Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrechtliche Gegenrüge. Klageänderung in der Revision. Feststellung eines Zeitguthabens
Leitsatz (amtlich)
Wegen einer Verletzung der Hinweispflicht durch das Landesarbeitsgericht kann die revisionsbeklagte Partei bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht eine auf § 139 Abs. 3 ZPO gestützte verfahrensrechtliche Gegenrüge erheben.
Orientierungssatz
1. Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen die Pflicht aus § 139 Abs. 3 ZPO, auf die von Amts wegen zu berücksichtigende Unzulässigkeit des Klageantrags hinzuweisen, darf in der Revisionsinstanz nur berücksichtigt werden, wenn insofern eine zulässige Verfahrensrüge oder verfahrensrechtliche Gegenrüge erhoben worden ist (§ 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO).
2. Allein die Einlegung der Revision oder Anschlussrevision eröffnet den Parteien die Möglichkeit, in der Revisionsinstanz Sachanträge zu stellen. Hierzu rechnet auch die Einführung eines neuen Hilfsantrags.
3. Der Übergang von einem Antrag auf Feststellung eines Zeitguthabens auf Leistung einer Abgeltung stellt eine Klageänderung dar, die in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 559 Abs. 1 ZPO).
4. Das für die Zulässigkeit einer sog. Elementenfeststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist nur gegeben, wenn die Rechtskraft der Entscheidung über den Feststellungsantrag weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließt.
5. Ein Interesse an der Feststellung eines „Zeitguthabens” besteht nicht, wenn dessen Rechtsnatur und weitere Behandlung bei einer dem Feststellungsantrag stattgebenden Entscheidung ungeklärt bliebe.
Normenkette
ZPO § 139 Abs. 3, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1, §§ 260, 263, 264 Nr. 2, §§ 308, 322, 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 559 Abs. 1, § 563 Abs. 3, § 557 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Juli 2013 – 11 Sa 142/13 – aufgehoben, soweit es auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 14. Dezember 2012 – 3 Ca 453/12 Ö – abgeändert und zugunsten der Klägerin „einen Anspruch auf ein Zeitguthaben in Höhe von 109,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012” festgestellt hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 73 % und das beklagte Land 27 % zu tragen, von denen des Berufungsverfahrens die Klägerin 68 % und das beklagte Land 32 %. Die Kosten der Revision werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Zeitguthabens der Klägerin aufgrund im Schuljahr 2011/2012 erbrachter Arbeitsleistungen.
Die 1960 geborene Klägerin ist beim beklagten Land seit dem 1. August 2004 als pädagogische Mitarbeiterin an der Grundschule B beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 5. Juli 2004 (im Folgenden Arbeitsvertrag) regelt ua.:
Frau S
wird als nicht vollbeschäftigte pädagogische Mitarbeiterin
⊠ |
zur regelmäßigen stundenweisen Erteilung von schulspezifischen unterrichtsergänzenden Angeboten mit regelmäßig drei Stunden wöchentlich, |
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das entspricht einer Gesamtstundenzahl von 120 Stunden im Schuljahr |
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(durchschnittliche Wochenstundenzahl × 40 Wochen im Schuljahr bzw. × Anzahl der Schulwochen bei kürzeren Zeiträumen) |
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(Vertrag für den regelmäßigen Einsatz) |
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⊠ und (bei kombinierten Verträgen) |
⊠ |
zum stundenweisen Einsatz auf Abruf im Rahmen des Vertretungskonzeptes |
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nach den Vorgaben des § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21.12.2000 in der jeweils geltenden Fassung |
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mit durchschnittlich regelmäßig 10 Stunden wöchentlich, |
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das entspricht einer Gesamtstundenzahl von 400 Stunden im Schuljahr |
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(durchschnittliche Wochenstundenzahl × 40 Wochen im Schuljahr bzw. × Anzahl der Schulwochen bei kürzeren Zeiträumen) |
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(Stundenrahmenvertrag) |
an der GS B (Schule(n) – ggf. Stammschule unterstreichen!) …
eingestellt.
…
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarif gem einschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
…
Die/Der Angestellte ist kraft dieses Arbeitsvertrages in die Vergütungsgruppe
□ V b |
⊠ VI b |
□ VII BAT eingruppiert. |
…”
Am 1. Februar 2006 schlössen die Parteien einen „Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 5.7.2004” (im Folgenden Änderungsvertrag) der auszugsweise lautet:
⊠ |
Die in § 1 des o.g. Arbeitsvertrages festgelegte Stundenzahl zur regelmäßigen Erteilung von schulspezifischen unterrichtsergänzenden Angeboten wird ab 1.2.2006 unbefristet von bisher 3 Stunden auf nunmehr 5 Stunden wöchentlich erhöht. |
⊠ |
Die in § 1 des o.g. Arbeitsvertrages festgelegte Stundenzahl zum stundenweisen Einsatz auf Abruf im Rahmen des Vertretungskonzeptes wird ab 1.2.2006 unbefristet von bisher 10 Stunden auf nunmehr 7 Stunden wöchentlich gekürzt. |
Das entspricht einer Gesamtstundenzahl von nunmehr 480 Stunden im Schuljahr.”
Die Klägerin erhält auch während der Schulferien eine verstetigte monatliche Vergütung. Ein Arbeitszeitkonto wird für die Klägerin nicht geführt.
Das beklagte Land verfolgt das Konzept der sog. „Verlässlichen Grundschule”, das durch unterrichtsergänzende Angebote an Grundschulen ein täglich mindestens fünf Zeitstunden umfassendes Schulangebot sicherstellen soll. Zur Durchführung des Konzepts wird den einzelnen Grundschulen ein Budget entsprechend dem Runderlass „Beschäftigung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Grundschule” des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 18. Mai 2004 (im Folgenden Runderlass) zugewiesen. Darin heißt es auszugsweise:
„2.3 Bewirtschaftung des Budgets
Beim Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote sind Zeitstunden zugrunde zu legen, beim Einsatz während der Unterrichtszeit in einer Klasse ist eine Unterrichtsstunde wie eine Zeitstunde zu rechnen.
…”
Bis zum Ende des Schuljahres 2008/2009 rechnete das beklagte Land die auf Abruf erbrachten Einsätze der Klägerin während der Unterrichtszeit mit einer Dauer von 45 Minuten (sog. Vertretungsstunden) und ihre regelmäßigen Einsätze im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote (sog. Betreuungsstunden) gleichermaßen je angefangene Stunde als eine Zeitstunde (60 Minuten) auf die vereinbarte Gesamtstundenzahl an. Seit Beginn des Schuljahres 2009/2010 berücksichtigt das beklagte Land unterrichtsergänzende Betreuungsleistungen minutengenau.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihre regelmäßigen Einsätze im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote seien nicht minutengenau, sondern unabhängig von der tatsächlichen Dauer mit 60 Minuten je angefangener Zeitstunde zu bewerten. Die für Vertretungsstunden geltenden Grundsätze seien zu übertragen. Dies ergebe sich aus § 1 Arbeitsvertrag und § 1 Änderungsvertrag sowie Ziff. 2.3 Runderlass. Während der Vertretungsstunden seien die Schüler lediglich zu beaufsichtigen, demgegenüber erfordere die Durchführung unterrichtsergänzender Angebote, im Rahmen derer sie zB Basteln, Tänze und Italienisch anbiete, eine erhebliche Vorbereitungszeit. Bei zutreffender Bewertung der Betreuungszeiten im Schuljahr 2011/2012 habe sie mehr Stunden geleistet als vertraglich vereinbart. Sie habe ein rechtliches Interesse an der Feststellung des zu ihren Gunsten bestehenden Zeitguthabens.
Die Klägerin hat – soweit in der Revision noch von Bedeutung – in den Vorinstanzen beantragt
festzustellen, dass ihr gegen das beklagte Land ein Anspruch auf ein Zeitguthaben in Höhe von 112,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012 zusteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Eine Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin verlangte Berechnung sei nicht ersichtlich. Bei Tätigkeiten im Rahmen der unterrichtsergänzenden Angebote seien Vorbereitungszeiten nicht zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage – soweit in der Revision noch von Bedeutung – überwiegend stattgegeben und zugunsten der Klägerin ein Zeitguthaben in Höhe von 109,75 Stunden festgestellt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Mit Verfügung vom 29. Februar 2016 hat der Senat darauf hingewiesen, dass ein Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung iSv. § 256 ZPO nicht ersichtlich und dem Antrag nicht mit der in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO geforderten Bestimmtheit die Bedeutung des Begriffs „Zeitguthaben” zu entnehmen sei. Danach hat die Klägerin die Klage erweitert und beantragt nunmehr hilfsweise, das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin für das Schuljahr 2011/2012 eine restliche Vergütung von 1.962,33 Euro brutto (109,75 Stunden × 17,88 Euro brutto) zu zahlen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, er sei von der Vorinstanz nicht auf die mögliche Unbestimmtheit des Antrags und ein etwaig fehlendes Feststellungsinteresse hingewiesen worden. Wäre dies erfolgt, hätte er einen Zahlungsantrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin gegen das den Feststellungsantrag abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht teilweise stattgegeben (A). Der erstmals in der Revision hilfsweise gestellte Zahlungsantrag ist unzulässig (B).
A. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zu Unrecht für zulässig erachtet.
I. Es fehlt bereits am erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Klägerin hat mit ihrem Antrag, ein „Zeitguthaben von 109,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012” festzustellen, eine unzulässige Elementenfeststellungsklage erhoben.
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klagepartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken – sog. Elementenfeststellungsklage – (BAG 28. Mai 2014 – 5 AZR 794/12 – Rn. 18; 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 13 f.). Ein Feststellungsinteresse ist in diesem Fall jedoch nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 15). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden.
2. Die von der Klägerin begehrte Feststellung wäre nicht geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien ausschließen. Der Feststellungsantrag ist lediglich auf die Entscheidung über eine – vorgreifliche – Rechtsfrage gerichtet, deren Klärung nicht zum Rechtsfrieden zwischen den Parteien führen könnte. Mit einer klagestattgebenden Entscheidung wäre, wie vom Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, nur das Bestehen eines Zeitguthabens, nicht aber die Rechtsnatur und weitere Behandlung desselben geklärt. Es bliebe zwischen den Parteien offen, ob und ggf. mit welchen Modalitäten das Stundenguthaben in Geld oder Freizeit abzugelten oder möglicherweise im laufenden oder einem folgenden Schuljahr vom vereinbarten Stundenkontingent abzuziehen wäre. Die Abwicklung des festgestellten „Zeitguthabens” könnte von den Parteien nicht ohne weiteres, wie für die Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage erforderlich, vergleichbar mit einer einfachen Rechenaufgabe (vgl. BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 15), umgesetzt werden.
II. Dem Senat ist ein Sachurteil nicht möglich, obwohl das Feststellungsinteresse echte Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil ist (vgl. BAG 24. September 2008 – 6 AZR 76/07 – Rn. 13 mwN, BAGE 128, 73; 15. Juli 2009 – 5 AZR 921/08 – Rn. 12) und das Revisionsgericht auch bei seinem Fehlen jedenfalls dann zu einer Sachentscheidung befugt ist, wenn gewichtige prozessökonomische Gründe gegen eine Prozessabweisung sprechen, etwa wenn die Klage eindeutig und unzweifelhaft abweisungsreif ist (vgl. BAG 24. September 2008 – 6 AZR 76/07 – BAGE 128, 73; 6. Oktober 2011 – 6 AZR 172/10 – Rn. 16).
1. Die Klage wäre zwar in der Sache abweisungsreif, denn das beklagte Land ist nicht verpflichtet, die Betreuungstätigkeiten der Klägerin unabhängig von der tatsächlichen Dauer mit 60 Minuten je angefangener Zeitstunde auf die von der Klägerin als Gegenleistung für die Vergütung zu erbringenden Arbeitsstunden anzurechnen. Für die von der Klägerin begehrte Gewichtung der Betreuungszeiten fehlt es an einer Anspruchsgrundlage, die abweichend vom im Arbeitsverhältnis geltenden Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn” (vgl. BAG GS 17. Dezember 1959 – GS 2/59 – zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; 18. April 2012 – 5 AZR 248/11 – Rn. 14, BAGE 141, 144) eine Vergütungspflicht oder Freizeitausgleich als gleichwertige Leistung (vgl. BAG 1. Februar 2006 – 5 AZR 422/04 – Rn. 23; 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 22) ohne Arbeit regelte. Ziff. 2.3 Runderlass sieht die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge – unbeschadet der weiteren, von der Klägerin nicht dargelegten Voraussetzungen unter denen der Runderlass als anspruchsbegründend herangezogen werden könnte (vgl. hierzu BAG 22. Mai 2012 – 9 AZR 423/10 – Rn. 30; 10. Juli 2013 – 10 AZR 915/12 – Rn. 48, BAGE 145, 341) – ausdrücklich nur für Vertretungsstunden vor. § 1 Arbeitsvertrag regelt ebenso wie § 1 Änderungsvertrag die Art des Einsatzes der Klägerin und das Volumen der geschuldeten Arbeitsleistung, nicht aber die Gewichtung erbrachter Arbeitsleistungen.
2. Ein klageabweisendes Sachurteil scheidet jedoch aus, weil der Feststellungsantrag nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und die Klage auch aus diesem Grund unzulässig ist. Dem Antrag der Klägerin ist die Bedeutung des Begriffs „Zeitguthaben” nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen. Die eigentliche Streitfrage könnte, selbst wenn man das Feststellungsinteresse dahinstehen ließe, zwischen den Parteien nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden werden.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat (BAG 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – Rn. 18, BAGE 149, 169). An die Bestimmtheit eines Feststellungsantrags sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die eines Leistungsantrags (BAG 12. Dezember 2012 – 5 AZR 918/11 – Rn. 35). Auch wenn das Bestehen oder der Umfang eines Rechtsverhältnisses oder eines Anspruchs zur gerichtlichen Entscheidung gestellt wird, muss zuverlässig erkennbar sein, worüber das Gericht eine Sachentscheidung treffen soll (BAG 18. Mai 2011 – 5 AZR 181/10 – Rn. 10; 21. September 2011 – 5 AZR 520/10 – Rn. 14, BAGE 139, 190; 14. Dezember 2011 – 5 AZR 675/10 – Rn. 11).
b) Der Antrag lässt auch bei gebotener, auf die Ermöglichung einer Sachentscheidung gerichteten Auslegung (vgl. BAG 14. Dezember 2011 – 4 AZR 242/10 – Rn. 11; 11. November 2009 – 7 AZR 387/08 – Rn. 11) den Inhalt der von der Klägerin begehrten Entscheidung nicht erkennen.
aa) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird für die Klägerin ein Arbeitszeitkonto nach tariflichen Bestimmungen nicht geführt. Ohne die Führung eines Arbeitszeitkontos bleibt offen, was unter einem „Zeitguthaben” zu verstehen sein soll und welche Ansprüche sich hieraus für die Klägerin ergeben könnten. Es bleibt ungewiss, was Inhalt eines ggf. festgestellten Zeitguthabens wäre und was als Folge der Feststellung vom beklagten Land verlangt würde.
bb) Die an der Schule geführte Liste über geleistete Vertretungsstunden betrifft nicht die vorliegend im Streit stehenden regelmäßigen Einsätze von pädagogischen Mitarbeitern im Rahmen unterrichtsergänzender Angebote. Der Antrag wäre im Übrigen auch dann unbestimmt, wollte man hierin nicht nur interne Aufzeichnungen der Schule, sondern eine mit einem Arbeitszeitkonto vergleichbare Aufstellung sehen. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise ein festzustellendes „Zeitguthaben” in die Liste eingehen sollte. Wie der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben”, erforderte die hinreichende Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) eines auf Feststellung eines Zeitguthabens auf einer Stundenaufstellung gerichteten Antrags – unbeschadet der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen – eine Konkretisierung, an welcher Stelle der Aufstellung das Guthaben Eingang finden soll (vgl. BAG 17. November 2011 – 5 AZR 681/09 – Rn. 12; 12. Dezember 2012 – 5 AZR 918/11 – Rn. 33; 21. Oktober 2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 14, 16; 19. März 2014 – 5 AZR 954/12 – Rn. 10).
III. Eine Auslegung des Feststellungsantrags, die Klägerin begehre, wie von ihr im Schriftsatz vom 10. Juni 2013 für den Fall des Fehlens einer Rechtsgrundlage für ein Arbeitszeitkonto in den Raum gestellt, die Feststellung eines Vergütungsanspruchs, ist nicht möglich.
1. Die Gerichte sind gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 21. April 2010 – 4 AZR 755/08 – Rn. 21; 27. August 2014 – 4 AZR 518/12 – Rn. 15; 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 12). Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht. Die Grenzen der Auslegung oder auch der Umdeutung eines Klageantrags sind jedoch erreicht, wenn eine Klagepartei unmissverständlich ein bestimmtes Prozessziel verfolgt, auch wenn dieses Vorgehen ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse widerspricht. Dies dient nicht zuletzt der hinreichenden Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der Gegenpartei als Adressatin der Prozesserklärung. Sie muss sich zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Verteidigung darauf verlassen können, dass ausschließlich über den gestellten Antrag entschieden wird und nicht über den Antrag, der richtigerweise gestellt worden wäre (vgl. BAG 17. März 2015 – 9 AZR 702/13 – Rn. 13 mwN).
2. Der Antrag der Klägerin ist nach Wortlaut und Begründung eindeutig auf die Feststellung eines Zeitguthabens gerichtet. Gegen eine Auslegung, ein Vergütungsanspruch solle festgestellt werden, spricht zudem das Festhalten der Klägerin an ihrem Antrag in seiner bisherigen Fassung, obwohl im Berufungsverfahren unstreitig wurde, dass es an einer Rechtsgrundlage für die Führung eines Arbeitszeitkontos fehlte und ein solches für sie weder geführt wurde noch geführt wird. Wollte die Klägerin einen Vergütungsanspruch festgestellt wissen, hätte es ihr frei gestanden, einen Hilfsantrag zu stellen. Die hilfsweise Auslegung eines Klageantrags gibt es nicht (vgl. BAG 17. März 2015 – 9 AZR 702/13 – Rn. 16).
3. Einen Hilfsantrag hat die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des Berufungsurteils (§ 559 Abs. 1 ZPO) in den Vorinstanzen nicht gestellt. Sie hat ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils und des Protokolls der Berufungsverhandlung den Antrag auf Feststellung eines Zeitguthabens aus dem Schriftsatz vom 6. Februar 2013 gestellt, nicht aber (hilfsweise) beantragt, einen Vergütungsanspruch festzustellen, wie im Schriftsatz vom 10. Juni 2013 angedacht. Die Klägerin hat weder die Berichtigung des Protokolls noch die des Tatbestands des Berufungsurteils beantragt.
4. Ein auf Feststellung eines Anspruchs auf Vergütung von weiteren 112,75 Stunden für das Schuljahr 2011/2012 gerichteter Hilfsantrag wäre zudem wegen fehlender Bestimmtheit iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig gewesen. Der Inhalt des zur Feststellung gestellten Anspruchs wäre unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin und des unstreitigen Parteivorbringens nicht, wie nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlich (vgl. BAG 21. September 2011 – 5 AZR 520/10 – Rn. 14, BAGE 139, 190), bestimmbar gewesen. Es fehlte an jeglichen Angaben, auf welcher Grundlage die Höhe der beanspruchten Vergütung zu berechnen sei, welche Vergütungsbestandteile einzubeziehen seien und auf welchen Zeitpunkt, den der Leistung der Stunden oder den der Feststellung des Anspruchs, abzustellen sei.
B. Der erstmals in der Revisionsinstanz hilfsweise gestellte Zahlungsantrag ist unzulässig. Insoweit liegt eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung vor.
I. Ein neuer Klageantrag in der Revisionsinstanz erfordert, dass die klagende Partei Rechtsmittelführer ist. Andernfalls kommt eine Ausnahme von § 559 Abs. 1 ZPO – unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen – nicht in Betracht (BAG 28. Mai 2014 – 5 AZR 794/12 – Rn. 12). Allein die Einlegung der Revision oder Anschlussrevision eröffnet den Parteien die Möglichkeit, Sachanträge zu stellen. Ließe man eine Antragstellung außerhalb des eingelegten Rechtsmittels zu, würden die gesetzlichen Regelungen der Revision und Anschlussrevision umgangen. Dies gilt auch für die Einführung eines neuen Hilfsantrags.
II. Zudem stellt die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) und damit eine Klageänderung (§ 263 ZPO) dar.
1. Nach dem für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den dort gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt. Der Streitgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO, wenn der gestellte Antrag oder der ihm zugrunde liegende Lebenssachverhalt ein anderer wird (BAG 13. Dezember 2011 – 1 AZR 508/10 – Rn. 21; 26. Juni 2013 – 5 AZR 428/12 – Rn. 16).
Der Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 7. März 2016 betrifft einen anderen Streitgegenstand, denn der Klageantrag ist ein anderer. Zudem liegt diesem nicht nur der bisherige, sondern ein erweiterter und damit anderer Lebenssachverhalt zugrunde.
2. Die Klageänderung ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig.
a) Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch hinsichtlich der Anträge der Parteien die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO sowie dann zugelassen, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Partei durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden (BAG 26. Juni 2013 – 5 AZR 428/12 – Rn. 18; 15. Oktober 2013 – 9 AZR 855/12 – Rn. 18; 28. Mai 2014 – 5 AZR 794/12 – Rn. 14).
b) Im Streitfall ist – selbst wenn die Klägerin Anschlussrevision eingelegt hätte – eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 559 Abs. 1 ZPO nicht eröffnet. Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht lediglich ohne Änderung des Klagegrundes den Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt, sondern einen völlig neuen Antrag gestellt. Sie begehrt mit dem Hilfsantrag im Vergleich zum Feststellungsantrag nicht ein Mehr oder ein Weniger, sondern etwas anderes. Sie verlangt nunmehr, über Feststellungen zum Grund des Anspruchs hinaus, die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags. Das erfordert ein erweitertes Prüfprogramm. Während der Feststellungsantrag – seine Zulässigkeit unterstellt – die Prüfung verlangte, mit welchem Zeitfaktor die von der Klägerin geleisteten Betreuungsstunden zu bewerten sind, ist bei dem nunmehr gestellten Hilfsantrag zu prüfen, auf welcher Grundlage sich der geltend gemachte Zahlungsbetrag ergibt. Der Antrag kann sich nicht allein auf die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen stützen, sondern erfordert neuen Tatsachenvortrag zur Vergütung.
C. Der Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO abschließend entscheiden und der Revision des beklagten Landes mit der Maßgabe stattgeben, dass – soweit in der Revision noch von Bedeutung – die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Die Klägerin hat keine ordnungsgemäß begründete verfahrensrechtliche Gegenrüge erhoben. Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen die Pflicht aus § 139 Abs. 3 ZPO, auf die von Amts wegen zu berücksichtigende Unzulässigkeit des Klageantrags hinzuweisen, kann deshalb in der Revision nicht berücksichtigt werden, § 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO (BAG 19. Oktober 2010 – 6 AZR 120/10 – Rn. 24).
I. Die Klägerin war als Revisionsbeklagte nicht gehindert, wegen einer Verletzung der Hinweispflicht durch das Landesarbeitsgericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht eine auf § 139 Abs. 3 ZPO gestützte Verfahrensrüge („Gegenrüge”) zu erheben (vgl. BAG 28. September 2005 – 10 AZR 587/04 – zu III 3 a der Gründe; BGH 6. Oktober 2015 – KZR 87/13 – Rn. 39; Musielak/Voit/Ball 13. Aufl. ZPO § 551 Rn. 12; MüKoZPO/Krüger 4. Aufl. § 551 Rn. 20).
II. Sie hat jedoch keine ausreichend begründete verfahrensrechtliche Gegenrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO erhoben.
1. Besteht ein Verfahrensmangel darin, dass das Landesarbeitsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es der Hinweispflicht aus § 139 Abs. 3 ZPO nicht nachgekommen ist, muss konkret dargelegt werden, welchen Hinweis das Gericht hätte geben müssen und welche Reaktion auf einen entsprechenden Hinweis erfolgt wäre (BAG 18. September 2014 – 6 AZR 145/13 – Rn. 34). Wer die Verletzung des § 139 ZPO durch das Berufungsgericht rügt, muss im Einzelnen vortragen, was er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss vollständig nachgeholt und über die Rüge aus § 139 ZPO schlüssig gemacht werden. Hierzu ist vorzutragen, welcher tatsächliche Vortrag gehalten oder welche für die Entscheidung erheblichen rechtlichen Ausführungen gemacht worden wären (vgl. BAG 16. Dezember 2010 – 2 AZR 770/09 – Rn. 10; 16. Oktober 2013 – 10 AZR 9/13 – Rn. 46). Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das Urteil kausal war (BAG 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 32, BAGE 130, 119; 19. Oktober 2010 – 6 AZR 120/10 – Rn. 24).
2. Derartiger Vortrag der Klägerin ist nicht erfolgt. Die Rüge, die Vorinstanz habe nicht auf die mögliche Unbestimmtheit des Antrags und ein etwaig fehlendes Feststellungsinteresse hingewiesen, genügt nicht den Anforderungen an eine Verfahrensrüge. Welchen entscheidungserheblichen Vortrag die Klägerin bei einem Hinweis auf die Unzulässigkeit des Feststellungsantrags geleistet hätte, ist nicht dargelegt worden.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 98 Satz 2 ZPO.
Unterschriften
Müller-Glöge, Weber, Volk, Zoller, Bormann
Fundstellen
Haufe-Index 9482274 |
BAGE 2017, 337 |
BB 2016, 1588 |
DB 2016, 7 |