der Sonderzahlungsanspruch der Erziehungsurlauberin, die überhaupt nicht arbeite, müsse sich auf Null reduzieren, beruht allerdings auf einem Vergleich zweier ungleicher Sachverhalte. Die Erziehungsgeldberechtigte, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, ist nicht mit den Erziehungsgeldberechtigten zu vergleichen, die ihr Arbeitsverhältnis zum Ruhen bringen. Sie ist vielmehr mit denen zu vergleichen, die wie andere Arbeitnehmer im Laufe des Bezugs Zeitraums im Einverständnis mit dem Arbeitgeber von Vollzeitbeschäftigung in Teilzeitbeschäftigung überwechseln. Beide erhalten wegen der freiwilligen einverständlichen Vertragsänderung eine geringere Jahresabschlußzahlung (vgl. ähnlich BAG Urteil vom 6. September 1990 – 6 AZR 149/89 – nicht veröffentlicht). Dem kann nicht entgegengehalten werden, das BErzGG regele die Rechtsverhältnisse aller Erziehungsgeldberechtigten und daraus folge die Vergleichbarkeit. Das gilt allenfalls für die sozialrechltichen Ansprüche der Erziehungsgeldberechtigten. Arbeitsrechtlich liegen jedoch zwei unterschiedliche Sachverhalte vor, die unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen können (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 1990 – 6 AZR 418/89 –).
4. Die Höhe des auszuurteilenden Betrages ist unter den Parteien unstreitig. Die Zinsentscheidung folgt aus § 284 Abs. 1 Satz 2, § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Röhsler, Richter Prof. Dr. Jobs ist krank. Dr. Röhsler, Dörner, Dr. Gehrunger, Schwarck
Fundstellen