Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlung. Apothekenmitarbeiter. Entstehen des Anspruchs. Tarifbindung
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf die in § 18 BRTV geregelte Sonderzahlung entsteht nicht ratierlich für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat, sondern im Falle des Ausscheidens zu diesem Zeitpunkt und ist mit der Zahlung des letzten Gehalts fällig.
Orientierungssatz
1. Scheidet eine Apothekenmitarbeiterin im Laufe des Kalenderjahres aus, hat sie Anspruch auf 1/12 des als Sonderzahlung festgesetzten Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahres. Dieser Anspruch entsteht im Zeitpunkt des Ausscheidens und wird mit der Zahlung des letzten Gehalts fällig.
2. Tritt die Tarifbindung vor dem Zeitpunkt des Entstehens durch Beitritt zu einem der tarifschließenden Verbände ein, entsteht der Anspruch in voller Höhe. Tarifbindung während des Laufs des Kalenderjahres ist nicht gefordert.
Normenkette
Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV) § 18
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Dezember 2006 – 7 Sa 999/06 – teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 16. Juni 2006 – 2 Ca 188/06 – insoweit abgeändert, als der Klägerin mehr als 1.013,80 Euro brutto nebst Zinsen zugesprochen worden sind. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 2005.
Der Beklagte ist Inhaber einer Apotheke. Die Klägerin trat am 1. Oktober 2004 als pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte in seine Dienste. Sie bezog ein Gehalt von 1.492,80 Euro brutto bei einer Arbeitsverpflichtung von 38,5 Wochenstunden. Das entsprechende Tarifgehalt hätte 1.386,99 Euro brutto bei 39,5 Wochenstunden betragen.
Am 5. September 2005 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin, wie zuvor mündlich angekündigt, schriftlich zum 15. Oktober 2005. Am 24. September 2005 trat die Klägerin der Apothekengewerkschaft ADEXA bei. Der Beklagte war und ist Mitglied der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein.
Dieser Arbeitgeberverband und die Apothekengewerkschaft ADEXA schlossen am 2. November 2004 den Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV). § 18 regelt unter der Überschrift “Sonderzahlung” Folgendes:
“1. Jeder Mitarbeiter erhält jährlich eine Sonderzahlung in Höhe von 100 % seines tariflichen Monatsverdienstes. Bei Änderungen der Gehaltshöhe im Laufe des Kalenderjahres ist der tarifliche Jahresdurchschnitt zugrunde zu legen. Das gilt nicht für Änderungen durch Neufestsetzung des Tarifgehaltes oder Einstufung in eine andere Berufsjahrgruppe. Für Pharmaziepraktikanten errechnet sich die Sonderzahlung aus dem Durchschnitt der während des Ausbildungsverhältnisses tariflich vorgesehenen Ausbildungsvergütung.
2. Dem Apothekeninhaber bleibt die Festsetzung des Auszahlungszeitpunktes einschließlich Auszahlung in Teilbeträgen vorbehalten. Die Auszahlung erfolgt jedoch spätestens mit dem Novembergehalt.
3. Den vollen oder gekürzten Betrag nach Absatz 1 oder 6 erhalten alle Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis im Jahr der Auszahlung mindestens 12 Monate besteht. Bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 des vollen oder gekürzten Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat. Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt, besteht ein Anspruch in Höhe von 1/12 des vollen Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat. Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis nicht länger als 6 Monate besteht, haben keinen Anspruch auf Sonderzahlung. Hat ein Mitarbeiter Elternzeit (§§ 15, 16 BErzGG) erhalten, ermäßigt sich die Sonderzahlung um ein 1/12 für jeden vollen Monat der genommenen Zeit. Der Anspruch verringert sich ferner zeitanteilig für die Dauer eines unbezahlten Urlaubs sowie für krankheitsbedingte Fehlzeiten, für die nach § 9 Gehaltsfortzahlung nicht zu leisten ist. Ausscheidende Mitarbeiter haben Anspruch auf 1/12 des vollen oder gekürzten Betrages für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahres. In Abweichung von Absatz 2 ist die Zahlung mit dem letzten Gehalt zu leisten. Soweit ein ausscheidender Mitarbeiter zuviel erhalten hat, ist er zur Rückzahlung verpflichtet.
4. Soweit Ansprüche irgendwelcher Art von der Höhe des Arbeitsentgelts abhängig sind, werden Zahlungen nach § 18 nicht mitgerechnet.
5. Während des Kalenderjahres aufgrund betrieblicher, einseitig vom Apothekeninhaber festgelegter oder vereinbarter Regelungen bereits gezahlte oder noch zu zahlende Sondervergütungen, insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld, Gratifikationen, Jahresabschlussvergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen und dergleichen, können auf die Sonderzahlung nach § 18 angerechnet werden.
6. Der Apothekeninhaber ist für jedes Jahr berechtigt, die Sonderzahlung auf bis zu 50 % des tariflichen Monatsverdienstes zu kürzen, sofern sich dies dem Apothekeninhaber aus wirtschaftlichen Gründen als notwendig darstellt. Die Sonderzahlung ist nachträglich ungekürzt zu zahlen, sofern der Apothekenleiter binnen einer Frist von 6 Monaten nach der Zahlung eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht und mit Ausspruch der Kündigung zur Zahlung fällig. Die Frist beginnt mit dem Monat, in dem die Zahlung oder – bei Teilzahlungen – der letzte Teil der Zahlung bewirkt wurde.”
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe für das Kalenderjahr 2005 einen Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 9/12 ihres Gehalts. Diese Zahlung sei nach den tarifvertraglichen Vorschriften fällig bei ihrem Ausscheiden. Zu diesem Zeitpunkt sei sie tarifgebunden gewesen. Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.025,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Oktober 2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Klägerin erfülle die tariflichen Voraussetzungen nicht, da sie vom Zeitpunkt ihres Gewerkschaftsbeitritts am 24. September 2005 bis zu ihrem Ausscheiden am 15. Oktober 2005 weniger als einen vollen Kalendermonat bei ihm beschäftigt gewesen sei. Der Gewerkschaftsbeitritt wirke nicht zurück. Es handele sich um eine zeitanteilig entstandene Leistung, wobei der Fälligkeitszeitpunkt keine Rolle spiele. Jedenfalls sei die Leistung zu berechnen auf ein für die Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden umgerechnetes Tarifgehalt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war teilweise aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts insoweit zurückzuweisen, als es der Klägerin einen Betrag von 1.013,80 Euro brutto als Sonderzahlung zugesprochen hat. In Höhe des Differenzbetrags zu 1.025,24 Euro war die Revision zurückzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass zum Zeitpunkt des Gewerkschaftsbeitritts der Klägerin am 24. September 2005 und der damit eintretenden Tarifbindung die anteiligen Ansprüche auf Sonderleistung Monat für Monat bereits entstanden seien, so dass es keine Rolle spiele, dass sie erst bei Ausscheiden fällig geworden seien. Es handele sich bei der Leistung um ein echtes dreizehntes Monatsgehalt und nicht um eine Gratifikation mit Mischcharakter. Der Bestand an einem bestimmten Stichtag sei nicht Voraussetzung. Es gebe auch keine Rückzahlungsklausel. Auch der Umstand, dass für Zeiten ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt keine Sonderzahlung geleistet werde, spreche für eine echte arbeitsleistungsbezogene Vergütung. Dass im ersten halben Jahr der Beschäftigung kein Anspruch auf eine Sonderzahlung erworben werde, spreche nicht dagegen. Hierbei handele es sich um eine Parallele zu der im Arbeitsleben üblichen Gepflogenheit, dass nur kurzfristig beschäftigte Aushilfskräfte eine geringere Vergütung erhielten als eingearbeitete Stammkräfte. Da die Klägerin zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens am 15. Oktober 2005 noch keinen vollen Monat tarifgebunden beschäftigt gewesen sei, entfalle ein Anspruch.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Der Klägerin steht ein anteiliger Anspruch auf die Jahressonderzahlung von neun Zwölfteln des Tarifentgelts zu, das allerdings auf die vereinbarte Arbeitszeit von 38,5 im Verhältnis zur tariflichen Arbeitszeit von 39,5 Stunden umzurechnen war.
1. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Sonderzahlung hat. Weder ist eine solche ausdrücklich vereinbart, noch wird im Arbeitsvertrag auf den BRTV Bezug genommen. Andererseits kann der – unstreitig – arbeitsvertraglich vorgesehene Ausschluss einer Sonderzahlung für den Fall der Kündigung den Anspruch nicht hindern, wenn ein tarifvertraglicher Anspruch besteht. Dies ist der Fall.
2. Der Anspruch der Klägerin auf eine anteilige Jahressonderzahlung für das Jahr 2005 ergibt sich aus § 18 Abs. 3 Satz 7 BRTV.
a) Dem Landesarbeitsgericht ist insoweit zu folgen, als ein Anspruch nur dann bestehen kann, wenn er nach dem 24. September 2005, dem Zeitpunkt des Gewerkschaftsbeitritts der Klägerin, entstanden ist. Die Wirkungen eines Tarifvertrags erwachsen erst mit dem Beitritt zu einem der vertragsschließenden Verbände (Däubler/Lorenz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 19; Wiedemann/Oetker 7. Aufl. § 3 TVG Rn. 130; Oetker in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 6 Rn. 24). Es kommt nicht darauf an, wann der Anspruch fällig geworden ist, sondern wann er entstanden ist. Hätten die Arbeitsvertragsparteien beispielsweise eine untertarifliche Monatsvergütung vereinbart, so hätte die Klägerin erst ab dem Zeitpunkt ihrer Tarifgebundenheit Anspruch auf die höhere tarifliche Vergütung. Entsteht der Anspruch hingegen erst nach Eintritt der Tarifgebundenheit, ist er zu erfüllen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Eine Rückwirkung der Tarifgebundenheit auf einen Zeitpunkt vor Beginn der Gewerkschaftsmitgliedschaft kommt nicht in Betracht (vgl. BAG 22. November 2000 – 4 AZR 688/99 – AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 20 = EzA TVG § 3 Nr. 20). Auf eine solche Rückwirkung beruft sich die Klägerin aber auch nicht.
b) Welchen Charakter die Sonderleistung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis hat, ist durch Auslegung zu ermitteln.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. zB BAG 19. Januar 2000 – 4 AZR 814/98 – BAGE 93, 229, zu 3a der Gründe).
bb) Danach ergibt sich, dass die Sonderleistung für ausscheidende Mitarbeiter erst im Zeitpunkt des Ausscheidens entsteht. Sie entsteht nicht anteilig Monat für Monat.
(1) Zunächst spricht bereits der Wortlaut der Grundregel in § 18 Abs. 1 BRTV, wonach jeder Mitarbeiter “jährlich” eine Sonderzahlung erhält, dafür, dass es sich um eine einmalig entstehende Leistung handelt. Dafür spricht auch der Wortlaut des § 18 Abs. 2 BRTV, der dem Apothekeninhaber die Auszahlung in “Teilbeträgen” ermöglicht, also Anteilen einer grundsätzlich einheitlichen, ganzen Leistung. Ein Hinweis auf einen Zeitraum – etwa monatlich entstandene Ansprüche – findet sich nicht. Diese Vorschrift regelt damit nicht das Entstehen von ratierlichen Ansprüchen, sondern lässt dem Arbeitgeber Raum, den Zeitpunkt der Auszahlung teilweise vorzuverlegen, regelt also eine mögliche Vorfälligkeit. Der späteste Fälligkeitszeitpunkt wird sodann mit der Auszahlung des Novembergehalts festgelegt. Auch die Regeln, wonach sich der Anspruch unter den in § 18 Abs. 3 S. 5 und 6 BRTV genannten Voraussetzungen “ermäßigt” bzw. “verringert”, sprechen eher für eine grundsätzlich einheitlich entstehende Sonderzahlung.
(2) Weiterhin lassen auch die Regeln zur Höhe der Sonderzahlung in § 18 Abs. 1 BRTV auf das Entstehen eines einheitlichen Anspruchs schließen. Danach ist bei Änderungen der Gehaltshöhe im Laufe des Kalenderjahres der tarifliche Jahresdurchschnitt zugrunde zu legen und dies gilt nicht für Änderungen durch Neufestsetzung des Tarifgehalts oder bei Einstufung in eine andere Berufsjahresgruppe. Eine Durchschnittsberechnung ist nur dann möglich, wenn es sich um eine einheitlich zu berechnende Leistung handelt. Anderenfalls würde sich die Höhe unmittelbar aus den Verhältnissen der jeweiligen Monate ergeben, in denen der Anspruch entstanden ist. Tarifentgelterhöhungen sollen sich hingegen auf den gesamten “jährlich” entstehenden Anspruch auswirken.
(3) Zwar ist dem Landesarbeitsgericht insoweit zu folgen, als ein wesentlicher Zweck der Leistung darin besteht, tatsächlich geleistete Arbeit zusätzlich zu honorieren. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 3 Satz 2 BRTV, wonach bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit als den in Abs. 1 geforderten zwölf Monaten ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel des vollen oder gekürzten Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat besteht, also lediglich die Erfüllung der Arbeitsleistung Voraussetzung für einen anteiligen Anspruch ist ebenso wie dies die Nichtberücksichtigung nicht entgeltfortzahlungsverpflichtender Zeiten anzeigt.
Dass aber nicht ausschließlich geleistete Arbeit mit der Sonderzahlung vergütet werden soll, folgt aus § 18 Abs. 3 Satz 4 BRTV, wonach Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis nicht länger als sechs Monate besteht, keinen Anspruch auf Sonderzahlung haben. Damit wird ein gewisses Maß an Betriebstreue verlangt, um den Anspruch entstehen zu lassen und damit ein weiter gehender Zweck verfolgt als die bloße Honorierung geleisteter Arbeit. Trotz der Quotelungsregel in § 18 Abs. 3 Satz 2 BRTV würden Mitarbeiter, die nach fünf Monaten ausscheiden, keinen Anspruch erwerben, obwohl sie tatsächlich gearbeitet haben. Es kann sich dabei nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, lediglich um eine Parallele zu einer im Arbeitsleben üblichen Gepflogenheit handeln, dass nur kurzfristig beschäftigte Aushilfskräfte eine geringere Vergütung erhalten als eingearbeitete Stammkräfte. Die Regelung bezieht sich nicht auf Aushilfskräfte, sondern erfasst auch auf Dauer angestellte Kräfte, die aber – aus welchen Gründen auch immer – vor Ablauf von sechs Monaten ausscheiden. Im Übrigen verstieße ein solches Verständnis auch gegen das Diskriminierungsverbot Teilzeitbeschäftigter.
Auch § 18 Abs. 4 BRTV spricht dafür, dass die Sonderzahlung nicht eine pro-rata-temporis erworbene Entgeltleistung ist, denn Zahlungen nach § 18 sollen bei solchen Ansprüchen nicht mitgerechnet werden, die von der Höhe des Arbeitsentgelts abhängig sind. Dies sind zB die in § 11 Abs. 9 BRTV geregelte Urlaubsvergütung, der in § 12 BRTV geregelte Bildungsurlaub unter Fortzahlung des Gehalts und die in § 17 Abs. 7 BRTV behandelte Vergütung bei Schulungen. Dies ist für einen rein arbeitsleistungsbezogenen Entgeltanspruch eher untypisch. Weiterhin kann die Leistung nach § 18 Abs. 5 BRTV anrechenbar sein auf sonstige Sondervergütungen, deren genannte Beispiele sämtlich einmaligen Charakter haben.
(4) Schließlich folgt dieses Auslegungsergebnis auch aus § 18 Abs. 3 BRTV. Diese Vorschrift enthält Regelungen für ausscheidende Mitarbeiter.
§ 18 Abs. 3 Satz 3 BRTV regelt allerdings bezüglich betriebsbedingt ausgesprochener Kündigungen lediglich die Höhe des Anspruchs. In § 18 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BRTV ist jeweils die Rede davon, dass die Arbeitnehmer unter den genannten Voraussetzungen den “vollen oder gekürzten” Betrag erhalten sollen. Wird das Arbeitsverhältnis aber betriebsbedingt gekündigt, besteht ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel des “vollen” Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat. Das bedeutet, dass in solchen Fällen der Arbeitgeber keinen Gebrauch von der Kürzungsmöglichkeit in Abs. 6 machen darf. Andernfalls wäre auch das Verhältnis zu Satz 7 nicht erklärlich, wonach ausscheidende Mitarbeiter einen Anspruch auf ein Zwölftel des vollen oder gekürzten Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahrs haben.
Die Klägerin kann sich jedenfalls unabhängig vom Grund der Kündigung auf § 18 Abs. 3 Satz 7 BRTV berufen. Darin ist nicht die Fälligkeit bereits entstandener Ansprüche geregelt, sondern ebenfalls das Entstehen des Anspruchs selbst. Der Fall des Ausscheidens wird gesondert erwähnt, wobei bereits Abs. 3 Satz 2 bestimmt, dass bei einer geringeren Betriebszugehörigkeit als zwölf Monaten ein Anspruch in Höhe von einem Zwölftel des vollen oder gekürzten Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat besteht. Schon diese Vorschrift erfasst ausscheidende Mitarbeiter ohne weiteres. In Satz 7 ist nicht gefordert, dass ausscheidende Mitarbeiter einen Anspruch auf ein Zwölftel des vollen oder gekürzten Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahrs haben, in dem Tarifbindung bestand.
Die Klägerin ist erst ausgeschieden, als sie bereits tarifgebunden war. Danach hat sie Anspruch auf ein Zwölftel des vollen Betrags für jeden vollendeten Beschäftigungsmonat des laufenden Kalenderjahrs 2005. Von der Kürzungsmöglichkeit des Absatzes 6 hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht.
3. Die Höhe des Anspruchs ist, wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, auf die tarifliche Vergütung beschränkt. Diese beträgt 1.386,99 Euro bei 39,5 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit. Da die Klägerin nur zu 38,5 Stunden wöchentlich beschäftigt war, ergibt sich ein hierauf entfallender Jahresbetrag von 1.351,74 Euro, von dem neun Zwölftel 1.013,80 Euro betragen.
III. Dem Beklagten sind die gesamten Kosten der Berufung und der Revision aufzuerlegen, weil die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig ist und keine besonderen Kosten verursacht hat (§ 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Schwitzer, Mehnert
Fundstellen
Haufe-Index 2005394 |
BAGE 2009, 301 |