Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Status eines Fernsehmitarbeiters
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 12.05.1993; Aktenzeichen 3 Sa 30/93) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 02.12.1992; Aktenzeichen 18 Ca 3201/92) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Mai 1993 – 3 Sa 30/93 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestand.
Der Kläger war seit 1983 im Programmbereich „Sport” (Hauptabteilung Information – Chefredaktion Fernsehen –) für die Beklagte tätig. Der Bereich ist unterteilt in die drei Redaktionen „Aktuelles” (Sport im Dritten, Sportshop), Leiter Jürgen Sch., „Planung Außenübertragung” und „Feature”. Bereichsleiter ist Herr M.
Die Beklagte behandelte den Kläger als sogenannten festen freien Mitarbeiter gemäß den Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen. Der Kläger erhielt Honorare, die nach Art und Anzahl, der geleisteten Dienste errechnet wurden. Er hatte Anspruch auf Urlaub und Zahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger war ganz überwiegend als „Redakteur („Planer”)” der Fernsehsendung „Sport 3 extra” tätig, die – außer in Bayern – in allen dritten Fernsehprogrammen der ARD ausgestrahlt wird. In ihr werden Sportveranstaltungen life übertragen. Für diese Sendereihe ist die Beklagte federführend. Es finden – nach den Behauptungen des Klägers jeweils montags und freitags – ARD-Schaltkonferenzen statt, an denen der Kläger jeweils teilnahm.
Ferner wurde der Kläger an Wochenenden als Redakteur oder Regisseur eingesetzt. Der Einsatz erfolgte durch Dienstpläne. Nach den Behauptungen der Beklagten erstellte Herr Sch. unter Berücksichtigung der Wünsche der Mitarbeiter einen Entwurf; erst danach wurden die Dienstpläne von Herrn M. abgezeichnet und an die Mitarbeiter ausgegeben.
Der Kläger teilte mit zwei Kollegen ein Büro. Vom 19. August bis zum 6. September 1991 weilte er für die ARD bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Tokio, vom 1. bis 24. Februar 1992 bei den Olympischen Winterspielen in Albertville. Auf seinen Wunsch wurde der Kläger nicht in den Kreis der Mitarbeiter für die Olympiade in Barcelona einbezogen.
Nach den Honorarlisten der Beklagten war der Kläger von Januar bis Dezember 1991 außer in den Monaten August und September 1991, in denen er in Tokio weilte, monatlich jeweils an 22 bis 26 Tagen beschäftigt, im Januar 1992 an 19 Tagen, im Februar 1992, als er in Albertville war, 5 Tage und im März 1992 23 Tage. Er erzielte bei der Beklagten in den Jahren 1990 und 1991 Einnahmen von jeweils mehr als 110.000,00 DM. Für seine Arbeit in Tokio und Albertville wurde er nicht von der Beklagten bezahlt.
In einem Schreiben des Programmbereichsleiters M. vom 15. Januar 1992 an die dort tätigen „Kolleginnen und Kollegen” heißt es u.a.:
„In Abwesenheit von … B. übernimmt ab sofort die Planung für „Sport 3 extra” der Redaktionsleiter Planung … R..”
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er stehe in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Er hat vorgetragen: Er werde seit Jahren von der Beklagten eingeplant und eingesetzt im Sinne einer Dauerbeschäftigung. Er sei in zeitlicher und örtlicher Hinsicht wie ein angestellter Redakteur gebunden, in den Betrieb der Beklagten eingegliedert und unterliege ihren Weisungen.
Für die Sendung „Sport 3 extra” habe er folgende Tätigkeiten zu verrichten gehabt:
„Die inhaltliche Planung der Sendungen, Terminzusammenstellungen und Überprüfungen, die Themenkoordination mit der ARD-Sportschau, die Absprache mit den anderen ARD-Anstalten, was die Realisierung, Aufbereitung und zeitliche Gestaltung der einzelnen Beiträge betrifft, die Absprachen mit Sportverbänden, Vereinen und Veranstaltern über Ablauf, Teilnehmer, Zeitpläne und Werbung bei Sportveranstaltungen, die Einteilung von Moderatoren für die Sendungen des SDR, die Information der großen Rundfunkzeitschriften über Programminhalte, die Absprachen über Eurovisionsangebote mit der ARD-Sportkoordination, die Bestellung von Leitungen für Einspielungen, die Absprachen mit Reportern, Regisseuren und Redakteuren, welche mit der Herstellung der Programmbeiträge für die genannte Sendung des SDR befaßt sind.”
Diese Aufgaben nähmen ihn fünf Tage pro Woche in Anspruch. Um sie erfüllen zu können, müsse er zu den normalen Dienststunden im Hause der Beklagten erreichbar sein. Der Leiter des Programmbereichs „Sport”, Herr M., habe mehrfach und vor Kollegen bekanntgegeben, daß diese Arbeitszeiten gälten. Ein Kollege sei sogar schriftlich in Form einer Mahnung darauf hingewiesen worden. Diese Hinweise hätten ersichtlich auch für ihn, den Kläger, gegolten.
An den Schaltkonferenzen müsse er teilnehmen. Einmal im Quartal reise er nach München, wo er zusammen mit anderen Personen die Abstimmung und Festlegung der ARD-Sendungen vornehme.
Zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Tokio und zur Winterolympiade in Albertville sei er von der Beklagten zur ARD abgestellt worden. Er habe die Bitte geäußert, nicht für die Olympiade in Barcelona eingeteilt zu werden. Dem habe die Beklagte – ebenso wie auch bei festangestellten Mitarbeitern üblich – entsprochen. Wenn nicht, hätte er seinen Dienst in Barcelona versehen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß er sich bei der Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befindet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Der Kläger sei freier Mitarbeiter. Mit der Tätigkeit als „Planer”, die ihrem Gegenstand nach im Rahmen freier Mitarbeiter ausgeführt werden könne, sei er keineswegs an fünf Tagen der Woche ausgefüllt. Das zeige sich schon an seinen „freien” Tagen. Der Kläger teile sich seine Zeit selbst ein. Er sei nicht verpflichtet, seine Tätigkeit zu bestimmten Zeiten und in ihren Räumen zu erledigen. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an den „Schaltkonferenzen” bestehe nicht. Allgemeine Weisungen und Direktiven gebe es nicht. Der auf die Arbeitszeit bezügliche Hinweis habe nicht ihn betroffen. Von einer weisungsgemäßen Abstellung zur ARD könne keine Rede sein. Eine „ständige Arbeitsbereitschaft” liege nicht vor. Der Kläger arbeite lediglich an der Produktion einzelner Sendungen mit. Er arbeite nicht im Team, sondern weitgehend selbständig. Auch inhaltlich sei er im wesentlichen frei; im künstlerisch-kreativen Teil unterliege er keinen Weisungen. Herr M. habe nur ein Letztentscheidungsrecht.
Die Dienstpläne enthielten keine Anordnung, die vorgesehenen Dienste zu leisten. Mit dem Kläger würden für jeden Tag und jeden Funktionsdienst gesonderte Honorarverträge geschlossen. Am Ende eines jeden Abrechnungszeitraums erhalte der Kläger Ausdrucke über sämtliche Honorarverträge dieses Zeitabschnittes.
Im übrigen schließe sie mit den Arbeitnehmern – wie der Kläger wisse – schriftliche Arbeitsverträge ab. Das sei aber bei ihm nicht geschehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.
Die Zusammenarbeit zwischen den Parteien endete mit dem 31. Dezember 1993. Seit dem 1. Januar 1994 ist der Kläger angestellter Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
A I. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Klägers festzustellen, daß er sich bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis befindet, dahin ausgelegt, daß er die Zeit ab 1. März 1992 und alle seitdem für die Beklagte gleisteten Dienste umfaßt. Dem schließt sich der Senat an. Nach dem Ausscheiden des Klägers bei der Beklagten ist der Antrag dahin auszulegen, daß er die Feststellung begehrt, zwischen den Parteien habe vom 1. März 1992 bis zum 31. Dezember 1993 ein Arbeitsverhältnis bestanden.
II. Der Feststellungsantrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zulässig. Der Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Für das Feststellungsinteresse ist unschädlich, daß der Kläger seine Klage auf die Statusbeurteilung beschränkt und weitere Umstände, etwa den zeitlichen Umfang, in dem er zu beschäftigen ist, nicht zum Streitgegenstand gemacht hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 169/93 – AP Nr. 26 zu § 256 ZPO 1977 = EzA § 256 ZPO Nr. 43).
Eine Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses ist nur dann zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben. Für eine Feststellungsklage, die ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet war, gilt nichts anderes (BAGE 54, 210 = AP Nr. 3 zu § 52 BAT; Urteil vom 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – AP Nr. 22 zu § 256 ZPO 1977, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Frage, ob der Kläger Arbeitnehmer der Beklagten war, hat Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung des Klägers beim NDR, für den er nunmehr tätig ist.
B. Ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilen.
I. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, der auch das Landesarbeitsgericht gefolgt ist, sind die dazu entwickelten Grundsätze auch im Bereich Funk und Fernsehen maßgebend (Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 – AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteil vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
1. Nicht programmgestaltende, aber rundfunk- und fernsehtypische Mitarbeit an Sendungen läßt sich in der Regel nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen durchführen. Dagegen kann programmgestaltende Mitarbeit sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen erbracht werden.
2.a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis zu bejahen, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann (BAG Urteil vom 9. Juni 1993 – 5 AZR 123/92 – AP Nr. 66 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu III 1 der Gründe; Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 –, a.a.O. und vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II der Gründe). Das ist dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird (BAG Urteil vom 7. Mai 1980 – 5 AZR 293/78 – AP Nr. 35 zu § 611 BGB Abhängigkeit) oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne gesonderte Vereinbarungen herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich „zugewiesen” werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben.
Ein Arbeitsverhältnis kann auch dann vorliegen, wenn der Mitarbeiter zwar an dem Programm gestalterisch mitwirkt, dabei jedoch weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegt, ihm also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit bleibt.
Äußere Umstände wie ein „eigener” Schreibtisch, ein „eigenes” Arbeitszimmer oder die Aufnahme in ein internes Telefonverzeichnis sind für sich genommen nicht entscheidend. Wird der Mitarbeiter dagegen in Dienstplänen aufgeführt, ohne daß die einzelnen Einsätze im voraus abgesprochen werden, so ist dies ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft.
b) Die einseitige Aufstellung von Dienstplänen ist regelmäßig nur dann sinnvoll, wenn Dienstbereitschaft der darin aufgenommenen Beschäftigten erwartet werden kann (BAG Urteile vom 16. Februar 1994 – 5 AZR 402/93 – AP Nr. 15 zu § 611 BGB Rundfunk = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 52, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 –, a.a.O. und vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vielfach wird den Mitarbeitern mitgeteilt, sie seien nicht verpflichtet, die vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich, oder träten erst dann in Kraft, wenn ihnen die eingesetzten Mitarbeiter nicht widersprächen. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, vertragliche Vereinbarungen über die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze kämen erst zustande, wenn die Mitarbeiter nicht widersprächen. Das ist lebensfremd. Die Mitarbeiter leisten die vorgesehenen Einsätze, weil sie im Dienstplan vorgesehen sind und nicht, weil sie in jedem Einzelfall vertragliche Vereinbarungen abschließen. Bereits in seinem Urteil vom 3. Oktober 1975 (– 5 AZR 427/74 – AP Nr. 11 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hat der Senat ausgeführt, daß die Aufstellung von Dienstplänen auch dann ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, wenn die Betreffenden ihr Erscheinen zu den vorgesehen Terminen jeweils durch ein Kreuz hinter ihrem Namen zu bestätigen haben.
Das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen oder zu tauschen, ändert daran nichts. In vielen Bereichen ist es üblich, daß der Arbeitgeber auf derartige Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht. Darf der Mitarbeiter Einsätze nur dann ablehnen, wenn er für einen Vertreter sorgt, so ergibt sich daraus besonders deutlich, daß die Dienstpläne keine unverbindlichen Vorschläge sind. Wer einseitig Dienstpläne aufstellt, die tatsächlich im wesentlichen eingehalten werden, und gleichzeitig erklärt, diese seien unverbindlich, verhält sich im Regelfall widersprüchlich. Entscheidend ist dann das tatsächliche Verhalten, also die Verfügung über die Arbeitskraft der Mitarbeiter nach Maßgabe der Dienstpläne.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zur Tätigkeit des Klägers keine hinreichenden Feststellungen getroffen.
1. Der Kläger ist nicht schon deshalb als Arbeitnehmer anzusehen, weil er nach dem Vortrag beider Parteien überwiegend als „Redakteur” tätig ist. Denn es ist für den Senat nicht erkennbar, was die Parteien darunter verstehen. Der Sprachgebrauch ist nicht mehr einheitlich.
a) Die charakteristische Tätigkeit eines Redakteurs besteht im „Redigieren”, d.h. in der Zusammenstellung einer Zeitungs- oder Zeitschriftenausgabe oder einer Hörfunk- oder Fernsehsendung aus Einzelmeldungen und -beitragen oder in der Überarbeitung von Manuskripten oder Beiträgen für den Druck oder die Sendung (Rehm, Lexikon. Buch, Bibliothek, Neue Medien, 1991, S. 229; ähnlich Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 3. Aufl., S. 77 Rz 20). Das Bundesarbeitsgericht hat sich diese Auffassung zu eigen gemacht (Urteil vom 21. Januar 1981 – 4 AZR 871/78 – AP Nr. 10 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; Urteil vom 13. Mai 1981 – BAGE 35, 251 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse). Danach ist Redakteur, wer den zu publizierenden Stoff sammelt, sichtet, ordnet und bearbeitet. Ein Fernsehredakteur hätte demnach die Aufgabe, Fernsehsendungen aus Einzelbeiträgen zusammenzustellen oder Beiträge sendefertig zu überarbeiten. Der Redakteur in diesem Sinne gestaltet zwar die Zeitung oder das Programm mit. Seine Funktion ist aber geprägt durch koordinierende und organisatorische Tätigkeiten. Er erbringt also seine Leistungen im Rahmen der vom Sender bestimmten Arbeitsorganisation; er ist damit erheblich stärker persönlich abhängig als ein Beitragsproduzent, der zwar auf Apparat und Team des Senders angewiesen ist, im übrigen aber ein größeres Maß an gestalterischer Freiheit hat. Der Redakteur in diesem Sinne ist daher nach allgemeiner Auffassung typischerweise Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 21. Januar 1981, a.a.O.; Rehm, a.a.O.; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1981, Band 19; Brockhaus. Enzyklopädie, 19. Aufl., Band 18, bezeichnen den „Redakteur” übereinstimmend als „angestellten” bzw. „festangestellten” Journalisten; ebenso Blätter zur Berufskunde, Band 2-X F 30 Journalist/Journalistin, 8. Aufl., 1989, S. 9, 17). Daher ist es nur konsequent, daß einige Sender die Beschäftigung „freier Mitarbeiter” als Redakteur untersagen.
b) Von diesem allgemeinen Begriff des Redakteurs sind ursprünglich auch die Tarifvertragsparteien für Presse und Rundfunk ausgegangen (BAG Urteile vom 13. Mai 1981, a.a.O. und vom 13. Februar 1985 – 4 AZR 295/83 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse, jeweils zum MTV für Redakteure an Tageszeitungen i.d.F. vom 10. September 1968, 1. Oktober 1976 und 23. November 1980 – MTV-Redakteure).
Inzwischen haben die Tarifvertragsparteien den Redakteur zum Teil eigenständig definiert. § 1 MTV-Redakteure vom 23. November 1980 bestimmt hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs:
„Für alle hauptberuflich an Tageszeitungen festangestellten Redakteure und entsprechend für Redaktionsvolontäre, sofern für diese nichts anderes bestimmt ist”. Die Protokollnotiz dazu lautet:
„Als Redakteur gilt, wer – nicht nur zum Zweck der Vorbereitung auf diesen Beruf (gleichgültig in welchem Rechtsverhältnis) – kreativ an der Erstellung des redaktionellen Teils von Tageszeitungen regelmäßig in der Weise mitwirkt, daß er
- Wort- und Bildmaterial sammelt, sichtet, ordnet, dieses auswählt und veröffentlichungsreif bearbeitet und/oder
- mit eigenen Wort- und/oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung in der Zeitung beiträgt und/oder
- die redaktionell-technische Ausgestaltung (insbesondere Anordnung und Umbruch) des Textteils besorgt und/oder
- diese Tätigkeit koordiniert”
(vgl. Urteile vom 13. Mai 1981 und 13. Februar 1985, beide a.a.O.). Eine identische Formulierung befindet sich in dem MTV für Redakteure an Zeitschriften, gültig ab 1. Juli 1987.
Mit dieser Definition haben die Tarifvertragsparteien den Begriff des Redakteurs gegenüber dem allgemeinen pressefachlichen Begriff erheblich erweitert. Nach den neueren Tarifbestimmungen ist es nicht mehr erforderlich, daß der Journalist die Beiträge veröffentlichungsreif bearbeitet. Es reicht aus, wenn er regelmäßig mit eigenen Wort- oder Bildbeiträgen zur Berichterstattung und Kommentierung beiträgt. Damit fallen auch Tätigkeiten unter den Redakteursbegriff, die auch außerhalb des rechtlichen Rahmens eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden können. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinen Beschlüssen vom 19. Mai 1981 (BAGE 35, 278; 35, 289 = AP Nr. 18, 21 zu § 118 BetrVG 1972, jeweils zu II der Gründe) ebenfalls diesen weiten Begriff des Redakteurs zugrunde gelegt.
Aus der Bezeichnung einer Person als „Redakteur” kann nach alledem nicht mehr ohne weiteres auf die Arbeitnehmereigenschaft geschlossen werden. Das gilt auch für die Beklagte. Dort finden sich die Begriffe „Redakteur” bzw. „redaktionelle Mitarbeit” oder „redaktioneller Dienst” sowohl in den Tarifverträgen für Arbeitnehmer (Tarifvertrag zur Gehaltsstruktur beim Süddeutschen Rundfunk vom 24. August 1987, Anlage 2, ab Tarifgruppe 6) als auch in denen für arbeitnehmerähnliche Personen (Tarifvertrag über Mindestvergütungen für arbeitnehmerähnliche Personen vom 29. Juni 1989, Anlage 2, Vergütungstabelle Fernsehen, Positionen 8 f.).
c) Gleiches gilt für den Begriff „Planer”, den die Parteien zur Erklärung des Begriffs „Redakteur” gebraucht haben, und die Tätigkeit des Klägers als „Regisseur”. Denn auch insoweit bleibt unklar, was die Parteien darunter verstehen.
d) Es bedarf demnach konkreter Feststellungen, um welche Tätigkeiten es sich handelte und unter welchen Umständen sie erbracht wurden. Dabei kann es auch auf das Maß der Gestaltungsfreiheit, der Eigeninitiative und der Selbständigkeit des Klägers ankommen.
2.a) Im Hinblick auf die Teilnahme des Klägers an den ARD-Schaltkonferenzen für die Sendereihe „Sport 3 extra” hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger sei zur Teilnahme nicht verpflichtet gewesen. Darauf kann sie sich – wenn die Teilnahme des Klägers sinnvoll war – nur berufen, wenn sie ihm gegenüber ausdrücklich erklärt hat, sie wünsche die Teilnahme nicht.
b) Soweit der Kläger an Wochenenden als Redakteur oder Regisseur tätig war, wurde er über Dienstpläne eingesetzt. Dies ist, unabhängig davon, wie die Tätigkeit im einzelnen geartet war und welche inhaltlichen Spielräume er dabei hatte, ein Indiz für seine Arbeitnehmerstellung. Jedoch besteht im Streitfall die Besonderheit, daß sich diese Dienstpläne nur auf eine von mehreren Tätigkeiten des Klägers und damit nur auf einen Teil seiner Arbeitszeit bezogen.
Die Beklagte hat zwar selbst nicht behauptet, daß alle Einsätze zeitlich im Voraus mit dem Kläger abgestimmt wurden. Sie hat aber vorgetragen, daß die Dienstplanentwürfe unter Berücksichtigung der Wünsche der Mitarbeiter erstellt wurden. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, daß der Kläger einen größeren Einfluß auf die Dienstplangestaltung hatte als seine durchgehend eingeteilten Kollegen. Für das Bestehen eines freien Mitarbeiterverhältnisses würde sprechen, wenn der Kläger das Recht gehabt hätte, Einsätze abzulehnen ohne für Ersatz zu sorgen, und der Kläger dieses Recht in der Praxis auch des öfteren in Anspruch genommen hätte.
3. Sollte der Kläger alle Tätigkeiten in persönlicher Abhängigkeit erbracht haben, so war er Arbeitnehmer.
Sind die verschiedenen Tätigkeiten dagegen für sich allein betrachtet unterschiedlich zu beurteilen, so ist zu prüfen, ob und ggf. wie sie sich tatsächlich, d.h. im Hinblick auf die Arbeitsorganisation, voneinander abgrenzen lassen. Davon hängt ab, ob es sich um eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder um mehrere rechtlich unterschiedlich zu bewertende Teiltätigkeiten handelt. Ist ersteres der Fall, kommt es darauf an, welche Tätigkeit der Gesamttätigkeit das Gepräge gibt. Dafür können die – noch festzustellenden – zeitlichen Anteile ein wichtiges Indiz sein. Sind die Haupttätigkeiten dagegen unterschiedlich zu bewerten, so ist ggf. zu prüfen, ob etwaige Arbeitsverträge befristet sind.
III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Die Feststellung, daß der Kläger Arbeitnehmer war, ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil kein Arbeitsvertrag von der zuständigen Stelle der Beklagten abgeschlossen wurde. Insoweit wird auf das ebenfalls einen Mitarbeiter der Beklagten betreffende Senatsurteil vom 20. Juli 1994 (– 5 AZR 627/93 – AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit = EzA § 611 BGE Arbeitnehmerbegriff Nr. 54, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) verwiesen.
3. Auch die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit steht der Feststellung arbeitsrechtlicher Beziehungen der Parteien nicht entgegen. Auch insoweit wird auf das Senatsurteil vom 20. Juli 1994 (a.a.O.) bezug genommen.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Rolf Steinmann, Frey
Fundstellen
Haufe-Index 1073555 |
AfP 1995, 693 |